Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 03. Sept. 2014 - 24 K 14.50344
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger (Bl. 2 der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF] vorgelegten Verwaltungsakte - d. A.). Er stellte am 14. Februar 2014 einen Asylantrag in Deutschland (Bl. 8 d. A.). Bei einer am gleichen Tag vom BAMF durchgeführten Anhörung (Bl. 2 ff. d. A.) hatte er unter anderem mitgeteilt, von seinem Heimatland aus unter anderem über L. nach I. und von dort in die Schweiz gereist zu sein sowie im Jahr 2011 in I. und im Jahr 2013 in der Schweiz jeweils einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 4 d. A.), wobei er weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für einen anderen Staat ein Aufenthaltsdokument oder Visum habe oder gehabt habe (Bl. 3 d. A.). In der Datenbank EURODAC finden sich Treffer für I. und die Schweiz (Bl. 36 und 37 d. A.).
Nachdem das BAMF am 14. März 2014 (Bl. 40 ff. d. A.) zunächst ein Übernahmeersuchen an die Schweiz gerichtet hatte, erklärte sich die Schweiz am 17. März 2014 (Bl. 46 d. A.) zu einer Übernahme nicht bereit, weil I. mit einem aktenkundigen Schreiben vom 28. März 2013 (Bl. 50 d. A.) gegenüber der Schweiz, die mit Schreiben vom 17. März 2013 (Bl. 51 d. A.) I. um Rückübernahme und Verlängerung der Überstellungsfrist ersucht hatte, erklärt habe, den Kläger gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) wieder aufzunehmen.
Das BAMF hat daraufhin am 2. April 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an I. versandt (Bl. 53 ff.), auf das I. nicht antwortete, woraufhin das BAMF I. mit Schreiben vom 29. April 2014 (Bl. 62 ff. d. A.) unter anderem mitteilte, dass mangels Antwort das deutsche Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin-III-VO) als angenommen angesehen werde.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. Juni 2014 lehnte das BAMF den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete dessen Abschiebung nach I. an (Nr. 2). Der streitgegenständliche Bescheid wurde dem Kläger mit gesondertem Zustellungsanschreiben vom 4. Juni 2014 (Bl. 70 d. A.) am 10. Juni 2014 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt (Bl. 80 f. d. A.).
Am 17. Juni 2014 ging beim Verwaltungsgericht München eine Klage- und Antragsschrift des Klägers ein, in der dieser beantragte,
den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben (1.), die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen (2.) und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Schreiben vom 20. und 27. Juni 2014 legte die Beklagte die Verwaltungsakte und eine Fortführung der Verwaltungsakte vor.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2014 im parallelen Eilverfahren M 24 S 14.50346 lehnte das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 wurde der Rechtsstreit im vorliegenden Klageverfahren zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 hörte das Gericht die Beteiligten zur möglichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Die Anhörungsschreiben wurden den Beteiligten zugestellt. Die Beteiligten haben innerhalb der dabei jeweils gesetzten Wochenfrist keine Einwände erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die parallelen Gerichtsakten M 24 K 14.50344 und M 24 S 14.50346 sowie auf die vom BAMF vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Gründe
1. Die Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) nur hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
Das Verwaltungsgericht München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - i. V. m. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG).
Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 8. Juli 2014 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung berufen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
Die Voraussetzungen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt. Die Beteiligten wurden vorgängig zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG ist für die vorliegend gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende gerichtliche Entscheidung die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
2. Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zwar zulässig, insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 74 Abs. 2 AsylVfG erhoben worden; sie ist aber unbegründet.
2.1. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
Der Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil I. aufgrund des bereits dort vom Kläger gestellten Asylantrags gemäß den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist (vgl. auch § 71a Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG), wobei nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO kein anderer Mitgliedstaat vorrangig zuständig ist (vgl. OVG NRW U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31 m. w. N.).
Einschlägig ist dabei im vorliegenden Fall die Dublin-III-VO und nicht die frühere Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO), weil das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland an I. nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO ist die Dublin-III-VO ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ab dem 1. Januar 2014 auf alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern anwendbar.
Dabei kann sich die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nicht nur aus den materiellen Zuständigkeitskriterien (Art. 3 und 7-16) der Dublin-III-VO ergeben, sondern auch aus dem Selbsteintritt eines Mitgliedstaates gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO; ein solcher Selbsteintritt bewirkt abweichend von den materiellen Zuständigkeitskriterien konstitutiv eine eigene Zuständigkeit des jeweils erklärenden Mitgliedstaates (vgl. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Ob im Einzelfall ein Selbsteintritt vorliegt oder nicht, hängt dabei zwar von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar ist (vgl. BayVGH B. v. 3.3.2010 - 15 ZB 10.30005 - InfAuslR 2010, 467, juris Rn. 4). Jedenfalls dann aber, wenn ein Mitgliedstaat ausdrücklich dem Übernahmeersuchen oder dem Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates zustimmt (Art. 22 Abs. 1, 26 Dublin-III-VO) und entsprechende Unterrichtungen auf dem in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO vorgesehenen Kommunikationsweg vornimmt, ist von einem Selbsteintritt i. S. v. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszugehen, der den erklärenden Mitgliedstaat damit auch zum „zuständigen Mitgliedstaat“ i. S. v. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO macht (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rn. 174 und Rn. 177).
