Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 08. Jan. 2019 - M 7 K 17.1334

published on 08/01/2019 00:00
Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 08. Jan. 2019 - M 7 K 17.1334
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Tenor

I. Der Bescheid der Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt - K 5 vom 3. März 2017 wird in den Nrn. 2 und 3 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

Mit Bescheid vom 3. März 2017 forderte die Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt - K 5 (im Folgenden: KPI) den Kläger auf, sich nach telefonischer Anmeldung bei der KPI zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Aufnahme von Lichtbildern, Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken sowie Vornahme von Messungen und Personenbeschreibungen) einzufinden (Nr. 1). Für den Fall, dass der Kläger dieser Vorladung bis spätestens 7. April 2017 ohne ausreichenden Grund keine Folge leisten sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro angedroht und festgesetzt. Für den Fall, dass der Kläger weiterhin nicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung erscheine, werde wöchentlich ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 50,- Euro fällig (Nr. 2). Für den Fall, dass die erkennungsdienstliche Behandlung unentschuldigt nicht bis 21. April 2017 nach Vollstreckbarkeit des Bescheids erfolgt sein sollte, werde sie mittels unmittelbaren Zwangs durchgesetzt. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs würden Kosten gemäß Art. 58 Abs. 3 PAG erhoben (Nr. 3).

