Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Okt. 2015 - M 15 S 15.31183
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12. August 2015 trug der Antragsteller vor, er habe seit seiner Rückkehr nach Abschluss des ersten Asylverfahrens von Sommer 1997 bis Februar 2015 wieder im Kosovo gelebt. Seine nunmehrige Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland begründet er im Wesentlichen wie folgt: Er habe im Kosovo Schwierigkeiten mit zwei seiner Onkeln. Die Familie habe seit ca. sieben Jahren eine Tankstelle betrieben. Dort hätten einer seiner Brüder und ein Neffe gearbeitet. Vor ungefähr sechs Jahren wäre auf die Tankstelle ein Raub verübt worden. Dabei sei der Neffe verletzt worden. Die Onkel hätten sich rächen wollen und es sei zu einer Schlägerei im Verwandtenkreis gekommen. Es habe eine Anzeige bei der Polizei in Prishtina gegeben, die Polizei habe aber nichts nachweisen können.
Ferner trug der Antragsteller vor, gesundheitliche Probleme zu haben. Er habe Schwierigkeiten mit dem Gehen gehabt und auch zeitweise eine Gehhilfe benötigt. Diese brauche er nun jedoch nicht mehr. Er habe in Prishtina zwei Herzinfarkte erlitten, wegen derer er in Behandlung gewesen sei. Er führte aus, auch in Deutschland in Behandlung zu sein, könne aber kein Attest vorlegen.
Weitere Asylgründe habe er nicht, er hätte zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten mit Polizei oder Behörden gehabt und auch mit Politik nichts zu tun.
Mit Bescheid vom
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zwar vorlägen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter jedoch offensichtlich nicht gegeben seien. Der Antragsteller habe bei Rückkehr nach Kosovo keine staatlichen Verfolgungsmaßnahmen oder zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der kosovarischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Trotz noch vorhandener Mängel bei Polizei und Justiz sei im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Sicherheitskräfte willens und in der Lage seien, auch Verfolgungsmaßnahmen von Dritten wirksam zu unterbinden. Sollte jemand kein Vertrauen in die Polizei haben, so könnten Strafanzeigen auch bei der EULEX Polizei gestellt werden.
Auch Abschiebungsverbote bestünden nicht. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot.
Die vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten ebenfalls kein Abschiebungsverbot. Denn insbesondere habe der Antragsteller selbst vorgetragen, im Kosovo medizinisch versorgt worden zu sein. Die medizinische Versorgung sei zwar noch auf relativ niedrigem Niveau jedoch durchaus funktionsfähig. Es stünde ein öffentliches Gesundheitssystem sowie auch eine große Anzahl von Privatpraxen und privat geführten Behandlungszentren zur Verfügung.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten am ... September Klage erheben (M 15 K 15.31182) und gleichzeitig beantragen lassen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Schreiben vom ... September 2015 legten seine Bevollmächtigten ein Attest von Herrn Dipl. Psych. ... vor, aus dem sich ergibt, dass der Antragsteller seine Praxis aufgesucht habe, dass er depressiv sei und an Panikzuständen, Flashbacks und Ängsten leide. Der Antragsteller sei für den Fall der Rückführung suizidgefährdet. Eine weitergehende Klagebegründung erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 10. September legte das Bundesamt die Akten vor. Eine Antragstellung unterblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylVfG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG).
Gemäß Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG kann das Verwaltungsgericht die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts - insbesondere am Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts - bestehen. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung nicht anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel besteht und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - Inf-AuslR 1993, 196).
Das Gericht hat an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen keine solchen ernstlichen Zweifel.
Die Prüfung des Asylbegehrens des Antragstellers auf seinen Folgeantrag hin verletzt ihn jedenfalls nicht in seinen Rechten, unabhängig von der Frage, inwieweit die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG hier erfüllt sind.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitert bereits daran, dass er nach eignen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Nach Art. 16a GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Sichere Drittstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zu § 26a AsylVfG bezeichneten Staaten. Demnach ist der Antragsteller über mehrere sichere Drittstaaten nach Deutschland eingereist.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling i. S. d. Art. 16 a GG, § 3 AsylVfG rechtfertigen würde, ist nach dem Vortrag des Antragstellers nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat sich vorliegend nur darauf berufen, Probleme mit seinen Onkeln zu haben und sich von diesen bedroht zu fühlen.
Dieses Vorbringen lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylVfG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der kosovarischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nach der aktuellen Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo - Lagebericht - vom 25. November 2014) nicht auszugehen. Der Antragsteller kann darüber hinaus in einen anderen Teil des Kosovo ausweichen, wenn er an seinem Herkunftsort Übergriffe befürchtet. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (Lagebericht Abschnitt II 3).
Das Bundesamt hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) verneint. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffende Begründung im Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG. Auch insoweit wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
Die in dem Attest vom 15. September 2015 angeführte mögliche Gefahr eines Suizids für den Fall einer Abschiebung führt nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Denn nicht jede Form der Suizidalität ist geeignet, ein Abschiebungshindernis zu begründen. Lediglich die zeitlich begrenzte innerliche Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken rechtfertigt ohne das Hinzutreten weiterer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung nicht die Annahme, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Krise erleiden wird (vgl. OVG NRW, U. v. 27.01.2015 - 14 A 1201/12.A - juris). Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Antragsteller keinerlei Äußerungen in diese Richtung gemacht. Der schlichte Hinweis im Attest des Dipl.-Psych. ... ist nicht hinreichend substantiell, um anhaltende und konkrete Selbsttötungsabsichten als naheliegend erscheinen zu lassen (VG Köln, U. v. 29.04.2015 - 24 K 385/15.A - juris).
Abgesehen davon steht die Vermutung des Dipl. Psych. ..., der Antragsteller wolle sich das Leben nehmen, im Zusammenhang mit der Abschiebung. Es handelt sich hierbei um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das gegenüber der Ausländerbehörde bei Vollstreckung der Abschiebung geltend zu machen ist (§ 60 a Abs. 2 AufenthG).
