Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Juli 2016 - M 8 SN 16.349

published on 06/07/2016 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Juli 2016 - M 8 SN 16.349
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Gericht

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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 15. September 2015 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 17. August 2015 (...) wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die der Beigeladenen am 17. August 2015 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses einem Supermarkt und zwei Tiefgaragen.

Das Grundstück der Antragsteller ...-weg 36, Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., ist mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut und ist von den westlich gelegenen Vorhabengrundstücken ...-weg 42-44, Fl.Nr. ... und ..., durch den 12 m breiten ...-weg getrennt. Das Gebäude der Antragsteller ist im nördlichen Teil des Grundstücks situiert und schließt sich im Osten an das zweigeschossige Nachbargebäude ...-weg 34 an. Weiter östlich schließt sich weitere Wohnbebauung entlang des ...-wegs an. Im Westen ist das Wohnhaus der Antragsteller auf der Straßenbegrenzungslinie situiert, die in einem Abstand von 1 m (abgegriffen aus dem Lageplan) von der westlichen Grundstücksgrenze verläuft. Für das Grundstück der Antragsteller ist eine Baugrenze festgesetzt, die auf einer Länge von ca. 6 m parallel zu der südlichen Grundstücksgrenze verläuft und anschließend nach Norden abknickt. Sie verläuft entlang der westlichen Grundstücksgrenze in einem Abstand von ca. 5 m. Das Wohnhaus der Antragsteller überschreitet die westliche Baugrenze um ca. 4 m.

Die Vorhabengrundstücke liegen westlich des Antragstellergrundstücks. Das Vorhabengrundstück Fl.Nr. ... grenzt im Osten an den ...-weg, im Westen an den ...-weg und im Süden an den ...-weg. Im Nordosten liegt das mit einem dreigeschossigen Gebäuderiegel bebaute Grundstück Fl.Nr. ... Im Nordwesten schließt sich das zweite Vorhabengrundstück Fl.Nr. ... an.

Bild

(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht)

Mit Bauantrag vom 18. November 2014 und Änderungsantrag vom 27. Juli 2015 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung nach Plan-Nrn. ... und ... für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 38 Wohneinheiten in den Obergeschossen, einem Supermarkt im Erdgeschoss und zwei Tiefgaragen. Geplant ist die Errichtung eines ein- und fünfgeschossigen Baukörpers mit Terrassengeschoss. Der fünfgeschossige Gebäudeteil ist L-förmig ausgebildet und auf der westlichen sowie entlang der südlichen Grundstücksgrenzen situiert. Der erdgeschossige Gebäudeteil befindet sich im Grundstücksinneren und nimmt nahezu die gesamte restliche Grundstücksfläche ein. Der westliche Teil des Baukörpers ist 45,06 m lang und 13,91 m hoch (vermasst im Schnitt 2-2). Die Oberkante des 2,4 m (abgegriffen) zurückspringenden Terrassengeschosses liegt hier bei 16,34 m (vermasst im Schnitt 1-1). Der südliche Teil des Gebäudes ist 31,5 m lang und entspricht der Höhenentwicklung der westlichen Außenwand. Der Rücksprung des Terrassengeschosses liegt hier bei 1,5 m (abgegriffen). Im Osten besteht das Gebäude aus einem fünfgeschossigen und einem sich daran anschließenden erdgeschossigen Gebäudeteil. Der fünfgeschossige Gebäudeteil verfügt über eine Höhe von 13,86 m (vermasst im Schnitt 2-2) und eine Länge von 15,32 m. Die Oberkante des um 2,5 m (abgegriffen) zurückgesetzten Terrassengeschosses liegt bei 16,34 m (vermasst im Schnitt 2-2). Der erdgeschossige Gebäudeteil ist 5,35 m hoch (vermasst im Schnitt 1-1). Der Abstand der östlichen Außenwand zu der Grundstücksgrenze beträgt 4,8 m (abgegriffen).

Im Erdgeschoss des Neubaugebäudes sind ein Lebensmittelmarkt und eine Bäckerei mit Café vorgesehen. In der Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 sind für den Lebensmittelmarkt und die Bäckerei die Öffnungszeiten werktags von 7:00 bis 20:00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 7:00 bis 12:00 Uhr - ausschließlich für die Bäckerei - festgelegt. Die Belieferung des Lebensmittelmarkts und der Bäckerei soll täglich zwischen 6:00 und 20:00 Uhr in dem hierfür vorgesehenen Lieferbereich im östlichen Grundstücksteil erfolgen. Die Anlieferzone erstreckt sich auf den Bereich zwischen der östlichen Gebäudewand und der östlichen Grundstücksgrenze mit einer Breite von 4,8 m (abgegriffen) und einer Länge von 17,5 m (abgegriffen aus dem Freiflächengestaltungsplan mit der Plan-Nr. ...). Die Zahl der vorgesehenen Lieferungen ist in der Betriebsbeschreibung mit ca. 3 Lkw mit einer Länge von 12 m, ca. 1-2 Lkw mit Kühlaggregat, der während der „Entladung nicht in Betrieb ist, 1 Sprinter sowie täglich in der Ruhezeit 1 Lkw mit Kühlaggregat für den Backshop“ angegeben.

Die Zufahrt zu den Tiefgaragen ist ebenfalls auf der Ostseite des Gebäudes vorgesehen.

Nach den Ergebnissen des im Baugenehmigungsverfahren von der Beigeladenen eingeholten Schallschutzgutachtens des Ingenieurbüros ... vom 31. März 2015, Bericht Nr. ..., wird durch den Betrieb der gesamten gewerblichen Anlage an dem Anwesen der Antragsteller ein Schallleistungspegel von bis zu 50 dB(A) tagsüber erreicht.

