Verwaltungsgericht München Urteil, 09. Okt. 2014 - 11 K 12.5473
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger begehren vorrangig die Feststellung, dass eine von ihnen teilweise schon errichtete Einfriedung nicht im Widerspruch zu den Festsetzungen eines Bebauungsplans steht; hilfsweise begehren sie eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.
Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstücks Fl. Nr. ... der Gemarkung ..., das im Umgriff des Bebauungsplans der Beklagten „...grundstücke - Am ...“ aus dem Jahr 1994 liegt. Das Wohngrundstück ist über die nördlich davon verlaufende Straße „Am ...“ (Fl. Nr. ...) erschlossen. Diese Straße liegt (dort) im Umgriff eines anderen Bebauungsplans, nämlich des aus dem Jahr 1978 stammenden Bebauungsplans „Am ...“. Zwischen der Straße „Am ...“ und dem Wohngrundstück der Kläger befindet sich noch ein schmaler, an der breitesten Stelle etwa 2 m breiter Streifen, der ein eigenes Grundstück (Fl. Nr. ...) bildet und ebenfalls den Klägern gehört. An diesen Streifen grenzt westlich ein weiterer den Klägern gehörender schmaler Streifen (Fl. Nr. ...) an, der das westliche Nachbaranwesen (Fl. Nr. ...), das nicht den Klägern gehört, ebenfalls von der Straße „Am ...“ trennt. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, welcher der beiden vorgenannten Bebauungspläne die beiden Grundstücksstreifen Fl. Nrn. ... und ... umfasst.
Im Frühjahr 2012 begannen die Kläger, auf den beiden Grundstücksstreifen Fl. Nrn. ... und ... eine Einfriedung in Form einer Grundstücksmauer zu errichten. Die Beklagte erließ in der Folge am ... Juni 2012 gegenüber dem Kläger zu 1 eine Baueinstellungsverfügung.
Die Kläger beantragten daraufhin am 16. Juli 2012 bei der Beklagten eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ zur Errichtung eines Einfahrtstores und einer Grundstücksmauer auf den beiden Grundstücksstreifen Fl. Nrn. ... und ... Nach dem vorgelegten Eingabeplan soll die Mauer in Ziegelbauweise mit einer Wandstärke von 24 cm ausgeführt werden und eine Höhe von 1,95 m aufweisen. Einschließlich des Schiebetors (Höhe: 1,80 m) soll die Gesamtlänge der Mauer ca. 34 m betragen, d. h. sich über die gesamte Länge der Fl. Nr. ... und etwa die östliche Hälfte der Fl. Nr. ... erstrecken.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom ... Oktober 2012 den Antrag ab. Die beiden Fl. Nrn. ... und ... befänden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am ...“, der diesbezüglich öffentliche Verkehrsflächen und Straßenbegrenzungslinien festsetze. Eine Befreiung würde die Grundzüge der Planung berühren. Außerdem erlaube der Bebauungsplan unter Nummer B.8 straßenseitige Einfriedungen nur als Jägerzaun oder grün gestrichene Stahlrohrpfosten bis zu 1,10 m Höhe. Auch insoweit seien Grundzüge der Planung berührt. Eine Abweichung sei auch mit nachbarlichen Interessen nicht vereinbar. Der auf Fl. Nr. ... liegende Teil der Mauer stelle eine Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück Fl. Nr. ... dar.
Die Kläger bringen zur Begründung ihrer am 6. November 2012 erhobenen Klage im Wesentlichen vor, einer isolierten Befreiung bedürfe es nicht, weil die von der Beklagten angeführten Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ wegen Überlappung der beiden Bebauungspläne unwirksam seien. Die beiden Fl. Nrn. ... und ... lägen im Umgriff beider Bebauungspläne. Zudem erstrecke sich die Festsetzung der Straßenbegrenzungslinie auf mehrere weitere Flurnummern, für die auch der Bebauungsplan „...grundstücke - Am ...“ gelte.
Die Festsetzung B.8 des Bebauungsplans „Am ...“ sei auch deswegen obsolet, weil alle denkbaren Arten von Einfriedungen anzutreffen seien, ohne dass die Beklagte bisher Anlass gesehen habe, dagegen einzuschreiten. Die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans sei in diesem Punkt offenkundig. Im hier interessierenden Teil der Straße „Am ...“ fänden sich alle möglichen Arten von Einfriedungen. Insgesamt gebe es im Bereich beider Bebauungspläne zahlreiche Einfriedungen, die von der jeweiligen für Einfriedungen geltenden Festsetzung abwichen, jedoch seit jeher geduldet würden.
