Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Okt. 2015 - M 16 K 13.30527

published on 20/10/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Okt. 2015 - M 16 K 13.30527
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Juni 2013 wird in Nr. 2 und Nr. 3 aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) zuzuerkennen.

III.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.

Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

V.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volkszugehörigkeit.

Mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom ... Juni 2005 wurde sein Asylantrag abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 14. April 2013 erneut ins Bundesgebiet eingereist. Am 18. April 2013 beantragte er die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens verbunden mit dem Antrag, das Verfahren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wiederaufzugreifen. Er berief sich insoweit auf gesundheitliche Probleme und eine landesweite Fahndung nach seiner Person innerhalb der Russischen Föderation.

Mit Bescheid vom ... Juni 2013, zugestellt am 6. Juni 2013, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2, Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat wurde angedroht (Nr. 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich um einen Folgeantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfüllt seien. Dies sei aber nicht der Fall. Allein die Vorlage eines nichtautorisierten Dokuments beweise nicht, dass der Kläger tatsächlich in landesweiter Fahndung stehe. Eine neue Sachlage liege daher nicht vor. Der erneute Antrag auf Feststellung subsidiären Schutzes werde als Neuantrag geprüft. Es lägen aber weder die Voraussetzungen für europarechtliche noch für nationale Abschiebungsverbote vor. Insbesondere sei mit den vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden kein Abschiebeverbot zu begründen.

Am 12. Juni 2013 haben die Bevollmächtigten des Klägers Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, es lägen neue Beweismittel vor. Der Kläger habe schlüssig vorgetragen, dass ein Fahndungsaufruf der russisch-föderalen Strafverfolgungsorgane gegen ihn vorliege. Er habe dem Bundesamt einen Computerausdruck vorgelegt, den er von seinem Onkel, der bei der Polizei in ... tätig sei, erhalten habe. Zwar handle es sich um ein nicht autorisiertes Dokument, es sei aber nachvollziehbar, dass ein derartiger Fahndungsaufruf nicht offiziell in die Hände des Klägers gelangt sein könne, wenn gegen ihn tatsächlich Verfolgungsmaßnahmen stattfänden. Zudem habe der Kläger bei einer Internetrecherche vor einigen Tagen selbst festgestellt, dass er zur föderationsweiten Fahndung ausgeschrieben sei. Der Kläger könne keine Originaldokumente vorlegen und befände sich in einem asylrechtlich typischen Beweisnotstand. Darüber hinaus habe er wegen schwerer Schussverletzungen aus dem Tschetschenienkrieg vor 2004 ernsthafte körperliche und psychische Beschwerden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... Juni 2013 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen,

hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1, § 60 Abs. 2 AufenthG zukommt und weiter hilfsweise festzustellen, dass der Kläger nicht nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgeschoben werden darf.

Die Beklagte hat vorgetragen, die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Unterlagen seien ohne Beweiskraft. Solche Dokumente könne jeder am PC selbst erstellen. Es werde angeregt, durch eine amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes zu ermitteln, ob und aus welchem Grund nach dem Kläger gefahndet werde.

Mit Beschluss vom 22. August 2013 (M 16 S 13.30528) hat das Gericht einen Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Der Beschluss wurde mit Beschluss vom 6. Februar 2014 (M 16 S7 13.31372) dahingehend abgeändert, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid angeordnet wurde.

Mit Beschluss der Kammer vom 24. Februar 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 18. März 2014 hat das Gericht durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amts Beweis erhoben über die Frage, ob und ggf. weshalb nach dem Kläger innerhalb der Russischen Föderation landesweit gefahndet wird.

Das Auswärtige Amt hat mit Schreiben vom 25. November 2014 mitgeteilt, dass zur Anfrage des Gerichts trotz intensivster Bemühungen bisher keine Erkenntnisse zu den angesprochenen Fragen zu erlangen sei. Asylfragen mit Auskunftsersuchen zu tschetschenischen Volkzugehörigen bzw. Hintergrundfragen mit Verbindung zu Tschetschenen könnten derzeit durch das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Moskau nicht erfolgreich bearbeitet werden. Nach aktueller Einschätzung der Botschaft sei auch in näherer Zukunft kein Antworteingang der angefragten Quellen zu erwarten.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2015 hat das Gericht den Beweisbeschluss aufgehoben.