Mit Bescheid vom 17. August 2015 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren die beantragte Baugenehmigung. Auf Seite 2 der Baugenehmigung wurden für den genehmigten Einzelhandel 18 und für die Wohnnutzung 38 Stellplätze beauflagt. Von den beauflagten 18 Stellplätzen werden gemäß dem Vertrag vom 17. August 2015 11 Stellplätze abgelöst. Auf Seite 3 unter Ziffer 5 enthält die Baugenehmigung immissionsschutzrechtliche Auflagen. In der Ziffer 5.1.2.1 ist festgelegt, dass die Bestimmungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (TA-Lärm) vom 26. August 1998 zu beachten sind. Ferner bestimmt die Baugenehmigung, dass die von dem Supermarkt und den dazugehörigen raumlufttechnischen Anlagen, einschließlich Lieferverkehr ausgehenden Geräusche nicht dazu beitragen dürfen, dass an den maßgeblichen Immissionsorten nach Ziffer 2.3 TA-Lärm die in der Baugenehmigung festgelegten Immissionsrichtwerte überschritten werden. Die Baugenehmigung geht davon aus, dass sich das Anwesen der Antragsteller in einem Reinen Wohngebiet (WR) befindet und legt für deren Anwesen folgende Immissionsrichtwerte fest:

tagsüber 50 dB(A) (6:00 - 22:00 Uhr),

nachts 35 dB(A) (22:00 - 6:00 Uhr).

Nach Ziffer 5.1.2.7 müssen der Anlieferumfang und sonstige Rahmenbedingungen zur Verladung „den Angaben im Kapitel 3.2.2 entsprechen (1 LKW zwischen 6.00 - 7.00, 5 LKW zwischen 7.00 - 20.00 Uhr)“. Nach Ziffer 7 der Baugenehmigung ist die Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 Bestandteil der Baugenehmigung vom 17. August 2015. Gemäß Ziffer 8 der Baugenehmigung ist auch das Schallschutzgutachten vom 31. März 2015 Bericht Nr. ... Bestandteil der Baugenehmigung und muss bei der Nutzung des Objekts zwingend beachtet werden.

Ferner enthält die Baugenehmigung vom 17. August 2015 zahlreiche Befreiungen und Abweichungen. Unter anderem wurde auf Seite 9 des Bescheids eine Abweichung wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsfläche in Richtung Osten erteilt. Die Abstandsfläche vor der östlichen Außenwand überschreite die Straßenmitte des ...-weges. Die Abweichung könne erteilt werden, da durch die Nichteinhaltung der Abstandsfläche die Belichtung, Belüftung und Besonnung der Nachbarbebauung Fl.Nr. ... nicht negativ beeinträchtigt würden. Dieser Entscheidung stünden unter Berücksichtigung der vorgenannten Anforderungen an Abstandsflächen öffentliche Belange nicht entgegen. Vorgenannte schutzwürdige nachbarliche Belange würden durch die Abweichung nicht in unzumutbarer Weise tangiert.

Eine Zustellung der Baugenehmigung vom 17. August 2015 an die Antragsteller kann den Behördenakten nicht entnommen werden.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2015, beim Gericht am selben Tag per Telefax eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Antragsteller Klage (M 8 K 15.4032) gegen die Baugenehmigung vom 17. August 2015. Mit Schreiben vom 27. Januar 2016 beantragten die Bevollmächtigten der Antragsteller,

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. September 2015 (M 8 K 15.4032) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. September 2015 wird angeordnet.

Zur Begründung führten die Bevollmächtigten der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben in bauplanungsrechtlicher Hinsicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße. Das schalltechnische Gutachten von ... gehe von falschen Immissionsansätzen aus. Die gewerblichen Pkw-Stellplätze seien akustisch gar nicht berücksichtigt worden. Die erforderliche Zahl der Stellplätze für den Supermarkt mit Backshop sei in rechtswidriger Weise auf sieben reduziert worden. Zumindest diese Stellplätze müssten mit einer entsprechenden Frequentierung angesetzt werden.

In der Begutachtung sei ferner nicht berücksichtigt worden, dass die beiden Tiefgaragenrampen eine Steigung von 25% hätten. Ein Zuschlag für Steigung sei gemäß Parkplatzlärmstudie i. V. m. RLS 90 ab einer Steigerung von 5% anzusetzen. Es sei zudem nicht ersichtlich, ob das Öffnen und Schließen des Garagentores akustisch beurteilt worden sei. Das Kühlaggregat werde lediglich mit einem Schalleistungspegel LWA = 93 dB(A) angesetzt. In Regelwerken werde von einem mittleren Schalleistungspegel für Kühlaggregate von 97 dB(A) ausgegangen. Weiter sei überraschend, dass das Kühlaggregat nur beim Backwaren-Lkw angesetzt worden sei. Gemäß der Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 werde der Markt aber von mehreren Lkw mit Kühlaggregat beliefert. Es sei ferner unklar, wie sichergestellt werden solle, dass das Kühlaggregat vor der Einfahrt in den Anlieferbereich ausgeschaltet werde. Weiter werde das Kühlaggregat für den Backwaren-Lkw gerade einmal mit 5 Minuten berücksichtigt.

Es sei zudem nicht davon auszugehen, dass die sechs Lkw, die in der Betriebsbeschreibung genannt seien, den „worst case“ darstellten. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Angabe der Anzahl der Lkw mit einem ca. versehen sei. Nachdem die Anzahl der Lkw-Bewegungen entscheidend sei, spreche viel dafür, dass auch ein deutlich höherer Lkw-Verkehr möglich und wahrscheinlich sei. Zudem sei nicht auszuschließen, dass auch künftig mehrere Lkw gleichzeitig anlieferten. Das sei in der Vergangenheit regelmäßig der Fall gewesen.

Der Schalleistungspegel, der für den Vorgang „Palette über Ladebordwand“ angesetzt werde, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei für den Vorgang „Palettenhubwagen über fahrzeugeigene Ladebordwand“ gemäß dem zitierten technischen Bericht ein höherer Schallleistungspegel einzusetzen. Es fehlten weitere relevante Geräusche im Zusammenhang mit dem Be- und Entladen, zum Beispiel durch das Öffnen der Lkw-Ladebordwand sowie einem erhöhten Leerlauf des Lkw. Es seien die Lkw-Betriebsbremsen, das Lkw-Türenschlagen, das Lkw-Motoranlassen und Lkw-Rangieren nicht berücksichtigt worden. Schließlich sei die Ent- und Belüftung der Tiefgarage unberücksichtigt geblieben.

