Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623

bei uns veröffentlicht am17.10.2017

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer der Beigeladenen mit Bescheid vom 17. November 2016 erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines … mit Tiefgarage auf den im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners liegenden Grundstücken Flnr. 2450/9, 2450/10 und 2450/88 der Gemarkung … Auf Antrag der Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 2450/7 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Juni 2017 den Bebauungsplan Nr. 112 des Antragsgegners bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug (1 NE 17.716).

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Beschluss der Kammer vom 4. Oktober 2017 im Eilrechtsverfahren M 11 SN 17.4263 verwiesen, an dem die vom selben Bevollmächtigten vertretene Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 2469/4, der Antragsgegner sowie die Beigeladene beteiligt waren.

Die Antragstellerin hat am … August 2017 Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. November 2016 erhoben, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.3994 anhängig ist. Vorsorglich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom … September 2017 beantragte die Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom … August 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2016 anzuordnen.

Die Begründung entspricht in der Sache im Wesentlichen der Begründung im Verfahren M 11 SN 17.4263, auf die im Einzelnen verwiesen wird. Es sei davon auszugehen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollhauptsacheverfahren seine Eilentscheidung bestätigen werde. Gerügt wird insbesondere eine Verletzung von Abstandsflächenrecht. Die Abstandsflächen würden die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche übersteigen und nach dem hier maßgeblichen Maß von 1 H auf das Grundstück der Klägerin fallen. Die Erteilung einer Abweichung sei nicht möglich. Die Antragstellerin werde damit massiv in den vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern der Besonnung, Belichtung, Belüftung, dem Brandschutz und des Wohnfriedens verletzt. Gehe man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, verletze das Vorhaben das Rücksichtnahmegebot. Die geplante Gebäudehöhe von knapp 17 m einschließlich terassenähnlicher und intensiver Nutzung des Dachgeschosses bedeute für das unmittelbar gegenüberliegende Bestandsgebäude der Antragstellerin eine erhebliche Beeinträchtigung des sozialen Wohnfriedens. Das Vorhaben habe eine erhebliche erdrückende und abriegelnde Wirkung. Es weise eine Länge von 38,5 m, eine Höhe von fast 17 m und fünf Vollgeschosse auf. Demgegenüber bestehe das Objekt …straße ... lediglich aus drei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Höhe und Länge des Objekts kämen nicht annähernd an das geplante Vorhaben heran. Der Abstand zwischen den Gebäuden werde voraussichtlich lediglich 20 m betragen. Der Einmauerungseffekt werde durch die Stellung des Gebäudes noch verstärkt. Die Antragstellerin werde durch die zu erwartenden massiven Lärmbelästigungen durch die Benutzung der Dachterrasse in ihren Rechten verletzt.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 wurde darauf hingewiesen, dass die Grundstücke Anwesen …straße … im Geltungsbereich des am 13. Oktober 1995 aufgehobenen Bebauungsplans Nr. 6 liegen, der in diesem Bereich eine dreigeschossige Bebauung und geschlossene Bauweise vorgesehen hat. Seit der Aufhebung beurteile sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB, wobei die Art der Nutzung der näheren Umgebung einem Mischgebiet entspreche. Für das Maß der Nutzung bilde die homogene bestehende Bebauung, die weiterhin den Festsetzungen des Bebauungsplans entspreche, den Beurteilungsrahmen. Das gelte entsprechend für die bebaubare Grundstücksfläche, also die durchlaufende Bauflucht parallel zur …straße. Durch den Bebauungsplan Nr. 112 auf der gegenüberliegenden Seite der …straße ändere sich an dieser Einstufung nichts.

Die Beigeladene hat beantragen lassen, den Antrag abzulehnen.

Die Beigeladene habe im Vertrauen auf die Wirksamkeit von Bebauungsplan und Baugenehmigung bereits am 22. Mai 2017 mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen. Das zwischen den Grundstücken der Antragstellerin und der Beigeladenen befindliche Grundstück FlNr. 2469/2 sei lediglich in einem flächenmäßig sehr untergeordneten Teil im westlichen Bereich straßenrechtlich gewidmet. Die Nutzung als Parkfläche für die Bewohner und Besucher der …straße ... und ... sei eine rein faktische. Das Gebäude der Antragstellerin verfüge über drei Geschosse zuzüglich Dachgeschoss, wobei das Erdgeschoss als Hochparterre ausgebildet sei. Die traufseitige Wandhöhe betrage ca. 9,30 m. Auch das Gebäude der Antragstellerin halte die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. 2469/3 nicht ein. Angesichts der vorhandenen Nutzungen sei die Antragstellerin bereits jetzt mit einem gewerblich geprägten Umfeld und entsprechenden Besucherfrequenzen konfrontiert. Die Beigeladene rechne damit, dass die Gäste des … weit überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden. Die schalltechnische Verträglichkeit sei im Rahmen des Bebauungsplans untersucht worden. Eine lärmintensive Nutzung der Dachterrassenflächen sei bereits aufgrund des vorgesehenen Technikaufbaus faktisch unterbunden. Die Höhenentwicklung in der näheren Umgebung des Sondereigentums der Antragstellerin sei inhomogen. Die Beigeladene habe beim Antragsgegner zwischenzeitlich die Aufstellung eines geänderten Bebauungsplans beantragt und gehe von einer alsbaldigen Erledigung des Normenkontrollverfahrens wegen der Planänderung aus. Der Beigeladenen drohe bei Außervollzugsetzung der Baugenehmigung ein erheblicher finanzieller Schaden. Die ordnungsgemäße Vertretung der Antragstellerin sei nicht nachgewiesen worden. Die Antragstellerin sei keine Nachbarin und nicht antragsbefugt. Entsprechendes gelte auch für die Klage in der Hauptsache. Die Klage sei zudem verfristet. Die Klage sei überdies unbegründet. Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht drittschützend. Die Antragstellerin könne sich nicht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO berufen, da sie nicht an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenze. Der derzeitige temporäre Verlauf der …straße im Rahmen der Baustelle führe nicht dazu, dass das Grundstück der Antragstellerin an einer öffentlichen Verkehrsfläche liege. Hierfür bedürfe es eines gesonderten Widmungsaktes, zumal im späteren Bauleitplanungsverfahren auch eine bauplanungsrechtliche Verkürzung der Abstandsflächen geplant sei. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Auch in Ansehung von § 22 Abs. 1 BImSchG sei eine Rechtsverletzung nicht ersichtlich. Die im Bauleitplanverfahren erstellte schalltechnische Untersuchung belege, dass die Richtwerte der TA Lärm eingehalten seien. Die Einstufung als Mischgebiet sei sachgerecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens, des Eilverfahrens M 11 SN 17.4263, des gegenständlichen Hauptsacheverfahrens M 11 K 17.3994 sowie der Hauptsacheverfahren M 11 K 17.3560 und M 11 K 16.5732 und die im letztgenannten Verfahren vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Bei der Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gem. § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2005 - 1 ZB 05.42 - juris Rn. 13). Anhaltspunkte dafür, dass eine ordnungsgemäße Vertretung mangels eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vorliegt, bestehen nicht.

