Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Mai 2018 - M 11 K 16.5648

published on 17/05/2018 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Mai 2018 - M 11 K 16.5648
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Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine Rückbauanordnung und eine Beseitigungsanordnung.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem im Jahr 1970 errichteten Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Im Norden und Osten grenzt Wohnbebauung, im Westen eine innerörtliche Freifläche an. Unmittelbar südlich grenzt das Grundstück FlNr. … an. Hierbei handelt es sich um ein ca. 3.000 Quadratmeter großes Grundstück, das von einem Tiefbauunternehmen gewerblich genutzt wird. Das Grundstück ist im westlichen Bereich mit einer Maschinen- und Werkstatthalle mit einer Grundfläche von ca. 400 Quadratmetern bebaut, die zur Wartung, Instandsetzung und Reparatur von Baufahrzeugen genutzt wird. Zudem wird der Bereich vor der Gewerbehalle sowie auch der Bereich unmittelbar an der Grenze zum klägerischen Grundstück als Lagerplatz für Baumaterialien genutzt. Ein Bebauungsplan existiert für den genannten Bereich nicht.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2010 wurde den Klägern eine Baugenehmigung zum Um- und Ausbau des Wohngebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück erteilt. Mit dieser Baugenehmigung wurde neben der Schaffung einer separaten Wohneinheit im Dachgeschoss ein Anbau an die südliche Bestandsgrenzgarage von ca. 3,26 m x 3,25 m und einer Nettogrundfläche von 8,22 Quadratmetern genehmigt und zudem unter Nr. 2.5 die Anlage von vier Kfz-Stellplätzen auferlegt. Gegen diese Nebenbestimmung wurde keine Klage erhoben.

Bei einer Baukontrolle am 25. April 2016 wurde festgestellt, dass die Bestandsgarage über das genehmigte Maß einer Höhe von 2,95 m hinaus erhöht worden sei und sie nun eine Wandhöhe von 4,00 m bis 4,05 m aufweise. Der mit Bescheid vom 3. Mai 2010 genehmigte Abstellraum sei mit einer Wandhöhe von 3,20 m bis 3,25 m und zudem mit einer Länge von 4,00 m anstatt der genehmigten 3,26 m entlang der südlichen Grundstücksgrenze ausgeführt worden. Im Anschluss hieran sei ein Holzschuppen mit 12,75 m Länge und einer Höhe zwischen 3,25 m und 3,50 m angebaut worden. Die Länge der Grenzbebauung an der südöstlichen Grundstücksgrenze betrage somit insgesamt 22,50 m. Auch seien anstatt der geforderten vier nur zwei Kfz-Stellplätze angelegt worden.

Mit Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 21. November 2016 wurde den Klägern aufgegeben, den planabweichend errichteten Anbau, der südwestlich der Garage an der südöstlichen Grundstücksecke steht, innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft soweit zurückzubauen, bis er zusammen mit der Garage eine Gesamtlänge von maximal 9,00 m hat (Nr. 1), den unter Nr. 1 genannten Anbau sowie die nordöstlich anschließende Grenzgarage innerhalb von zwei Monaten ab Bestandskraft des Bescheids soweit zurückzubauen, dass bei beiden Gebäuden jeweils eine mittlere Wandhöhe von max. 3,00 m eingehalten wird (Nr. 2) sowie den südwestlich an den unter Nr. 1 genannten Anbau angrenzenden überdachten Holzschuppen innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids vollständig zu beseitigen (Nr. 3). Für den Fall, dass die Nrn. 1 bis 3 nicht innerhalb der dort genannten Fristen erfüllt werden, wurde jeweils ein Zwangsgeld i.H.v. 2.000,- € angedroht (Nr. 4). Zudem wurde für den Fall, dass Nr. 2.5 des Baugenehmigungsbescheids vom 3. Mai 2010 nicht innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft dieses Bescheids beachtet wird, für jeden nicht angelegten Stellplatz ein Zwangsgeld von 500,- € angedroht (Nr. 5). Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.

Der Bescheid wurde den Klägern am 23. November 2016 zugestellt.