Die vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen können auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Danach kann die Gefahr, dass sich die Krankheit eines Ausländers in seinem Heimatland verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, ein Abschiebungshindernis darstellen. Eine derartige Gefahr ist dann erheblich, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen (Herzerkrankung, psychische Erkrankung) rechtfertigen kein derartiges Abschiebungsverbot. Weder dem Vortrag des Antragstellers noch dem vorgelegten Attest lässt sich entnehmen, dass bei einer Rückkehr in den Kosovo eine beachtlich wahrscheinlich drohende Gefahr der Verschlimmerung der Krankheiten besteht, mit der Folge, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers bei den in seiner Heimat gegebenen Umständen alsbald nach Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Hierfür fehlen substantiierte Anhaltspunkte (vgl. BVerwG, B. v. 26.11.2014 - 1 B 25/14 - juris). Das Gericht weist darauf hin, dass das vorgelegte „Attest über Psychotherapie“ nicht geeignet ist, eine solche Gefahr zu belegen. Denn weder finden sich Ausführungen zu einer konkreten Diagnose bzw. wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Es fehlen jegliche Angaben über die Dauer und die Häufigkeit der Behandlung, die Schwere der Krankheit, die Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (vgl. BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 8/07 - juris).
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung § 36 Abs. 1 AsylVfG.
Der gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfreie Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Okt. 2015 - M 15 S 15.31183
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Okt. 2015 - M 15 S 15.31183 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist albanischer Staatsangehöriger, albanischer Volkszugehörigkeit, islamischen Bekenntnisses und ledig. Er beantragte am 16. Juli 2014 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3In seiner Befragung am 16. Juli 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger an, sein Heimatland am 21. Juni 2014 verlassen zu haben. Er sei am 22. Juni 2014 mit dem Bus in die Bundesrepublik eingereist. Das Geld für die Reise (200 €) habe er sich geliehen.
4In seiner Anhörung am 14. Oktober 2014 beim Bundesamt gab der Kläger an, bis zu seiner Ausreise in Tirana vier Jahre in einem Studentenwohnheim gewohnt zu haben. Er habe 13 Jahre lang die Schule besucht. Seine Eltern lebten im knapp 200 km entfernten Dorf Kerrnay, Tropoje, wo sie Land bearbeiteten. Wegen einer Blutrache könnten sie keine auswärtigen Arbeiten verrichten. Auch er habe Angst vor der Blutrache, weil er der einzige Sohn sei. Viele Angehörige seiner Großfamilie hätten politisches Asyl in Europa erhalten. In Albanien wohne außer seinen Eltern noch eine Schwester, seine Oma, zwei Onkel mütterlicherseits, ein Onkel väterlicherseits, zwei Tanten mütterlicherseits und vier Tanten väterlicherseits. Nachdem er eine Dokumentation im Internet und im Fernsehen über die Blutrache gesehen habe, habe er Angst bekommen. Selbst die Gräber seiner Familienangehörigen würden geschändet. Im Mai 2014 sei er auf dem Weg zum Studentenwohnheim angegriffen worden: Ein weißer Golf sei vor ihm zum Stehen gekommen; es seien Leute ausgestiegen und hätten ihn angegriffen. Sie hätten ihn kurz beschimpft und dann mit einer Waffe über dem linken Auge zugeschlagen und ihn dort verletzt. Als dann eine andere Person ein Messer gezogen habe, habe er Angst bekommen und sei geflüchtet. Das habe er Tage später seinem Vater erzählt, der ihm geraten habe, das Land zu verlassen. Er sei auch zur Polizei gegangen. Als er seinen Ausweis gezeigt habe und die Polizisten seinen Namen gesehen hätten, hätten sie nur gesagt, dass sie ihn nicht beschützen könnten. Seit 1996 gebe es diese Blutrache; 2006 sei der letzte Mord geschehen, durch ein Mitglied seiner Familie. Die andere Familie werde von der staatlichen Seite durch den Premierminister unterstützt. Es handle sich um viele Familien, mit denen seine Familie sich in Blutrache befinde, hauptsächlich aber die Familie I. . Sein Vater habe nie etwas mit der Blutrache zu tun gehabt. Er sei auch nie polizeilich gemeldet gewesen. Zweimal sei auf ihn geschossen worden. Er, der Kläger, sei bereits im Sommer 2013 angegriffen worden. Er trage nämlich den Namen seiner Familie als Tatoo auf seinem Rücken. Bei einem Strandbesuch sei das Tatoo von anderen aufmerksam beäugt worden. Abends sei ein Auto vorgefahren um ihn zu stellen; er habe aber flüchten können. Bei nochmaliger Befragung zu dem Vorfall im Mai 2014 gab der Kläger an, es müsse sich um einen Mittwoch gehandelt haben, weil er auf dem Rückweg von einer Mittwochs-Party gewesen sei. Gegen 21 Uhr habe er etwa 300 m vor dem Studentenwohnheim jemanden im Gebüsch sagen gehört „da ist er“. Anscheinend habe man auf ihn gewartet. Sie seien dann aus dem Gebüsch herausgekommen. Einer habe ihm sofort – vermutlich mit einer Pistole – über dem Auge geschlagen, worauf er angefangen habe zu bluten. Ein anderer habe ihn dann an Seite und Bein mit einem Messer verletzt. Er habe trotzdem flüchten können, sei aber nicht ins Wohnheim sondern irgendwie durch die Straßen gelaufen. Ein Freund habe ihn dann blutüberströmt daliegend angetroffen. Sei seien ins Krankenhaus gegangen, wo ihn die Polizei gesehen habe. Nach Einsichtnahme in seinen Ausweis, sei ihm erklärt worden, man könne ihm nicht helfen. Er sei von drei Personen angegriffen worden und einer habe im Auto gesessen. Erkannt habe er niemanden. Dem Dialekt nach habe es sich um Personen aus Tropoje gehandelt. Seinen Reisepass habe er am 21. März 2014 vorsorglich beantragt gehabt. Bei Rückkehr nach Albanien drohe ihm Blutrache. Der Kläger legte Internet-Ausdrucke von Reportagen betreffend eine Blutrache vor und ein Handyfoto von Verletzungen. Außerdem gab der Kläger an, Dokumente der Gemeinde gehabt zu haben, die eine Blutrache bestätigten; diese habe er jedoch im Zug verloren.