Das Vorbringen im Hinblick auf die Verletzung von Abstandsflächenrecht sowie einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme bezieht sich auf nachbarschützende und für einen Sonderbau entscheidungserhebliche Regelungen und genügt jedenfalls den Anforderungen an die Darlegung einer Antragsbefugnis.

Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an.

Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre.

Die Erfolgsaussichten der voraussichtlich zulässigen Klage - vgl. dazu die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 4.10.2017 im Verfahren M 11 SN 17.4263 -sind (nur) im Hinblick auf Belange des Immissionsschutzes als offen anzusehen und eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nicht gerechtfertigt.

Nachbarn können eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden.

Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen.

Die Abstandsflächen des Vorhabens fallen nach Maßgabe des Lageplans nicht auf das Grundstück der Antragstellerin. Eine Verletzung in den uneingeschränkt nachbarschützenden Abstandsflächenregelungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 BayBO liegt damit nicht vor.

Die Abstandsflächen gehen zwar sowohl über die Mitte der bisherigen Verkehrsfläche als auch über die Mitte des Grundstücks FlNr. 2469/3, das im Eigentum des Antragsgegners steht, hinaus.

Unabhängig davon, ob insofern Flächen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Anspruch genommen werden, wird die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO über die Einrechnung angrenzender öffentlicher Verkehrs, Grün- oder Wasserflächen in die Abstandsfläche ist insoweit nachbarschützend, als der Bauherr die öffentliche Fläche nur bis zur Mitte in Anspruch nehmen kann, damit der Gegenüberlieger „mit seiner Hälfte“ ebenso verfahren kann (vgl. Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, BayBO, 125. EL Mai 2017, Art. 6 Rn. 608; ebenso der Beschluss der Kammer vom 4.10.2017 im Verfahren M 11 SN 17.4263). Die Bestimmung gewährt aber keinen Nachbarschutz, wenn die fragliche Straßenhälfte für die Aufnahme von Abstandsflächen (planungsrechtlich) zulässiger Vorhaben des Nachbarn nicht in Betracht kommt (BayVGH, U.v. 7.2.1994 - 2 B 89.1918 - BayVBl 1994, 307; Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, BayBO a.a.O.).

Dementsprechend scheidet eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin voraussichtlich aus. Nach Maßgabe der Äußerung des Antragsgegners sowie der Aktenlage dürfte aufgrund der geschlossenen Bauweise und dem Bestehen einer faktischen Baugrenze weder ein bedeutsames Vorrücken der Bestandsbebauung der Antragstellerin an die Straße in Betracht kommen noch eine Erhöhung des Gebäudes. Der nach Aktenlage wohl bestehende Versatz von etwa 1 bis 2 m gegenüber den Gebäuden auf den benachbarten Grundstücken FlNr. 2469/4 und 2468 und eine in diesem Rahmen möglicherweise planungsrechtlich zulässige geringfügige Erweiterung des Bestandsgebäudes zur vorderen Grundstücksgrenze hin ändert hieran nichts. Denn bei der Beurteilung einer Verletzung von Nachbarrechten hat eine hypothetische, sich in keiner Weise konkret abzeichnende Veränderung der bauplanungs- oder bauordnungsrechtlichen Situation auf Nachbargrundstücken außer Betracht zu bleiben (vgl. im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von Abstandsflächen BayVGH, 8.12.2011, 15 ZB 11.1882 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 14.7.2009 -14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Anhaltspunkte für eine sinnvolle Erweiterung des Bestandsgebäudes im dargestellten Rahmen sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Eine Beeinträchtigung des Rücksichtnahmegebots im Zusammenhang mit den Belangen, denen das Abstandsflächenrecht dient, ist nicht erkennbar. Aus dem Umstand, dass bei Einhaltung der Abstandsflächen in aller Regel kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf Belichtung und Besonnung vorliegt, kann nicht im Umkehrschluss ein solcher Verstoß hergeleitet werden, wenn - wie hier - die vorgeschriebenen Abstandsflächen nicht eingehalten sind. Insoweit kommt es jeweils auf die tatsächlichen Verhältnisse an (BayVGH, B.v. 9.10.2006 - 26 ZB 06.1926 - juris Rn. 13).Im Hinblick darauf, dass die Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 BayBO in Bezug auf das Grundstück der Antragstellerin eingehalten sein dürften, sowie nach Maßgabe des Abstands der Gebäude, der selbst an dem vorspringenden Eck an der Südostseite des Vorhabens 20 m beträgt, sowie mangels besonderer ungünstiger Umstände bestehen keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller hinsichtlich Belichtung, Besonnung, Belüftung, Brandschutz oder des Wohnfriedens.