Als Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen beruhe auf § 81b Alt. 2 StPO. Diese würde nicht der Strafverfolgung, sondern präventiven Zwecken dienen. Der Kläger sei Beschuldigter in dem bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt unter dem Aktenzeichen Az.: 25 Js 1193/17 anhängigen Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung. Dieser habe am 1. April 2015 im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens dem zuständigen Gerichtsvollzieher eine schriftliche Erklärung übersandt, in der er u.a. einen Nachweis dessen amtlicher Legitimation gefordert habe. Bei Nichterfüllung der Forderung sei dies die Zustimmung zu einem privaten Pfandrecht in Höhe von 300.000,- Euro. Die Wiederholungsgefahr folge daraus, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. So habe er im Zeitraum 20. bis 23. September 2013 eine weibliche Person mehrfach beleidigt und sei hierfür mit Entscheidung des Amtsgerichts Ingolstadt (Az.: 4 Cs 23 Js 16777/13) vom 27. März 2014 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden. Auch habe der Kläger am 23. Dezember 2012 mehrere Personen beleidigt und sei deshalb mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt (Az.: 4 Cs 24 Js 1665/13) vom 24. April 2013 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden. Außerdem habe der Kläger am 5. März 2004 einer männlichen Person mit einem Messer mehrfach in den Oberkörper gestochen und dieser hierdurch erhebliche Verletzungen zugefügt. Auf Grund dessen sei er wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Landgericht Ingolstadt (Az.: 1 Ks Js 10399/04; gemeint wohl: 1 Kls 11 Js 10399/04) am 10. Januar 2006 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Selbst empfindliche Freiheitsstrafen sowie wiederholte Geldstrafen würden den Kläger nicht davon abhalten, weitere Straftaten zu begehen. Daher lägen keinerlei Hinweise vor, dass er sein kriminelles Verhalten ändern oder gar ablegen würde. Vielmehr ließen die bisherigen Straftaten den Schluss zu, dass sich darin ein allgemeines Verhaltensmuster offenbare. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei insgesamt verhältnismäßig. Das erkennungsdienstliche Material sei geeignet und auch erforderlich, den Kläger aufgrund des erhöhten Entdeckungsrisikos von neuen Taten abzuhalten sowie bei neuen Taten als Täter zu überführen. Andere, weniger einschneidende, aber gleich geeignete Mittel seien auch deshalb nicht ersichtlich, weil der Kläger die mit formloser Vorladung vom 1. März 2017 angebotene freiwillige erkennungsdienstliche Behandlung abgelehnt habe. Schließlich sei die erkennungsdienstliche Behandlung angemessen. Zwar sei diese ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und mit einem Abschreckungseffekt verbunden, der das Verhalten des Betroffenen beeinflussen könne. Auch bestehe die Gefahr, dass der Betroffene weiteren strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt werde. Die erkennungsdienstliche Behandlung erfolge jedoch nicht anlasslos, sondern aufgrund des geschilderten Verhaltens. Aus diesem ergebe sich auch zukünftig eine Gefahr für die Gemeinschaft. Das legitime öffentliche Interesse, vor solchen Gefahren geschützt zu werden, überwiege das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Schwere des Eingriffs werde dadurch gemindert, dass mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nur eine kurze Freiheitsbeschränkung verbunden, das erkennungsdienstliche Material nur bei der Polizei gespeichert und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sei. Zwar sei der Kläger am 8. Juni 2001 bereits erkennungsdienstlich behandelt worden. Inzwischen sei jedoch ein Zeitraum von fast 16 Jahren vergangen. In dieser Zeit verändere sich das Aussehen eines Menschen. Des Weiteren könnten sich auch Finger- und Handflächenabdrücke im Laufe der Jahre durch Verletzungen an der Hand verändern. Um eine effektive Ermittlungsarbeit leisten zu können, müsse die Polizei bezüglich der Fingerabdrücke auf möglichst verlässliche Daten zurückgreifen können. Darüber hinaus könnten Handflächenabdrücke erst seit dem Jahr 2003 abgeglichen werden. Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 56 und 59 PAG, die Androhung des unmittelbaren Zwangs auf Art. 58 und 59 PAG.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 30. März 2017 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 PAG seien nicht erfüllt, da er seine Identität vollumfänglich preisgegeben habe und auch sonst keinerlei Hinweise ersichtlich seien, weswegen eine derartige Feststellung nicht möglich sein solle. Auch die Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG seien nicht erfüllt. Aufgrund seiner Vorstrafen seien die Voraussetzungen formelhaft bejaht worden. Dies könne einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten. Der Geschädigte der Beleidigung habe ihn aufgrund einer erkennungsdienstlichen Maßnahme identifizieren können, die vor 16 Jahren durchgeführt worden sei. Insofern mangle es an der Erforderlichkeit zur Bekämpfung von Straftaten. Darüber hinaus wäre - aufgrund des Delikts der Beleidigung - eine Identitätsfeststellung eine unverhältnismäßige Maßnahme. Überdies habe sich die Polizei von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Erst nachdem er mitgeteilt habe, dass er keinerlei Angaben zur Sache machen und zur Vernehmung nicht erscheinen werde, habe man diese Maßnahme angeordnet. Die Maßnahme erfolge deswegen schikanös und nicht zu dem Zweck sie zur Verfolgung von Straftaten und zur Verhinderung künftiger Straftaten einzusetzen. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 ergänzte der Kläger, dass die Behauptung der Kriminalpolizei, dass er ein Reichsbürger sei, nicht zutreffe, da sog. Reichsbürger sich nicht an geltende Gesetze halten und den Rechtsweg ablehnen würden. Die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung beweise jedoch, dass er den Rechtsstaat annehme. Die Kriminalpolizei versuche ihn als kritischen Bürger, der sich auch öffentlich zur politischen Lage in Deutschland äußere mit - auf bloßen Behauptungen Dritter beruhender - Hausdurchsuchungen sowie ungerechtfertigten Ermittlungsverfahren mundtot zu machen und einzuschüchtern. Eine kritische, ja sogar ablehnende Betrachtung des Staates sei jedoch kein Grund für eine schikanöse Behandlung seitens von Polizei und Behörden. Sogar im Grundgesetz sei die Möglichkeit enthalten eine neue Verfassung für Deutschland zu erarbeiten, solange dies nicht die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes entwerte. Zu den darin enthaltenen Grundsätzen stehe er als überzeugter Anhänger der Demokratie.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid vom 3. März 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte nimmt zur Begründung Bezug auf den Vorladungsbescheid sowie auf die Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag vom 17. August 2018.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 27. November 2018 zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die Akten der Staatsanwaltschaft in den Verfahren Az.: 25 Js 1193/17, 11 Js 10399/04, 24 Js 1665/13 und 24 Js 16777/13 Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört.

Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.

Die Klage ist lediglich hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 3. März 2017 begründet, hinsichtlich der Nr. 1 jedoch unbegründet.

Die in den Nr. 2 und 3 getroffenen Anordnungen sind mangels Vorliegens der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 53 Abs. 1 PAG a.F. rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach

Art. 53 Abs. 1 PAG a.F. kann der Verwaltungsakt der Polizei, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist der mit den Zwangsmitteln i.S.v.