Die Kläger ließen mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. Dezember 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage gegen den Bescheid erheben.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Landratsamts … vom 21.11.2016 in den Nrn. 1 bis 4 aufzuheben.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 begründet und im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klägerin zu 2) schwer krank sei und zunehmend unter Lärmbeeinträchtigungen aufgrund des unmittelbar südlich gelegenen Gewerbebetriebs geklagt habe. Deshalb sei im Zuge der Bauausführung der westlich der Grenzgarage geplante Anbau rund 80 cm länger und mit einer Wandhöhe von rund 3,25 m ausgeführt worden. Zudem sei entlang der rund 12 m langen restlichen Grundstücksgrenze zum südlich angrenzenden Gewerbebetrieb eine rund 3,20 hohe und lärmabschirmende Holzlege errichtet worden, die später geschlossen worden sei. Um nicht das an der Südseite im Erdgeschoss bereits vorhandene Fenster nach Süden mit dem Dachüberstand der Grenzgarage zu verdecken, sei die traufseitige Wandhöhe der Grenzgarage auf ca. 3,25 m erhöht worden. Die Ausführung der Grenzgebäude sei mündlich mit dem Eigentümer des südlich angrenzenden Gewerbegrundstücks abgestimmt worden, der seinerzeit keine Einwände dagegen erhoben habe. Die Kläger würden zwischenzeitlich bereuen, vor der abweichenden Ausführung nicht einen Bauantrag gestellt zu haben. Die Klage sei zulässig und begründet, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Die streitgegenständlichen Anordnungen seien ermessensfehlerhaft. Das Landratsamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für sämtliche beanstandeten Grenzgebäude Abweichungen nach Art. 63 BayBO nicht erteilt werden könnten, weil der südliche Nachbar hierdurch in seinen Rechten verletzt werde. Es sei verkannt worden, dass es durch die Erteilung der Abweichungen nicht zu einer Verletzung der Nachbarrechte kommen würde. Die mit der Regelung des Art. 6 BayBO vom Gesetzgeber verfolgten Schutzgüter, nämlich Belichtung, Belüftung und sozialer Wohnfriede, würden gerade nicht tangiert. Die Lage der streitgegenständlichen Gebäude im Norden des südlich angrenzenden Gewerbebetriebs führe dazu, dass Nachteile in der Belichtung ausgeschlossen seien. Auch die Belüftung des südlich gelegenen Grundstücks werde durch die streitgegenständlichen Anlagen nicht beeinträchtigt, da sich die Grenzbauten nur an der Nordgrenze und nur auf einer Gesamtlänge von rund 22 m des knapp 70 m langen südlichen Grundstücks befänden. Auch das Schutzgut des sozialen Wohnfriedens werde nicht beeinträchtigt, da auf dem südlich gelegenen Gewerbegrundstück schon keine Wohnnutzung stattfinde und durch die streitgegenständlichen Grenzanbauten auch keine Einblicksmöglichkeiten geschaffen würden. Vor allem aber sei der Eigentümer des südlichen Gewerbegrundstücks aufgrund des nachbarlichen Austauschverhältnisses zur Duldung dieser Grenzeinrichtungen verpflichtet. Diese dienten letztlich vor allem der Abschirmung der Kläger bzw. ihres Grundstücks von der auf dem südlich gelegenen Grundstück ausgeübten Nutzung und der davon ausgehenden Emissionen. Insbesondere bei der an der Grundstücksgrenze errichteten Holzlege handele es sich um eine von den Klägern ergriffene Schutzmaßnahme vor unzumutbaren Immissionen vom benachbarten Gewerbebetrieb. Insbesondere in der Wohnung der Kläger im Erdgeschoss führe die Bebauung zu einer wesentlichen Verbesserung des Wohlbefindens der Kläger. Eine solche Duldungspflicht sei in der Rechtsprechung anerkannt. Insoweit werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Oktober 2000 im Verfahren 2 ZB 00.1627 verwiesen, in welchem aus dem nachbarlichen Austauschverhältnis und der Gegenseitigkeit der nachbarlichen Rücksichtnahme in einem ähnlichen Fall eine Duldungspflicht des Nachbarn für eine die Abstandsflächen nicht einhaltende Lärmschutzeinrichtung abgeleitet worden sei. Eine solche Duldungspflicht müsse erst Recht für denjenigen gelten, von dessen Grundstück aus erhebliche Emissionen auf die Nachbarschaft einwirkten. Dies müsse in vorliegendem Fall auch deshalb in besonderem Maße gelten, weil die Nutzung auf dem südlich angrenzenden Gewerbegrundstück unstreitig nicht als mischgebietsverträglich nach der typisierenden Betrachtungsweise einzustufen sei. Daher sei die Auffassung des Landratsamts, dass die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen ausscheide, falsch. Ebenfalls seien die Anordnungen ermessensfehlerhaft, da sich in der näheren Umgebung weitere Nebengebäude