Entsprechendes gilt nach summarischer Prüfung für eine abriegelnde oder erdrückende Wirkung. Zudem ist im Rahmen des Rücksichtnahmegebots auch die Wirkung des Bestandsgebäudes der Antragstellerin zu berücksichtigen. Dieses dürfte sich in der Zusammenschau mit den, in geschlossener Bauweise errichteten weiteren Gebäuden östlich der …straße und mit drei Vollgeschossen plus Dachgeschoss in seiner Wirkung nicht so erheblich von dem gegenständlichen Vorhaben mit fünf Vollgeschossen und einer Ausgestaltung des fünften Obergeschosses als Terrassengeschoss unterscheiden, dass eine Unzumutbarkeit aufgrund einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung unterstellt werden kann.

Aus dem Vorbringen der Antragsbegründung, die vornehmlich auf verhaltensbezogene und mit dem genehmigten Vorhaben nicht typischerweise verbundenen Lärmimmissionen vom Terrassengeschoss durch Gäste oder Besucher abstellt, ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit des Vorhabens aufgrund von Lärmimmissionen. Entsprechende Beeinträchtigungen könnten aber vor allem auch durch Auflagen geregelt werden und würden das Vorhaben nicht dem Grunde nach in Frage stellen. Auch wenn man zugunsten der Antragstellerin darüber hinaus darauf abstellt, ob das Vorhaben nutzungstypische unzumutbare Immissionen (etwa im Hinblick auf den Zu- und Abfahrtsverkehr) erwarten lässt, ergibt sich nichts anderes. Angesichts der insoweit offenen Erfolgsaussichten überwiegt das private Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten fortführen zu können, das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Beigeladene hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihr im Fall der Nichtfortführung des Baus ein ganz erheblicher finanzieller Schaden entsteht. Auch ist davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die Baugenehmigung die Antragstellerin in Bezug auf den Lärmschutz in ihren Rechten verletzen sollte, durch die Fortführung der Bauarbeiten keine nicht mehr rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen werden, sondern durch ergänzende Auflagen und ggf. durch gewisse Umplanungen eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Gesamtsituation erreicht werden kann. Nicht zu verkennen ist zwar, dass sich, obwohl die Baugenehmigung im Dezember 2016 von anderer Seite angefochten worden ist, ein Normenkontrollverfahren eingeleitet und der die Grundlage bildende Bebauungsplan vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schließlich außer Vollzug gesetzt worden ist, die Beigeladene trotz des damit verbundenen Risikos dafür entschieden hat, mit dem Bau zu beginnen bzw. diesen fortzuführen. Andererseits muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin den Eilantrag sehr spät - nochmals drei Wochen später als die Antragstellerin im Verfahren M 11 SN 17.4263 - gestellt hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Bauvorhaben schon in einem erheblich fortgeschrittenen Stadium befand. Der Umstand, dass die Willensbildung bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft insofern naturgemäß mehr Zeit in Anspruch nimmt als bei natürlichen Personen, ist dem Risikobereich der Antragstellerin zuzurechnen und hat insofern keinen Einfluss auf die Interessenabwägung. Insgesamt ist es deshalb angemessen, dass die Beigeladene das Bauvorhaben unter Eingehung des Risikos, dass die Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren ggf. aufgehoben wird, fortführen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nrn. 1.5 u. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist
Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 21 Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen


(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebüh

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 20 Bauliche Veränderungen


(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. (2) Jeder Wohnungseigentümer kann angem

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4623 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 04. Okt. 2017 - M 11 SN 17.4263

bei uns veröffentlicht am 04.10.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Referenzen

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 17. November 2016 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines … mit Tiefgarage auf den im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners liegenden Grundstücken Flnrn. 2450/9, 2450/10 und 2450/88 der Gemarkung … Die Baugenehmigung wurde am 19. November 2016 im Amtsblatt des Antragsgegners öffentlich bekannt gemacht.

Gegen diese Baugenehmigung erhob die Eigentümerin des Grundstücks Flnr. 2450/7, das nördlich an das Grundstück Flnr. 2450/9 angrenzt, am … Dezember 2016 Anfechtungsklage. Die Klage ist bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 16.5732 anhängig. Außerdem hat diese Eigentümerin gegen den Bebauungsplan Nr. 112 eine Normenkontrollklage erhoben, die beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig ist.

Die Antragstellerin ist Sondereigentümerin einer Wohnung eines auf dem Grundstück Flnr. 2469/4 befindlichen Anwesens (…straße ...). Dieses Grundstück befindet sich östlich der Bauvorhabengrundstücke, grenzt an diese allerdings nicht direkt an. Dazwischen liegt noch das dem Antragsgegner gehörende Grundstück Flnr. 2469/3. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im zweiten Obergeschoss im südlichen Teil des Anwesens und besitzt einen zum Bauvorhaben hin ausgerichteten Balkon.

Mit Beschluss vom 26. Juni 2017 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan Nr. 112 des Antragsgegners bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug (1 NE 17.716).

