Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Juli 2015 - M 12 K 15.50489

published on 15/07/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Juli 2015 - M 12 K 15.50489
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten,

Tatbestand

Die Kläger begehren Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Ungarn im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Die Kläger - ein Ehepaar mit einer im Jahr 2008 geborenen Tochter - sind eigenen Angaben zufolge afghanische Staatsangehörige. Sie reisten am 3. November 2014 ins Bundesgebiet ein und stellten am 29. Januar 2015 einen Asylantrag. Sie gaben bei der Anhörung des Bundesamtes an, sich auf der Reise im Iran (Juli 2014), der Türkei (40 bis 45 Tage), in Griechenland (5-6 Tage), in Mazedonien (26/27 Tage), in Serbien und Ungarn (5-6 Tage) aufgehalten zu haben. In Griechenland und Ungarn seien ihre Fingerabdrücke abgenommen worden (Bl. 6 der Behördenakte).

Es ergaben sich EURODAC-Treffer für Ungarn (Klägerin zu 2: HU1...; Bl. 55 und Kläger zu 1: HU1...; Bl. 57 der Behördenakte) und für Griechenland (Kläger zu 1: GR2...; Bl. 56 der Behördenakte).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 26. Februar 2014 (Bl. 64 der Behördenakte) hat Ungarn am 20. April 2015 der Übernahme der Kläger zu 1 und 2 zugestimmt. Darin ist ausgeführt, dass die Familie in Ungarn am 26. September 2014 einen Asylantrag gestellt hat (Bl. 77 und 79 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages für die Bearbeitung gem. Art. 18 Abs. 1 b Dublin III VO zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am .... Mai 2015 erhob der Prozessbevollmächtigte der Kläger gegen den Bescheid vom 12. Mai 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

I.

Den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2015 aufzuheben und

II.

die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren der Kläger in eigener Zuständigkeit durchzuführen.

Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Klage wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Asylsystem in Ungarn weise systemische Mängel auf. Zahlreiche Gerichte hätten dies festgestellt. Die Kläger seien eine besonders schutzwürdige Personengruppe.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Das Gericht ordnete mit Beschluss vom 12. Juni 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage an (M 12 S 15.50490).

Mit Schreiben vom .... Juni 2015 verzichteten der Prozessbevollmächtigte und die Beklagte auf mündliche Verhandlung.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Verwaltungsstreitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten darauf schriftlich verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist hinsichtlich des Antrags I. zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2015 ist rechtswidrig und die Kläger sind dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Hinsichtlich des Klageantrags II. ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Mit Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides bleibt der Asylantrag beim Bundesamt anhängig und muss mit rechtsmittelfähigem Bescheid verbeschieden werden. Einer Verpflichtung der Behörde dazu bedarf es nicht.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2015 ist rechtswidrig.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31; Dublin III VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung. Die Kläger haben am 29. Januar 2015 in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt.

Für die Kläger haben sich u. a. EURODAC-Treffer für Ungarn ergeben. Die Ziffer „1“ im EURODAC-Treffer steht für Personen, die in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 4 EURODAC-VO, Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der VO (EG) Nr. 407/2002 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) Nr. 2725/2000 (EURODAC-VO).

Für die Prüfung des Asylantrags der Kläger ist gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO Ungarn zuständig. Die Kläger sind nach eigenen Angaben nach Ungarn eingereist (Bl. 6 der Behördenakte) und haben dort - nach Angaben der ungarischen Behörden im Schreiben vom 20. April 2015 - am 26. September 2014 einen Asylantrag gestellt (Bl. 77 und 79 der Behördenakte).

Die nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III VO zuständige ungarische Behörde hat dem Wiederaufnahmegesuch ausdrücklich gem. Art. 18 Abs. 1 b Dublin III VO zugestimmt.

Es liegen aber Umstände vor, die die Zuständigkeit Ungarns in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen lassen.

Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Abl. C 83/389 v. 30. März 2010, des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S.559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S.685 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. Oktober 2010 (BGBl. II S.1198) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt.

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011 - C - 411/10 und C - 493/10, NVwZ 2012, S.417 und juris; U. v. 14. November 2013 - C - 4/11, NVwZ 2014, S.129 und juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, U. v. 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 und 2315/93, BverfGE 94, Seite 49 = NJW 1996, S,1665 und juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedsstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedsstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011, a. a. O.; U. v. 14. November 2013,a. a. O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedsstaat als für die Prüfung des Asylantrags bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedsstaat selbst prüfen (EuGH, U. v. 21: Dezember 2011, a. a. O.; U. v. 14. November 2013, a. a. O.).