befänden, die die Abstandsflächenvorschriften nicht einhielten und gegen die das Landratsamt aber nicht einschreite. So befänden sich auf dem südlich des Gewerbebetriebs gelegenen Grundstück FlNr. … ein 12,50 m langes und ein 4,00 m langes Grenzgebäude sowie auf dem Grundstück FlNr. … ein ca. 10 m langes Nebengebäude an der Grenze. Das willkürliche Herausgreifen der Kläger entbehre daher eines planmäßigen Vorgehens zur Beseitigung baurechtswidriger Zustände. Schließlich seien die erfolgten Rückbauanordnungen auch unverhältnismäßig angesichts der nicht mischgebietsverträglichen gewerblichen Nutzung auf dem südlich angrenzenden Grundstück und der deshalb zur Abschirmung von schädlichen Umwelteinwirkungen errichteten baulichen Anlagen. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn seitens der Bauaufsichtsbehörde nicht gleichzeitig alles unternommen werde, um das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen seitens des südlich gelegenen gewerblichen Grundstücks wirkungsvoll auszuschließen. Im Übrigen sei es als milderes Mittel vorrangig gewesen, den Rückbau zeitlich an die Aufgabe der bislang auf dem südlich gelegenen Gewerbegrundstück ausgeübten Nutzung zu knüpfen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trat der Klage mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2017 entgegen und brachte im Wesentlichen vor, die Klage sei unbegründet. Es werde davon ausgegangen, dass sich die Klage insoweit erledigt habe, als sie sich gegen die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 5 richte, da die fehlenden Stellplätze zwischenzeitlich weiter östlich, auf FlNr. … angelegt worden seien. Insoweit sei mit Bescheid vom 21. November 2017 eine Tekturgenehmigung erteilt worden. Hinsichtlich des südlichen Gewerbebetriebs wüssten die Kläger bereits seit mehr als zehn Jahren von dem Lager. Soweit anhand der vorhandenen Karteikarten erkennbar, seien bereits ab 1966 verschiedene Betriebsgebäude und –einrichtungen genehmigt und errichtet worden. Eine Luftbildaufnahme aus dem Jahr 2000 zeige außerdem, dass der Betrieb in in etwa gleichem Umfang bereits damals bestanden habe. Die Kläger hätten gegen die Lagerstätte auch bislang keine Einwände erhoben. Eventuell bestehende Einwirkungen von dem Lager hätten die Kläger auch in der Klagebegründung nicht näher ausgeführt und belegt. Es sei auch sonst nicht erkennbar, dass sich seit Kurzem die Belastung durch das Lager so nachhaltig zu Lasten der Kläger verändert habe, dass diese zur Abwehr keine andere Wahl gehabt hätten, als den Holzschuppen zu errichten. Die Kläger könnten sich insoweit auch nicht auf ein vermeintlich bestehendes Selbstschutzrecht berufen. Sofern tatsächlich Maßnahmen zum Lärmschutz erforderlich gewesen wären, sei der erforderliche Schritt die Anzeige bei den Behörden gewesen, um die Abwehrrechte durchzusetzen. Im Übrigen würde eine Schallschutzwand genügen. Tatsächlich hätten die Kläger aber ein übergroßes Grenzgebäude errichtet, mit dem sie sich zusätzlich einen Vorteil hätten erschaffen wollen. Der Lärmschutz sei aus Sicht des Landratsamts eher eine vorgeschobene Schutzbehauptung. Das Landratsamt verwahre sich gegen den Vorwurf der Willkür. Der jeweilige Grenzausbau auf den in der Klagebegründung genannten Grundstücken sei dem Landratsamt bisher nicht bekannt gewesen und werde nun näher geprüft. Der Grenzausbau des Klägers sei aufgefallen, da die Kläger es versäumt hätten, die Nutzungsaufnahme des umgebauten Wohnhauses anzuzeigen. Es sei dann anhand eines Luftbildes geprüft worden, ob eine Ortsbesichtigung geboten sei. Die getroffenen Anordnungen seien auch ermessensgerecht. Die Erteilung einer Abweichung sei nicht möglich gewesen. Die dafür erforderliche Atypik sei nicht erkennbar. Es lägen keine besonderen Gründe vor, insbesondere vom Zuschnitt des klägerischen Grundstücks her, die so gewichtig seien, dass die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen gerechtfertigt sei. Soweit auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen werde, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. In der Klagebegründung sei nicht näher vorgetragen worden, ob der Fall, zu dem der Beschluss ergangen sei, mit demjenigen der Kläger vergleichbar sei. Soweit erkennbar sei es vielmehr darum gegangen, ob für einen kleineren Teil der erforderlichen Abstandsfläche, die nicht eingehalten werde, eine Abweichung möglich sei. Im Falle der Kläger werde die notwendige Abstandsfläche aber insgesamt nicht eingehalten. Insoweit liege ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal vor.

