Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Okt. 2016 - M 11 K 15.4360

published on 13/10/2016 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Okt. 2016 - M 11 K 15.4360
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Baugenehmigung der Beigeladenen zur Errichtung eines 9-Familienhauses und Tiefgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. 1057/3, Gemarkung … Unter dem 20. Juli 2015 beantragte die Beigeladene die streitgegenständliche Baugenehmigung. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Befreiung hinsichtlich der Dachneigung, der Geschossflächenzahl und der Baugrenzen bei der Beklagten gestellt.

Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid erging am 26. August 2015. Es wurden Befreiungen von der Dachneigung, der Geschossflächenzahl und von den Baugrenzen gewährt. Zur Begründung wurde ausgeführt:

Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt. Die nördliche Baugrenze werde durch die Tiefgarageneinhausung nur marginal überschritten. Diese Tiefgaragenrampe mit Einhausung sei nach landesrechtlichen Vorschriften an der Grundstücksgrenze zulässig. Die rückwärtige, südliche Baugrenze werde teilweise in einer Tiefe von ca. 2,25 m überschritten. Dadurch würden die Grundzüge der Planung nicht berührt. Die städtebauliche Struktur werde durch dieses Vorhaben ebenfalls nicht einer Weise verändert, dass ein Planungsbedürfnis entstünde. Auch die Überschreitung der zulässigen GFZ von 0,8 auf 0,83 sei aus städtebaulichen Gründen durchaus vertretbar. Durch die Überschreitung der Dachneigung von maximal 26° auf 45° mit Tonnendach entstehe zwar eine größere Firsthöhe; jedoch könne auch dieser Befreiung aus städtebaulicher Sicht zugestimmt werden. Das Gebäude füge sich von den Gebäudeaußenmaßen und der Höhe in die Umgebung ein. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich der Nachbarn sei nicht ersichtlich. Eine drittschützende Wirkung komme den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung - wie GFZ, Dachneigung- und -form - und über die überbaubare Grundstücksfläche - nicht zu.

Die Klägerin ließ mit Schriftsatz vom 30. September 2015 gegen den Bescheid Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2015 aufzuheben.

Zur Begründung wurde auf ein Schreiben vom 29. Juni 2015 an die Beklagte verwiesen. Die Befreiungen vom Bebauungsplan würden Nachbarrechte verletzen. Es würden die Grundzüge der Planung berührt. Maßgeblich sei der Bebauungsplan aus dem Jahr 1973/1974. Die Satzung des Bebauungsplanes mache unter anderem die Bayerische Bauordnung von 1974 zur Grundlage der Festsetzungen. Dies betreffe insbesondere die Abstandsflächen. Die aufgelockerte Bebauung sei nur bei Einhaltung der Abstandsflächen zu erreichen.

Auch die Anordnung der Flächen, auf denen Garagen entstehen sollen, belege diese Absicht. So sei gerade an der Nachbargrenze der hier betroffenen Grundstücke eine Fläche für eine Garage an der Grundstücksgrenze nur für das Grundstück der Klägerin vorgesehen, jedoch nicht für das Baugrundstück. Dessen Garage solle zum Grundstück Fl.Nr. 1057/2 situiert werden. Die Festsetzungen im Verbund mit der festgesetzten Dachneigung, der versetzt verlaufenden Baugrenzen, der Anzahl der Vollgeschosse und der Firstrichtung seien das Gerüst, aus denen die Grundzüge des Bebauungsplanes bestünden. An den seitlichen Grenzen solle eine Abstandsfläche von nur 3 m eingehalten werden. Die Bayerische Bauordnung von 1974 fordere bei einer zweigeschossigen Bebauung mindestens 4 m. Es bestünden Zweifel, dass es sich um eine zweigeschossige Bebauung handele. Das Vorhaben sei „erdrückend“. Es verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2016 beantragte der Bevollmächtigte der Beigeladenen,

die Klage abzuweisen.

Die Baugenehmigung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in nachbarrechtlichen Rechten.

Mit weiterem Schriftsatz vom 15. Februar 2016 trug der Bevollmächtigte der Klägerin vor:

Das Bauvorhaben weise vier Vollgeschosse auf. Demnach sei die Geschossfläche nicht nur um 0,03 überschritten. Nach dem Bebauungsplan sei die BauNVO 1968 maßgeblich. Es gelte die BayBO 1974. Nach Art. 2 Abs. 5 BayBO 1974 seien Vollgeschosse Geschosse, die vollständig über der natürlichen Geländeoberfläche lägen und über mindestens zwei Drittel der Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2 m hätten. Bei Berücksichtigung dieser Definition seien die Wohnungen im 1. und im 2. Dachgeschoss Vollgeschosse. Zwar sei im Allgemeinen das Maß der baulichen Nutzung nicht drittschützend. Das Maß der baulichen Nutzung könne jedoch im Kontext mit anderen Festsetzungen als drittschützend bewertet werden. Die Fülle der Durchbrechungen des Bebauungsplanes stellten einen Verstoß gegen das objektivrechtliche Rücksichtnahmegebot dar.

Mit Schriftsätzen vom 16. Oktober 2015 und 23. März 2016 stellte die Bevollmächtigte der Beklagten den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trug sie vor:

Eine Verletzung drittschützender Vorschriften liege nicht vor. Die Abstandsflächen seien nicht verletzt. Es komme nicht auf die Fassung der Bayerischen Bauordnung zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans an, sondern auf die Fassung der Bayerischen Bauordnung im Genehmigungszeitpunkt. Die erteilten Befreiungen hinsichtlich der Dachneigung, der GFZ-Überschreitung sowie der Überschreitung der Baugrenzen seien nicht nachbarschützend. Die rückwärtige seitliche Baugrenze werde teilweise in einer Tiefe von etwa 2,25 m überschritten. Dadurch würden die Grundzüge der Planung nicht berührt. Auch die Überschreitung der GFZ sei aus städtebaulichen Gründen vertretbar ebenso wie die Dachneigung. Auch nach der BayBO 1974 liege kein Vollgeschoss vor.

