Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217

bei uns veröffentlicht am17.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragte am 15. September 2014 Asyl. In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 17. September 2014 gab er unter anderem an: Er sei Palästinenser sunnitischen Glaubens, in Gaza geboren und er habe sich zuletzt 4 Jahre in Libyen aufgehalten. Seine Staatsangehörigkeit sei ungeklärt. Er sei zusammen mit seiner Tante (der Antragstellerin im Verfahren M 23 S 15.50071) und seiner Cousine (der Antragstellerin im Verfahren M 2 S 15.50216) am 8. August 2014 über Italien und Österreich nach Deutschland eingereist. Ein Abgleich seiner Fingerabdrücke mit dem System EURODAC ergab einen Treffer der Kategorie 2 für Italien. Ein entsprechendes Übernahmeersuchen des Bundesamts ... (Bundesamt) vom 3. November 2014 blieb nach Aktenlage abgesehen von einer Eingangsbestätigung unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 wurde der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und gemäß § 34a AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet. Der Bescheid wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 16. Januar 2015 übersandt.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2015, eingegangen bei Gericht am Montag, den 26. Januar 2015, ließ der Antragsteller Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom ... Januar 2015 aufzuheben, erheben (Az. M 2 K 15.50215). Gleichzeitig wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Die Tante des Antragstellers sei physisch und psychisch schwerwiegend erkrankt und hilfsbedürftig. Sie habe sich seit ihrer Einreise bereits mehrfach in stationäre Behandlung begeben müssen. Sie sei in engerem und weiterem Sinn nicht reisefähig und auf die Unterstützung ihrer Tochter, der Cousine des Antragstellers, dringend angewiesen. Die Tante und die Cousine des Antragstellers, die bereits in Libyen zusammengelebt hätten, seien in einer Beistandsgemeinschaft verbunden. Der Antragsteller habe seine Cousine in Deutschland nach islamischem Ritus geheiratet. Auch wenn diese Imam-Ehe einer staatlich anerkannten Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK nicht gleichgestellt sei, würden die Beziehungen zwischen dem Antragsteller, seiner Cousine und deren Mutter dem Schutz von Art. 8 EMRK jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens unterliegen. Zwischen diesen drei Personen bestünden starke soziale Beziehungen, die durch die Eheschließung vor einem Imam noch gestärkt worden seien.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Februar 2015 teilte die Antragstellerseite mit, dass der Antragsteller und seine Cousine nicht nur in einer Moschee in ... islamisch getraut worden seien, sondern auch am ... Januar 2015 in Abwesenheit in .../Gaza vor dem Scharia-Gericht der Palästinensischen Autonomiebehörde. Dem Schriftsatz war eine Kopie der Heiratsurkunde mit beglaubigter Übersetzung beigefügt.

Mit Beschluss vom 27. März 2015 Az. M 23 S 15.50071 wurde im Eilverfahren der Tante des Antragstellers und mit Beschluss vom 22. April 2015 Az. M 2 S 15.50216 wurde im Eilverfahren der Cousine des Antragstellers jeweils die aufschiebende Wirkung der jeweiligen Klage angeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Gerichtsakte, die vom Bundesamt vorgelegte Verwaltungsakte und die Beschlüsse vom 27. März 2015 und vom 22. April 2015 verwiesen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der auch gegen die Abschiebungsandrohung gerichteten Klage anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG eingehalten.

Der Eilantrag hat auch in der Sache Erfolg.

Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar und damit offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt bei der Interessenabwägung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, da nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) begründet sein dürfte.