Die Kammer hat am 17. Mai 2018 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten einschließlich der Bauvorlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat – soweit über sie noch zu entscheiden war – keinen Erfolg.

1. Soweit die Klage sich ursprünglich auch gegen die Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts vom 21. November 2016 gerichtet hat, ist hierüber nicht mehr zu entscheiden. Ursprünglich war die Klage auch gegen Nr. 5 des Bescheids gerichtet, da im Klageschriftsatz gegen den Bescheid insgesamt Klage erhoben wurde und zudem in der Klagebegründung vom 20. Oktober 2017 ausdrücklich ein Antrag auf vollständige Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids angekündigt war. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger hingegen lediglich beantragt, den streitgegenständlichen Bescheid in den Nrn. 1 bis 4 aufzuheben. Dies stellt eine zumindest konkludente Rücknahme der Klage in Bezug auf Nr. 5 des Bescheids dar, da die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren ohne weitere Erklärung insofern einseitig beschränkt haben. Diesbezüglich ist somit die Rechtshängigkeit entfallen, § 92 VwGO.

2. Soweit über die Klage noch zu entscheiden war, ist sie unbegründet.

Die Nrn. 1 bis 4 des Bescheids des Landratsamts vom 21. November 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

Gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO kann die vollständige oder teilweise Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten Anlagen angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

a) Der Tatbestand des Art. 76 Satz 1 BayBO ist erfüllt, da das klägerische Vorhaben formell und materiell illegal ist.

Eine Genehmigung liegt für das Vorhaben in der jetzigen Form nicht vor, da die Kläger unstreitig abweichend von den mit Bescheid vom 3. Mai 2010 genehmigten Plänen den Anbau länger und höher als genehmigt errichtet haben, die Bestandsgarage zudem über das genehmigte Maß hinaus erhöht haben und für den Holzschuppen unstreitig keine Genehmigung in irgendeiner Form vorliegt.

