Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Aug. 2017 - M 9 S7 17.51363

published on 23/08/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Aug. 2017 - M 9 S7 17.51363
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Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses vom 22. März 2017 im Verfahren M 9 S 17.50325 wird die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2017 erhobenen Klage vom 9. Februar 2017 (M 9 K 17.50324) angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Antragsteller hat mit seinem Abänderungsantrag Erfolg.

Anders als zum Zeitpunkt des Beschlusses vom 22. März 2017 im Verfahren Az. M 9 S. 17.50325 ist mittlerweile die Entscheidung des EuGH vom 26. Juli 2017 (Az.: C-670/16, juris) zu berücksichtigen. Die Maßgaben dieser Entscheidung bedeuten für den Fall des Antragstellers, dass aller Voraussicht nach die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers auf die Antragsgegnerin übergegangen ist, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 26. Juli 2017, Az. C-670/16 – wie hier für den Fall eines Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Dublin III-VO – klargestellt, dass die Zweibzw. Dreimonats-Frist in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO bereits mit Eingang der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) beim Bundesamt anläuft. Das ergibt sich nach dem EuGH daraus, dass eine Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO nicht erst mit der förmlichen Antragstellung beim Bundesamt gegeben sei, sondern bereits mit dem dortigen Eingang der BüMA (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – Celex-Nr. 62016CJ0670 Rn. 75ff., insb. Rn. 97 und Rn. 103); das ist vor dem Hintergrund der Regelung zur Stellung des Antrags auf internationalen Schutz i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO konsequent, weil den Regelungen der Dublin III-VO die Unterscheidung zwischen Asylgesuch und förmlicher Asylantragstellung im deutschen Asylrecht fremd ist.

Für den Fall bedeutet das: Da die BüMA dem Bundesamt am 18. Dezember 2015 zuging (Bl. 54 der Bundesamtsakte), lief die Dreimonats-Frist gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO – hier ist von der längeren Dreimonatsfrist und nicht von der Zweimonatsfrist gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen, da zu diesem Zeitpunkt gerade noch keine Eurodac-Treffermeldung vorlag – am 19. Dezember 2015 an und endete am Freitag, den 18. März 2016. Das Aufnahmegesuch wurde jedoch erst unter dem 17. Oktober 2016 und damit deutlich verspätet gestellt. Der erst am 14. September 2016 eingeholte Eurodac-Treffer (Bl. 39 der Bundesamtsakten) ändert am Fristablauf nichts. Der EuGH ist dem rechtlichen Standpunkt, wonach die mit einer Eurodac-Treffermeldung anlaufende Zweimonatsfrist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO spezieller sei als die „auf andere Beweismittel“ abstellende Dreimonatsfrist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO, nicht gefolgt. Die Zweimonatsfrist findet demnach nur alternativ Anwendung, verlängert aber nicht den Dreimonatszeitraum, der ab dem Eingang der BüMA beim Bundesamt läuft (zum Ganzen EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – Celex-Nr. 62016CJ0670 Rn. 63ff., insb. Rn. 74). Der Fristablauf begründet gem. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO den Übergang der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylbegehrens auf die Antragsgegnerin. Der Asylantrag ist damit nicht (mehr) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig.

Im Fall des Antragstellers besteht zwar die Besonderheit, dass die BüMA noch auf die zu Beginn des Verfahrens vom Antragsteller angegebenen Alias-Personalien lautete. Das ändert jedoch voraussichtlich – aus zwei unabhängig voneinander Geltung beanspruchenden Gründen – nichts am soeben dargestellten Ergebnis. Erstens geht auch die Antragsgegnerin ohne weiteres, insbesondere ohne weitere Ermittlungen anzustellen, Stellungnahmen abzugeben (die Antragsgegnerin hat sich vielmehr überhaupt nicht zur Sache geäußert, weder im hiesigen Verfahren noch im ursprünglichen Antragsverfahren noch im Klageverfahren) o.a. davon aus, dass es sich beim Antragsteller um die Person handelt, für die – unter einem Alias-Namen – am 16. Dezember 2015 eine BüMA ausgestellt wurde, weswegen die Anknüpfung an dieses Datum hinsichtlich des vom Antragsteller gestellten Antrags auf internationalen Schutz i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO von der Antragsgegnerin nicht bestritten werden kann. Zweitens wäre es der Antragsgegnerin, hätten ihre Behörden innerhalb von zwei Monaten ab Eingang der BüMA entsprechend der Regelung in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO einen Eurodac-Abgleich für den Antragsteller durchgeführt, rechtzeitig möglich gewesen, für den dann unabhängig von den angegebenen Alias-Personalien durch den Eurodac-Treffer jedenfalls für die Überstellung nach Italien hinreichend identifizierten Antragsteller das Aufnahmegesuch zu stellen.

Der Antragsteller kann sich auf den voraussichtlich eingetretenen Zuständigkeitsübergang auch berufen, d.h. er hat ein subjektives Recht, dass der zuständige Mitgliedstaat, also die Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchführt. Das gilt unabhängig davon, ob der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat seine Aufnahmebereitschaft positiv erklärt hat oder nicht (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – Celex-Nr. 62016CJ0670 Rn. 41ff., insb. Rn. 62). Art. 27 Abs. 1 der Dublin III-VO ist dahin auszulegen, dass sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auf den Ablauf einer in Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO genannten Frist berufen kann. Das Bundesamt ist in der Folge kraft Gesetzes, § 31 Abs. 2 AsylG verpflichtet, das Asylverfahren des Antragstellers fortzuführen und eine Sachentscheidung zu treffen (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris).

Da demnach bereits aufgrund der von den Behörden der Antragsgegnerin nicht beachteten Verfahrensregeln die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers übergegangen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Überstellung Vollstreckungshindernisse, die im Falle einer Abschiebungsanordnung im hiesigen Verfahren mit zu prüfen sind, entgegenstehen; insbesondere ist unerheblich, dass aus den vorgelegten ärztlichen Schreiben vom 4. und 5. Mai 2017, die den Anforderungen an die Feststellung fehlender Reiseunfähigkeit nicht genügen, keine ausreichenden Zweifel an der Reisefähigkeit des Antragstellers folgen.

Nach alledem geht die aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse zum jetzigen Zeitpunkt zugunsten des Antragstellers aus, weswegen unter Abänderung des Beschlusses vom 22. März 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers angeordnet wird. Im Klageverfahren in der Hauptsache wird der Bescheid des Bundesamts vom 31. Januar 2017 voraussichtlich aufzuheben sein, wenn nicht die Behörde der Antragsgegnerin noch gegenteilige Gesichtspunkte vorbringt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr
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published on 22/03/2017 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Italie
published on 28/02/2014 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche
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Annotations

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.