Verwaltungsgericht München Urteil, 02. Juli 2014 - 18 K 13.3788
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung von Pflegegeld für die Betreuung von T.
T., geb. am ... 1995, wurde zusammen mit ihrer am ... 1996 geborenen Schwester C. aufgrund von Vernachlässigung durch die leibliche Mutter vom damals zuständigen Stadtjugendamt ... im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei der Klägerin und ihrem Ehemann untergebracht.
Da sich die Pflegeeltern aus fachlicher Sicht des zuständigen Jugendamtes zunehmend weniger in der Lage zeigten, die angebotene Unterstützung bei der Erziehung der Kinder anzunehmen und es zunehmend Probleme in der Zusammenarbeit gab, wurden T. und ihre Schwester am ... Januar 2007 gegen den Willen der Pflegeeltern in Obhut genommen und im ...-Heim in ... untergebracht. Ein vom Familiengericht in Auftrag gegebenes fachpsychologisches Gutachten von Prof. Dr. ... vom ... Mai 2007 zur Erziehungsfähigkeit der Pflegeeltern kam zu dem Ergebnis, dass das Pflegeverhältnis die Bindungsstörung der Mädchen nicht verändert habe und die bestehenden Probleme in der Pflegefamilie nicht angemessen behoben werden könnten. Die Schwestern blieben daher in zwei getrennten Wohngruppen im Heim.
Als die leibliche Mutter 2009 nach ... zog, verließ T. das Heim und zog zu ihr. Als die Situation im März 2010 eskalierte, wurde T. erneut vom ... März bis ... März 2010 in Obhut genommen. Ab dem ... März 2010 wurde Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung gewährt, die bereits am 6. Juli 2010 wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft sowie selbstgefährdendem Verhalten von T. eingestellt wurde. In der Zeit vom ... bis ... Juli 2010 wurde T. erneut in Obhut genommen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom ... Juli 2010 wurde der alleinsorgeberechtigten leiblichen Mutter von T. die Personensorge in Bezug auf die Zuführung zur medizinischen Behandlung, die Beantragung von Jugendhilfe und schulische Angelegenheiten entzogen und auf das Jugendamt ... übertragen. Ab dem ... Juli 2010 wurde T. vom Jugendamt ... im Rahmen des § 35 a SGB VIII in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht. Das Jugendamt ... wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom ... Dezember 2010 als Pfleger entlassen und das Jugendamt ... zum Pfleger bestellt.
Aufgrund der positiven Entwicklung T.s wurde auf Antrag des Pflegers mit Bescheid vom ... August 2012 die geschlossene Unterbringung beendet und ab ... Juli 2012 Hilfe durch Unterbringung in der Jugendwohngruppe K. in K. gewährt. Zum Pfleger für T. wurde das Jugendamt ... bestellt. Da sich T. in dem gelockerten Rahmen nicht an die Regeln hielt, wurde diese Hilfe zum ... September 2012 eingestellt. T. ging nach dem Verlassen der Jugendwohngruppe zur Klägerin, in ihre ehemalige Pflegefamilie.
Am ... Januar 2013 beantragte das Jugendamt ... als Pfleger von T. beim Beklagten zu 1) Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Auch die Klägerin beantragte mit Schreiben vom ... Dezember 2012 beim Beklagten zu 1) die Gewährung von Pflegegeld und wandte sich im weiteren Verlauf deswegen auch an das Bayerische Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen.
Mit Bescheid vom ... Mai 2013 lehnte der Beklagte zu 1) den Antrag mit der Begründung ab, dass die Pflegefamilie nicht kooperiere. Auch während des Aufenthaltes der Mädchen im Heim habe sie gegen die Empfehlungen des Vormundes agiert. Die Pflegemutter stelle nicht das Wohl der Kinder, sondern das eigene Wohl in den Mittelpunkt. Es würden ausreichende Erziehungskompetenz, Kooperationsbereitschaft sowie Problemlösungskompetenz fehlen. Die notwendige pädagogische Förderung von T. sei nicht gewährleistet.
Gegen diesen Bescheid erhob das Jugendamt ... als Pfleger von T. zunächst Widerspruch, den es mit Schreiben vom ... August 2013 zurücknahm, so dass der Ablehnungsbescheid bestandskräftig wurde.