Auch verstößt das Vorhaben gegen materielles Baurecht, da es abstandsflächenrechtlich unzulässig ist. Die klägerische Grenzbebauung überschreitet die Maße für eine gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO abstandsflächenrechtlich zulässige Anlage deutlich. Dies gilt selbst, wenn man abweichend von der tatsächlichen Situation die aneinandergebauten Gebäude isoliert betrachten würde, da sowohl der Holzschuppen als auch die Garage samt Anbau für sich genommen eine Länge von 9,00 m und beide Teile zudem auch eine Wandhöhe von 3,00 m übersteigen. Eine derart isolierte Betrachtung ist jedoch zum einen rechtlich ohnehin nicht geboten und wäre zum anderen – selbst bei fehlender Verbindung der Gebäude – für die Betrachtung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO irrelevant, da die Länge mehrerer Grenzgebäude entlang einer Grundstücksgrenze zu addieren wäre.

b) Auch können nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden. Insbesondere besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Zulassung einer Abweichung gemäß Art. 63 BayBO von der Pflicht zur Einhaltung von Abstandsflächen. Zwar mag es sein, dass momentan die Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts, nämlich Belichtung, Belüftung, Besonnung sowie sozialer Wohnfriede kaum beeinträchtigt sein dürften, da auf dem südlich angrenzenden Grundstück zur Zeit im Wesentlichen Gewerbe- und Lagernutzung stattfindet. Zum einen ist jedoch offen, wie die Erteilung einer derartigen Abweichung in brandschutzrechtlicher Hinsicht zu beurteilen wäre, insbesondere da auf dem südlich angrenzenden Grundstück ein Gewerbe betrieben wird, in dessen Rahmen u.U. gefährliche Materialien gelagert werden. Ob der Brandschutz auch einen Schutzzweck des Abstandsflächenrechts darstellt, kann jedoch dahinstehen. Zum anderen besteht nämlich schon deshalb kein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung, da es sich nicht nur um eine minimale sondern vielmehr eine erhebliche Überschreitung der Abstandsflächen handeln würde und jedenfalls eine Kollision mit Interessen des Eigentümers des südlich angrenzenden Gewerbegrundstücks nicht ausgeschlossen werden kann. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht mithin schon deshalb nicht, da nicht klar ist, ob eine derzeit mögliche Bebauung des östlichen, momentan als Lager genutzten Bereichs des Gewerbegrundstücks noch möglich wäre, wenn der derzeitige Bestand auf dem klägerischen Grundstück legalisiert werden würde. Es ist nicht erkennbar, dass die Interessen der Kläger das nachbarliche Interesse derart überwiegen, dass das Ermessen der Behörde zu Gunsten der Kläger auf Null in Richtung der Erteilung einer Abweichung reduziert wäre. Allein die Tatsache, dass das benachbarte Grundstück – wenn auch möglicherweise sogar in erheblichem Umfang – gewerblich genutzt wird, reicht nicht aus, um annehmen zu können, dass in jedem Fall oder wenigstens im vorliegenden Fall eine Atypik zu bejahen wäre, die dem Eigentümer eines benachbarten Grundstücks, das zu Wohnzwecken genutzt wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung vermittelt. Vielmehr bleiben auch in derartigen Fällen die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich und die Reduzierung des Ermessens in Richtung der Zulassung einer Abweichung stellt die Ausnahme dar. Somit hätte das Landratsamt auf Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen über die Erteilung einer derartigen Abweichung zu entscheiden. Ob eine derartige Abweichung in rechtmäßiger Weise nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden könnte, kann nicht entschieden werden, da kein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht und das Gericht die Entscheidung im Übrigen nur auf Ermessensfehler überprüfen darf, jedoch nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derer der Behörde setzen dürfte.

c) Fehler im Rahmen des von Art. 76 Satz 1 BayBO eröffneten Ermessens sind nicht erkennbar.

Ob möglicherweise ein Ermessensfehler zu bejahen wäre, falls ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO besteht und die Behörde nicht auf Stellung eines Abweichungsantrags hinwirkt, kann letztlich offenbleiben, da ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nicht besteht (s.o.). In einem Fall, in dem die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen lediglich nach Stellung eines Antrags nach pflichtgemäßem Ermessen möglich ist – wie letztlich in jedem Fall, in dem kein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht – ist es im Rahmen des Erlasses einer Beseitigungsanordnung nicht ermessenfehlerhaft, die mögliche Erteilung einer Abweichung im Rahmen des Beseitigungsermessens außer Betracht zu lassen. Sofern kein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht, handelt die Behörde jedenfalls in den Fällen, in denen sich der Bauherr nicht durch Einreichung eines Tekturantrags – unter Stellung eines Antrags auf Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften – um eine Legalisierung bemüht, nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie sich mit der möglichen Erteilung einer Abweichung nicht auseinandersetzt.