5Mit Bescheid vom 7. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4.). Der Kläger wurde zudem unter Androhung seiner Abschiebung nach Albanien aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen (Ziffer 5.). Der Bescheid wurde am 14. Januar 2015 abgesandt. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen im Sinne von § 30 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht vor. Es gebe keine Hinweise auf flüchtlingsrelevante Verfolgung. Außerdem sei das Vorbringen nicht glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in Albanien ein ernsthafter Schaden drohe, gebe es nicht. Daher sei auch subsidiärer Schutz nicht zu gewähren. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
6Der Kläger hat am 21. Januar 2015 Klage erhoben.
7Zur Begründung verweist der Kläger auf seinen Vortrag gegenüber der Beklagten und bei der Ausländerbehörde und führt weiter aus, er fürchte bei der Rückkehr nach Albanien Nachteile, zumal das Asylgesuch der heimischen Mitbevölkerung mittlerweile bekannt sein dürfte.
8Nach Ablehnung seines mit der Klageerhebung gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ist eine weitere Stellungnahme nicht mehr erfolgt, auch nicht nach gerichtlicher Aufforderung gemäß 87b der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
9Am 8. April 2015 ist der Kläger aufgrund eines Auslieferungshaftbefehls des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2015 in Auslieferungshaft genommen worden. Zugrunde liegt ein Auslieferungsersuchen der Republik Albanien, zur Vollstreckung einer durch das Bezirksgericht Tirana in Abwesenheit des Verfolgten, der durch einen von ihm bestellten Verteidiger vertreten war, am 8. Oktober 2013 verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen gemeinschaftlichen bewaffneten Raubes, begangen am 12. Februar 2013 in Durres. Im Rahmen seiner Anhörung im Auslieferungsverfahren vor dem Amtsgericht Siegburg gab der Kläger an, der Vorwurf des gemeinschaftlichen Raubes sei falsch. Er habe eine Gelegenheit im Verlauf des Verfahrens in Albanien genutzt, um nach Deutschland zu fliehen. Vorher habe er 2.000 € an seinen Anwalt gezahlt, der ihn im Verfahren vertreten habe. Die Verhältnisse in Albanien seien furchtbar und er werde sich eher etwas antun, als dorthin zurückzukehren. Außerdem seien er und seine Familie an einer jahrzehntelangen Blutrache beteiligt. Sie seien auch vom Staat verfolgt worden. Seine Familie, insbesondere seine Eltern lebten noch in Albanien, ebenso eine jüngere Schwester.
10Der Kläger beantragt sinngemäß,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Januar 2015 zu verpflichten,
12ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und
13ihm den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
14hilfsweise,
15den subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
16weiter hilfsweise,
17festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 4, 5 oder 7 AufenthG vorliegen,
18außerdem,
19die Ausreiseverfügung aufzuheben.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
23Der Kläger und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 24 L 141/15.A sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Stadt Troisdorf ergänzend Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe
26Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2015 entschieden werden, obwohl weder für den Kläger noch für die Beklagte jemand zum Termin erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beteiligten sind form- und fristgerecht geladen worden.
27Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, noch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus‘ gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) oder subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Schließlich liegen die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) nicht vor. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 4 AufenthG ist nicht durch Bescheid des Bundesamtes festzustellen. Deshalb ist der dies jeweils ablehnende bzw. nicht aussprechende Bescheid des Bundesamtes nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten,
28 29Der Kläger hat nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
30Nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylVfG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylVfG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht.
31Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 7. November 1995 - 9 C 73/95 -, juris Rn. 8.
32Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über (irgend-)einen der durch die Verfassung oder durch Gesetz bestimmten sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann; es muss nicht geklärt werden, um welchen sicheren Drittstaat es sich dabei handelt. Da nach der derzeit geltenden Rechtslage alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung aus Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im einzelnen bekannt ist.
33Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, juris Rn. 177.
34Nach dem Vorstehenden hat der unstreitig auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereiste Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG liegt nicht vor.
35Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus‘ gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 -Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)-, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach wird zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorausgesetzt, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
36Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 7. November 2013 - Rs. C - 199/12 bis 201/12 -, juris Rn. 51, und vom 5. September 2012 - Rs. C - 71/11 und C - 99/11 - juris Rn. 53.
37Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen, die für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1 entspricht.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 36.
39Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, 3e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
40vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330,
41und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19 und 32.
43Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 32.
45Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 20 ff. m.w.N.
47Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, juris Rn. 14 m.w.N.
49Für die Beantwortung der Frage, welche Anforderungen an den Nachweis asylbegründender Tatsachen zu stellen sind, ist es grundsätzlich nicht entscheidend, ob die jeweilige Tatsache vor oder nach dem Verlassen des Heimatlandes eingetreten ist; grundsätzlich ist der volle Nachweis zu fordern. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylbewerber insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt jedoch für diese Vorgänge in der Regel Glaubhaftmachung.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -, juris Rn. 15.
51Allerdings muss das Gericht von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals überzeugt sein. Es darf jedoch insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Das setzt voraus, dass der Asylbewerber seine Asylgründe schlüssig mit Einzelheiten darstellt und eine zusammenhängende, in sich stimmige Schilderung seines persönlichen Verfolgungsschicksals gibt.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, juris Rn. 16.
53Aus den in Art. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Es ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden. Die Pflicht der Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts findet ihre Grenze dort, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet, etwa, wenn der Kläger unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung nicht unter Angabe genauer Einzelheiten in einem in sich stimmigen Sachverhalt schildert, aus dem sich als wahr unterstellt eine asylerhebliche Verfolgung ergibt.
54Vgl. (zu Art. 16a GG) BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, juris Rn. 8.
55Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
56Das Gericht konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vor der Ausreise aus Albanien Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3a AsylVfG erlitten hat oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht gewesen ist oder ihm solche für den Fall der Rückkehr nach Albanien drohen.