Obsolet sei der Bebauungsplan „Am ...“ auch insoweit, als er im Bereich der Grundstücke ... und ... eine öffentliche Verkehrsfläche in einer Breite von 10 m festsetze. Mehrere im Bereich des Bebauungsplans „Am ...“ liegende Grundstücke hätten straßenseitige Einfriedungen, die auf Flächen lägen, die dieser Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche festsetze. Bereits vor etlichen Jahren sei die Brücke über die Bahnlinie für Fahrzeuge gesperrt worden. Der Bahnübergang sei nur noch für Fußgänger und Radfahrer offen. Die faktisch vorhandene Straßenbreite von 6 m genüge ohne weiteres für den Anliegerverkehr. Die Beklagte habe deshalb beim Erwerb der Grundstücke ... und ... durch die Kläger auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichtet. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorkaufsrechte für die festgesetzten Straßenflächen bei Veräußerungsvorgängen in den Jahren 1994, 1995, 1998 und 2007 nicht genutzt. Sie habe das in ihrem Eigentum stehende und vor der Brücke liegende Grundstück Fl. Nr. ... verkauft, das für eine Straßenerweiterung benötigt würde. Die Straße „Am ...“ sei im Jahr 2006 komplett neu erstellt worden, aber nur in einer Breite von 4 bis 4,5 m anstelle der im Bebauungsplan festgesetzten Gesamtbreite von 10 m. Damit stehe offenkundig fest, dass eine Realisierung der Straßenplanung, wie 1978 im Bebauungsplan festgesetzt, nicht mehr erfolgen werde. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (B. v. 22.07.10 - 4 B 22/10) sei die Festsetzung einer öffentlichen Straßenfläche somit obsolet.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom ... Oktober 2012 aufzuheben und
festzustellen, dass die Errichtung eines Einfahrtstores und einer Grundstücksmauer auf den Grundstücken Fl. Nrn. ... und ... den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ vom ... Juli 1978 nicht widerspricht,
hilfsweise,
den Bescheid der Beklagten vom ... Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Kläger vom 16. Juli 2012 auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ für die Errichtung eines Einfahrtstores und einer Grundstücksmauer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Bescheid und führt ergänzend näher aus, die beiden Bebauungspläne würden sich nicht überschneiden. Im gesamten Bereich beider Bebauungspläne gebe es nicht eine einzige Mauer. Ob und wann die Straße verbreitert werde, sei im Augenblick noch offen, mache den Bebauungsplan aber nicht obsolet.
Die Kammer hat über die örtlichen Verhältnisse Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Im Anschluss daran ist die mündliche Verhandlung durchgeführt worden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
1. Die Klage hat keinen Erfolg.
a) Der Feststellungsantrag des Hauptantrags ist zulässig, aber unbegründet. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Kläger für die Errichtung der gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 b BayBO verfahrensfreien Einfriedung eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am...“ überhaupt benötigen, ist nicht im Sinne der Kläger zu beantworten. Die Kläger benötigen eine isolierte Befreiung, weil die Errichtung der Einfriedung im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ steht.
aa) Zwar steht die Einfriedung nicht im Widerspruch zu der textlichen Festsetzung Nr. B.8 des Bebauungsplans „Am ...“, wo näher geregelt wird, wie straßenseitige Einfriedungen ausgestaltet sein dürfen. Diese textliche Festsetzung gilt für die beiden Vorhabensgrundstücke Fl. Nr. ... und ... jedoch nicht.
Der Bebauungsplan „Am ...“ aus dem Jahr 1978 setzt diese Grundstücke - damals noch Bestandteil der damaligen Fl. Nr. ... - als Teil einer zusätzlich durch Straßenbegrenzungslinien umgrenzten öffentlichen Straßenverkehrsfläche fest. Dies schließt vorbehaltlich einer Befreiung im Einzelfall ohne weiteres aus, dass darauf eine Einfriedung überhaupt errichtet werden darf. Unterschiedliche Festsetzungen für ein und dieselbe Fläche scheiden jedoch als wirksamer Beitrag zur Ordnung der baulichen oder sonstigen Nutzung aus, wenn sie sich gegenseitig ausschließen (BVerwG, B. v. 17.07.2001 - 4 B 55/01 - juris Rn. 6). Hinzu kommt, dass die Südgrenze der beiden Vorhabensgrundstücke zugleich die Südgrenze des Bebauungsplans bildet, d. h. das südlich davon gelegene Grundstück, dem die Einfriedung überhaupt als Nebenanlage dienen könnte, gar nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am ...“ liegt. Eine vergleichbare Situation findet sich - weitgehend - entlang der gesamten Südgrenze des Bebauungsplans. Die räumliche Grenze verläuft im Süden im Wesentlichen entlang der südlichen Straßenbegrenzungslinie der als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzten Straße „Am ...“, während die südlich davon gelegenen Grundstücke weitgehend nicht einbezogen sind. Die Auslegung des Bebauungsplans ergibt daher, dass die Festsetzung B.8 für straßenseitige Einfriedungen an der Südseite der Straße „Am ...“ überhaupt nicht gilt.