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21. Februar 2014 - 10 A 10656 - juris).

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR- Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABl. C 303/17 v. 14. Dezember 2007) i. V. m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV v. 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S.1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (Abl. C 306, S.1, ber. Abl. 2008 C 111, S. 56 und Abl.2009 C 290, S.1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 21. Januar 2011 - 30696/09, EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder seelische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt oder fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu treffen.

Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insb. von der Dauer der Behandlung und ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Art. 3 EMRK kann allerdings nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, U. v. 21. Januar 2011, a. a. O.; B. v. 2. April 2013 - 27725/10 -Mohammed Hussein u. a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, S.336 und juris).

Gleichwohl sind die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2014 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie - (Abl. L 180 S. 96) genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Asylsuchende werden in einem Mitgliedsstaat unmenschlich oder erniedrigend behandelt, wenn ihnen nicht die Leistungen der Daseinsvorsorge gewährt werden, die ihnen nach der Aufnahmerichtlinie zustehen. Ihnen müssen während der Dauer des Asylverfahrens die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, mit denen sie die elementaren Bedürfnisse (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) in zumutbarer Weise befriedigen können. Als Maßstab sind die Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie mit den dort geregelten zeitlich beschränkten Einschränkungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Unterbringungsengpässen und der Verpflichtung, auch in diesen Fällen die Grundbedürfnisse zu decken, heranzuziehen (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. März 2014 - 1 a 21/12.A, juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. April 2014 - A 11 S 1721/13, InfAuslR 2014, 293 und juris).

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19. März 2014 - 10 B 6.14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 16. April 2014, a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. März 2014, a. a. O., OVG Sachsen-Anhalt, B. v.14. November 2013 - 4 L 44/13 - juris; BVerwG, U v. 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 - juris).

Der Mitgliedsstaat, der die Überstellung des Asylsuchenden vornehmen muss, ist im Fall der Widerlegung der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GFK und der EMRK steht, verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nach Überzeugung des Gerichts die Abschiebung von (kleinen) Kindern nach Ungarn wegen systemischer Mängel rechtswidrig. Heranzuziehen sind dabei diejenigen Umstände, die auf die Situation der Kläger zutreffen, vorliegend also die Situation einer dreiköpfigen Familie mit einem sechsjährigen Kind, die vor ihrer Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt hat und nunmehr im Rahmen des sog. Dublin-Systems überstellt werden soll (OVG NRW, U. v. 7. 3. 2014 - 1 A 21/(12 - juris, Rn.130). Maßgeblich ist insoweit das in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 gültige Asylrechtssystem, das umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern vorsieht (siehe UNHCR, Auskunft an das VG Düsseldorf v. 30. 9. 2014 zum Verfahren 13 K 501/14.A, zu Frage 3, Satz 2, abrufbar unter http://www.frnrw.de/index.php/inhaltliche-themen/eu-fluechtlingspolitik/dublin-iii/item/3952-unhcr-stellungnahme-zur-inhaftierung-von-dublin-rueckkehrern-in-ungarn sowie in der Datenbank MILO des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge).

Grundsätzlich sieht das Gericht in der Tatsache, dass Asylbewerber in Ungarn inhaftiert werden können, keinen systemischen Mangel. Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3. 7. 2014 - 71932/12 - UA Rn.68 ff.; U. v. 6. 6. 2013 - 2283/12 - Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (VGH BW, B. v. 6. 8. 2013 - 12 S 675/13 - juris Rn.4; OVG LSA, B. v. 31. 5. 2013 - 4 L 169/12 - juris Rn. 23; VG Würzburg, B. v. 2. 1. 2015 - W 1 S 14.50120 - juris, Rn.28 ff., VG Düsseldorf, B. v. 2. 9. 2014 - 6 L 1235/14.A - juris, Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 26. 6. 2014 - M 24 S 14. 50325 - juris Rn.31 ff., VG Düsseldorf, B. v. 27. 8. 2014 - 14 L 1786/14.A - juris, Rn. 24 ff; VG Augsburg, B. v. 21. 1. 2015, Au 2 S 14.50360 - juris, Rn. 19 ff.; VG Regensburg, U. v. 5. 12. 2014, RN 6 K 14.50089 - juris, Rn. 24 ff.; VG Bayreuth, B. v. 13.1.2015 - B 3 S 14.50129 - juris, Rn. 14 ff.; VG Augsburg, B. v. 26. 1. 2015 - Au 7 S 15.50015 - juris, Rn. 21 ff.; VG Regensburg, B. v. 4. 2. 2015 - RO 1 S 15.50021 - juris, Rn. 24 ff.; BayVGH, B. v. 12. 6. 2015 -13a ZB 15.50097 u. viele andere).

Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kläger als Familie mit einem kleinen Kind eine besonders schutzwürdige Personengruppe sind. Von der Praxis der Inhaftierung sind nach neuesten Erkenntnissen, anders als offenbar früher, auch Familien betroffen. Die Inhaftierung von Familien mit Kindern ist nach ungarischem Recht für bis zu 30 Tage möglich und von dieser Möglichkeit wird seit September 2014 verstärkt - bzw. nach Angaben des UNHCR - routinemäßig und ohne Einzelfallprüfung Gebrauch gemacht (vgl. die Stellungnahme des UNHCR gegenüber dem ungarischen Innenministerium vom 7. Januar 2015 „UNHCR comments and recommandations on the draft modification of certain migration, asylum related and other legal acts for the purpose of legal harmonization”, S. 16, abrufbar unter http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/recources/lega-documents/unhcr-views-on-central-europes-national-asylum-laws/unhcr-comments-and-recommendations-to-draft-legal-amendmenst.html).

Auch Angaben des Auswärtigen Amts lässt sich entnehmen, dass Familien mit Kindern bis zu 30 Tagen in Haft genommen werden (Auskunft an das VG Düsseldorf v. 19. 11. 2014 zum Verfahren 13 K 501/14.A, abrufbar in MILO).

Nach den Feststellungen im AIDA-Bericht vom 17. 2. 1015, Seite 61 werden inhaftierte Familien vor allem Unterkünften in Bekescsaba und Debrecen zugewiesen. Diese Einrichtungen seien aber nicht zur Inhaftierung von Familien geeignet, insb. nicht zur Unterbringung und dem Aufenthalt von Kindern. In Bekescsaba werden inhaftierte Asylbewerber auf dem Weg von der Haftanstalt zum Gericht zu Anhörungszwecken oder auf anderen Wegen (z. B. Besuch im Krankenhaus) mit Handschellen gefesselt und an einer Leine geführt (Asylum Information Database v. 30. April 2014, aida, C.). Den in Asylhaft untergebrachten Kindern würden keine sozialen oder erzieherischen Aktivitäten angeboten. Mit Schlagstöcken und Handschellen ausgerüstete Sicherheitskräfte würden auf die Kinder einschüchternd wirken (M 16 K 14.50044).

Angesichts dieser das ungarische Asylsystem prägenden Umstände liegt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR der Schluss nahe, dass die Inhaftierung von Kindern zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK führen würde und folglich insoweit systemische Schwachstellen bestehen. Denn die Betroffenen haben insb. aufgrund ihres Alters, ihrer Abhängigkeit und ihres Status als Asylsuchende spezielle Bedürfnisse, denen Rechnung getragen werden muss (Urteil des EGMR v. 19. 1. 2012 - Nrn.39472/07und 39474/07 - in der Sache Popov/Frankreich, in dem eine 15-tägige Inhaftierung von Kleinkindern in Frankreich angesichts der Haftbedingungen (Polizeipräsens, Angst vor Abschiebung, Spannungen unter den Insassen, kein kindgerechtes Mobiliar)) als Verstoß gegen Art. 3 EMRK gewertet wurde.

Deswegen ist der Bescheid bezüglich der Unzulässigkeit des Asylantrags und der Abschiebung der Klägerin zu 3 rechtswidrig. Diese Bewertung erstreckt sich zugleich auf die Eltern, die Kläger zu 1 und 2. Denn eine Trennung der Familieneinheit wäre gem. Art. 20 Abs. 3 Dublin III VO und gemessen an dem in Art. 6 GG und 8 EMRK verbürgten Schutz der Familie unzulässig. Ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ist bei der Prüfung einer auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG beruhenden Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen (OVG Niedersachsen, B. v. 2. 5. 2012 -13 MC 22/12 - juris, Rn.27).

Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Kosten bezüglich des Klageantrag zu II. sind im Verhältnis zum Klageantrag I. unbedeutend, so dass die Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen sind und die Kosten insgesamt der Beklagten aufzuerlegen waren, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung g
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Annotations

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.