Aller Voraussicht nach wird das Asylbegehren des Antragstellers in Deutschland zu prüfen sein, weshalb die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig (§ 27a AsylVfG) und somit auch die nach § 34a Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnung aufzuheben sein werden. Nachdem den Eilanträgen seiner Tante (und jetzt wohl auch Schwiegermutter) und seiner Cousine (und jetzt wohl auch Ehefrau) stattgegeben worden ist und die Zuständigkeit für deren Asylanträge voraussichtlich mit Ablauf der Überstellungsfrist am 17. Mai 2015 gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO von Italien auf Deutschland übergehen wird, kann auch der Antragsteller nicht nach Italien überstellt werden. Zwar kann im Rahmen dieser summarischen Prüfung nicht festgestellt werden, ob der Antragsteller durch die in Abwesenheit vor einem Scharia-Gericht im Gaza-Streifen geschlossene Eheschließung Ehegatte und Familienangehöriger seiner Cousine im Sinne von Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO geworden ist (vgl. dazu Art. 5 und 13 EGBGB) und ob Deutschland etwa gemäß Art. 10 Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig ist. Es ist jedenfalls durchaus möglich, dass im vorliegenden Fall das der Antragsgegnerin in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO eingeräumte Ermessen durch die Erwägungen Nrn. 14 - 17 Dublin-III-VO (Achtung des Familienlebens und des Grundsatzes der Familieneinheit) sowie durch Art. 7 der EU-Grundrechtscharta und Art. 8 EMRK dahingehend eingeschränkt wird, dass sie von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen muss.

Dem Eilantrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG stattzugeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2015 - M 2 S 15.50216

bei uns veröffentlicht am 17.05.2015

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts ... vom ... Januar 2015 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. März 2015 - M 23 S 15.50071

bei uns veröffentlicht am 27.03.2015

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Apr. 2015 - M 2 S 15.50217.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2015 - M 2 S 15.50216

bei uns veröffentlicht am 17.05.2015

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts ... vom ... Januar 2015 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I.

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Aug. 2016 - M 2 K 15.50215

bei uns veröffentlicht am 16.08.2016

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Januar 2015 wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollst

Referenzen

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die nach ihren eigenen Angaben am ... 1972 in Kairo geborene Antragstellerin ist ungeklärter Staatsangehörigkeit, vom Volk der Palästinenser und lebte in Lybien. Sie reiste am ... August 2014 gemeinsam mit ihrer volljährigen Tochter und deren Cousin in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... August 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am ... August 2014 gab die Antragstellerin gegenüber dem Bundesamt an, dass sie Libyen am ... Juli 2014 verlassen habe, sich Anfang August 2014 drei Tage in Italien aufgehalten habe und ihr dort Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Eine Asylantragstellung sei nicht erfolgt.

Aufgrund eines Eurodac-Treffers für Italien der Kategorie II am ... September 2014 richtete das Bundesamt am ... November 2014 ein Aufnahmeersuchen an Italien. Eine Reaktion von Italien erfolgte hierauf nach Aktenlage nicht.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015 - zugestellt am ... Januar 2015 - stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Italien aufgrund der illegalen Einreise gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen geantwortet hätten, sei gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-Verordnung davon auszugehen, dass Italien die Aufnahme akzeptiere. In Italien lägen keine systemischen Mängel vor. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Italien als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2015 - eingegangen am 26. Januar 2015 - erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage (M 23 K 15.50070) zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufzuheben. Weiterhin beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Soweit die Klage und der Eilantrag gegen die Bescheide des Bundesamts bezüglich der Tochter der Antragstellerin sowie deren Cousin und (wohl) Ehemann gerichtet waren, wurden diese Verfahren mit Beschluss vom 5. März 2015 abgetrennt.

In Bezug auf die Antragstellerin wurden die Klage und der Eilantrag insbesondere damit begründet, dass sich die Antragstellerin seit dem ... Dezember 2014 in geschlossener stationärer Behandlung im ... Klinikum X ... befinde. Die Ärzte hätten eine schwere depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine gemischte dissoziative Störung mit Bewegungsstörung sowie eine funktionelle Hemiparese rechts und dissoziative Krampfanfälle diagnostiziert. Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme des ... Klinikums X. vom ... Januar 2015 nach der sich die Antragstellerin seit dem ... Dezember 2014 in stationärer Behandlung befinde war beigefügt.

Die Antragstellerin habe am ... Januar 2015 aufgrund der Mitteilung über die angeordnete Rückführung einen dissoziativen Anfall mit kurzzeitiger Aussetzung der Atmung erlitten. Derzeit habe die Antragstellerin täglich einen langanhaltenden dissoziativen Anfall. Ihre Mobilität habe sich erheblich verschlechtert. Die Transport- und Reisefähigkeit der Antragstellerin sei nicht gegeben. Die Antragstellerin leide zudem unter Diabetes mellitus und der Autoimmunkrankheit systemischer Lupus erythematodes. Die medizinische Behandlung der Diabetes sei zwingend erforderlich. Die Antragstellerin sei nicht reisefähig.