bb) Die Einfriedung steht aber im Widerspruch dazu, dass der Bebauungsplan „Am ...“ die beiden Grundstücke Fl. Nrn. ... und ... als Teil einer zusätzlich durch Straßenbegrenzungslinien umgrenzten öffentlichen Straßenverkehrsfläche festsetzt. Wie bereits ausgeführt, schließt diese Festsetzung vorbehaltlich einer Befreiung im Einzelfall ohne weiteres aus, dass darauf Einfriedungen errichtet werden dürfen.
Diese Festsetzung des Bebauungsplans „Am ...“ ist nicht deswegen unwirksam, weil sich die beiden Bebauungspläne insoweit unzulässig überlappen, also die beiden Vorhabensgrundstücke Fl. Nrn. ... und ... ganz oder teilweise auch im räumlichen Geltungsbereich des später erlassenen Bebauungsplans „...grundstücke - „Am ...“ liegen würden. Es liegt keine Überlappung vor. Der Bebauungsplan „...grundstücke - „Am ...“ verwendet zur Markierung der räumlichen Grenze des Bebauungsplans eine Linie aus gestrichelten Balken. Die textliche Festsetzung Nr. I 1 weist der Balkenlinie diese Funktion allerdings ausdrücklich mit dem Zusatz zu, dass die Balkenlinie „aus Gründen der Übersichtlichkeit 1 m nach außen abgerückt“ sei. Bei dem im Plan verwendeten Maßstab von 1: 500 bedeutet dies, dass die räumliche Grenze des Bebauungsplans entlang eines Innenabstands von 2 mm zur inneren Kante der gestrichelten Balkenlinie verläuft. Es ist damit hinreichend klar erkennbar, dass die beiden Vorhabensgrundstücke nicht, auch nicht teilweise, im Geltungsbereich des Bebauungsplans „...grundstücke - „Am ...“ liegen.
Die für die beiden Vorhabensgrundstücke geltende Festsetzung als öffentliche Straßenverkehrsfläche ist auch nicht nachträglich funktionslos geworden. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann eine bauplanerische Festsetzung funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (z. B. BVerwG, B. v. 09.10.2003 - 4 B 85/03 - juris Rn. 8). Die Festsetzung von Verkehrsflächen für den Bau einer Straße kann dabei auch dadurch funktionslos werden, dass die Gemeinde den Bau der Straße endgültig aufgegeben hat und dies offenkundig ist (BVerwG, B. v. 22.07.2010 - 4 B 22/10 - juris 11).
Im vorliegenden Fall gibt es zwar Anhaltspunkte dafür, dass das mit der Festsetzung verfolgte Planungsziel, die Straße zu verbreitern, gegenwärtig objektiv weniger dringlich ist oder zumindest von der Beklagten als nicht mehr so dringlich gesehen wird wie bei Erlass des Bebauungsplans im Jahr 1978. Insbesondere hat die Beklagte wiederholt die Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, die Vorhabensgrundstücke durch Ausübung eines Vorkaufsrechts zu erwerben. Auch ist die Brücke über die Bahnlinie, zu der man gelangt, wenn man die Straße „Am ...“ in Richtung Osten befährt, für den Autoverkehr mittlerweile nicht mehr offen, was das Verkehrsaufkommen der Straße „Am ...“ vermindern dürfte. Schließlich kommt noch hinzu, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Kläger während des Augenscheins auf einem Grundstück westlich ihres Anwesens auf Fl. Nr. ... ebenfalls eine Einfriedung in einem Bereich errichtet worden ist, der als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzt ist, ohne dass dem die Beklagte, die sich insoweit an das Landratsamt hätte wenden können, entgegen getreten ist.