57Der Kläger macht in diesem Zusammenhang allein geltend, er sei von Blutrache durch insbesondere eine mit seiner Familie verfeindete Familie bedroht. Den diesbezüglichen Vortrag des Antragstellers hat das Bundesamt im Ergebnis nach wie vor nachvollziehbar als unglaubhaft eingestuft. Dies gilt unabhängig von einigen weiteren Ungereimtheiten in ausschlaggebender Weise für das vom Antragsteller geschilderte, seine Ausreise angeblich auslösende Bedrohungsgeschehen im Mai 2014. Dieses hat der Antragsteller im Verlauf der Anhörung beim Bundesamt in ausgeprägt widersprüchlicher und gesteigerter Weise geschildert und diese Widersprüche nicht aufgelöst. Nach seiner ersten Darstellung soll ein weißer Golf vor ihm zum Stehen gekommen sein und Leute ausgestiegen sein, die ihn angegriffen hätten. Sie hätten ihn kurz beschimpft und dann mit einer Waffe über dem linken Auge zugeschlagen und ihn dort verletzt. Als dann „der andere“ ein Messer gezogen habe, sei er geflüchtet. Im Gegensatz dazu hat der Antragsteller, nach zwischenzeitlicher Befragung zu anderen Punkten, auf die Bitte, den Vorfall nochmals in allen Einzelheiten zu schildern, berichtet, er habe jemanden, der ihm offensichtlich aufgelauert habe, im Gebüsch reden gehört, von wo aus er dann überfallen worden sei. Hierbei sei er sofort über dem Auge geschlagen worden. Im weiteren Verlauf sei er dann an der Seite und am Bein mit einem Messer verletzt worden, so dass er nach der Flucht blutüberströmt auf der Straße liegend von einem Freund angetroffen worden sei. Auch das weitere Geschehen schildert der Antragsteller beim Bundesamt in unterschiedlicher Weise: Während er zunächst angegeben hatte, nach seiner Flucht habe er einige Tage später sowohl seinem Vater von dem Vorfall erzählt, der ihm zum Verlassen des Landes geraten habe, als auch sei er zur Polizei gegangen, hat er im zweiten Teil der Befragung ausgeführt, gemeinsam mit dem Freund ins Krankenhaus gegangen zu sein. Dort habe ihn dann die Polizei gesehen.
58Die im streitigen Bescheid des Bundesamtes hierzu und im Übrigen vorgenommene, eingehende Würdigung hat der anwaltlich vertretene Antragsteller im gerichtlichen Verfahren auch nach dem dies im Einzelnen aufzeigenden Beschluss des Gerichts vom 13. Februar 2015 (24 L 141/15.A) in keiner Weise erschüttert, weder schriftlich auf die gerichtliche Aufforderung nach § 87b VwGO, noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Er hat sich vielmehr – abgesehen von einem pauschalen Verweis auf den gesamten Akteninhalt – darauf beschränkt vorzutragen, ihm drohten bei Rückkehr nach Albanien „Nachteile“. Dafür, dass dem Antragsteller, wie in der Antragsschrift darüber hinaus ohne nähere Substantiierung behauptet, infolge des Bekanntwerdens des Asylgesuchs Verfolgung drohe, sind Anhaltspunkte im Übrigen nicht ersichtlich.
59Vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 16. Dezember 2013 (Lagebericht Albanien), Seite 16 Ziffer IV.2.
60Es kann, zumal angesichts des widersprüchlichen und unglaubhaften Vorbringens des Antragstellers, auch zu seinem Kontakt zur örtlichen Polizei, darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass der albanische Staat, die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor den angeblich befürchteten Übergriffen zu bieten und dass insbesondere keine erreichbaren und zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternativen bestehen. Die regelmäßige Erreichbarkeit derartiger – abhängig von den Umständen des Einzelfalls jedoch begrenzter – Schutzmöglichkeiten, entspricht vielmehr der aktuellen Erkenntnislage.
61Vgl. Lagebericht Albanien, Seite 12.
62An dieser Gesamtwürdigung des klägerischen Verfolgungsvorbringens ändern auch die im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen Dokumente nichts. Insbesondere spricht angesichts des Vortrags und Verhaltens des Klägers alles für die Würdigung des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid, dass es sich bei der Bescheinigung des Dorfbeamten vom 15. Juli 2014 um eine Gefälligkeitsbescheinigung handele. Im Lichte der aus dem Auslieferungsverfahren beigezogenen Erkenntnisse geht das Gericht davon aus, dass der Kläger sich mit Blick auf die drohende Strafverfolgung zur Ausreise veranlasst gesehen hat und sein Vortrag zur drohenden Blutrache nicht den Tatsachen entspricht.
63Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer ein subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens muss von einem Verfolgungsakteur i.S.d. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylVfG ausgehen. Weiter muss es an einem effektiven Schutz im Herkunftsstaat fehlen, §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d, 3e AsylVfG und es dürfen keine Ausschlussgründe (§ 4 Abs. 2 AsylVfG) vorliegen. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes (§ 3e AsylVfG) setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihm „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 19 f.; Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 -, juris Rn. 9.
65Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Albanien die Gefahr einer Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, können schon seinem eigenen Vorbringen nicht entnommen werden.
66Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG liegen nicht vor. Danach gilt Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 3 EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.
67Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, juris Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 22.
68Bestehen danach ernsthafte und stichhaltige Gründe, dass der Ausländer im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, ergibt sich hieraus die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 23.
70Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss dabei jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrecht verstoßen wird.
71Vgl. Bergmann, in: Renner/ders./Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG, Rn. 35.
72Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Insoweit verpflichtet Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23; EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 Nr. 2656505, N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 10 B 16.12 -, juris Rn. 8.
74Diese Rechtsprechung des BVerwG steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Großen Kammer des EGMR,
75vgl. Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09 - M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413,
76da diese Entscheidung keine Feststellung hinsichtlich der für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung im Herkunftsland trifft, sondern allein den Schutz der Menschenwürde von Personen betrifft, die - in einem ihnen insgesamt fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden.
77So auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 24, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 10 B 16.12 -, juris Rn. 9.