Es liege ferner eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller aufgrund fehlender Stellplätze vor. Es müssten mindestens zwölf Stellplätze real hergestellt und sechs Stellplätze lagebedingt abgelöst werden. Zudem sei in den genehmigten Plänen eine Zuordnung der Stellplätze nicht vorgenommen worden. Nachdem beabsichtigt sei, dass gar keine Stellplätze für den Lebensmittelmarkt mit Backshop zur Verfügung gestellt würden, trete eine unzumutbare Situation für die Antragsteller ein. Bereits derzeit sei die Situation äußerst beengt. Regelmäßig werde die Grundstückszufahrt durch Pkw und Lkw versperrt. Dies werde noch in erheblichem Umfang zunehmen, wenn der Markt mit einer Verkaufsfläche von ca. 730 m² in Betrieb gehe. Das genehmigte Vorhaben verstoße gegen Abstandsflächenvorschriften. Es sei eine Abweichung zu dem Grundstück der Antragsteller hin erteilt worden. Eine erforderliche Atypik werde weder von der Antragsgegnerin dargestellt, noch sei eine solche tatsächlich gegeben. Die Begründung, die die Antragsgegnerin zur Abweichung heranziehe, erschöpfe sich in Allgemeinplätzen und zeige gerade keine grundstücksbezogene Atypik auf.

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2016 beantragte die Beigeladene,

den Antrag der Antragsteller vom 27. Januar 2016 abzulehnen.

Es ergebe sich aus dem Gutachten der Firma ..., dass aufgrund der Größe und Ausgestaltung und insbesondere der Zielsetzung eines reinen Nahversorgungsbetriebes, von einem Betrieb mit einem geringen Geräuschaufkommen gerade durch die Fahrtbewegungen ausgegangen worden sei. Selbst wenn ein umfänglicheres Geräuschaufkommen unterstellt werde, würde sich rein rechnerisch nur eine Überschreitung um 1 dB(A) ergeben. Diese Überschreitung sei insbesondere aufgrund der Tatsache gerechtfertigt, dass an dieser Stelle bereits ein Lebensmittelmarkt existiert habe und insoweit die schutzwürdige Wohnnutzung durch eine Gewerbenutzung vorbelastet gewesen sei. Gerade in den Übergängen zwischen reinen und allgemeinen Wohngebieten seien derartig geringfügige Überschreitungen akzeptabel und führten nicht zu einer Rechtsbeeinträchtigung der Wohnnutzung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Antragsteller selbst ihr Bauvorhaben außerhalb der Baulinie errichtet hätten und somit näher an das Vorhabengrundstück und den Einzelhandelsbetrieb gerückt seien. Sie hätten sich insoweit ein Sonderrecht verschafft und seien deshalb auch in diesem Umfang weniger schutzwürdig. Zudem weise die westliche Außenwand des Anwesens der Antragsteller keine Öffnungen auf. Der Anlieferbereich wirke sich aber insbesondere auf die westliche Wand und nicht auf die Süd- und Nordseite des Gebäudes der Antragsteller aus. Der Bauherr sei aufgrund der Auflage in dem Genehmigungsbescheid verpflichtet, den festgesetzten Immissionsrichtwert am Anwesen der Antragsteller einzuhalten. Die schlichte Sorge der Antragsteller, es werde zu deutlichen Überschreitungen kommen, begründe keine Verletzung von Nachbarrechten. Die Antragsteller seien ausreichend durch die zu ihren Gunsten verfügte Auflage im Genehmigungsbescheid abgesichert.

Die Stellplatzpflicht stehe im öffentlichen Interesse und diene nicht dem Schutz nachbarlicher Interessen. Ein Nachbar könne sich auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nur dann berufen, wenn ein Mangel an Stellplätzen geeignet sei, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.

Aufgrund der Konzeption des Vorhabens halte das Vorhaben die erforderlichen Abstandsflächen nicht vollständig ein. Diese fielen über die Straßenmitte des ...-weges. Das Grundstück der Antragsteller werde nicht von den Abstandsflächen des Vorhabens berührt, sondern lediglich die Straßenmitte überschritten. Die gesamte Verkehrsfläche des ...-weges sei lediglich 12 m breit. Die Überschreitung der erforderlichen Abstandsfläche erfolge in einem Bereich, in welchem das Grundstück der Antragsteller selbst kein Gebäude aufweise. Die Abstandsflächenüberschreitung des ...-weges sei in der Gesamtfläche untergeordnet und lasse die Schutzziele Belichtung, Besonnung und Belüftung unberührt. Für den Fall der Neubebauung des Grundstückes der Antragsteller dürfte der verbleibende Abstand zwischen der Baugrenze und der nicht beanspruchten Verkehrsfläche ausreichen, um das zulässige Maß der baulichen Nutzung, nämlich ein dreigeschossiges Gebäude zu realisieren.

Mit dem Schriftsatz vom 22. Februar 2016 legte die Beigeladene eine ergänzende Stellungnahme des Ingenieurbüros ... vom selben Tag vor. Die zu dem Ergebnis kommt, dass bei Unterstellung einer geräuschintensiveren Nutzung des streitgegenständlichen Lebensmittelmarktes am Anwesen der Antragsteller ein Beurteilungspegel in Höhe von 51 dB(A) tags erreicht werde (vgl. Seite 5 der Stellungnahme vom 22. Februar 2016). In dieser Stellungnahme wurden bei der Ermittlung des Schalleistungspegels, der von dem geplanten Lebensmittelmarkt ausgeht, der Zu- und Abfahrtsverkehr der sieben genehmigten gewerblichen Stellplätze, der Zuschlag für die 25% Steigung der Garagenrampe sowie geräuschintensivere Anlieferung berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 7. März 2016 replizierten die Bevollmächtigten der Antragsteller und äußerten sich erneut zu der Problematik der aus ihrer Sicht fehlenden atypischen Grundstückssituation sowie zu der seitens der Beigeladenen vorgelegten Stellungnahme vom 22. Februar 2016. Die erneute akustische Beurteilung sei in sich widersprüchlich. Es seien nach wie vor keine „Entsorger“ für den Markt angesetzt worden (Bio-, Metzger- und Standardmüll). Weiter sei im Gutachten vom 31. März 2015 am Immissionsort „2 EG“ für die Verladung ein Teilpegel von 46,4 zugrunde gelegt worden. Im aktuellen Gutachten werde für die Verladung nur noch ein Teilpegel von 44,7 angesetzt. Nachdem die Datenblätter fehlten, sei eine weitere Prüfung nicht möglich.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2016 erwiderte die Antragsgegnerin und stellte folgenden Antrag:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der streitgegenständliche Lebensmittelmarkt sei als ein Laden, der der Versorgung des Gebiets zu dienen bestimmt sei, in einem Allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Der Supermarkt entspreche auch seiner geplanten Verkaufsfläche nach noch den Anforderungen, die die Rechtsprechung an einen solchen Nahversorger stelle.