Gleichwohl lässt sich im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung nicht sagen, dass die Verwirklichung der Festsetzung offensichtlich auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist bzw. die Beklagte offenkundig die Verwirklichung endgültig aufgegeben hat. Dass die Beklagte, wie von den Klägern vorgetragen, das - heutige - Grundstück Fl. Nr. ... verkauft hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn der Vergleich des Lageplans vom 19. Juli 2012 (Bl. 5 d. A.) mit den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Am ...“ zeigt, dass dieses Grundstück nicht im Bereich dieses Bebauungsplans liegt und im Übrigen zur Straßenverbreiterung auch nicht benötigt wird. Dass sich auf Fl. Nr. ... nach dem unwidersprochenen Vortrag der Kläger die straßenseitige Einfriedung - ein Stahlgitterzaun mit Heckenbepflanzung - in dem als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzten Bereich befindet, mag die Verwirklichung der Festsetzung erschweren, macht sie aber nicht unmöglich. Das gilt auch dann, wenn sich an weiteren Stellen der Straße Einfriedungen in als öffentliche Verkehrsflächen festgesetzten Bereichen befinden sollten. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Einfriedungen, die in diesem Fall im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans errichtet worden wären, Bestandsschutz genießen würden. Der bloße Umstand, dass die Beklagte oder auf ihr Betreiben das Landratsamt bisher gegen diese Einfriedungen nicht vorgegangen ist, reicht auch nicht aus, um annehmen zu können, dass eine Beseitigungsanordnung hinsichtlich dieser Anlagen nicht mehr in Betracht kommt.
Auch der Erwerb der Vorhabensgrundstücke durch die Beklagte ist noch möglich und nicht rechtlich oder tatsächlich ausgeschlossen. Aus dem Umstand, dass die Beklagte das Vorkaufsrecht bisher nicht ausgeübt hat, lässt sich nicht schließen, dass sie die Zielverwirklichung offenkundig endgültig aufgegeben hat. Insbesondere ist den von den Klägern vorgelegten Schreiben der Beklagten an die jeweiligen Notare nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Beklagte von der Ausübung des Vorkaufsrechts Abstand genommen hat. Diese Gründe müssen nicht zwingend darin liegen, dass die Verwirklichungsabsicht endgültig aufgegeben worden ist. Eine endgültige Aufgabe dieser Absicht ist daher jedenfalls nicht offenkundig im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des BVerwG. Der Bebauungsplan ist deshalb nicht funktionslos geworden, soweit er die beiden Vorhabensgrundstücke als Teil einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche festsetzt.
b) Der Aufhebungsantrag bezüglich des Versagungsbescheids vom ... Oktober 2012 hat als Teil des Hauptantrags ebenfalls keinen Erfolg. Für eine solche isolierte Anfechtungsklage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn - wie hier - eine Befreiung erforderlich ist, weil das Vorhaben in Widerspruch zu bestimmten Festsetzungen des Bebauungsplans steht. Denn in diesem Fall kann der Bauherr sein Ziel, das Vorhaben in Einklang mit dem Bauplanungsrecht zu bringen, nur im Wege einer auf Erteilung einer Befreiung gerichteten Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage erreichen.
c) Die hilfsweise erhobene Bescheidungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (erneute) Verbescheidung, weil ihnen für die Errichtung der Einfriedung eine Befreiung von der dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzung „öffentliche Straßenverkehrsfläche“ nicht erteilt werden darf. Es steht zwingend entgegen, dass die Grundzüge der Planung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB berührt werden.
Ob im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, B. v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 - juris Rn. 3 m. w. N.). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der zusätzlich durch Straßenbegrenzungslinien umgrenzten öffentlichen Straßenverkehrsfläche nicht um eine gleichsam „zufällige“ Festsetzung. Die Festsetzung von örtlichen Verkehrsflächen gehört zu den Mindestanforderungen eines qualifizierten Bebauungsplans (vgl. § 30 Abs. 1 BauGB) und ist daher in der Regel Teil des planerischen Grundkonzepts. Im vorliegenden Fall ist mit der Einbeziehung der beiden Vorhabensgrundstücke in die öffentliche Verkehrsfläche zusätzlich erkennbar bezweckt worden, die Straße „Am ...“ mit einer einheitlichen Breite von 10 m auszugestalten. Eine Befreiung würde diesem Grundkonzept einer einheitlichen Straßenbreite zuwiderlaufen und scheidet daher gemäß § 31 Abs. 2 BauGB zwingend aus.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
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Annotations
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.