78Demnach können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen schlechte humanitäre Verhältnisse für sich isoliert zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. In Bezug auf Albanien ist unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnismittel vorbehaltlich atypischer Einzelfälle nicht davon auszugehen, dass diese Schwelle überschritten ist.
79Vgl. Lagebericht Albanien, Seite 15 f.
80Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus der dem Kläger offenbar drohenden Vollstreckung einer zweijährigen Strafhaft wegen gemeinschaftlichen bewaffneten Raubes. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht, hat der Kläger nicht vorgebracht. Sie ergeben sich für den Kläger auch nicht aus den dort vorzufindenden Haftverhältnissen. Der Kläger hat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit menschenunwürdige Behandlung zu erwarten.
81Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Albanien schlechter behandelt werden würde, als jede andere Person, die dort der Ahndung von Straftaten unterliegt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ohne Beantwortung der Frage, ob und inwieweit ein Ausländer den Standard an Haftbedingungen zu ertragen hat, der in seinem Heimatland allgemein herrscht und ein Absehen von der Abschiebung nur dann in Betracht kommt, wenn die Haftbedingungen konkret und individuell absehbar mit schweren physischen oder psychischen Leiden einhergehen,
82vgl. insoweit VG Magdeburg, Urteil vom 5. November 2014 – 9 A 298/13 –, juris-Dokumentation S. 7 f. m.w.N.,
83und der Frage, wie es sich u.a. im Hinblick auf § 87b VwGO auswirkt, dass der Kläger im Verfahren kein Wort zur ihm bei Rückkehr in sein Heimatland offenbar drohenden Strafhaft vorgetragen hat, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger in Albanien unter menschenunwürdigen Haftverhältnissen zu leiden haben wird. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der in Albanien nach der vorliegenden Erkenntnislage herrschenden Haftverhältnisse unter Berücksichtigung der Gegebenheiten im Fall des Klägers.
84Hinsichtlich der Verhältnisse im Strafvollzug ergibt sich nach Auswertung der zugänglichen Erkenntnisquellen folgendes Bild:
85Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes entsprechen die Haftbedingungen in albanischen Gefängnissen nicht westeuropäischen Standards. Bauliche Mängel, unzureichende Sanitäreinrichtungen, schlechte und knapp bemessene Ernährung, Ungezieferbefall, Beengtheit und Überbelegung seien Kritikpunkte in sehr vielen Justizvollzugsanstalten. Es fehle an einer angemessenen ärztlichen Versorgung. Eine regelmäßige Versorgung mit z.B. Zeitungen und andere Ausbildungs- und Freizeitangeboten bestünden nicht. In einigen Gefängnissen würden keinerlei Hofgang oder Außenaktivitäten erlaubt. Besuch könne oft nur nach Gutdünken des Gefängnispersonals empfangen werden. Hierbei stützt sich das Auswärtige Amt auf Schlussfolgerungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 20. März 2012 über eine Evaluierungsreise aus 2010. Eine zunehmend bedeutsame Rolle spiele die Institution des Ombudsmannes, der aktiv unangemeldete Kontrollvisiten in Einrichtungen u.a. des Strafvollzuges tätige, zu bemängelnde Tatbestände beim albanischen Innenministerium anhängig mache und reaktiv Beschwerden nachgehe. Seitens der Regierung würden sichtliche Strukturverbesserungs- und Präventionsmaßnahmen ergriffen.
86Vgl. Lagebericht Albanien (Stand: Oktober 2013) vom 16. Dezember 2013, Seite 9.
87Nach Mitteilung des österreichischen Bundesasylamtes verbietet Art. 25 der albanischen Verfassung explizit Folter und jegliche grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Nach übereinstimmenden Erkenntnissen nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen werde in Albanien in Haftanstalten nicht mehr auf staatliche Anweisung gefoltert. Es gebe jedoch immer wieder Fälle von Gewalt und teilweise schweren Misshandlungen seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei, vorrangig, während sich Personen in Polizeigewahrsam befänden, jedoch auch in Untersuchungs- und Langzeithaft; bezüglich letzterer Einschätzung stützt sich das Bundesasylamt allerdings auf einen inzwischen neu gefassten Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Der Zustand in Gefängnissen variiere sehr stark, wobei besonders ältere Anstalten nicht internationalen Standards entsprächen. Beschwerden von Gefangenen könnten unter Verschluss an den Ombudsmann oder Gerichts- bzw. Verwaltungsbehörden gerichtet werden, die glaubhafte Beschwerden von inhumanen Zuständen untersuchten. Das Gefängnisdirektorium unterhalte Vereinbarungen mit NGOs und dem Ombudsmann. Gefangenen sei es erlaubt, sich vertraulich mit dem Ombudsmann, der Gefängnisüberwachungskommission und mit nationalen und internationalen NGOs zu treffen. (Inter)nationalen Organisationen und Medien sei es erlaubt, Gefängnisse zu besuchen.
88Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien des Bundesasylamtes der Republik Österreich vom August 2013, Seite 9 und 12 f.
89Das amerikanische Department of State führt aus, nach den vorliegenden Berichten hätten sich im Jahr 2012 die Verhältnisse in den meisten Gefängnissen verbessert, in einigen verblieben indes ernste Probleme. Der Ombudsmann habe 386 Beschwerden von Gefangenen betreffend Misshandlungen u.a. erhalten. In vielen Anstalten gebe es Defizite bei der medizinischen Versorgung und den Lebensbedingungen. Das Land sei dabei, ältere Haftanstalten durch neuere zu ersetzen. Die nach 1991 erbauten Anstalten erreichten im Allgemeinen internationale Standards. In den älteren Anstalten gebe es hingegen unangemessenen Zugang zu Trinkwasser, medizinischer Versorgung, Belüftung und Beleuchtung. Die hygienischen Bedingungen seien unzureichend. Die Anstalten des Innenministeriums seien verglichen mit denen des Justizministeriums schlechter. Teilweise seien sie während des Winters ungeheizt, bisweilen fehle es an Duschen und Waschbecken, an uneingeschränktem Zugang zur Toilette, ausreichender Belüftung und natürlichem Licht sowie angemessener Bettausstattung. Familienbesuch sei möglich, ebenso die Religionsausübung. Beschwerden an den Ombudsmann oder gerichtliche bzw. Verwaltungsstellen seien (unzensiert) möglich, ebenso vertrauliche Treffen mit dem Ombudsmann und Anderen, etwa NGOs. Der Ombudsmann habe berichtet, dass die Gefängnisverwaltungen im Allgemeinen kooperativ bei den Untersuchungen seien, seine Empfehlungen indes nicht immer vollständig umsetzten. Glaubhaften Beschwerden werde seitens der Autoritäten nachgegangen und das Ergebnis der Ermittlungen dokumentiert. Die Überwachung durch lokale und internationale Menschenrechtsgruppen, die Medien und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz etc. werde gestattet. Ombudsmann und NGOs berichteten von Verbesserungen in den meisten Anstalten im Verlauf des Jahres. Die Europäische Kommission berichte, dass im Verlauf des Jahres die Polizei ein Kooperationsabkommen mit NGOs abgeschlossen habe, das unangekündigte Visiten zulasse.