Am … Juli 2017 erhob die Antragstellerin ebenfalls Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. November 2016, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.3560 anhängig ist. Vorsorglich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Versäumung der Klagefrist sei als unverschuldet anzusehen.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom ... September 2017 beantragte die Antragstellerin zusätzlich,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom … Juli 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2016 anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei davon auszugehen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollhauptsacheverfahren seine Eilentscheidung bestätigen werde. Das Objekt, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, umfasse nur drei Stockwerke und ein Dachgeschoss. Das Bauvorhaben umfasse dagegen 5 Vollgeschosse. Es habe eine Wandhöhe von 16,5 Metern. Ein Teil der gegenüber der Wohnung der Antragstellerin liegenden Wand sei zurückversetzt und messe noch eine Höhe von 13,55 Metern. Zudem liege das natürliche Gelände bis zu einem halben Meter tiefer. Es komme auch bei einer 13,55 Meter hohen Gebäudewand zu einer deutlichen Erhöhung im Vergleich zum Bestandsbau. Außerdem handele es sich trotz des Gebäudeversatzes um einen fünfstöckigen Sonderbau. Zudem weise das … auf einer Länge von 3,2 Metern die volle Wandhöhe von 16,60 Metern zum Sondereigentum der Antragstellerin auf. Infolgedessen würden die Abstandsflächen unterschritten und die Antragstellerin in den vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern massiv verletzt. Das Maß der baulichen Nutzung habe zudem abriegelnde und erdrückende Wirkung. Die weitere Umgebungsbebauung weise kein solches Maß auf. Der bisherige Straßenverlauf werde verändert. Dadurch würden sich die Abstandsflächen des Objektes in der …straße ... selbst verändern. Wegen der Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten (200) und des dadurch bedingten Verkehrsaufkommens sei mit einem erheblichen Lärmaufkommen zu rechnen. Mit weiteren massiven Lärmimmissionen sei durch die im Dachgeschoss vorgesehene intensive Nutzung (Spa, Panoramasauna, Mehrzweckräume) zu rechnen. Es entstehe eine dachterrassenähnliche Nutzungsmöglichkeit für die Besucher. Der Bau schreite voran. Der Bescheid sei gegenüber der Antragstellerin noch nicht bestandskräftig, weil Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Ihr Sondereigentum liege im Bereich der Abstandsflächen. Durch die Dachterrasse und das erhöhte Verkehrsaufkommen sei mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Der Wohnfriede werde durch die Einblicksmöglichkeit auf den Balkon verletzt. Der Antrag sei auch begründet. Die Klage sei wegen der zu gewährenden Wiedereinsetzung zulässig. Die Klage sei zudem begründet. Die Antragstellerin sei in ihren vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern verletzt. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei nicht anzuwenden, weil der außer Vollzug gesetzte Bebauungsplan nicht herangezogen werden könne. Die nach der Wandhöhe zu bemessende Tiefe der Abstandsflächen sei nicht eingehalten. Die Abstandsflächen lägen insbesondere nicht mehr auf dem Grundstück der Bauherrin und würden die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche überschreiten. Eine Ausnahme, dass eine Tiefe von weniger als 1 H eingehalten werden dürfe, komme nicht in Frage. Auch das 16-Meter-Privileg finde keine Anwendung. Ginge man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, verletze das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme. Die deutlich größere Gebäudehöhe und der massive Baukörper würden zu einer massiven Einschränkung der vom Abstandsflächenrecht geschützten Rechtsgüter wie Besonnung, Belichtung und Belüftung führen. Der soziale Wohnfriede werde nachhaltig gestört. Das Vorhaben habe eine erhebliche erdrückende und abriegelnde Wirkung. Außerdem würde die Antragstellerin in ihrem Recht auf Rücksichtnahme durch die zu erwartenden massiven Lärmbelästigungen verletzt. Die Hauptsacheklage werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein. Das Aussetzungsinteresse überwiege daher das Vollzugsinteresse.

Die Beigeladene beantragte, den Antrag abzulehnen.

Sie wandte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26. September 2017 im Wesentlichen ein:

Die Beigeladene habe im Vertrauen auf die Wirksamkeit von Bebauungsplan und Baugenehmigung bereits am 22. Mai 2017 mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen. Die Antragstellerin habe sich erst mit Schreiben vom 24. Juni 2017 beim Antragsgegner erkundigt, welche Arbeiten auf dem Vorhabengrundstück stattfänden. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Juli 2017 umfänglich aufgeklärt. Der Abstand des Gebäudes, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, zum Bauvorhaben betrage an der engsten Stelle ca. 20 Meter. Zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, liege das im Eigentum des Antragsgegners liegende Grundstück Flnr. 2469/3, das bis zum Beginn der Bauarbeiten faktisch als Abstellfläche für Fahrzeuge verwendet worden sei. Selbst bei Anwendung der Abstandsflächenregelung der BayBO läge die zu bildende Abstandsfläche vollständig außerhalb des Grundstücks, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde. Das Gebäude der Antragstellerin verfüge über drei Geschosse zuzüglich Dachgeschoss, wobei das Erdgeschoss als Hochparterre ausgebildet sei. Die traufseitige Wandhöhe betrage ca. 9,30 Meter. Es sei offensichtlich, dass auch das Gebäude, in dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, die Abstandsflächen nicht einhalte. Angesichts der vorhandenen Nutzungen sei die Antragstellerin bereits jetzt mit einem gewerblich geprägten Umfeld und entsprechenden Besucherfrequenzen konfrontiert. Die Beigeladene rechne damit, dass die Gäste des … überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden. Im Übrigen sei im Rahmen des Bebauungsplans die schalltechnische Verträglichkeit des … mit der östlich gelegenen Bebauung untersucht worden. Die durch die Antragstellerin befürchtete lärmintensive Nutzung der straßenseitigen Dachterrassenfläche werde faktisch durch einen in der Baugenehmigung noch nicht berücksichtigten Technikaufbau unterbunden. Die Höhenentwicklung in der näheren Umgebung sei inhomogen. Die Beigeladene habe beim Antragsgegner zwischenzeitlich die Aufstellung eines geänderten Bebauungsplans beantragt. Die Beigeladene gehe von einer alsbaldigen Erledigung des Normenkontrollverfahrens wegen der Planänderung aus. Der Beigeladenen drohe bei Außervollzugsetzung der Baugenehmigung ein erheblicher finanzieller Schaden. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie sei keine Nachbarin im Rechtssinne. Sie sei auch in ihrem Sondereigentum nicht betroffen. Bezüglich der Abstandsflächen gelte, dass eine Nichteinhaltung vom Sondereigentümer nur gerügt werden könne, wenn die maßgeblichen Abstandsflächen nicht nur auf dem Gemeinschaftseigentum zum Liegen kommen, sondern auch in das Sondereigentum hineinreichen. Im vorliegenden Fall komme die östliche Abstandsfläche noch auf dem gemeindeeigenen Grundstück Flnr. 2469/3 zum Liegen. Die behauptete Lärmbeeinträchtigung sei nicht gegeben. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit die behauptete Belastung über das Maß hinausreiche, die das gesamte Grundstück und mithin die Eigentümergemeinschaft als solche betreffe. In der Hauptsache würden die Erfolgsaussichten fehlen. Die Hauptsacheklage sei unzulässig. Es fehle die Klagebefugnis. Außerdem sei die Klage verfristet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Klage sei überdies unbegründet. Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht drittschützend. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Auch in Ansehung von § 22 Abs. 1 BImSchG sei eine Rechtsverletzung nicht ersichtlich. Die im Bauleitplanverfahren erstellte schalltechnische Untersuchung belege, dass die Richtwerte der TA Lärm eingehalten seien. Die Einstufung als Mischgebiet sei ohne weiteres sachgerecht.