In Italien bestünden schwerwiegende Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Italien sie daher nicht als sicherer Drittstaat anzusehen. Die angeordnete und drohende Abschiebung würde die dringende Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin bedeuten.

Mit weiteren Schreiben vom 13. Februar 2015 legten die Bevollmächtigten einen weiteren Arztbericht des ... Klinikums X. vom ... Februar 2015 über den Klinikaufenthalt der Antragstellerin vom ... bis ... Dezember und vom ... Dezember 2014 bis ... Februar 2015 vor. Der Bericht diagnostiziert eine schwere depressive Episode, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Bewegungsstörungen mit funktioneller Hemiparese rechts, dissoziative Krampfanfälle und zentrale Fazialisparese links. Die Antragstellerin sei in teilremittiertem Zustand, deutlich gebessert hinsichtlich depressiver Stimmung und des Antriebs, frei von Suizidalität nach Hause entlassen worden. Es werde eine regelmäßige ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung in Muttersprache empfohlen.

Des Weiteren wurde mit Schreiben vom 10. März 2015 ein Arztbrief vom ... Dezember 2014 des Klinikums Y. über einen stationären Aufenthalt der Antragstellerin vom ... bis ... Dezember 2014 vorgelegt, sowie ein Arztbericht vom ... Februar 2015 des Klinikums Z. über eine Notfallbehandlung der Antragstellerin am ... Februar 2015 wegen Verdachts dissoziative Krampfanfälle.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vorab übersandt. Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsake, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 15.50070 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, § 34a Abs. 2 AsylVfG. Er wurde auch innerhalb der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Frist von einer Woche nach Bekanntgabe gestellt.

Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar und damit offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt bei der Interessenabwägung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, da nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) begründet sein dürfte.

Möglicherweise ist der Asylantrag der Antragstellerin nicht deshalb gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Sollte vielmehr die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 VO (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) gegeben sein, so wäre der Erlass der Abschiebungsanordnungen nach § 34a i. V. m. § 27a AsylVfG bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall kann das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüft der Mitgliedstaat den Asylantrag, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO). Dies ist nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt und den Daten aus der Eurodac-Datei Italien. Nach dem festgestellten EURODAC-Treffer der Kategorie II wurden der Antragstellerin dort die Fingerabdrücke abgenommen (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 i. V. m. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.2.2002).

Allerdings ist der vorgelegten Akte des Bundesamts nicht zu entnehmen, wann die Abnahme des Fingerabdrucks erfolgt ist. Da jedoch die Antragstellerin in ihrer Anhörung selbst für den Aufenthalt in Italien einen Zeitraum im August 2014 angibt, ist zumindest davon auszugehen, dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen ist. Aufgrund dessen ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, unabhängig davon, ob die Antragstellerin dort einen Asylantrag gestellt hat. Das Aufnahmeersuchen richtet sich in einem solchen Fall nach Art. 21 und 22 Dublin III-VO.

Das Bundesamt hat mit E-Mail vom ... November 2014 an Italien ein Aufnahmeersuchen übersandt. Zwar befindet sich das hierfür als Anlage mitversandte Formular nicht in der Akte, zugunsten des Bundesamts geht das Gericht jedoch davon aus, dass das Formular mit den entsprechend erforderlichen Daten (vgl. VO (EG) Nr. 1560/2003 in der Fassung durch die Verordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission) versehen war. Da Italien auf das Aufnahmeersuchen des Bundesamts nach Art. 21 Dublin III-VO nicht rechtzeitig reagiert hat, ist die Fiktionswirkung nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO eingetreten. Allerdings trat diese - entgegen der Annahme des Bundesamts - nicht mit Ablauf von zwei Wochen, sondern erst nach Ablauf von zwei Monaten ein. Die auf zwei Wochen verkürzte Fiktionsfrist bei Angaben aus dem Eurodac-System nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ist nicht auf Aufnahmeersuchen nach Abschnitt II der Dublin III-VO anwendbar. Da jedoch zwischen dem Aufnahmeersuchen und dem Bescheid des Bundesamts ein Zeitraum von über zwei Monaten liegt, ist dies unschädlich.