90Vgl. United States of America, Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2013 – Albania, vom 27. Februar 2014.
91Eine 2012 durchgeführte, dreimonatige Untersuchung der Verhältnisse in elf der 22 Haftanstalten in Albanien kommt zu folgenden Ergebnissen: Diverse NGOs seien aktiv in der Gefängnisreform und dem „Haft-Monitoring“. Der anzutreffenden Überbelegung sei die albanische Regierung in 2012 mit einigen Maßnahmen begegnet, die zu Verbesserungen geführt hätten. So komme auf 4537 Gefängnisplätze eine Überbelegung von 420 Personen. Fälle von Misshandlungen seien in den durchgeführten Befragungen sehr selten vorgetragen worden. Die seltenen berichteten Fälle hätten Gefangene betroffen, die keinen Beistand außerhalb des Gefängnisses gehabt hätten, wirtschaftlich schwache Gefangene und anderweit verletzlich Erscheinende, etwa Jugendliche. Diese Misshandlungen hätten hauptsächlich in Demütigungen und beleidigendem Verhalten, nur gelegentlich auch in Gewaltanwendung bestanden. Die Ernährung bestehe aus drei Mahlzeiten pro Tag und habe sich qualitativ in den letzten Jahren verbessert, sei aber unterschiedlich je nach Haftanstalt. Es gebe Berichte, dass dort, wo die Qualität gut sei, es an der Quantität fehle. Die Insassen bekämen üblicherweise Nahrungsmittel von ihren Familien, die sie in privat beschafften in den Zellen befindlichen Kühlschränken aufbewahrten. Art. 26 der General Regulations of Prisons garantiere das Recht auf eine spezielle Diät (etwa aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen); es gebe jedoch Berichte, dass dies in einigen der inspizierten Anstalten praktisch nicht gewährleistet sei. Mit Ausnahme von Zaharia bestehe in allen untersuchten Anstalten durchgängig Zugang zu fließendem Wasser. Belüftung, Licht und Temperatur seien generell gut. Was Fensteröffnungen bzw. Hofgang angehe, sei die Situation in Tepelena, Tropoja und Berat problematisch (kleine, glaslose Fenster, jahreszeitliche Einschränkungen für Hofgänge). Die sanitären Einrichtungen seien je nach Anstalt unterschiedlich beurteilt worden. In Fushӫ-Kruja sei die Versorgung mit warmem Wasser besonders problematisch. Entgegen Art. 29 der General Regulations of Prisons gebe es nicht in allen Anstalten angemessene Waschküchen, weshalb die Häftlinge mit Gelegenheit dazu ihre Wäsche außerhalb waschen ließen. Entgegen Art. 30 der General Regulations of Prisons müssten die Insassen Waschmittel und Seife kaufen. Nach Art. 23 der General Regulations of Prisons obliege es der Haftanstalt, den Insassen ein separates Bett zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Ausstattung mit (sauberen) Matratzen bzw. Bettgestellen sei für mehrere Haftanstalten von Defiziten berichtet worden. Vielfach werde sich deshalb entsprechende Ausstattung von außen beschafft. Nach Art. 22 der General Regulations of Prisons müssten mindestens 4 qm pro Person in einer Zelle zur Verfügung stehen. Diese Vorschrift werde im Allgemeinen beachtet; weniger zur Verfügung stehende Fläche werde für vier Gefängnisse berichtet, wobei die Situation durch vorgehaltene Kühlschränke u.a. verschärft werde. In Tepelena gebe es Fälle von 4 bis 10 Personen in einer Zelle mit 1,8 bis 2,5 qm pro Person zur Verfügung stehender Fläche; in Lushnja 5-8 Insassen mit 3,3-6 qm pro Person. Alle besuchten Zellen hätten Toiletten und Fenster gehabt. In Berat gebe es Zellen für 2-3 Gefangene mit jeweils 3 qm zur Verfügung stehender Fläche, ohne Toilette in der Zelle. Für Tropoja werde die zur Verfügung stehende Fläche mit 3 qm pro Person berichtet. Es gebe keine Berichte über gemeinsame Zellen von Minderjährigen und Erwachsenen oder Frauen und Männern; beides sei verboten. Alle interviewten Insassen hätten berichtet, frei mit ihrem Verteidiger kommunizieren zu können. Auch seien mindestens zwei Telefonate pro Woche möglich. Privat beschaffte Fernsehgeräte könnten in den Zellen aufgebaut werden. Die Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung variierten sehr stark zwischen den einzelnen Anstalten. In Tepelena und Lushnja gebe es Sprachkurse. In der Mehrzahl der Anstalten gebe es Computerräume. Nach den maßgeblichen Vorschriften hätten die Häftlinge Anspruch auf täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien. In der Praxis differiere dies jedoch in Abhängigkeit von der Zahl der Insassen und der vorhandenen Außenanlagen. Zugang zu ärztlicher Versorgung bestehe in allen Anstalten üblicherweise rund um die Uhr. Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen würden die Häftlinge in das örtliche Krankenhaus gebracht. Es gebe Berichte, dass für die ärztlichen Visiten Bestechungsgelder zu zahlen seien; wer nicht zahle, müsse einige Tage warten. Die ärztliche Versorgung in den Gefängnissen sei im Allgemeinen von niedriger Qualität. Nur Basis-Medikation stehe zur Verfügung. Anderes werde von den Familien bezogen. Besondere Probleme bestünden im Bereich psychischer Erkrankungen und Zahnbehandlungen.