In der Folgezeit haben die Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind. Denn der Kläger hat jedenfalls keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylVfG).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylVfG setzt voraus, dass der Ausländer Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3b Abs. 1 AsylVfG) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a AsylVfG) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2b AsylVfG).

Als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylVfG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3a Abs. 2 AsylVfG nennt bespielhaft mögliche Verfolgungshandlungen. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG muss zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b AsylVfG und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.

Dem Schutzsuchenden obliegt es, von sich aus umfassend die Gründe für das Verlassen seiner Heimat schlüssig unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen. Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1983 - 9 C 68/81 - juris Rn. 5).

Maßgebend ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 19). Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013, a. a. O., Rn. 32 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben besteht für den Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, bei seiner Rückkehr in die Russische Föderation Verfolgungshandlungen i. S. v. § 3a AsylVfG ausgesetzt zu sein. Der Kläger hat sich darauf berufen, landesweit zur Fahndung ausgeschrieben zu sein, weil er sich in den Jahren 2000 bis 2002 den Partisanen angeschlossen habe. Dieses Vorbringen ist nicht glaubhaft. Seine Angaben im vorliegenden Verfahren sind insoweit ähnlich unsubstantiiert, vage und detailarm wie schon in seinem ersten Asylverfahren, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger sich tatsächlich aktiv in dieser Weise engagiert hat und er aus den vorgegebenen Gründen einem politisch motivierten Verfolgungsdruck seitens der Behörden der Russischen Föderation ausgesetzt ist.

Der Kläger hat aber Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG. Über diesen Streitgegenstand wurde nicht bereits im ersten Asylverfahren des Klägers, das vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 abgeschlossen wurde, unanfechtbar entschieden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - juris). Zu Recht ist die Beklagte deshalb auch davon ausgegangen, dass es sich insoweit nicht um ein Folgeverfahren handelt und es nicht darauf ankommt, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorliegen.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei als ernsthafter Schaden u. a. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung gilt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

Auch wenn derzeit eine Klärung durch das Auswärtige Amt nicht möglich ist, hält es das Gericht für beachtlich wahrscheinlich, dass nach dem Kläger in der Russischen Föderation landesweit gefahndet wird. Nach Überzeugung des Gerichts dürfte diese Fahndung aber nicht - wie vom Kläger angegeben - politisch motiviert sein, sondern allein der Strafverfolgung dienen. Das Gericht hält es nach dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnenen Eindruck für glaubhaft, dass er selbst im Besitz von Waffen war und sich einer bewaffneten Gruppe - allerdings nicht mit politischem Hintergrund - angeschlossen hat. Dies würde auch mit dem im Fahndungsaufruf genannten Delikt des Art. 209 des russischen Strafgesetzbuchs (Banditentum, vgl. Stellungnahme von Amnesty International an das OVG LSA vom 27.2.2012 im Verfahren 2 L 68/10, S.3) übereinstimmen. Nach dem vom Bundesamt vorgelegten Auszug aus dem Bundeszentralregister ist der Kläger auch bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet im Jahr 2005 mehrfach wegen Diebstahls bzw. Diebstahls mit Waffen verurteilt worden. Möglicherweise stehen die vom Kläger begangenen Straftaten in Zusammenhang mit seiner schweren chronifizierten Suchterkrankung, die durch die vorgelegten ärztlichen Atteste der Substitutionsambulanz des Klinikums ... bestätigt wurde.

Ist der Kläger aber strafrechtlichen Ermittlungen der russischen Behörden ausgesetzt, droht ihm bei einer Rückführung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verhaftung mit anschließender Untersuchungshaft, zumal nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation vom 15. Oktober 2014 (Stand: August 2014, S. 25) abgeschobene Tschetschenen - solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind - besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren.