Damit wäre grundsätzlich Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig.

Allerdings würde die Bundesrepublik Deutschland zuständig, wenn eine Abschiebung des Ausländers in den Zielstaat nicht möglich ist, weil dort sog. systemische Mängel herrschen, das heißt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen und eine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nicht festgestellt werden kann (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO).

Ein „systemisches Versagen“ insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR (U. v. 4.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel - veröff. unter http://hudoc.echr.coe.int /sites/eng/pages/search.aspx?i=001-148070...{%22fulltext%22:[%2229217/12%22],%22itemid%22:[%22001-148070%22]}) setzt danach zwar nicht voraus, dass ein Systemfehler eine Vielzahl von Asylsuchenden betreffen muss. Vielmehr hat der EGMR die dem individuell Betroffenen drohende Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK durch eine drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt und dazu ausgeführt, dass sich die Ursache der drohenden Gefahr weder auf das Schutzniveau auswirkt, das durch die Konvention garantiert wird, noch auf die sich aus der Konvention ergebenden Pflichten des Staates, der die Abschiebung der Person anordnet. Das dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zugrunde liegende Prinzip gegenseitigen Vertrauens befreit diesen Staat danach nicht davon, eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und die Durchsetzung der Abschiebungsanordnung auszusetzen, falls die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung festgestellt werden sollte. Der EGMR weist auch darauf hin, dass dieser Ansatz auch vom Supreme Court des Vereinigten Königreichs in dessen Urteil vom 19.2.2014 - (2014) UKSC 12 - (Rn. 56 ff.) verfolgt wurde. Im Sinne dieser Rechtsprechung beschreibt der Begriff der „systemischen Mängel“ die Vorhersehbarkeit und Reproduzierbarkeit einer drohenden Rechtsverletzung.

Die Frage systemischer Mängel im Zielland Italien wird von der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland derzeit unterschiedlich beurteilt (vgl. jeweils für viele bejahend zuletzt: VG Schwerin, B. v. 24.2.2105 - 3 B 1023/14 As; VG Hannover, B. v. 4.2.15 - 3 B 388/15; VG Gelsenkirchen B. v. 13.11.2014 - 7a L 1718/14.A; verneinend zuletzt: VG Augsburg, B. v. 10.3.2015 - Au 5 S 15.50093; VG Gelsenkirchen, B. v. 25.2.2105 - 1a L 186/15.A; VG Münster, B. v. 16.2.2015 - 9 L 1153/14.A - jeweils juris mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall kann letztlich dahinstehen, ob grundsätzlich systemische Mängel in Italien anzunehmen sind, da zumindest aufgrund des Gesundheitszustands der Antragstellerin von einer besonderen Schutzbedürftigkeit (vgl. EGMR, U. v. 4.11.2014, a. a. O., Rz. 121) auszugehen ist. Nach den vorgelegten, nachvollziehbaren Arztberichten leidet die Antragstellerin sowohl unter erheblichen psychischen als auch physischen Beschwerden und befand sich wegen dieser während ihres bisherigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland vielfach in stationärer Behandlung.

Soweit für Personen, die besonders schutzwürdigen Gruppen angehören, lediglich angenommen wird, dass, eine einzelfallbezogene Garantieerklärung Italiens erforderlich, aber auch ausreichend sei (vgl. VG Dresden B. v. 4.2.2015 - A 2 L 49/15; VG Hannover B. v. 4.2.2015 - 3 B 388/15), folgt das Gericht zumindest im vorliegenden Fall dem nicht. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Italien eine entsprechende Garantieerklärung konkret für die Antragstellerin abgeben würde, da Italien auf das Aufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht reagiert hat und ausschließlich aufgrund des Fiktionseintritts zuständig geworden ist. Zum anderen erscheint es aufgrund der schweren, vielfachen, insbesondere auch psychischen Erkrankungen der Antragstellerin dieser nicht zumutbar, lediglich auf eine solche mögliche Garantieerklärung verwiesen zu werden.