Mit Schreiben vom … September 2017 ergänzte der Bevollmächtigte der Antragstellerin sein Vorbringen. Es werde weiterhin mit Hochdruck gearbeitet. Die Wände für das dritte Obergeschoss seien mittlerweile errichtet. Es bestehe die Gefahr, dass durch die Fertigstellung des Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis entfalle.

Der Antragsgegner hat sich bisher nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens M 11 SN 4263, des zugehörigen Hauptsacheverfahrens M 11 K 17.3560, des Verfahrens M 11 K 16.5732 und die in diesem letztgenannten Verfahren vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist zwar zulässig.

Insbesondere ist die Antragstellerin als Sondereigentümerin einer Wohnung im Anwesen …straße ... entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie im Sinne dieser Vorschrift ausreichend geltend gemacht hat, durch die erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Antragstellerin macht im Wesentlichen eine Verletzung von Vorschriften des Abstandsflächenrechts sowie des Gebots der Rücksichtnahme durch unzumutbare Lärmimmissionen und durch eine übermäßige, abriegelnde und erdrückende Bebauung geltend. Auf jeden dieser geltend gemachten Verstöße kann eine Nachbarklage grundsätzlich gestützt werden.

Das Vorbringen der Antragstellerin ist in Bezug auf jeden dieser Gesichtspunkte zur Bejahung der Antragsbefugnis ausreichend. In Bezug auf das Abstandsflächenrecht hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass es im vorliegenden Fall auf die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners ankomme, die in Richtung des Anwesens …straße ... fallenden Abstandsflächen des Bauvorhabens nicht auf den eigenen Grundstücken der Beigeladenen zum Liegen kämen und selbst über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausreichen würden. Da die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO grundsätzlich als nachbarschützend anzusehen ist, weil diese Regelung auch und gerade dazu dient, dass der gegenüberliegende Nachbar ebenso verfahren und auch auf seiner Seite die öffentliche Fläche zur Hälfte für die Lage seiner Abstandsflächen in Anspruch nehmen kann (vgl. Simon / Busse / Dhom / Franz / Rauscher, 125. EL Mai 2017, BayBO Art. 6 Rn. 608), ist damit ein Verstoß gegen eine drittschützende Norm grundsätzlich hinreichend geltend gemacht. Die Antragsbefugnis ist insoweit auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Antragstellerin „nur“ Sondereigentümerin einer der im Anwesen …straße ... gelegenen Wohnungen ist. Es ist anerkannt, dass auch ein einzelner Wohnungseigentümer die Nachbarrechte geltend machen kann, sofern gerade eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. für das Abstandsflächen-recht z. B. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Das ist hier nicht von vornherein zu verneinen, da die Antragstellerin hinreichend dargelegt hat, dass ihre Wohnung zum Bauvorhaben hin ausgerichtet ist und die ostseitigen Abstandsflächen des Bauvorhabens gerade vor ihrer Wohnung zum Liegen kommen. In Bezug auf die behauptete erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung und die geltend gemachten Lärmimmissionen gilt angesichts der Kubatur des Bauvorhabens, der vorgesehenen Nutzungen sowie des Umstands, dass der Gebäudeteil des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befindet, einen geringeren Abstand zum Vorhaben aufweist als die weiter nördlich gelegenen Wohnungen in der …straße, nichts anderes.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Nach summarischer Prüfung ist offen, ob die Hauptsacheklage Erfolg haben wird. aa) Die Klage ist voraussichtlich zulässig.

Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO beträgt die Klagefrist im vorliegenden Fall ein Jahr.

Zwar dürfte die in der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt des Antragsgegners vom 19. November 2016 (Anlage K 2 zur Klageschrift) enthaltene falsche Gemarkungsangabe („…“) die Anstoßfunktion der Bekanntmachung nicht in Frage stellen, weil wegen der - richtigen - Straßenbezeichnung für die Betroffenen wohl kein Zweifel bestehen konnte, wo das Bauvorhaben lag.

Allerdings war in der Bekanntmachung eine Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckt, die dem Umstand, dass beim Verwaltungsgericht München seit dem 1. Mai 2016 eine Klageerhebung auch in elektronischer Form möglich ist (vgl. E-Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungsgerichte - ERVV VwG - GVBl. S. 69), nicht Rechnung trug. Zwar verlangt § 58 Abs. 1 VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Belehrung auch über die Form (z. B. BVerwG, Beschluss vom 27. August 1997 - 1 B 145/97 - juris Rn. 5). Die Belehrung darf aber andererseits hinsichtlich der Formerfordernisse keine irreführenden oder gar unrichtigen Angaben oder Zusätze enthalten, die geeignet sind, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (BVerwG a. a. O. Rn. 7). Das ist hier jedoch gerade der Fall. Die im Amtsblatt abgedruckte Rechtsbehelfsbelehrung:verweist nur darauf, dass die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Die durch die ERVV VwG eingeführte Möglichkeit der Klageerhebung erwähnt sie nicht. Bereits dies dürfte zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO führen. Hinzukommt, dass in den nach der Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckten „Hinweisen zur Rechtsbehelfsbelehrung:“ sogar noch ausdrücklich betont wird, dass die Klageerhebung in elektronischer Form (z. B. durch E-Mail) unzulässig sei. Auch wenn der Klammerzusatz insoweit richtig ist, als durch eine einfache E-Mail keine Klage zulässig erhoben werden konnte und kann, ist der gesamte Hinweis jedenfalls falsch, weil er nur so verstanden werden kann, dass jede elektronische Form der Klageerhebung und damit auch diejenige, die den Erfordernissen der ERVV VwG genügt, unzulässig sei. Indem die Rechtsbehelfsbelehrung:bzw. die ihr beigefügten Hinweise eine zulässige Form der Klageerhebung ausschließen, war sie geeignet, die Erhebung der Klage zu erschweren. Infolgedessen ist § 58 Abs. 2 VwGO einschlägig.