Der Klägerin wurde dieser Bescheid nicht zugestellt.
Mit Schreiben vom ... August 2013 erhob die Klägerin Klage gegen die Landkreise ... und ..., nachdem sie vom Verwaltungsgericht München darauf hingewiesen worden war, dass eine Rechtsberatung durch das Gericht nicht möglich sei.
Die Klägerin führte aus:
Sie werde durch das psychologische Gutachten aus dem Jahr 2007 stigmatisiert; gegen den Gutachter seien schon mehrere Anzeigen eingereicht worden. Sie könne die Kosten für T. nicht aus der eigenen Tasche zahlen, könne diese andererseits auch nicht wegschicken.
Der Beklagte zu 1) beantragte am 26. September 2013 Klageabweisung.
Zur Begründung führt er aus:
Die Klage sei schon unzulässig, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt das Sorgerecht für T. innegehabt habe und der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung den Personensorgeberechtigten zustehe. Gegenüber der Klägerin sei kein Verwaltungsakt erlassen worden.
Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da Vollzeitpflege nicht die geeignete Hilfe für T. sei.
Der Beklagte zu 2) beantragte am 30. September 2013 ebenfalls Klageabweisung und führte aus:
Die Pflegschaft für T. habe mit deren Volljährigkeit geendet. Der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung stehe den Personensorgeberechtigten zu. Selbst wenn man das Kind als Anspruchsinhaber des Pflegegeldes ansehe, habe der Pfleger den Anspruch hierauf nicht an die Klägerin abgetreten oder übertragen.
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 18. Juni 2014, sie habe niemals die Gelegenheit erhalten, sich gegen das Gutachten aus dem Jahr 2007 zu wehren. Sie erhalte laufend anonyme Mitteilungen über die schlechten Verhältnisse, in denen sich T.s Schwester C. befinde, die bei ihrer Mutter lebe.
In der mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2014 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Klägerin beantragte,
die Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Pflegegeld für T. seit dem 26. September 2012 zu gewähren.
Die Vertreter beider Beklagten beantragten jeweils
Klageabweisung.
Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift, bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist wegen fehlender Klagebefugnis der Klägerin unzulässig.
Gemäß § 42 Abs. 2 der VwGO ist eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn ein Kläger geltend machen kann, durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klägerin wird durch die vom Beklagten zu 1) erfolgte Ablehnung der beantragten Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege nicht in ihren Rechten verletzt, da ihr kein materiell-rechtlicher Anspruch auf diese Leistung zusteht.
Der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung steht, wie sich aus § 27 Abs. 1 SGB VIII ergibt, den Personensorgeberechtigten zu. Dies sind in der Regel die leiblichen Eltern bzw. ein Elternteil. Vorliegend war der Mutter von T. die Personensorge unter anderem bezüglich der Beantragung von Jugendhilfeleistungen entzogen und auf den Amtspfleger, das Kreisjugendamt ..., übertragen worden. Ab der Volljährigkeit hätte allein T. selbst Vollzeitpflege beantragen können, was aber nicht geschehen ist.
Die Klägerin war zu keinem Zeitpunkt Inhaberin des Personensorgerechts für T. oder von einzelnen Teilen des Sorgerechts; sie hatte damit keinen Anspruch auf die Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege (herrschende Meinung, vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2011 - 12 C 11.347).
Das Pflegegeld, das gemäß § 39 Abs. 1, 2 Satz 4 SGB VIII als Leistung zum Unterhalt des Kindes gewährt wird, ist ein unselbstständiger Annexanspruch zur sozialpädagogischen Leistung der Vollzeitpflege mit der Folge, dass es dem Hauptanspruch folgt und damit dem Inhaber des Hauptanspruches zusteht, also ebenfalls dem Inhaber des Personensorgerechts (vgl. BayVGH, B.v.25.11.2011 - a. a. O.; Frankfurter Komm., SGB VIII, § 39, Rn. 5 sowie Lehr- und Praxiskommentar, SGB VIII, § 39, Rn. 9).
Die Klage gegen beide Beklagte war daher wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig abzuweisen (BayVGH, B.v. 27.4.2014 - 12 ZB 13.2586).
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu 2) nur als Ergänzungspfleger für T. gehandelt hat; zur Gewährung der beantragten Leistung wäre er nicht der örtlich zuständige Träger gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.