Darüber hinaus bestehen zumindest auch hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass bzgl. der Antragstellerin auch ein - vom Bundesamt zu prüfendes (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris) - Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund ihrer Erkrankungen besteht.

Das Bundesamt hat sich bisher mit der Erkrankung der Antragstellerin in keiner Weise auseinander gesetzt und weder die Frage des Selbsteintritts aufgrund der Erkrankung noch die Frage eines Abschiebungshindernisses mangels Reisefähigkeit berücksichtigt. Die aufschiebende Wirkung war daher anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts ... vom ... Januar 2015 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragte am 19. August 2014 Asyl. In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 19. August 2014 gab sie unter anderem an: Sie sei 1996 geboren und Palästinenserin sunnitischen Glaubens. Sie habe seit ihrer Geburt in Libyen gelebt, ihre Staatsangehörigkeit sei ungeklärt. Sie sei zusammen mit ihrer Mutter (der Antragstellerin im Verfahren M 23 S 15.50071) und ihrem Cousin (dem Antragsteller im Verfahren M 2 S 15.50217) über Italien und Österreich am 8. August 2014 nach Deutschland eingereist. Ein Abgleich der Fingerabdrücke der Antragstellerin mit dem System EURODAC ergab einen Treffer der Kategorie 2 für Italien. Ein entsprechendes Übernahmeersuchen vom 3. November 2014 blieb nach Aktenlage abgesehen von einer Eingangsbestätigung unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamts ... (Bundesamt) vom ... Januar 2015, zugestellt am 19. Januar 2015, wurde der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und gemäß § 34a AsylVfG die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2015, eingegangen am 26. Januar 2015, ließ die Antragstellerin Klage erheben und beantragen, den Bescheid vom ... Januar 2015 aufzuheben (M 2 K 15.50214). Gleichzeitig wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Die Mutter der Antragstellerin sei physisch und psychisch schwerwiegend erkrankt und hilfsbedürftig, sie habe sich seit ihrer Einreise bereits mehrfach in stationäre Behandlung begeben müssen. Sie sei im engeren und weiteren Sinn nicht reisefähig und auf die Unterstützung der Antragstellerin, mit der sie bereits in Libyen zusammengelebt habe, dringend angewiesen. Auch als volljährige Tochter könne sich die Antragstellerin wegen des Bestehens einer Beistandsgemeinschaft auf den Schutz durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK berufen.

Im Eilverfahren der Mutter der Antragstellerin wurde mit Beschluss vom 27. März 2015 (Az. M 23 S 15.50071) die aufschiebende Wirkung der von der Mutter erhobenen Klage angeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Bundesamtsakte und den Beschluss vom 27. März 2015 verwiesen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der gegen die Abschiebungsanordnung erhobenen Klage anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde auch die Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG eingehalten.

Der Eilantrag hat auch in der Sache Erfolg.

Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar und damit offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt bei der Interessenabwägung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, da nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) begründet sein dürfte.

Voraussichtlich ist Deutschland für die Prüfung des Asylantrags der Antragstellerin zuständig, weshalb sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG als auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 2 AsylVfG des Bescheids vom... Januar 2015 aufzuheben sein werden. Es spricht viel dafür, dass die Zuständigkeit für das Asylverfahren der Mutter der Antragstellerin wegen Ablaufs der Überstellungsfrist am 17. Mai 2015 nach Art. 29 Abs. 2 der Dublin-III-VO auf Deutschland übergehen wird. Wenn das Asylverfahren der Mutter der Antragstellerin demnach voraussichtlich in Deutschland durchzuführen sein wird, dann wird dies auch für das Asylverfahren der Antragstellerin anzunehmen sein. Zwar ist die volljährige Antragstellerin nach der Legaldefinition in Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO keine Familienangehörige ihrer Mutter, weshalb Deutschland nicht nach Art. 9, 10 oder 11 Buchst. b Dublin-III-VO für das Asylverfahren der Antragstellerin zuständig ist. Jedoch dürfte sich die Zuständigkeit Deutschlands aus Art. 16 Dublin-III-VO i. V. m. Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zum Dublin-Verfahren ergeben, zumal die Erwägungsgründe Nrn. 14 - 17 der Dublin-III-VO, die die Achtung des Familienlebens und des Grundsatzes der Familieneinheit betreffen, bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind.