Hinsichtlich der Anforderungen an den Lärmschutz sei festzustellen, dass das Bauvorhaben auch vor dem Hintergrund der in dem vorgelegten Lärmgutachten ermittelten Werte noch als verträglich einzustufen sei. Die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen zum Lärmschutz seien als sogenannte Zielvorgaben jedenfalls geeignet, die Nachbarrechte und damit insbesondere auch die Rechte der Antragsteller zu wahren. Die in der Baugenehmigung festgesetzten Richtwerte entsprächen den Richtwerten, die nach der TA-Lärm für ein reines Wohngebiet gälten. Dieser strenge Maßstab lasse dabei zugunsten der Antragsteller außer Betracht, dass das Gebäude der Antragsteller unmittelbar an der Grenze zwischen einem faktischen Reinen Wohngebiet und einem faktischen Allgemeinen Wohngebiet situiert sei und sich auf dem Vorhabengrundstück zuvor schon ein Supermarkt befunden habe. Nach der Rechtsprechung seien für derartige Lagen eigentlich Mittelwerte zu bilden.

Es dürfe dabei nicht übersehen werden, dass es sich bei der TA-Lärm lediglich um Regelwerte handele. Selbst eine Überschreitung derselben führe nicht unmittelbar zu einer Unzumutbarkeit für die betroffene Umgebung. Dies ergebe sich letztlich bereits aus der Existenz der Ziffer 3.2.1 Abs. 2-5 der TA-Lärm. Hier liege die Überschreitung im Bereich von 1 dB(A) tagsüber. Dies sei aus Sicht der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der Ziffer 3.2.1 Abs. 3 TA-Lärm noch hinnehmbar. Die hier bestehende Diskrepanz zwischen der Zielvorgabe in der Baugenehmigung und der tatsächlich zu erwartenden Lärmbelastung wäre jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch eine entsprechende Abänderung der Auflage heilbar.

Hinsichtlich der Stellplatzproblematik schließe sich die Antragsgegnerin insoweit den Ausführungen der Beigeladenen an. Es sei zu erwarten, dass ein Großteil der Kunden den Nahversorger ohne Pkw aufsuchen werde und zudem eine entsprechende Verkehrssituation auch schon durch die Vornutzung eines Supermarkts indiziert gewesen sei.

Auch die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen, die über die Straßenmitte des ...-wegs fielen, sei nicht geeignet die Antragsteller zu beeinträchtigen. Die Bebauung der Antragsteller liege auch deswegen so nahe am ...-weg, weil diese selbst unter Überschreitung der eigentlich weit vom Straßenrand zurückversetzten Baugrenze realisiert worden sei. Schon aus diesem Grund dürfte fraglich sein, ob die Antragsteller „ihre“ abstandsflächenrechtliche Straßenhälfte überhaupt mit einer Bebauung, die die Baugrenze einhalte, mit einer Abstandsfläche von ihrem Grundstück aus belegen könnten. Jedenfalls würden Belichtung, Belüftung und Besonnung des antragstellerseitigen Gebäudes nicht unzumutbar durch das Vorhaben beeinträchtigt.

Mit Schreiben vom 6. April 2016 legten die Bevollmächtigten der Beigeladenen eine ergänzende Stellungnahme des Ingenieurbüros ... vom 1. April 2016 vor. Der Einfluss der Müllentsorgung sei zwischenzeitlich rechnerisch geprüft worden. Die zusätzliche Betrachtung der Müllentsorgung führe zu keiner maßgeblichen Erhöhung der bisher ermittelten Beurteilungspegel in der Nachbarschaft.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2016 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit, dass zwischenzeitlich das streitgegenständliche Gebäude im Rohbau fertiggestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage hat auch in der Sache Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung vom 17. August 2015 bei summarischer Prüfung nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Der Antrag ist vorliegend nicht infolge der zwischenzeitlichen Fertigstellung des streitgegenständlichen Gebäudes im Rohbau wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses der Antragsteller unzulässig geworden.

1. Zwar entfällt das Rechtschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtschutz grundsätzlich mit der Fertigstellung der streitgegenständlichen baulichen Anlage, soweit die befürchteten Beeinträchtigungen von der Anlage als solcher ausgehen (vgl. BayVGH, B. v. 20.7.2007 - 2 CS 07.1473 - juris; B. v. 14.6.2007 - 1 CS 07.265 - juris; B. v. 4.3.2009 - 2 CS 08.3331 - juris; B. v. 26.7.2010 - 2 CS 10.465 - juris; B. v. 12.8.2010 - 2 CS 10.26 - juris; B. v. 23.7.2012 - 2 CS 12.1063 - juris; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 66). Denn das mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung verfolgte Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlagen insoweit nicht mehr zu erreichen (vgl. BayVGH, B. v. 04.03.2009 - 2 CS 08.3331 - juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 29.09.2014 - 2 CS 14.1786 - juris Rn. 2).