Art. 54 Abs. 1 PAG a.F. durchzusetzende Verwaltungsakt, die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung in Nr. 1 des Bescheids vom 3. März 2018, weder unanfechtbar noch entfaltet die erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung. Die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist weder nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar noch wurde die sofortige Vollziehung - vgl. auch die Antragserwiderung im Verfahren M 7 S 17.1338 - besonders angeordnet i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Zudem wurde die Klage innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben, so dass auch keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist.

Demgegenüber ist die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahme rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten.

Nach § 81b Alt. 2 StPO dürfen bei einem Beschuldigten, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. Dazu kann er - entweder aufgrund von § 81b StPO (quasi als Annex) oder jedenfalls nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG a.F. (i.E. dogmatisch strittig, (vgl. Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 15 Rn. 9) - zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung schriftlich vorgeladen werden.)

Der Kläger war zum - insoweit entscheidungserheblichen - Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 5 m.w.N.) Beschuldigter eines laufenden Strafverfahrens - des Ermittlungsverfahrens Az.: 25 Js 1193/17 - und damit Beschuldigter i.S.v. § 81b StPO. Dass die Anordnung nur gegen einen Beschuldigten ergehen darf, besagt dabei lediglich, dass sie nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt dabei selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 6 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20).

Ebenso ist die - noch nicht vollzogene - Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu weiterführend BayVGH, U.v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 20) notwendig.

Die Notwendigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen beurteilt sich grundsätzlich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich eines gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 18). Die für diese Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergeben sich insbesondere aus Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, aus seiner Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild (st.Rspr. des BayVGH, vgl. etwa B.v. 6.12.2016 - 10 CS 16.2069 - juris Rn. 10 m.w.N.). Aufgrund des präventiven Charakters dieser Maßnahme kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, der in einem Ermittlungsverfahren erhobene Tatverdacht sogar dann berücksichtigt werden, wenn dieses Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 a.a.O.). Denn die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen, wenn trotz Einstellung des Strafverfahrens ein „Restverdacht“ verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2016 a.a.O.).

Eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalles, v.a. die der Anlasstat und der im Bescheid dargestellten weiteren Sachverhalte („Vortaten“) trägt die Prognose einer Wiederholungsgefahr.

So ist nicht auszuschließen, dass der Kläger erneut Beschuldigter in einem, dem Anlassverfahren vergleichbaren, Ermittlungsverfahren sein wird.

Dies folgt zum einen daraus, dass sich der dem Anlassverfahren zugrunde liegende Tatverdacht tatsächlich erwiesen hat. Denn der Kläger wurde in dem Anlassverfahren (Az.: 25 Js 1193/17) mit Strafbefehl vom 5. Mai 2017 - rechtskräftig seit dem

25. Mai 2017 - wegen versuchter Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Zum anderen folgt dies daraus, dass sich aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte des Anlassverfahrens ergibt, dass der Kläger sich der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig fühlt bzw. er sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat.

Der Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes (S. 90) definiert „Reichsbürger“ als eine organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogene Szene, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 (S. 180 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 185).

In der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ist das Fax des Klägers vom 1. April 2015 an den Gerichtsvollzieher enthalten. Dieses beinhaltet unter anderem einen Vertrag über Schadensersatz und Beratungshonorar, auf dem sich der Antragsteller als „natürliche Person nach staatliche § 1 BGB“ bezeichnet. Außerdem enthält dies eine Leben-/Willenserklärung mit integrierter Personenstandserklärung und integriertem Schadensersatzvertrag, in der der Kläger erklärt, dass er seit Geburt Staatsangehöriger des Freistaats Bayern, Rechtsstand 1. Januar 2014, Verfassungsstand 8. Dezember 1946 sei. Zudem besitze er die wahrhaftige Staatsangehörigkeit des Freistaats Bayern und diese könne ihm nicht entzogen werden, da er diese durch Abstammung erhalten habe. Auch sei seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland und zur Europäischen Union nichtig. Nach Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 gehe seine Rechtsstellung als Bayer vor.