Aber auch wenn die Erfolgsaussichten der Klage als offen angesehen werden würden, würde die Abwägung der gegenseitigen Interessen zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage führen. Nach den von der Antragstellerseite vorgelegten Arztberichten leidet die Mutter der Antragstellerin unter erheblichen psychischen und physischen Beschwerden. In Anbetracht der durch die vorgelegten Arztberichte nachgewiesenen Schwere der Erkrankung ist offensichtlich, dass die Mutter der Antragstellerin während stationärer Behandlungen und erst recht außerhalb des Krankenhauses weitgehend auf den Beistand der Antragstellerin angewiesen ist. Es ist der Antragstellerin schlechterdings nicht zuzumuten, ihre Mutter in dieser Situation zu verlassen und ihr Asylverfahren in Italien zu betreiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die nach ihren eigenen Angaben am ... 1972 in Kairo geborene Antragstellerin ist ungeklärter Staatsangehörigkeit, vom Volk der Palästinenser und lebte in Lybien. Sie reiste am ... August 2014 gemeinsam mit ihrer volljährigen Tochter und deren Cousin in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... August 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am ... August 2014 gab die Antragstellerin gegenüber dem Bundesamt an, dass sie Libyen am ... Juli 2014 verlassen habe, sich Anfang August 2014 drei Tage in Italien aufgehalten habe und ihr dort Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Eine Asylantragstellung sei nicht erfolgt.

Aufgrund eines Eurodac-Treffers für Italien der Kategorie II am ... September 2014 richtete das Bundesamt am ... November 2014 ein Aufnahmeersuchen an Italien. Eine Reaktion von Italien erfolgte hierauf nach Aktenlage nicht.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015 - zugestellt am ... Januar 2015 - stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Italien aufgrund der illegalen Einreise gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen geantwortet hätten, sei gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-Verordnung davon auszugehen, dass Italien die Aufnahme akzeptiere. In Italien lägen keine systemischen Mängel vor. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Italien als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2015 - eingegangen am 26. Januar 2015 - erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage (M 23 K 15.50070) zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufzuheben. Weiterhin beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Soweit die Klage und der Eilantrag gegen die Bescheide des Bundesamts bezüglich der Tochter der Antragstellerin sowie deren Cousin und (wohl) Ehemann gerichtet waren, wurden diese Verfahren mit Beschluss vom 5. März 2015 abgetrennt.

In Bezug auf die Antragstellerin wurden die Klage und der Eilantrag insbesondere damit begründet, dass sich die Antragstellerin seit dem ... Dezember 2014 in geschlossener stationärer Behandlung im ... Klinikum X ... befinde. Die Ärzte hätten eine schwere depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine gemischte dissoziative Störung mit Bewegungsstörung sowie eine funktionelle Hemiparese rechts und dissoziative Krampfanfälle diagnostiziert. Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme des ... Klinikums X. vom ... Januar 2015 nach der sich die Antragstellerin seit dem ... Dezember 2014 in stationärer Behandlung befinde war beigefügt.

Die Antragstellerin habe am ... Januar 2015 aufgrund der Mitteilung über die angeordnete Rückführung einen dissoziativen Anfall mit kurzzeitiger Aussetzung der Atmung erlitten. Derzeit habe die Antragstellerin täglich einen langanhaltenden dissoziativen Anfall. Ihre Mobilität habe sich erheblich verschlechtert. Die Transport- und Reisefähigkeit der Antragstellerin sei nicht gegeben. Die Antragstellerin leide zudem unter Diabetes mellitus und der Autoimmunkrankheit systemischer Lupus erythematodes. Die medizinische Behandlung der Diabetes sei zwingend erforderlich. Die Antragstellerin sei nicht reisefähig.

In Italien bestünden schwerwiegende Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Italien sie daher nicht als sicherer Drittstaat anzusehen. Die angeordnete und drohende Abschiebung würde die dringende Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin bedeuten.