92Vgl. Organization for Security and Co-operation in Europe, Presence in Albania, OSCE, Report on Conditions in Albanian Prisons and Recommendations for Reform, 2013, Seite 5, 6, 8, 10-14, 16-20.
93Der Ombudsmann hat gegenüber den Vereinten Nationen angekündigt, insbesondere im Zeitraum 2014-15 Trainingsprogramme u.a. für Gefängnispersonal durchzuführen.
94Vgl. United Nations, General Assembly, Information presented by the Albanian People`s Advocate vom 5. September 2014.
95Nach Einschätzung des britischen Home Office unterscheiden sich die Haftbedingungen stark. Ältere Anstalten entsprächen nicht internationalen Standards, mit u.a. unhygienischen Verhältnissen und Misshandlungen durch Personal und andere Insassen (Bezugnahme auf US State Department Albania Country Report). Insgesamt seien Fortschritte zu verzeichnen, in Gestalt von Trainingsprogrammen, zunehmenden Beschäftigungsangeboten für die Insassen und eine generell bessere Behandlung der Gefangenen. In den vergangenen Jahren seien mehrere neue Anstalten errichtet worden. Die Haftbedingungen hingen weiterhin von der Unterstützung durch die Familie ab. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Haftbedingungen die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichten. Deshalb, selbst wenn ein Asylbewerber eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftnahme in Albanien darlegen könne, werde die Gewährung humanitären Schutzes generell nicht angezeigt sein. Vielmehr seien die individuellen Umstände des Einzelfalles zu betrachten. Relevante Faktoren seien die Dauer der zu erwartenden Inhaftnahme, der zu erwartende Ort des Strafvollzugs, das Alter des Betroffenen, sein Geschlecht und sein Gesundheitsstatus.
96Vgl. Home Office, Operational Guidance Note Albania, vom 19. September 2014, Ziffer 3.22.2, 3, 9, 12.
97Ausweislich des Fortschrittsberichts der Europäischen Kommission hat der Ombudsmann in 2013 180 Besichtigungen u.a. von Gefängnissen durchgeführt. Hinsichtlich der Umsetzung seiner Empfehlungen sei es zu Verbesserungen gekommen, weitere Verbesserungen seien aber erforderlich. Überbelegung bleibe ein zentrales Problem. Gefängnisinsassen seien nach wie vor angewiesen auf seitens ihrer Familien zugewandte Nahrungsmittel, Ausstattung und Medizin.
98Vgl. European Commission, Albania Progress Report, October 2014, S. 10, 46.
99Ausgehend davon, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger im Verlauf seiner zwei Jahre andauernden Strafhaft Haftbedingungen antreffen wird, die nicht internationalen Standards entsprechen. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass der Kläger seine Freiheitsstrafe unter menschenunwürdigen Bedingungen wird ertragen müssen, kann indes nicht festgestellt werden, zumal nicht feststeht, dass der Kläger einer der als problematischer anzusehenden Haftanstalten zugewiesen werden wird. Hierfür ist insbesondere maßgeblich, dass der Kläger, soweit ersichtlich, ein junger, nicht mehr jugendlicher, gesunder Mann ist, der auf Unterstützung von außen, insbesondere seiner Familie wird zurückgreifen können. Nach den vorliegenden Angaben zur Familie des Klägers ist diese jedenfalls nicht arm: Die Eltern bebauen eigenes Land und konnten ihren Sohn zu Ausbildungszwecken nach Tirana schicken. Der Kläger war außerdem in der Lage, kurzfristig 2.000 € an seinen Anwalt in Albanien zu bezahlen. Nach seinen Angaben beim Amtsgericht Siegburg und beim Bundesamt gibt es noch zahlreiche Familienangehörige in Albanien. Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seines Bildungsstandes in der Lage sein wird, die offenbar zur Verfügung stehenden Wege effektiv zu beschreiten, sich gegen evtl. Mängel in der Haft zur Wehr zu setzen.
100Hinzu kommt, dass derzeit Einiges dafür spricht, dass der Kläger im Wege der Auslieferung nach Albanien zurückkehren wird. In diesem Rahmen wird eine Überstellung insbesondere dann nicht erfolgen, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspräche (§ 73 Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen -IRG-). Dies wird sichergestellt durch die hier noch ausstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln im Verfahren 6 AuslA 108/14-22, die sich auch auf die Frage unmenschlicher Haftbedingungen und rechtsstaatswidriger Verfahren erstreckt und erforderlichenfalls einschränkende Bedingungen für die Zulässigkeit der Auslieferung bestimmt.
101Vgl. etwa Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 18. September 2014 – AuslA 39/14-31 –, juris (Verbindung der Zulässigkeitsentscheidung mit der Maßgabe, die Haft nicht an bestimmten Orten zu vollstrecken und Überprüfungsmöglichkeiten hinsichtlich der Haftbedingungen durch die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 – 1 AK 77/13 –, juris (Verbindung der Zulässigkeitsentscheidung mit der Maßgabe, dass der ersuchende Staat gegenüber der Bewilligungsbehörde eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung abgibt, dass der Verfolgte im Falle seiner Überstellung in einer Haftanstalt untergebracht wird, welche bezüglich der Haftbedingungen europäischen Mindeststandards entspricht); OLG Celle, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 Ausl 33/14 –, juris (Klärung, in welcher Haftanstalt der Verfolgte untergebracht werden wird und ob gewährleistet ist, dass er dort in einer Weise untergebracht wird, die der EMRK entspricht).
102Darüber hinaus können dem Vortrag des Klägers auch keine sonstigen Anhaltspunkte entnommen werden, die zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG führen. Insbesondere kommt insoweit eine Berufung auf eine drohende Blutrache nicht in Betracht, weil diese, wie dargelegt, unglaubhaft ist.
103Ebenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG. Danach ist von einem ersthaften Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen, wenn für den Ausländer eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf ein Teil des Staatsgebietes erstreckt.
104Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 12.
105Anhaltspunkte dafür bestehen nicht.
106Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4, 5 und Absatz 7 AufenthG.
107Nach § 60 Abs. 6 AufenthG steht die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung der Abschiebung nicht entgegen, soweit sich nicht aus § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG etwas anderes ergibt.
108Nach § 60 Abs. 4 AufenthG darf ein Ausländer, liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier gegenwärtig vor. Nach (der Neufassung des) § 24 Abs. 2 AsylVfG obliegt dem Bundesamt allerdings nur die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt; § 60 Abs. 4 AufenthG ist nicht genannt. Das Abschiebungsverbot ist sonach von der Ausländerbehörde zu beachten, ohne dass ein Anspruch des Klägers auf einen entsprechenden Ausspruch durch das Bundesamt besteht.
109Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Dabei ist zu beachten, dass die Berücksichtigung des Art. 3 EMRK im Rahmen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG nicht dazu führt, dass § 60 Abs. 5 AufenthG insoweit verdrängt wird.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, juris Rn. 24.
111Dennoch scheidet in Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus. Weitere Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich nach gegenwärtigem Erkenntnisstand keines daraus, dass der Kläger bei Rückkehr nach Albanien eine Gefängnisstrafe zu gewärtigen hat, die ihm durch ein in seiner Abwesenheit ergangenes Urteil auferlegt worden ist.
112Allerdings kann sich aus Art. 6 EMRK ein Verbot der Abschiebung wegen der Verhältnisse im Abschiebezielstaat ergeben, wenn die drohenden Beeinträchtigungen nach Qualität und Quantität dem vergleichbar sind, was ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK wegen menschenunwürdiger Behandlung begründet. Dies gilt auch wenn das Zielland ein Vertragsstaat der EMRK ist. Die einem Betroffenen dort wegen Verletzung von Art. 6 EMRK drohenden Folgen sind allerdings nur insoweit zu berücksichtigen, als nicht wirksamer Rechtsschutz durch Anrufung des EGMR und ein nachfolgendes Wiederaufnahmeverfahren in Anspruch genommen werden kann.
113Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 26. Mai 2004 – 8 A 3852/03.A –, juris Rn. 172 ff.
114Aus einer Anwendung des Rechtsgedankens in § 83 Nr. 3 IRG ergibt sich, dass diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Nach dieser Vorschrift ist die Auslieferung nicht zulässig, wenn das dem Vollstreckungsersuchen zugrunde liegende Urteil in Abwesenheit des Verfolgten ergangen ist und der Verfolgte zu dem Termin nicht persönlich geladen oder nicht auf andere Weise von dem Termin, der zu dem Abwesenheitsurteil geführt hat, unterrichtet worden war, es sei denn, dass der Verfolgte in Kenntnis des gegen ihn gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat. Nach der mit den Angaben des Klägers beim Amtsgericht Siegburg vom 8. April 2015 übereinstimmenden Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft Köln, liegt hier ein sog. Fluchtfall vor.
115Vgl. in diesem Zusammenhang OLG Köln, Beschlüsse vom 12. August 2010 – 6 AuslA 28/10-22 –, juris Rn. 14, vom 19. August 2014 – AuslA 45/14-32 –, juris und vom 8. Oktober 2014 – AuslA 65/14-57 –, juris.
116Der Kläger war im Verfahren wegen schweren Raubes sowohl bei seiner staatsanwaltlichen Vernehmung als auch vor Gericht durch einen von ihm bestellten Verteidiger anwaltlich vertreten (ausweislich des Beschlusses des OLG Köln vom 24. März 2015 über die Anordnung von Auslieferungshaft hat der Kläger sogar Berufung gegen seine Verurteilung eingelegt) und hat eine vorübergehende Freilassung zur Flucht genutzt.
117Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor.
118Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
119Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, juris Rn. 9 ff.
120Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde”. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
121Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 38.
122Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
123So BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, juris Rn. 15.
124Weiter dürfen keine anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutzvorschriften zu Gunsten des Klägers eingreifen, wobei zu beachten ist, dass akzessorische Duldungen oder Aufenthaltstitel keinen derartigen anderweitigen Schutz bieten.
125Vgl. zum Vollstreckungshindernis bei unbegleiteten Minderjährigen aus § 58 Abs. 1a AufenthG: BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, juris Rn. 15; Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - 13a ZB 14.30149 -, juris Rn. 4; zur Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 63 ff.
126Nach dem bereits Ausgeführten sind dem Kläger möglicherweise drohende Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG mit Blick auf drohende Blutrache und bevorstehende Haftbedingungen nicht hinreichend wahrscheinlich. Sie ergeben sich auch nicht aus einer Suizidgefahr. Nicht jede Form der Suizidalität ist geeignet, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen. Jedenfalls die zeitlich begrenzte bloße innere Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken rechtfertigt ohne das Hinzutreten äußerer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung nicht die Annahme, dass der Kläger im Falle einer erzwungenen Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Krise erleiden wird, die eine abschiebungsschutzrelevante Qualität erreicht.
127Vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 44 ff.
128So liegen die Dinge hier: Der Kläger hat im Rahmen seiner Vernehmung durch das Amtsgericht im Zuge des Auslieferungsverfahrens lediglich angedeutet, er werde sich eher etwas antun, als nach Albanien zurückzugehen. Derartige Äußerungen sind nicht hinreichend substantiell, um anhaltende und konkretisierte Selbsttötungsgedanken und –absichten als naheliegend erscheinen zu lassen und die Annahme eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (auch in Abgrenzung zu einem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG) zu rechtfertigen.
129Weil das Bundesamt seine Ablehnung nicht auf einen der in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannten Tatbestände des § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG gestützt hat, bestand auch kein Anlass für eine gesonderte Prüfung des Offensichtlichkeitsurteils als solchem.
130Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 6a K 5617/10.A –, juris Rn. 19-22 m.w.N.
131Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1 AsylVfG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 36 Abs. 1 AsylVfG erfüllt sind.
132Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.