Auch hinsichtlich der übrigen von den Klägern vorgetragenen Einwände sind Ermessensfehler nicht erkennbar.

Ein willkürliches Vorgehen des Landratsamts lag schon deshalb nicht vor, da das Gericht keinen Grund hat, an der Einlassung zu zweifeln, dass die beiden – zudem auch erst in der Klagebegründung, also nach Bescheidserlass – vom Klägerbevollmächtigten genannten Bezugsfälle – von dem der eine ohnehin vom öffentlichen Straßengrund aus nicht erkennbar ist und der andere, falls überhaupt, dann jedenfalls eine deutlich geringere Überschreitung der maximalen Länge von 9,00 m gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO aufweist – dem Landratsamt nicht bekannt waren und nunmehr aber geprüft werden. Zudem ist das Landratsamt dadurch auf den Fall der Kläger aufmerksam geworden, da diese es versäumt haben, die Aufnahme der Nutzung anzuzeigen. Auch dies zeigt, dass die Kläger nicht vollkommen ohne jeden sachlichen Grund oder Anlass, und mithin willkürlich „herausgegriffen“ worden sind.

Auch vermag die von den Klägern bemühte Argumentation des Lärmschutzes nicht zu verfangen. Der in Bezug genommene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist – unabhängig von den sonstigen Umständen des Falles – bereits deshalb nicht vergleichbar, da es im dortigen Falle um eine Anlage ging, die nach ihrem primären Zweck tatsächlich eine Lärmschutzeinrichtung war, nämlich eine Lärmschutzwand. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um Anlagen, die nach ihrer objektiven Zweckbestimmung primär keine Lärmschutzeinrichtungen sind. Auch wenn dies ein angenehmer, nützlicher oder sogar erwünschter Nebeneffekt der Anlagen ist, kann ein etwaiges architektonisches Selbsthilferecht jedenfalls nicht so weit gehen, dass zum Schutz vor gesundheitsschädlichen Immissionen (von denen zum einen im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann und gegen die zum anderen ein Einschreiten auf bau- oder immissionsschutzrechtlicher Grundlage grundsätzlich vorrangig wäre) Anlagen errichtet werden dürfen, deren primäre objektive Zweckbestimmung nicht der Schall- oder Immissionsschutz, sondern wie hier das Unter- und Abstellen von Fahrzeugen sowie die Lagerung von Holz, Garten- und sonstigen Gerätschaften ist. Sofern der klägerische Vortrag zutreffend wäre und tatsächlich unzumutbare Emissionen vom südlich gelegenen Gewerbegrundstück ausgehen würden, wäre vom Standpunkt der architektonischen Selbsthilfe her, wenn überhaupt, die Zulässigkeit einer Lärmschutzwand (die bis zu einer Höhe von 2,00 m nach der Bayerischen Bauordnung ohnehin zum einen verfahrensfrei und zum anderen abstandsflächenrechtlich irrelevant wäre) diskutabel. Keinesfalls aber können mit dieser Argumentation andere Anlagen, deren primäre objektive Zweckbestimmung nicht der Lärmschutz ist, gerechtfertigt werden. Zudem ist zu beachten, dass sich architektonische Selbsthilfe grundsätzlich auf die Ausführung des zu schützenden Objekts selbst, mithin hier das Wohnhaus der Kläger und dessen Ausführung bezieht.

Dass die Klägerin zu 2) krank ist und daher möglicherweise Lärm nicht gut verträgt ist irrelevant, da im Baurecht ein objektiver Maßstab anzulegen ist und es auf persönliche Befindlichkeiten nicht ankommt.

Auch ist kein anderes milderes Mittel als der Rückbau auf das materiell-rechtlich zulässige Maß ersichtlich. Insbesondere stellt eine temporäre Duldung kein milderes Mittel in diesem Sinne dar, da ein rechtswidriger Zustand grundsätzlich nicht einmal vorübergehend geduldet werden muss.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Annotations

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.