Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 28. Juli 2015 - M 17 K 14.50722

published on 28/07/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 28. Juli 2015 - M 17 K 14.50722
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Gericht

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Tenor

I. Der Bescheid vom 20. November 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Staatsangehöriger Afghanistans. Er reiste nach eigenen Angaben am … Juli 2014 unter anderem über Bulgarien und Ungarn auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 6. August 2014 Asylantrag.

Am 15. September 2014 wurde vom Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 13. November 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 20. November 2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 2).

Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass Bulgarien aufgrund der illegalen Einreise für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen lägen in Bulgarien nicht vor, wie von vielen deutschen Verwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht der Schweiz bestätigt worden sei. Auch der UNHCR gehe in seinem aktuellsten Bericht vom 15. April 2014 davon aus, dass Überstellungen nach Bulgarien nicht mehr grundsätzlich ausgesetzt werden müssten. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 8. Dezember 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 10. Dezember 2014, Klage und seine später bestellte Prozessbevollmächtigte beantragte,

den Bescheid vom 20. November 2014 aufzuheben.

Gleichzeitig wurde Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt (M 17 S. 14.50723). In diesem Verfahren führte die Prozessbevollmächtigte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen Asylbewerber in Bulgarien tatsächlich Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein. Auf den Bericht des UNHCR vom 2. Januar 2014 wurde Bezug genommen. In diesem Bericht sowie in den Berichten vom 7. und 21. Februar 2014 sei der UNHCR zu der Empfehlung gekommen, dass trotz einiger Bemühungen der bulgarischen Behörden die Situation immer noch derart unzureichend für Flüchtlinge sei, dass von Überstellungen nach Bulgarien nach wie vor abzusehen sei. Auch in dem Bericht vom April 2014 würde das Vorhandensein erheblicher Schwachstellen nach wie vor betont und eine weitere Beobachtung der Situation als erforderlich angesehen. Eine Verbesserung der Situation sei seither vom UNHCR nicht bekanntgegeben worden. Auch andere NGOs sähen die Lage in Bulgarien als unzureichend und instabil. Auf diverse Berichte von amnesty international (urgent action vom 06.01.2014, Presseerklärung vom 03.01.2014, Bericht „Suspensions of returns of Asyl-Seekers to Bulgaria must continue“) sowie auf Berichte von ECRE und Bordermonitoring.eu vom 4. und 23. April 2014 wurde verwiesen. Mit Schreiben vom 7. Januar 2015 wurde ergänzend vorgebracht, dass der Kläger in Bulgarien in zwei verschiedenen Kasernen inhaftiert und unerträglichen Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sei. Vor allem die Übergriffe gegen die Flüchtlinge, denen er schutzlos ausgesetzt gewesen sei, hätten ihn veranlasst, aus Bulgarien weiter zu flüchten. Auch in Ungarn habe sich der Kläger lange Zeit in Haft befunden und unter der Willkür des Wachpersonals gelitten, das auch mit Prügeln die Inhaftierten misshandelt habe. Die Unterbringungssituation und Versorgungslage seien völlig unzureichend in den bulgarischen Lagern und die überwiegend vorherrschenden Ressentiments gegen Flüchtlinge führten zu Misshandlungen und gewalttätigen Übergriffen. In dem neuesten Bericht des Vereins border monitoring Bulgarien (Stand Juni 2014) werde explizit eingegangen auf die Darstellungen des Berichts vom UNHCR vom April 2014, auf den sich die Beklagte berufe. Dort werde substantiiert dargelegt, dass eine deutliche Verbesserung der Situation für Flüchtlinge, die nicht Syrer seien, gerade nicht aufgezeigt werden könne. Auch der Bericht von amnesty international vom März 2014 komme zu ähnlichen Ergebnissen. Es sei daher weiterhin von menschenunwürdigen Bedingungen in Bulgarien für den Kläger auszugehen.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2015, den Beteiligten zugestellt am 15. bzw. 19. Januar 2015, wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Auf entsprechende Anfrage des Gerichts erklärte die Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 28. Juli 2015 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung per Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Verfahren M 17 S. 14.50723 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klägerseite durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat auf die Anhörung zu Entscheidungen durch Gerichtsbescheid generell verzichtet.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. November 2014 ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

1. Nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.

Diese sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist inzwischen auch dann abgelaufen ist, wenn man davon ausgeht, dass diese Frist mit der spätestens am 19. Januar 2015 erfolgten Zustellung des den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ablehnenden Beschlusses vom 8. Januar 2015 nochmals neu zu laufen begonnen hat. Die Überstellung hätte dann jedenfalls bis zum Ablauf des 20. Juli 2015 erfolgen müssen.

2. Wird die Überstellung - wie hier - nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO). Ein Tatbestand, der nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Beklagten geltend gemacht noch ist ein solcher sonst ersichtlich.

Der Asylantrag des Klägers ist damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG nicht mehr in Betracht (vgl. z.B. VG München, U.v. 8.6.2015 - M 12 K 14.50257; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20). Dass Bulgarien sich entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme des Klägers bereit ist, ist weder mitgeteilt worden noch kann hiervon grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4).

3. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch nicht in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden, wie dies bisher von der Beklagten in zahlreichen Verfahren nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist vertreten wurde, da die Voraussetzungen des § 47 VwVfG nicht erfüllt sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2015 - 11 ZB 14.50053 - juris Rn. 17; B.v. 9.2.2015 - 13a ZB 14.50081).

4. Der Kläger ist auch in seinen Rechten verletzt. Zwar handelt es sich bei den Dublin-Regularien an sich um rein objektive Zuständigkeitsvorschriften, welche grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers begründen. Wenn allerdings - wie hier - wegen Ablaufs der Überstellungsfrist allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden. (vgl. z.B. VG München, U.v. 8.6.2015 - M 12 K 14.50257; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20). Der Kläger kann sich zumindest darauf berufen, dass die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen, wonach feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das ist jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, weil nicht erkennbar ist, dass Bulgarien, obwohl die Überstellungsfrist abgelaufen und die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden ist, nach wie vor ohne weiteres zur Aufnahme des Klägers bereit ist (vgl. a. VG München, B.v. 24.4.2015 - M 22 S7 15.50408; v. 11.3.2015 - M 11 S7 15.50189).

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 11/02/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung
published on 08/06/2015 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 12 K 14.50257 Im Namen des Volkes Urteil vom 8. Juni 2015 12. Kammer Sachgebiets-Nr. 710 Hauptpunkte: Ablauf der Überstellungsfrist;
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Annotations

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.