2. Ausnahmsweise kann trotz Fertigstellung des Rohbaus oder gar des gesamten angegriffenen Vorhabens das Rechtschutzbedürfnis im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage fortbestehen, falls sich der Nachbar durch die genehmigte Nutzung der baulichen Anlage in seinen Rechten verletzt sieht (vgl. BayVGH, B. v. 29.9.2014 - 2 CS 14.1786 - juris Rn.3). Soweit sich der Antragsteller durch die Nutzung der genehmigten baulichen Anlagen verletzt sieht, kann diese Rechtsverletzung mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs auch nach Fertigstellung noch verbessert werden mit der Folge, dass das Rechtsschutzinteresse für den einstweiligen Rechtsschutz insoweit weiterbesteht. Das Interesse des Nachbarn ist in dieser Situation darauf gerichtet, eine Nutzung der baulichen Anlagen bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern (vgl. BayVGH, B. v. 29.09.2014 - 2 CS 14.1786 - juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 04.03.2009 - 2 CS 08.3331 - juris Rn. 2).

Richtet sich das nachbarliche Interesse in dieser Weise auf eine - vorbeugende - Nutzungsuntersagung, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes indessen auch das Interesse des Bauherrn an der einstweiligen Aufnahme bzw. Weiterführung der genehmigten Nutzung zu berücksichtigen mit der Folge, dass den Nachbarn, jedenfalls vorübergehend bis zur Entscheidung in der Hauptsache, die mit der Nutzung einhergehenden Beeinträchtigungen zuzumuten sein können. Wenn diese Beeinträchtigungen erkennbar und erheblich über das Maß dessen hinausgehen, was die Nachbarn letztlich hinzunehmen haben, ist es gerechtfertigt, bereits vor einer Entscheidung in der Hauptsache die Nutzung der baulichen Anlagen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu unterbinden (vgl. BayVGH, B. v. 29.09.2014 - 2 CS 14.1786 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 4.3.2009 - 2 CS 08.3331 - juris Rn. 9).

Vorliegend richtet sich der Rechtsbehelf der Antragsteller primär gegen die beabsichtigte Supermarktnutzung des Neubaugebäudes. Nach summarischer Prüfung ergeben sich vorliegend mehrere Anhaltspunkte, die für eine Verletzung der nachbarschützenden Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts durch die streitgegenständliche Baugenehmigung sprechen. Dabei steht insbesondere eine mögliche Verletzung des Rücksichtnahmegobots durch den Betrieb des geplanten Supermarkts im Raum. In Anbetracht der Tatsache, dass es vorliegend um eine mögliche unzumutbare Beeinträchtigung der - regelmäßig besonderes sensiblen - Wohnnutzung durch die von einer gewerblichen Nutzung ausgehenden Lärmimmissionen geht, ist es aus Sicht des Gerichts geboten, dem Interesse der Antragsteller an einer vorbeugenden Unterbindung der geplanten Supermarktnutzung Vorrang einzuräumen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet.

Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.).

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris RdNr. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben sowohl in bauplanungsrechtlicher als auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragsteller verstößt.

Als nachbarrechtsrelevante Gesichtspunkte kommen vorliegend die geltend gemachte Verletzung der Abstandsflächenvorschriften durch das streitgegenständliche Vorhaben sowie ein möglicher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Betracht.

1. Soweit sich die Antragsteller auf einen Verstoß des Vorhabens gegen die Abstandsflächenvorschriften berufen, ist zunächst festzustellen, dass das streitgegenständliche Vorhaben zwar in einem vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO genehmigt wurde, da es sich keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Im vereinfachten Verfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht mehr das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören jedoch die beantragten Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zum Prüfungsumfang. Vorliegend hat die Antragsgegnerin eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO wegen Überschreitung der Straßenmitte des...-weges durch die östliche Abstandsflächen erteilt. Da die andere Hälfte der öffentlichen Straße grundsätzlich dem gegenüberliegenden Grundstückseigentümer für die von ihm einzuhaltenden Abstandsflächen zur Verfügung stehen muss (Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO 112. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 72), ist das Grundstück der Antragsteller durch die erteilte Abweichung betroffen, so dass insoweit Abstandsflächen im Prüfprogramm der angefochtenen Baugenehmigung enthalten sind.

2. Nach summarischer Überprüfung der Hauptsache verstößt das Vorhaben voraussichtlich gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts.

Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen grundsätzlich auf dem Grundstück selbst liegen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO dürfen sie auch auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte. Nach dieser Vorschrift stehen der Beigeladenen für die vor ihrer östlichen Gebäudeaußenwand einzuhaltende Abstandsfläche 6 m des 12 m breiten ...-weges zur Verfügung. Die andere Hälfte der ...straße steht grundsätzlich den Antragstellern für die von ihnen einzuhaltenden Abstandsflächen zur Verfügung, gleichsam wie wenn es ihre eigene Grundstücksfläche wäre (vgl. Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO 112. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 72). Hier überschreitet das streitgegenständliche Gebäude nach den genehmigten Plänen die Mitte der ...straße um ca. 3 m, da bei einer Tiefe der östlichen Abstandsfläche von 13,75 m bzw. 13,69 nur 4,7 m (abgegriffen) auf eigenem Grund für eine Abstandsfläche zur Verfügung stehen.

Die Antragstellerin hat vorliegend eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen in Richtung Osten zum Grundstück der Antragsteller erteilt. Die erteilte Abweichung ist rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO nicht vorliegen, so dass ein Ermessen der Antragsgegnerin nicht eröffnet ist.

2.1 Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Zulassung einer Abweichung Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 13.03.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Bei der Zulassung der Abweichung ist eine atypische Situation zu fordern (vgl. BayVGH, B. v. 26.03.2015 - 2 ZB 13.2395). Soweit ein sinnvolles Vorhaben auch dergestalt verwirklicht werden kann, dass gleichwohl die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden, kann eine Atypik nicht mehr angenommen werden. Für die Frage der Atypik ist vielmehr von Bedeutung, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks - auch unter den Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO - möglich und zumutbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris).

2.2 Eine atypische Situation, die die Bebaubarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks dergestalt einschränkt, dass eine angemessene bauliche Ausnutzung nur bei einer Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abstandsflächen in Betracht kommt, liegt nicht vor. Das Vorhabengrundstück kann auch unter Einhaltung der östlichen Abstandsfläche mit einem niedrigeren Gebäude sinnvoll bebaut werden. Im Hinblick auf die nicht unerhebliche Größe des Baugrundstücks Fl.Nr. ... von 1197 m² bestünde auch die Möglichkeit das Gebäude in einem größeren Abstand zu der östlichen Grundstücksgrenze zu situieren, zumal durch das streitgegenständliche Vorhaben die östliche Baulinie überschritten wird. Bei einer Situierung auf der Baulinie würden der Beigeladenen für die östliche Abstandsfläche 12 m zur Verfügung stehen. Allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, begründen noch keine Atypik.