Mit weiterem Schriftsatz vom 16. Juni 2016 trug der Bevollmächtigte der Klägerin vor: Der Bebauungsplan lasse an der Grundstücksgrenze zur Klägerin keine Tiefgarage zu. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes sollten die Nachbarn vor einem krassen Missverhältnis der Baumassen schützen. Dieser Kontext der Festsetzungen zeige, dass sie zu den Grundzügen der Planung gehörten, von denen ohnehin nicht befreit werden könne.

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 legte die Bevollmächtigte der Beklagten die Begründung des maßgeblichen Bebauungsplanes vor.

Die Kammer hat am 13. Oktober 2016 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheines erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen sowie des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.

Die Beteiligten stellten die bereits schriftsätzlich gestellten Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 26. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn - wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt - eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U.v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 BVerwGE 52, 122).

Vorliegend verletzt die angefochtene Baugenehmigung die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich hier gemäß § 29 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nach § 30 BauGB. Der insoweit maßgebliche Bebauungsplan enthält neben Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zur überbaubaren Grundstücksfläche. Die Klägerin wird jedoch durch die streitgegenständliche Baugenehmigung insofern nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt.

Anders als bei der Festsetzung der Nutzungsart haben Festsetzungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksfläche grundsätzlich bereits keine nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 - 4 B 52/95; BayVGH, B.v. 5.3.2010 - 2 ZB 07.788).

Vielmehr hängt es vom Willen der Gemeinde als Planungsträgerin ab, ob die Festsetzungen des Bebauungsplanes auf der Grundlage von §§ 16 ff. bzw. §§ 22 ff. der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dem Nachbarschutz dienen.

Hinsichtlich der Geschossflächenzahl, der Zahl der Vollgeschosse, der Firstrichtung, der Dachneigung und der Art des Daches geht aus dem Bebauungsplan und seiner Begründung nicht hervor, dass die Regelungen dem Nachbarschutz dienen sollten. Dies gilt auch bezüglich der festgesetzten Baugrenzen.

Es wurde nach dem Bebauungsplan kein Bauraum für die Garage festgesetzt, sondern nur der Bestand eingezeichnet.

Das Bauvorhaben ist auch nicht rücksichtslos.

Das Gebot der Rücksichtnahme findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung. Es soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten. Die insofern vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist, was sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke beurteilt. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 -, juris Rn. 40). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn jedoch nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung, insbesondere von jeglicher Verschlechterung verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung kann erst bejaht werden, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtschau, die den konkreten Einzelfall in den Blick nimmt, zu ermitteln. Das Gebot der Rücksichtnahme soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewähren.

Daran gemessen liegt eine Verletzung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes nicht vor.

Zunächst ist in die Abwägung einzustellen, dass die landesrechtlichen Vorschriften über die Grenzabstände - die eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken sowie einen ausreichenden Sozialabstand sicherstellen sollen - eingehalten sind. Das bedeutet zwar nicht, dass damit von einem solchen Bauvorhaben in keinem Fall eine „erdrückende“ Wirkung ausgehen kann. Jedoch spricht die Einhaltung der landesrechtlich verlangten Abstandsfläche regelmäßig indiziell dafür, dass eine „erdrückende Wirkung“ oder „unzumutbare Verschattung“ nicht eintritt (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128.98, NVwZ 1999, 879; BayVGH, B.v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9).

Maßgeblich ist die Bayerischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007, zuletzt geändert am 24. Juli 2015, und nicht - wie der Bevollmächtigte der Klägerin meint - die BayBO 1974.

Zwar wird zum Beispiel unter „C. weitere Festsetzungen“ zum Maß der baulichen Nutzung auf §§ 5, 9 BundesbauGB und §§ 1, 17 BauNVO verwiesen, dies führt aber nicht dazu, dass in diesem Bebauungsplan auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes geltenden Abstandsflächen der Bayerischen Bauordnung statisch verwiesen wird und demnach die BayBO 1974 gilt. Vielmehr finden sich keine Abstandsflächenregelungen im Bebauungsplan.

Zum Grundstück der Klägerin wird unter Inanspruchnahme des 16 m-Privilegs V2 H eingehalten (Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Art. 6 Abs. 6 Satz 1, Art. 6 Abs. 4 Satz 1, Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO).

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Vorhaben rücksichtslos sein könnte. Eine „einmauernde“ oder „abriegelnde“ Wirkung liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:

1234
BaugebietGrund-
flächenzahl (GRZ)
Geschoss-
flächenzahl (GFZ)
Bau-
massenzahl
(BMZ)
inKleinsiedlungsgebieten (WS)0,20,4
inreinen Wohngebieten (WR)
allgemeinen Wohngebieten (WA)
Ferienhausgebieten


0,4


1,2


inbesonderen Wohngebieten (WB)0,61,6
inDorfgebieten (MD)
Mischgebieten (MI)
dörflichen Wohngebieten (MDW)


0,6


1,2


inurbanen Gebieten (MU)0,83,0
inKerngebieten (MK)1,03,0
inGewerbegebieten (GE)
Industriegebieten (GI)
sonstigen Sondergebieten


0,8


2,4


10,0
inWochenendhausgebieten0,20,2

In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.