2.2. Nach Aktenlage wurde I., in das der Kläger nach eigenem Vortrag als erstem EU-Mitgliedstaat eingereist ist, zunächst zuständig gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der damals geltenden Dublin-II-VO (nunmehr: Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO), zumal der Kläger selbst mitgeteilt hat, kein Visum und keinen Aufenthaltstitel innezuhaben, wobei gemäß Art. 1 Abs. 1 und Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (EG-Visa-VO) für nigerianische Staatsangehörige wie den Kläger Visa-Pflicht besteht.
Durch die Weiterwanderung des Klägers in die Schweiz ist diese nicht zuständig geworden, weil weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich ist, dass der Kläger sich in der Schweiz mindestens fünf Monate aufgehalten hätte. Nach den aktenkundigen Angaben hat der Kläger den Asylantrag in der Schweiz am 11. März 2013 gestellt (Bl. 41 d. A.), wobei die Schweiz gegenüber I. bereits am 17. April 2013 mitteilte (Bl. 51 d. A.), der Kläger sei untergetaucht. Es kann dabei dahinstehen, ob bis zum Abschluss eines Abkommens der EU mit der Schweiz betreffend die Dublin-III-VO aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags vom 26. Oktober 2004 (Amtsblatt der Europäischen Union vom 27. Februar 2008, L 53, S. 5) weiterhin im Verhältnis zur Schweiz die Dublin-II-VO Anwendung findet (Günther in: Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand: 01.03.2014, AsylVfG, § 27a, Rn. 4; vgl. auch VG Gelsenkirchen B. v. 14.4.2014 - 7a L 462/14.A - juris Rn. 5) und ob dies auch dann gilt, wenn dies wie hier nur anlässlich einer Abschiebungsanordnung nach I., also einem EU-Mitgliedstaat, zu prüfen ist. Denn sowohl Art. 13 Abs. 2 Dublin-III-VO als auch die inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 10 Abs. 2 Dublin-II-VO würden insoweit zum selben Ergebnis führen.
Da der Kläger zuerst in I. im Jahr 2011 einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich eine Zuständigkeit I.s vor diesem Hintergrund auch aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, und zwar unabhängig von der Auslauffrist des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO.
Jedenfalls aber ist in der Zustimmung I.s zum Wiederaufnahmeersuchen im Schreiben I.s vom 28. März 2014 an die Schweiz ein Selbsteintritt zu sehen im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin-III-VO.
Schließlich ist, wie das BAMF in seinem Schreiben vom 29. April 2014 an I. zutreffend ausgeführt hat, infolge des Ablaufs der in Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO genannten Äußerungsfrist davon auszugehen, dass I. dem deutschen Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat.
2.3. Das italienische Asylsystem leidet im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht unter systemischen Mängeln, so dass sich an der Zuständigkeit I.s für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers auch insoweit nichts ändert.
Das italienische Asylverfahren und das italienische Aufnahmesystem leiden nicht an systemischen Mängeln, die befürchten ließen, dass Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Das Gericht schließt sich insoweit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
„42 Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in I. nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in I. (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in I. (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in I. ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regional-lokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in I. einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach I. zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „… has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11
43 Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. R./L.). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in I. vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u. U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in I. noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (I.: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).
44 Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderline-europe e. V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in I.. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderline-europe (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in I. kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.
45 Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in I. im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostat-pressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach I. (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.
46 Die Annahme von borderline-europe (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderline-europe zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen R.a Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in R., welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in R. und L. (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderline-europe beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in I. bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.“
Hiervon abweichende Umstände hat der Antragsteller vorliegend nicht substantiiert vorgetragen.
Dabei begründet auch die Lage der Personen, die in I. einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, noch keine systemischen Mängel (vgl. EuGH B. v. 2.4.2013 - 27725/10 - juris). Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass I. kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbar landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).
2.4. Der Asylantrag des Klägers ist deshalb gemäß § 27a AsylVfG unzulässig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG für die Abschiebungsanordnung liegen vor, insbesondere hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, dass ein Abschiebungshindernis (§ 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz - AufenthG) im Raume stünde.
3. Die zusätzlich zur Anfechtungsklage erhobene Verpflichtungsklage auf Durchführung und Verbescheidung des Asylverfahrens des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland in eigener Zuständigkeit, auf die sich der Antrag im parallelen Eilverfahren ausdrücklich nicht bezogen hatte, ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es nicht, weil im Falle einer - hier nicht gegebenen (s. o.) -Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen wäre (OVG NRW U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31; im Ergebnis ebenso VGH Baden-Württemberg U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 18). Eine Zulässigkeit eines solchen Verpflichtungsantrags folgt dabei auch nicht aus der Möglichkeit des in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Selbsteintritts, weil selbst bei Bestehen systemischer Mängel keine Verpflichtung zum Selbsteintritt bestünde (vgl. OVG NRW U. v. 7.3.2014, a. a. O. und VGH Baden-Württemberg U. v. 16.4.2014, a. a. O., jeweils mit Hinweis auf EuGH U. v. 14.11.2013 - C-4/11 - NVwZ 2014, 129). Unabhängig davon wäre die Verpflichtungsklage aber selbst dann, wenn man sie für zulässig hielte, jedenfalls unbegründet, weil der Asylantrag, wie gezeigt, gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist (s. o.).
4. Der Kläger hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
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Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:
- 1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. - 2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat. - 3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4. - 4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend. - 5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.