Maßnahmen in der Haft können den Tatbestand der Folter erfüllen und Haftbedingungen sowie andere Umstände des Haftvollzugs wie etwa Art und Weise der Ernährung, Dichte der Zellenbelegung, medizinische Versorgung, sanitäre und hygienische Verhältnisse können erniedrigende und unmenschliche Formen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG annehmen. Die vom Kläger zu erwartenden Bedingungen in der Untersuchungshaft erfüllen diese Voraussetzungen. Nach dem genannten Lagebericht des Auswärtigen Amtes sind Misshandlungen durch Polizei und Sicherheitskräfte weiterhin verbreitet. Die Lage in russischen Gefängnissen ist unbefriedigend (vgl. Lagebericht, S. 5). Folter ist zwar gesetzlich verboten. Der bisherige Menschenrechtsbeauftragte Lukin habe aber in seinem im Frühjahr 2013 veröffentlichten Jahresbericht erneut Vorfälle von Folter in den russischen Gefängnissen kritisiert. Nichtregierungsorganisationen wie „Amnesty International“ oder das russische „Komitee gegen Folter“ sprächen davon, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft weiterhin zu Folter und grausamer und erniedrigender Behandlung durch die Polizei und Ermittlungsbehörden komme. Auch das Antifolterkomitee des Europarats habe in seinem Bericht vom Frühjahr 2012 Fälle von Folter dokumentiert (vgl. Lagebericht, S. 21). Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich, das Essen einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Besonders schlecht ist die Lage der Untersuchungshäftlinge. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen und viel geringerem Schutz gegenüber ungerechten Behandlungen. In Einzelfällen wird die Untersuchungshaft über Jahre verlängert (vgl. Lagebericht, S. 22).

Die vom Kläger begangenen Straftaten stehen der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht entgegen. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG ein Ausländer von der Zuerkennung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, solche Personen von der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auszunehmen, die als dieses Schutzes unwürdig anzusehen sind (vgl. BayVGH, U.v. 20.3.2013 - 19 BV 11.288 - juris Rn. 55 unter Hinweis auf EuGH, U. v. 9.11.2010 - C 57/09 - juris). Hiervon ist auszugehen, wenn die begangene Straftat im Ergebnis den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit berührt, wobei die Einstufung als Verbrechen für sich allein noch nicht ausreicht. Unwürdigkeit kann etwa bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag, daneben aber auch bei Raub und Kindesmissbrauch, Entführung, schwere Körperverletzung und Drogenhandel anzunehmen sein. Allerdings darf dabei der in den Strafvorschriften jeweils enthaltene Strafrahmen nicht unberücksichtigt bleiben. Ist dieser weit und schöpft der Strafrichter ihn aufgrund der konkreten Umstände des Falles nur in geringem Umfang aus, kann nicht von einer schweren Straftat ausgegangen werden (vgl. OVG Bremen, U.v. 10.5.2011 - 1 A 306/10 - juris Rn. 112).

Über die vom Kläger möglicherweise in der Russischen Föderation begangenen Straftaten gibt es über die von ihm selbst eingeräumte illegale Bewaffnung hinaus keine Erkenntnisse. Die im Bundeszentralregisterauszug vom 25. Juni 2013 enthaltenen lediglich mit Geldstrafen bzw. Freiheitsstrafe von drei Monaten geahndeten Diebstahlsdelikte sind nicht als den subsidiären Schutz ausschließende schwere Straftaten anzusehen.

Auf die vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen, insbesondere das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.

Da der Kläger nicht in die Russische Föderation abgeschoben werden darf (§ 60 Abs. 2 AufenthG), war auch die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 26/07/2012 00:00

Tatbestand 1 Der am (…) 1978 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Am 04.11.2002 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung
published on 08/09/2011 00:00

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2
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published on 06/02/2014 00:00

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. August 2013 (M 16 S 13.30528) wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.