2.3 Die seitens der Antragsgegnerin und der Beigeladenen angeführten Argumente für die Erteilung einer Abweichung überzeugen nicht. Die Antragsgegnerin hat in der streitgegenständlichen Baugenehmigung ihre positive Abweichungsentscheidung damit begründet, dass durch die Nichteinhaltung der Abstandsflächen die Belichtung, Belüftung und Besonnung des Grundstücks der Antragsteller nicht negativ beeinträchtigt würden. Öffentliche Belange stünden einer Abweichung unter Berücksichtigung der vorgenannten Anforderungen nicht entgegen.

Selbst wenn vorliegend eine fehlende tatsächliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungsverhältnisse auf dem Grundstück der Antragsteller unterstellt wird, vermag dies das Erfordernis einer grundstücksbezogenen Atypik nicht zu suspendieren. Eine Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange erfolgt nur, wenn die erforderliche Atypik als tatbestandliche Voraussetzung einer Abweichung gegeben ist.

2.4 Eine atypische Fallgestaltung in Anlehnung an Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist vorliegend auch nicht aufgrund einer etwaigen tatsächlichen oder rechtlichen Unüberbaubarkeit des Grundstücks der Antragsteller gegeben. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene rechtfertigen die erteilte Abweichung wegen Überschreitung der Straßenmitte im Wesentlichen damit, dass für das Grundstück der Antragsteller durch einen einfachen Bebauungsplan eine Baugrenze festgesetzt sei, die eine Bebaubarkeit des Antragstellergrundstücks im westlichen Bereich einschränke. Zudem sei das zulässige Maß der baulichen Nutzung durch die Umgebungsbebauung eingeschränkt, so dass die den Antragstellern zustehende Straßenhälfte von diesen nicht in Anspruch genommen werden könne bzw. müsse.

Zwar kann bei einer nur einseitig möglichen Bebauung eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO in Betracht kommen (vgl. Dhom/Franz/Rauscher a. a. O. Art. 6 Rn. 72). Es ist vorliegend jedoch nicht davon auszugehen, dass die östliche Straßenhälfte der ...straße seitens der Antragsteller auf Dauer nicht in Anspruch genommen werden kann. Dies würde voraussetzen, dass das Grundstück der Antragsteller auf Dauer nur in einem beschränkten Maße überbaubar ist. Rechtliche Gründe, die einer Überbauung entgegenstehen, liegen nur vor, wenn eine zivilrechtlich dingliche Sicherung besteht, wie die Übernahme der Abstandsflächen durch eine Grunddienstbarkeit und/oder eine inhaltsgleich beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Molodovsky/Famers/Kraus, Komm. zur BayBO, Art. 6 Rn. 99 und 100). Eine Unüberbaubarkeit aus Gründen des öffentlichen Rechts setzt voraus, dass das Maß einer öffentlichrechtlichen Sicherung aufgrund anderer Vorschriften dem der Sicherung durch eine - in Bayern nicht existierende - Baulast vergleichbar sein muss (vgl. OVG NRW, B. v. 17.3.1994 - 11 B 2666/93 - juris Rn. 2 und 3).

Privatrechtliche Gründe für eine dauerhafte Einschränkung der Bebaubarkeit sind hier ersichtlich nicht gegeben.

Vorliegend ist auch durch die Bauraumfestsetzung die Unüberbaubarkeit des westlichen Bereichs des Antragstellergrundstücks nicht mit der im Hinblick auf den massiven Eigentumseingriff, den die Erstreckung der Abstandsfläche auf benachbarte Grundstücke beinhaltet, notwendigen Sicherheit festgeschrieben. Zum einen können von Bauraumfestsetzungen Befreiungen erteilt werden, auch können derartige Festsetzungen obsolet oder in einem Bebauungsplanänderungsverfahren aufgehoben werden (vgl. VG München, U. v. 29.2.2016 - M 8 K 15.5673 - juris Rn. 40; Dhom/Franz/Rauscher a. a. O. Art. 6 Rn. 98). Die westliche Baugrenze ist hier bereits durch das Bestandsgebäude der Antragsteller nicht unerheblich überschritten und damit bereits jetzt nicht konsequent eingehalten. Auch können gemäß § 23 Abs. 5 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen nach § 14 BauNVO zugelassen werden, die nicht das Privileg des Art. 6 Abs. 9 BayBO in Anspruch nehmen können und somit abstandsflächenpflichtig sind (vgl. VG München, U. v. 29.2.2016 - M 8 K 15.5673 - juris Rn. 41).

Eine Bebauung des Grundstücks der Antragsteller außerhalb des Bauraums ist demnach rechtlich nicht ausgeschlossen.

Es sind ferner auch keine tatsächlichen Gründe ersichtlich, die - zumindest teilweise - einer Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller entgegenstehen würden. Insbesondere ist es nicht ausreichend, dass sich auf dem Grundstück der Antragsteller bereits ein Gebäude befindet, denn eine Erweiterung dieses Gebäudes oder die Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes nicht auf Dauer ausgeschlossen ist (vgl. Dhom/Franz/Rauscher a. a. O. Art. 6 Rn. 108).

Erst Recht ist vorliegend nicht gewährleistet, dass auf dem Grundstück der Antragsteller auf Dauer nur eine maximal bis zu dreigeschossige Bebauung verwirklicht werden kann, so dass die westliche Straßenhälfte für die Abstandsfläche der Antragsteller nicht benötigt wird. Das zulässige Maß der baulichen Nutzung ergibt sich hier nach § 34 Abs. 1 BauGB aus der Umgebungsbebauung. Die tatsächlich vorhandene Bebauung in der Umgebung befindet sich stets im Wandel, so dass eine bestimmte Höhenentwicklung im unbeplanten Innenbereich nicht auf Dauer festgeschrieben ist.