Auf den von der Antragstellerin gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es deshalb nicht an.

Die Antragstellerin ist auch klagebefugt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Antragsbefugnis verwiesen.

bb) Ob die Klage in der Sache Erfolg haben wird, ist offen.

aaa) In Bezug auf das Abstandsflächenrecht dürfte die Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig sein, weil sie gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO verstößt.

Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist ein Sonderbau mit der Folge, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts zum Genehmigungsmaßstab der Baugenehmigung gehören (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO).

Die Kammer geht davon aus, dass kein Fall vorliegt, in dem sich aus planungsrechtlichen Vorschriften ergeben würde, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ganz oder zum Teil nicht gelten würden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Juni 2017 den Bebauungsplan Nr. 112 außer Vollzug gesetzt. Diese Entscheidung hat in personeller Hinsicht Wirkung gegenüber jedermann (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 182), somit auch gegenüber der im Normenkontrollverfahren nicht beteiligten Antragstellerin. Die Außervollzugsetzung hat inhaltlich die Wirkung, dass der Bebauungsplan jedenfalls seitdem so zu behandeln ist, als existiere er nicht (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 185). Ob dies nicht nur bedeutet, dass er als Grundlage für künftige Baugenehmigungen ausscheidet, sondern darüber hinaus im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer vor Außervollzugsetzung erteilten Baugenehmigung zwingend von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen ist, kann dahin stehen. Die Beteiligten haben gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich nichts vorgebracht, das Anlass böte, in Abweichung von der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der den Bebauungsplan als voraussichtlich insgesamt unwirksam angesehen hat (vgl. S. 8 oben der Gründe), vorläufig von der Wirksamkeit oder zumindest von einer Teilwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen.

Die Baugenehmigung verstößt wohl gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO. Zwar dürfte das Grundstück Flurnummer 2469/3, das im Eigentum des Antragsgegners steht, als Fläche im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Betracht kommen. Aus der von der Beigeladenen selbst vorgelegten Darstellung der ostseitigen Abstandsflächen (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 26. September 2017) ergibt sich jedoch, dass diese Abstandsflächen bei Zugrundelegung von 1 H im südlichen Teil deutlich über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausragen. Die Länge der östlichen Außenwand des südlichen Bauteils beträgt nach den Bauvorlagen schon für sich genommen 18,35 Meter, so dass nicht erkennbar ist, dass die Beigeladene insoweit das 16-Meter-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) in Anspruch nehmen könnte. Es wurde auch nicht dargelegt, dass sich eine geringere Abstandsflächentiefe auf Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO stützen ließe. Vorläufig muss deshalb angenommen werden, dass das Bauvorhaben mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO nicht vereinbar ist.

bbb) Die Antragstellerin ist aber hierdurch wohl nicht in ihren subjektiven Rechten als Sondereigentümerin verletzt.

Die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO ist zwar nachbarschützend (siehe oben). Auch steht der Geltendmachung des Abstandsflächenverstoßes nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der Bebauung auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft ein annähernd gleichgewichtiger Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht entgegenzuhalten ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Nach den Angaben der Beigeladenen soll das Anwesen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine traufseitige Wandhöhe von 9,30 Meter besitzen. Diese Wandhöhe zugrunde gelegt, dürften nach den der Kammer möglichen Messungen anhand der vorliegenden Pläne die westlichen Abstandsflächen des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 entweder überhaupt nicht überschreiten oder jedenfalls bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dies umgekehrt beim Vorhaben der Beigeladenen der Fall ist.

Die Antragstellerin ist jedoch durch den Abstandsflächenverstoß im Ergebnis wohl nicht konkret in ihrem Sondereigentum beeinträchtigt. Nach der handschriftlichen Eintragung auf dem als Anlage Ast 5 zur Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Foto befindet sich die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss im südlichen Bereich des Anwesens, unmittelbar angrenzend an das Nachbargebäude …straße ... (Flurnummer 2469/2). Aus der Zusammenschau mit der Abstandsflächendarstellung der Beigeladenen (Anlage B 6 zur Antragserwiderung vom 26. September 2017) ist ersichtlich, dass die Abstandsflächenüberschreitung über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinweg genau in dem Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin liegt.