Mit weiteren Schreiben vom 13. Februar 2015 legten die Bevollmächtigten einen weiteren Arztbericht des ... Klinikums X. vom ... Februar 2015 über den Klinikaufenthalt der Antragstellerin vom ... bis ... Dezember und vom ... Dezember 2014 bis ... Februar 2015 vor. Der Bericht diagnostiziert eine schwere depressive Episode, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Bewegungsstörungen mit funktioneller Hemiparese rechts, dissoziative Krampfanfälle und zentrale Fazialisparese links. Die Antragstellerin sei in teilremittiertem Zustand, deutlich gebessert hinsichtlich depressiver Stimmung und des Antriebs, frei von Suizidalität nach Hause entlassen worden. Es werde eine regelmäßige ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung in Muttersprache empfohlen.

Des Weiteren wurde mit Schreiben vom 10. März 2015 ein Arztbrief vom ... Dezember 2014 des Klinikums Y. über einen stationären Aufenthalt der Antragstellerin vom ... bis ... Dezember 2014 vorgelegt, sowie ein Arztbericht vom ... Februar 2015 des Klinikums Z. über eine Notfallbehandlung der Antragstellerin am ... Februar 2015 wegen Verdachts dissoziative Krampfanfälle.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vorab übersandt. Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsake, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 15.50070 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, § 34a Abs. 2 AsylVfG. Er wurde auch innerhalb der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Frist von einer Woche nach Bekanntgabe gestellt.

Entfaltet ein Rechtsbehelf, wie hier, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar und damit offen, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt bei der Interessenabwägung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, da nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) begründet sein dürfte.

Möglicherweise ist der Asylantrag der Antragstellerin nicht deshalb gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Sollte vielmehr die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 VO (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) gegeben sein, so wäre der Erlass der Abschiebungsanordnungen nach § 34a i. V. m. § 27a AsylVfG bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall kann das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüft der Mitgliedstaat den Asylantrag, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO). Dies ist nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt und den Daten aus der Eurodac-Datei Italien. Nach dem festgestellten EURODAC-Treffer der Kategorie II wurden der Antragstellerin dort die Fingerabdrücke abgenommen (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 i. V. m. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.2.2002).

Allerdings ist der vorgelegten Akte des Bundesamts nicht zu entnehmen, wann die Abnahme des Fingerabdrucks erfolgt ist. Da jedoch die Antragstellerin in ihrer Anhörung selbst für den Aufenthalt in Italien einen Zeitraum im August 2014 angibt, ist zumindest davon auszugehen, dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen ist. Aufgrund dessen ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, unabhängig davon, ob die Antragstellerin dort einen Asylantrag gestellt hat. Das Aufnahmeersuchen richtet sich in einem solchen Fall nach Art. 21 und 22 Dublin III-VO.

Das Bundesamt hat mit E-Mail vom ... November 2014 an Italien ein Aufnahmeersuchen übersandt. Zwar befindet sich das hierfür als Anlage mitversandte Formular nicht in der Akte, zugunsten des Bundesamts geht das Gericht jedoch davon aus, dass das Formular mit den entsprechend erforderlichen Daten (vgl. VO (EG) Nr. 1560/2003 in der Fassung durch die Verordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission) versehen war. Da Italien auf das Aufnahmeersuchen des Bundesamts nach Art. 21 Dublin III-VO nicht rechtzeitig reagiert hat, ist die Fiktionswirkung nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO eingetreten. Allerdings trat diese - entgegen der Annahme des Bundesamts - nicht mit Ablauf von zwei Wochen, sondern erst nach Ablauf von zwei Monaten ein. Die auf zwei Wochen verkürzte Fiktionsfrist bei Angaben aus dem Eurodac-System nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ist nicht auf Aufnahmeersuchen nach Abschnitt II der Dublin III-VO anwendbar. Da jedoch zwischen dem Aufnahmeersuchen und dem Bescheid des Bundesamts ein Zeitraum von über zwei Monaten liegt, ist dies unschädlich.

Damit wäre grundsätzlich Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig.

Allerdings würde die Bundesrepublik Deutschland zuständig, wenn eine Abschiebung des Ausländers in den Zielstaat nicht möglich ist, weil dort sog. systemische Mängel herrschen, das heißt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen und eine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nicht festgestellt werden kann (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO).