Folglich ist festzuhalten, dass schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO nicht vorliegen. Da das Abstandsflächenrecht per se nachbarschützend ist, kann der betroffene Nachbar grundsätzlich - unabhängig von der Würdigung nachbarlicher Belange - das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung einer erteilten Abweichung mit Erfolg beanstanden.

3. Nach summarischer Prüfung verstößt die streitgegenständliche Baugenehmigung auch gegen das nachbarschützende Bauplanungsrecht. Der Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2015 ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sowie in sich widersprüchlich (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

3.1 Eine Baugenehmigung ist nur dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn sie Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lässt. Der Bauherr muss die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Zu unbestimmt ist eine Baugenehmigung, wenn sie unter Einbeziehung der genehmigten Bauvorlagen das Vorhaben nicht ausreichend beschreibt und sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale bezieht, deren Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen (vgl. OVG NRW, U. v. 16.12.2014 - 7 A 2623/13 - juris Rn. 33).

Insbesondere muss eine Baugenehmigung sicherstellen, dass durch die beantragte Nutzung keine Lärmimmissionen hervorgerufen werden, die nach dem Gebot der Rücksichtnahme unzumutbar wären. Sie muss die mit Rücksicht auf schutzwürdige nachbarschaftliche Belange gegebenenfalls erforderlichen Beschränkungen selbst klar und im sachlich gebotenen Umfang regeln. Es ist gerade Sinn und Zweck des Baugenehmigungsverfahrens, vor Ausführung des Vorhabens Verletzungen von Nachbarrechten verbindlich und verlässlich auszuschließen und deren Behebung nicht ungewissen und unbestimmten Verfahrensweisen in der Zukunft oder einem begleitenden Verwaltungsvollzug zu überlassen (vgl. BVerwG, B. v. 14.06.2011 - 4 B 3/11 - juris Rn. 6/10). Die Sicherung von Nachbarrechten bei einem Vorhaben, dessen Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, erfordert, dass Nutzungsmöglichkeiten des Vorhabens unter Umständen durch konkrete Regelungen beschränkt und maßgebliche Immissionsrichtwerte oder Beurteilungspegel als Grenzwerte bereits in der Baugenehmigung festgelegt werden (vgl. BayVGH, U. v. 21.10.2010 - 14 B 08.1267 - juris Rn. 35). Nachbarrechte werden bereits dann verletzt, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, U. v. 8.8.2000 - 26 B 96.1956 - juris Rn. 42).

Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist dabei grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn von § 3 Abs. 1 BlmSchG) und auf dessen materiellrechtliche Maßstäbe (§§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; 22 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG) zurückzugreifen (BayVGH, vom 4.8.2008, BayVBl 2009, 208 m. w. N.). Ebenso ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm als Maßstab die TA- Lärm heranzuziehen (vgl. BVerwG, U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 17). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA-Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA-Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z. B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z. B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (vgl. BVerwG, U. v. 29.8.2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 - juris Rn. 12; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 18). Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA-Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 19).

3.2 Geht es um die Lösung einer Immissions-Konfliktlage, reicht es in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. BVerwG, U. v. 5.11.1968 - I C 29.67 - BVerwGE 31, 15 - juris Rn. 11; U. v. 24.6.1971 - I C 39.67 - BVerwGE 38, 209 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 31). Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2002 - 1 B 98.2945 - BayVBl 2003, 503 - juris Rn. 53 - 61; B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 31).

Die Antragsgegnerin hat in der streitgegenständlichen Baugenehmigung die höchstzulässigen Immissionsrichtwerte für das Anwesen der Antragsteller festgelegt. Danach darf bei dem Betrieb des genehmigten Supermarkts mit Bäckerei Café der Immissionsrichtwert von 50 dB(A) tagsüber nicht überschritten werden. Das im Baugenehmigungsverfahren eingeholte Schallschutzgutachten des Ingenieurbüros ... vom 31. März 2015, Bericht Nr. ..., das ausdrücklich zum Inhalt der Baugenehmigung gemacht wurde, geht zwar davon aus, dass diese Immissionsrichtwerte am Anwesen der Antragsteller eingehalten werden. Allerdings liegt dem Gericht eine Stellungnahme des Ingenieurbüros ... vom 22. Februar 2016 vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass der in der Baugenehmigung festgelegte maximale Immissionsrichtwert von 50 dB(A) tagsüber um 1 dB(A) überschritten wird. Diese Stellungnahme erscheint bereits deshalb plausibel, weil die ursprüngliche Untersuchung Immissionen, die von den für den Supermarkt genehmigten Stellplätzen ausgehen, vollständig unberücksichtigt gelassen hat. Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurden sieben gewerbliche Stellplätze in der geplanten Tiefgarage genehmigt. Eine ausdrückliche Einschränkung der Nutzung dieser Stellplätze erfolgte nicht, weshalb sie bei der Betrachtung der von der Anlage ausgehenden Lärmimmissionen nicht außer Acht gelassen werden durften. Die Tatsache, dass eine tatsächliche Nutzung der Stellplätze für den Kundenverkehr möglicherweise nicht beabsichtigt ist, muss dagegen bereits wegen der damit verbundenen Unsicherheit für die betroffenen Nachbarn unberücksichtigt bleiben. Maßgeblich ist insoweit die erteilte Baugenehmigung in Verbindung mit der einschlägigen Betriebsbeschreibung vom 10. November 2015, die keine diesbezüglichen Einschränkungen enthält.

Es besteht vorliegend eine Diskrepanz zwischen den in der Baugenehmigung festgelegten und den tatsächlich prognostizierten Immissionsrichtwerten, weshalb eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller durch die von der genehmigten Anlage ausgehenden Lärmimmissionen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der zugunsten der Antragsteller festgesetzte Immissionsrichtwert nicht eingehalten werden wird.