Allein dies genügt jedoch wohl nicht, um eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums der Antragstellerin bejahen zu können. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass ein Sondereigentümer erst dann konkret beeinträchtigt sei, wenn die Abstandsflächen auf seinem Sondereigentum zum Liegen kommen (so VG München, Urteil vom 4. März 2016 - M 8 K 14.5724). Das würde bedeuten, dass ein Sondereigentümer eine Abstandsflächenverletzung auch dann noch nicht geltend machen könnte, wenn die Abstandsflächen bis unmittelbar vor die Außenwand seiner Wohnung fallen. Die Kammer kann für das Eilverfahren offen lassen, ob dem zu folgen sein wird. Selbst wenn man einen weniger strengen Maßstab anlegt, muss aber mindestens berücksichtigt werden, wie groß der Abstand zwischen den Gebäuden tatsächlich ist, in welcher Etage sich die betroffene Wohnung befindet und wie gravierend der Abstandsflächenverstoß ist. Im vorliegenden Fall dürfte der Abstand zwischen der Wohnung der Antragstellerin zur fraglichen Wand des streitgegenständlichen Gebäudes immerhin bereits 20 Meter betragen. Aus dem vorgelegten Foto über die Lage der Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss ist ohne weiteres erkennbar, dass das Fußbodenniveau dieser Wohnung um deutlich mehr als 5 Meter höher liegt als das Niveau der Geländeoberfläche. Umgekehrt kann man der Ab-standsflächendarstellung der Beigeladenen entnehmen, dass die Abstandsflächentiefe des Vorhabens die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 zwar nicht unerheblich, jedenfalls aber wohl nicht um 5 Meter oder mehr überschreitet. Das bedeutet, dass der Unterschied zwischen dem Bodenniveau der im 2. Obergeschoss befindlichen Wohnung der Antragstellerin und dem Niveau des oberen Abschlusses der Wand des Bauvorhabens nicht größer ist als der Höhenunterschied zwischen einer auf dem Niveau der natürlichen Geländeoberfläche befindlichen Erdgeschosswohnung und einem mit gleichem Abstand errichteten, aber 5 Meter niedrigeren und damit jedenfalls die Abstandsflächen einhaltenden - und damit von den Nachbarn hinzunehmenden - Gebäude. Nach vorläufiger Ansicht der Kammer liegt daher eine über die grundstücksbezogene Beeinträchtigung hinausgehende konkrete Beeinträchtigung der im Sondereigentum der Antragstellerin stehenden Wohnung nicht vor, weil nicht anzunehmen ist, dass auch und gerade bezüglich dieser Wohnung die vom Abstandsflächenrecht gestellten Mindestanforderungen an Belichtung, Belüftung und Sozialabstand nicht eingehalten sind.

ccc) Nach summarischer Prüfung zu verneinen ist auch, dass das Vorhaben eine konkret die Wohnung der Antragstellerin beeinträchtigende abriegelnde oder erdrückende Wirkung hat. Insoweit muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass das streitgegenständliche Gebäude sich in immerhin 20 Meter Entfernung befindet und die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss liegt. Nichts anderes ergibt sich auch bei Mitberücksichtigung der Gesamtlänge des Gebäudekomplexes, den das Gebäude mit dem nördlich anschließenden Bestandsgebäude, an das es angebaut wird, bildet. Denn auch die Wohnung der Antragstellerin befindet sich in einem Gebäude, das nach Süden hin geschlossen an andere Gebäude angebaut ist. Dieser Gebäudekomplex mit der Wohnung der Antragstellerin dürfte, wie man dem Lageplan der genehmigten Bauvorlagen entnehmen kann, knapp 90 Meter lang sein. Insgesamt ist das Bauvorhaben nach summarischer Prüfung gegenüber der Antragstellerin somit nicht aufgrund seiner Kubatur und Situierung rücksichtslos.

ddd) Ob das Vorhaben in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gegenüber der Antragstellerin rücksichtslos ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Die angegriffene Baugenehmigung sieht einerseits für die Ostfassade des streitgegenständlichen Gebäudes Lärmschutzauflagen vor, verzichtet andererseits aber darauf, Grenzwerte zugunsten der Nachbarn festzusetzen. Ob die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, muss als offen angesehen werden, zumal sich aus der von der Beigeladenen als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 26. September 2017 vorgelegten Zusammenfassung des im Bebauungsplanverfahren erstellten Berichts des Ingenieurbüros … vom ... April 2015 ergibt, dass die Immissionsrichtwerte an der bestehenden Wohnbebauung außerhalb des Plangebiets „nachts gerade eingehalten“ seien.

b) Angesichts der nur hinsichtlich der geltend gemachten Lärmimmissionen offenen Erfolgsaussichten überwiegt das private Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten fortführen zu können, das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Beigeladene hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihr im Fall der Nichtfortführung des Baus ein ganz erheblicher finanzieller Schaden entsteht. Auch ist davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die Baugenehmigung die Antragstellerin in Bezug auf den Lärmschutz in ihren Rechten verletzen sollte, durch die Fortführung der Bauarbeiten keine nicht mehr rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen werden, sondern durch ergänzende Auflagen und ggf. durch gewisse Umplanungen eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Gesamtsituation erreicht werden kann. Nicht zu verkennen ist zwar, dass sich, obwohl die Baugenehmigung im Dezember 2016 von anderer Seite angefochten, ein Normenkontrollverfahren eingeleitet und der die Grundlage bildende Bebauungsplan vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schließlich außer Vollzug gesetzt worden ist, die Beigeladene trotz des damit verbundenen Risikos dafür entschieden hat, mit dem Bau zu beginnen bzw. diesen fortzuführen. Andererseits muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin den Eilantrag erst zu einem Zeitpunkt gestellt hat, zu dem sich, wie die mit der Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Bilder zeigen, das Bauvorhaben schon in einem fortgeschrittenen Stadium befand, obwohl der Beginn der Bauarbeiten der Antragstellerin, die in ihrer Eigentumswohnung auch selbst wohnt, nicht verborgen geblieben sein konnte. Insgesamt ist es deshalb angemessen, dass die Beigeladene die Bauarbeiten vorläufig fortsetzen darf.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nrn. 1.5 u. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 17. November 2016 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines … mit Tiefgarage auf den im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners liegenden Grundstücken Flnrn. 2450/9, 2450/10 und 2450/88 der Gemarkung … Die Baugenehmigung wurde am 19. November 2016 im Amtsblatt des Antragsgegners öffentlich bekannt gemacht.

Gegen diese Baugenehmigung erhob die Eigentümerin des Grundstücks Flnr. 2450/7, das nördlich an das Grundstück Flnr. 2450/9 angrenzt, am … Dezember 2016 Anfechtungsklage. Die Klage ist bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 16.5732 anhängig. Außerdem hat diese Eigentümerin gegen den Bebauungsplan Nr. 112 eine Normenkontrollklage erhoben, die beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig ist.