Ein „systemisches Versagen“ insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR (U. v. 4.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel - veröff. unter http://hudoc.echr.coe.int /sites/eng/pages/search.aspx?i=001-148070...{%22fulltext%22:[%2229217/12%22],%22itemid%22:[%22001-148070%22]}) setzt danach zwar nicht voraus, dass ein Systemfehler eine Vielzahl von Asylsuchenden betreffen muss. Vielmehr hat der EGMR die dem individuell Betroffenen drohende Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK durch eine drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt und dazu ausgeführt, dass sich die Ursache der drohenden Gefahr weder auf das Schutzniveau auswirkt, das durch die Konvention garantiert wird, noch auf die sich aus der Konvention ergebenden Pflichten des Staates, der die Abschiebung der Person anordnet. Das dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zugrunde liegende Prinzip gegenseitigen Vertrauens befreit diesen Staat danach nicht davon, eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und die Durchsetzung der Abschiebungsanordnung auszusetzen, falls die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung festgestellt werden sollte. Der EGMR weist auch darauf hin, dass dieser Ansatz auch vom Supreme Court des Vereinigten Königreichs in dessen Urteil vom 19.2.2014 - (2014) UKSC 12 - (Rn. 56 ff.) verfolgt wurde. Im Sinne dieser Rechtsprechung beschreibt der Begriff der „systemischen Mängel“ die Vorhersehbarkeit und Reproduzierbarkeit einer drohenden Rechtsverletzung.

Die Frage systemischer Mängel im Zielland Italien wird von der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland derzeit unterschiedlich beurteilt (vgl. jeweils für viele bejahend zuletzt: VG Schwerin, B. v. 24.2.2105 - 3 B 1023/14 As; VG Hannover, B. v. 4.2.15 - 3 B 388/15; VG Gelsenkirchen B. v. 13.11.2014 - 7a L 1718/14.A; verneinend zuletzt: VG Augsburg, B. v. 10.3.2015 - Au 5 S 15.50093; VG Gelsenkirchen, B. v. 25.2.2105 - 1a L 186/15.A; VG Münster, B. v. 16.2.2015 - 9 L 1153/14.A - jeweils juris mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall kann letztlich dahinstehen, ob grundsätzlich systemische Mängel in Italien anzunehmen sind, da zumindest aufgrund des Gesundheitszustands der Antragstellerin von einer besonderen Schutzbedürftigkeit (vgl. EGMR, U. v. 4.11.2014, a. a. O., Rz. 121) auszugehen ist. Nach den vorgelegten, nachvollziehbaren Arztberichten leidet die Antragstellerin sowohl unter erheblichen psychischen als auch physischen Beschwerden und befand sich wegen dieser während ihres bisherigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland vielfach in stationärer Behandlung.

Soweit für Personen, die besonders schutzwürdigen Gruppen angehören, lediglich angenommen wird, dass, eine einzelfallbezogene Garantieerklärung Italiens erforderlich, aber auch ausreichend sei (vgl. VG Dresden B. v. 4.2.2015 - A 2 L 49/15; VG Hannover B. v. 4.2.2015 - 3 B 388/15), folgt das Gericht zumindest im vorliegenden Fall dem nicht. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Italien eine entsprechende Garantieerklärung konkret für die Antragstellerin abgeben würde, da Italien auf das Aufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht reagiert hat und ausschließlich aufgrund des Fiktionseintritts zuständig geworden ist. Zum anderen erscheint es aufgrund der schweren, vielfachen, insbesondere auch psychischen Erkrankungen der Antragstellerin dieser nicht zumutbar, lediglich auf eine solche mögliche Garantieerklärung verwiesen zu werden.

Darüber hinaus bestehen zumindest auch hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass bzgl. der Antragstellerin auch ein - vom Bundesamt zu prüfendes (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris) - Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund ihrer Erkrankungen besteht.

Das Bundesamt hat sich bisher mit der Erkrankung der Antragstellerin in keiner Weise auseinander gesetzt und weder die Frage des Selbsteintritts aufgrund der Erkrankung noch die Frage eines Abschiebungshindernisses mangels Reisefähigkeit berücksichtigt. Die aufschiebende Wirkung war daher anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.