I.
Mit Bescheid vom 17. November 2016 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Hostels mit Tiefgarage auf den im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners liegenden Grundstücken Flnrn. 2450/9, 2450/10 und 2450/88 der Gemarkung … Die Baugenehmigung wurde am 19. November 2016 im Amtsblatt des Antragsgegners öffentlich bekannt gemacht.
Die Antragstellerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin des Grundstücks Flnr. 2469/4.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. Oktober 2017 erhob die Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 17. November 2016 Klage, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.4998 anhängig ist. Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 wurde zusätzlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. Oktober 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2016 anzuordnen.
Auf die Begründungen in der Klage und in der Antragsschrift wird verwiesen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene haben sich bisher nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und insbesondere auf den im Verfahren M 11 K 17.4263 erlassenen Beschluss der Kammer vom 4. Oktober 2017 Bezug genommen, der dem Bevollmächtigten der Antragstellerin und den übrigen Beteiligten bekannt ist.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Kammer lässt offen, ob der Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig ist, weil die Rohbaumaßnahmen zum Zeitpunkt der Antragsstellung jedenfalls in Bezug auf die Kubatur des Gebäudes schon fast vollständig abge-schlössen waren (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. April 2014 - 9 CS 13.2007 - juris).
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Das private Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten fortführen zu können, überwiegt das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage schon deshalb, weil diese voraussichtlich unzulässig ist.
Die Antragstellerin hat ihr Klagerecht wohl verwirkt. Nach dem auch im öffentlichen Recht anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben darf ein (verfahrensrechtliches oder materielles) Recht nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1974 - III C 115/71 - juris Rn. 18). Eine solche Fallgestaltung liegt hier wohl vor.
Die Antragstellerin hat ihre Klage erst rund 11 Monate nach Bescheidserlass erhoben. Ob eine solche Zeitspanne als „längere Zeit“ im vorgenannten Sinne zu qualifizieren ist, hängt auch von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4/89 - juris Rn. 22). Nach Ansicht der Kammer ist dieses Zeitmoment der Verwirkung im vorliegenden Fall zu bejahen. Eine Zeitspanne von 11 Monaten hebt sich nicht nur deutlich von der bei ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:geltenden Monatsfrist ab, sondern liegt sogar kurz vor der bei fehlender oder - wie hier - fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung:geltenden Jahresfrist. Würde man selbst eine solche Zeitspanne für schon grundsätzlich nicht ausreichend halten, liefe der Grundsatz, dass Rechte auch verwirkt werden können, in den Fällen der fehlenden oder fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:praktisch ins Leere. Hinzukommt, dass im Baurecht die Nachbarn in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen, das verlangt, dass sie ihre Einwendungen zeitnah geltend machen, um einen eventuellen wirtschaftlichen Schaden beim Bauherrn möglichst gering zu halten (Dirnberger, in: Simon / Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 544). Im vorliegenden Einzelfall ist auch nicht erkennbar, dass die Antragstellerin nicht schon viel früher gegen das Vorhaben hätte vorgehen können. Es ist daher festzustellen, dass sie im vorgenannten Sinne „längere Zeit“ untätig geblieben ist.
Nach Ansicht der Kammer ist wohl auch das Umstandsmoment der Verwirkung zu bejahen. Aus der Untätigkeit der Antragstellerin durfte die Beigeladene den Schluss ziehen, dass die Antragstellerin nicht mehr gegen die Baugenehmigung vorgehen werde. Aus dem Vorbringen in der Antragsschrift ergibt sich nicht, dass die Antragstellerin vor Klageerhebung in irgendeiner Weise Einwände gegen das Vorhaben vorgebracht hat, weder vor dem erst Monate nach Erteilung der Baugenehmigung erfolgten Baubeginn, noch danach. Insbesondere ergeben sich aus der vorgelegten EMail vom 7. August 2017 (Anlage 8 zur Antragsschrift) solche Einwände nicht. Aus dieser E-Mail, die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin verfasst wurde, ergibt sich noch nicht einmal, dass der Bevollmächtigte damals überhaupt für die Antragstellerin tätig war. Auch wenn das Gericht vorläufig davon ausgeht, dass nunmehr eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung durch die Antragstellerin bzw. deren Hausverwaltung vorliegt, nahm der Bevollmächtigte in dieser E-Mail lediglich Bezug auf die bereits erhobene Klage einer einzelnen Wohnungseigentümerin, die er vertrat (und noch vertritt). Dass er schon damals auch für die WEG handelte, ergibt sich aus dieser E-Mail nicht. Es kommt hinzu, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 20. Oktober 2017 das geplante fünfstöckige Gebäude nunmehr im Rohbau schon fast vollständig errichtet war, wie das mit der Antragsschrift vorgelegte Foto belegt, auf dem bereits Wände des - zurückversetzten - obersten Stockwerks zu sehen sind. Der Eintritt des Umstandsmoments scheitert auch nicht daran, dass die Beigeladene unabhängig vom Verhalten der Antragstellerin die Baugenehmigung sofort ausgenutzt und mit den Bauarbeiten begonnen hätte. Nach Angaben der Beigeladenen im Verfahren M 11 SN 17.4263 wurde mit den Bauarbeiten erst im Mai 2017 begonnen, also erst etwa ein halbes Jahr nach Erteilung der Baugenehmigung. Der Annahme einer Verwirkung steht auch nicht entgegen, dass gegen das Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage der Antragstellerin bereits Klagen anderer Beteiligter anhängig waren und auch jetzt noch sind. Nach vorläufiger Ansicht des Gerichts kommt es nur darauf an, ob die Beigeladene noch konkret mit einer Klage der Antragstellerin rechnen musste oder ob aus ihrer Untätigkeit der Schluss zu ziehen war, dass jedenfalls von ihrer Seite nicht mehr mit Einwänden zu rechnen war. Nach vorläufiger Ansicht des Gerichts ist das hier zu bejahen.
Im Übrigen wäre der Antrag auch abzulehnen, falls das Klagerecht noch nicht verwirkt wäre. Die Kammer hält vorläufig an ihren Ausführungen im Beschluss vom 4. Oktober 2017 (M 11 SN 17.4263) fest. Durch die Antragsschrift des vorliegenden Verfahrens, die in weiten Teilen mit derjenigen des Verfahrens M 11 SN 17.4263 übereinstimmt, ist keine andere Einschätzung veranlasst. Wie im Beschluss vom 4. Oktober 2017 ausgeführt, ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wegen der als offen anzusehenden immissionsschutzrechtlichen Fragen nicht gerechtfertigt. Der von der Kammer im Beschluss vom 4. Oktober 2017 angeführte voraussichtliche Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht rechtfertigt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ebenfalls nicht. Zum einen war zum Zeitpunkt der Antragstellung am 20. Oktober 2017 die etwaige Abstandsflächenverletzung, sollte die Antragstellerin sie grundsätzlich rügen können, bereits eingetreten, wie das oben erwähnte Foto belegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage könnte daran nichts mehr ändern. Zweitens ist unabhängig von der Frage der Verwirkung im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrer Klage und ihrem Eilantrag sehr lange, fast bis zum Abschluss der Rohbauphase zugewartet hat. Insgesamt überwiegt daher das Interesse der Beigeladenen an der Fortführung der Bauarbeiten das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Antragstellerin ist auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nrn. 1.5 u. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.