Zwar ist der seitens der Antragsgegnerin in der Klageerwiderung vertretenen Ansicht hinsichtlich einer möglichen Mittelwertbildung in Gemenge- bzw. Randlagen im Grundsatz zuzustimmen (vgl. BVerwG v. 9.9.2007 - 7 B 24/07 - juris). Bei einer Lage des betroffenen Grundstücks am Rande eines Baugebiets kann aus Gründen der gegenseitigen Rücksichtnahme unter Umständen eine Abweichung von den Richtwerten der TA-Lärm durch Bildung einer Art Mittelwert in Betracht kommen. Die Antragsgegnerin hat jedoch von der Bildung etwaiger Mittelwerte gerade abgesehen und für das Anwesen der Antragsteller Immissionsrichtwerte für ein Reines Wohngebiet festgelegt, die es zu beachten gilt.

3.3 Hinzu kommt, dass die im Verfahren durchgeführten Schallschutzuntersuchungen des Ingenieurbüros ... an die Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 anknüpfen, die hinsichtlich des Umfangs des zu erwartenden Lieferverkehrs Ungenauigkeiten aufweist.

Die Nutzung eines Vorhabens wird durch eine Betriebsbeschränkung verbindlich definiert und beschränkt. Eine detaillierte und unmissverständliche Betriebsbeschreibung ist insbesondere bei lärmintensiven Anlagen im Hinblick auf den Nachbarschutz unabdingbar. Denn nur anhand einer eindeutigen Betriebsbeschreibung kann der Umfang der legalen Nutzung der Anlage bestimmt werden. Diese Transparenz ist für den Schutz des Nachbarn von erheblicher Bedeutung.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist in Verbindung mit der Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 missverständlich und inhaltlich unbestimmt.

Die Betriebsbeschreibung des streitgegenständlichen Supermarkts mit Bäckerei Café geht davon aus, dass der Betrieb täglich von ca. 3 Lkw mit 12 m Länge, ca. 1-2 Lkw mit Kühlaggregat, 1 Sprinter sowie täglich 1 Lkw mit Kühlaggregat für den Backshop beliefert wird. Bereits die Angaben hinsichtlich der Zahl der täglich zu erwartenden Lieferfahrzeuge sind unbestimmt. Nach dem Wortlaut der Betriebsbeschreibung steht die maximale Zahl der Lieferfahrzeuge, die täglich den streitgegenständlichen Supermarkt anfahren, nicht fest. Durch die Angabe einer „ca.-Zahl“ sind beispielsweise auch 4 Lkw mit einer Länge von 12 m von der Betriebsbeschreibung erfasst, denn deren Wortlaut durchaus Spielraum für eine derartige Auslegung lässt. Diese Unklarheit in der Betriebsbeschreibung ist im Hinblick auf die Nachbarrechte der Antragsteller insoweit relevant, als die eingeholten Schallschutzuntersuchungen, die primär gerade zum Schutz der Nachbarn in Auftrag gegeben werden, auf der Grundlage dieser Betriebsbeschreibung erstellt wurden. Die Untersuchungen gehen von einer täglichen Frequentierung des Betriebes durch maximal 7 Lieferfahrzeuge (6 Lkw und 1 Transporter) aus, obwohl nach der Betriebsbeschreibung auch ein größerer Lieferumfang nicht ausgeschlossen ist. Im Hinblick darauf, dass bereits unter Zugrundelegung des Lieferumfangs mit maximal 7 Lieferfahrzeugen am Tag die in der Baugenehmigung festgelegten Immissionsrichtwerte um 1 dB(A) überschritten werden, liegt es nahe, dass ein größerer Umfang des Lieferverkehrs zu einer weiteren Überschreitung der Richtwerte führen würde. Diese Unklarheit der Baugenehmigung führt dazu, dass eine Verletzung der Nachbarrechte der Antragsteller durch den Betrieb des genehmigten Supermarkts mit Bäckerei Café nicht ausgeschlossen ist.

Soweit die Antragsgegnerin einwendet, dass nach der Bestimmung in Ziffer 3.2.1 Abs. 3 der TA-Lärm eine geringfügige Überschreitung der geregelten Immissionsrichtwerte möglich sei, ist diesem Einwand entgegenzuhalten, dass die Anwendung dieser Norm eine dauerhafte Sicherstellung einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 1 dB(A) voraussetzt. Hier kann von einer auf Dauer gesicherten Beschränkung der Richtwertüberschreitung schon deshalb nicht ausgegangen werden, da die Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 einen größeren Lieferumfang - und die damit verbundenen Lärmimmissionen - nicht ausschließt.

3.4 Zwar enthält die streitgegenständliche Baugenehmigung unter Ziffer 5.1.2.7 eine Auflage hinsichtlich des Lieferumfangs. Diese Auflage ist allerdings nicht geeignet, den zulässigen Lieferumfang klar zu definieren. Ziffer 5.1.2.7 der Baugenehmigung legt fest, dass der Anlieferumfang und sonstige Rahmenbedingungen zu Verladung den Angaben im „Kapitel 3.2.2“ entsprechen müssten. Dabei wird in der Baugenehmigung von einem Lieferumfang von insgesamt 6 Lkw ausgegangen. Schon die Formulierung der Auflage lässt nicht klar erkennen, auf welche Quelle sich diese bezieht. Das Gericht kann insoweit nur mutmaßen, dass mit dem „Kapitel 3.2.2“ ein Kapitel der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros ... vom 31. März 2015 Bericht Nr. ... gemeint ist. Zum anderen lässt die Auflage den Transporter für Medienartikel unberücksichtigt, der sowohl in der schalltechnischen Untersuchung als auch in der Betriebsbeschreibung vom 10. Februar 2015 erwähnt und berücksichtigt wurde. Damit bleibt es weiterhin unklar, welcher Lieferumfang letztendlich genehmigt ist.

4. Daher ist die streitgegenständliche Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften sowie aus Gründen des Bauplanungsrechts voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren nachbarschützenden Rechten, weshalb es auf etwaige weitere Unzulänglichkeiten der schalltechnischen Untersuchung vom 31. März 2015 nicht mehr streitentscheidend ankommt.

III.

Nach alldem war dem Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, konnten ihr gemäß § 154 Abs. 3 VwGO anteilig Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 29/02/2016 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Kläger sind Eigentümer
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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt. Gründe Der Antrag
published on 26/03/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe
published on 29/09/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird verworfen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Wert des Streitgegenstands wird auf
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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über

1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen,
2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist,
3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen,
4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen,
5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten,
6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten.

(2) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.