Der Kläger hat dadurch eine für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht. Er hat zu erkennen gegeben, dass er die Bundesrepublik als Staat sowie das geltende Rechtssystem ablehnt. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er künftig vergleichbar gegenüber staatlichen Akteuren auftreten, deren Legitimation in Frage stellen sowie deren Handlungen als für sich nicht verbindlich ansehen wird. Es ist zu erwarten, dass er dabei wiederum eine Kostennote, die Androhung eines privaten Pfandrechts sowie einen Vertrag über Schadensersatz und Beratungshonorar vorlegen wird, um seiner Intention Nachdruck zu verleihen. Es besteht somit eine auf Tatsachen gründende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch künftig Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung sein wird.

Die Einlassungen des Klägers im gerichtlichen Verfahren vermögen - angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen - an der Einschätzung des Gerichts, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat, nichts zu ändern.

Eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ ist diesen nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung - Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entsprechend herangezogen werden. Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 - 1 B 11/18 - juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des im vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 - 10 B 16.1252 - juris Rn. 53).

Dem Vorbringen des Klägers lässt sich insgesamt keine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte, nachdrückliche Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. So räumt der Kläger darin ein Fehlverhalten nicht ein, sondern versucht vielmehr sein Verhalten zu rechtfertigen.

Ebenfalls ist nicht auszuschließen, dass der Kläger erneut Beschuldigter in einem anderweitigen Ermittlungsverfahren wird. Die diesbezügliche Negativprognose einer Wiederholungsgefahr ist durch die anderen rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers wegen verschiedener strafrechtlicher Tatvorwürfe indiziert. So wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 24. April 2013 (Az.: 4 Cs 24 Js 1665/13) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen, mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 27. März 2014 (Az.: 4 Cs 24 Js 16777/13) wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 10. Januar 2006 (Az.: 1 KS 11 Js 10399/04) wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen/Ilm vom 19. Mai 2004 (Az.: LS 11 Js 16216/03) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die bereits verhängten Strafe ließen den Kläger scheinbar unbeeindruckt und konnten ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Es ist somit davon auszugehen, dass die bisherigen Verurteilungen den Kläger nicht davon abhalten werden, künftig erneut straffällig zu werden, so dass die auf Tatsachen gründende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger künftig erneut Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren sein wird.

Die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist zudem verhältnismäßig und damit auch ermessensgerecht (vgl. zum Ermessen BayVGH, B.v.16.11.2015 - 10 CS 15.1564 - juris Rn. 27). Die Maßnahme ist geeignet und erforderlich. Maßstab für die Prüfung der Erforderlichkeit der - ohne weiteres geeigneten - erkennungsdienstlichen Behandlung ist lediglich, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 10 CS 15.1564 - juris Rn. 17 m.w.N.). Es ist dem Kläger angesichts der erheblichen Wiederholungsgefahr zuzumuten, den relativ geringfügigen Grundrechtseingriff (erneut) hinzunehmen. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zu beachten, dass die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Behandlung im Einzelfall verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses stehen darf (vgl. VGH BW, U.v. 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - juris Rn. 42; NdsOVG, U.v. 28.9.2006 - 11 LB 53/06 - juris Rn. 30 und U.v. 28.6.2007 - 11 LC 372/06 - juris Rn. 36). Das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich nicht nur an der Schwere der in der Vergangenheit erfolgten Anlasstat, sondern auch nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Betroffene zukünftig zum Kreis der potenziellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2012 - 10 ZB 12.1468 - juris Rn. 8). Der Kläger ist bisher vielfach polizeilich und strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei kann weder bei der Anlasstat von einem Bagatelldelikt gesprochen werden noch weisen die zuvor begangenen Straftaten Bagatellcharakter auf. Zudem ist im Rahmen der Abwägung hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen anerkannte Zielsetzung, den Betroffenen künftig von der Begehung entsprechender Straftaten abzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 5.11. 2012 - 10 CS 12.1855 - juris Rn. 13). Insgesamt führt dies zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses - zumal der mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verbundene Grundrechtseingriff grundsätzlich als nicht schwerwiegend anzusehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2008 - 10 C 08.2872 - juris Rn. 13).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Beklagte unterliegt zwar hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 3. März 2017. Allerdings handelt es sich dabei nur um ein Unterliegen zu einem geringen Teil im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand, so dass es der Billigkeit entspricht dem Kläger die vollständigen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Klage gegen die Ziffern 6., 7. und 8. des Bescheids vom 28. Dezember 2009 richtet. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 wirkungslos.
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Annotations

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.