Die Antragstellerin ist Sondereigentümerin einer Wohnung eines auf dem Grundstück Flnr. 2469/4 befindlichen Anwesens (…straße ...). Dieses Grundstück befindet sich östlich der Bauvorhabengrundstücke, grenzt an diese allerdings nicht direkt an. Dazwischen liegt noch das dem Antragsgegner gehörende Grundstück Flnr. 2469/3. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im zweiten Obergeschoss im südlichen Teil des Anwesens und besitzt einen zum Bauvorhaben hin ausgerichteten Balkon.

Mit Beschluss vom 26. Juni 2017 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan Nr. 112 des Antragsgegners bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug (1 NE 17.716).

Am … Juli 2017 erhob die Antragstellerin ebenfalls Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. November 2016, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.3560 anhängig ist. Vorsorglich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Versäumung der Klagefrist sei als unverschuldet anzusehen.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom ... September 2017 beantragte die Antragstellerin zusätzlich,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom … Juli 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2016 anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei davon auszugehen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollhauptsacheverfahren seine Eilentscheidung bestätigen werde. Das Objekt, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, umfasse nur drei Stockwerke und ein Dachgeschoss. Das Bauvorhaben umfasse dagegen 5 Vollgeschosse. Es habe eine Wandhöhe von 16,5 Metern. Ein Teil der gegenüber der Wohnung der Antragstellerin liegenden Wand sei zurückversetzt und messe noch eine Höhe von 13,55 Metern. Zudem liege das natürliche Gelände bis zu einem halben Meter tiefer. Es komme auch bei einer 13,55 Meter hohen Gebäudewand zu einer deutlichen Erhöhung im Vergleich zum Bestandsbau. Außerdem handele es sich trotz des Gebäudeversatzes um einen fünfstöckigen Sonderbau. Zudem weise das … auf einer Länge von 3,2 Metern die volle Wandhöhe von 16,60 Metern zum Sondereigentum der Antragstellerin auf. Infolgedessen würden die Abstandsflächen unterschritten und die Antragstellerin in den vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern massiv verletzt. Das Maß der baulichen Nutzung habe zudem abriegelnde und erdrückende Wirkung. Die weitere Umgebungsbebauung weise kein solches Maß auf. Der bisherige Straßenverlauf werde verändert. Dadurch würden sich die Abstandsflächen des Objektes in der …straße ... selbst verändern. Wegen der Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten (200) und des dadurch bedingten Verkehrsaufkommens sei mit einem erheblichen Lärmaufkommen zu rechnen. Mit weiteren massiven Lärmimmissionen sei durch die im Dachgeschoss vorgesehene intensive Nutzung (Spa, Panoramasauna, Mehrzweckräume) zu rechnen. Es entstehe eine dachterrassenähnliche Nutzungsmöglichkeit für die Besucher. Der Bau schreite voran. Der Bescheid sei gegenüber der Antragstellerin noch nicht bestandskräftig, weil Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Ihr Sondereigentum liege im Bereich der Abstandsflächen. Durch die Dachterrasse und das erhöhte Verkehrsaufkommen sei mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Der Wohnfriede werde durch die Einblicksmöglichkeit auf den Balkon verletzt. Der Antrag sei auch begründet. Die Klage sei wegen der zu gewährenden Wiedereinsetzung zulässig. Die Klage sei zudem begründet. Die Antragstellerin sei in ihren vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern verletzt. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei nicht anzuwenden, weil der außer Vollzug gesetzte Bebauungsplan nicht herangezogen werden könne. Die nach der Wandhöhe zu bemessende Tiefe der Abstandsflächen sei nicht eingehalten. Die Abstandsflächen lägen insbesondere nicht mehr auf dem Grundstück der Bauherrin und würden die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche überschreiten. Eine Ausnahme, dass eine Tiefe von weniger als 1 H eingehalten werden dürfe, komme nicht in Frage. Auch das 16-Meter-Privileg finde keine Anwendung. Ginge man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, verletze das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme. Die deutlich größere Gebäudehöhe und der massive Baukörper würden zu einer massiven Einschränkung der vom Abstandsflächenrecht geschützten Rechtsgüter wie Besonnung, Belichtung und Belüftung führen. Der soziale Wohnfriede werde nachhaltig gestört. Das Vorhaben habe eine erhebliche erdrückende und abriegelnde Wirkung. Außerdem würde die Antragstellerin in ihrem Recht auf Rücksichtnahme durch die zu erwartenden massiven Lärmbelästigungen verletzt. Die Hauptsacheklage werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein. Das Aussetzungsinteresse überwiege daher das Vollzugsinteresse.

Die Beigeladene beantragte, den Antrag abzulehnen.

Sie wandte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26. September 2017 im Wesentlichen ein:

Die Beigeladene habe im Vertrauen auf die Wirksamkeit von Bebauungsplan und Baugenehmigung bereits am 22. Mai 2017 mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen. Die Antragstellerin habe sich erst mit Schreiben vom 24. Juni 2017 beim Antragsgegner erkundigt, welche Arbeiten auf dem Vorhabengrundstück stattfänden. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Juli 2017 umfänglich aufgeklärt. Der Abstand des Gebäudes, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, zum Bauvorhaben betrage an der engsten Stelle ca. 20 Meter. Zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, liege das im Eigentum des Antragsgegners liegende Grundstück Flnr. 2469/3, das bis zum Beginn der Bauarbeiten faktisch als Abstellfläche für Fahrzeuge verwendet worden sei. Selbst bei Anwendung der Abstandsflächenregelung der BayBO läge die zu bildende Abstandsfläche vollständig außerhalb des Grundstücks, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde. Das Gebäude der Antragstellerin verfüge über drei Geschosse zuzüglich Dachgeschoss, wobei das Erdgeschoss als Hochparterre ausgebildet sei. Die traufseitige Wandhöhe betrage ca. 9,30 Meter. Es sei offensichtlich, dass auch das Gebäude, in dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, die Abstandsflächen nicht einhalte. Angesichts der vorhandenen Nutzungen sei die Antragstellerin bereits jetzt mit einem gewerblich geprägten Umfeld und entsprechenden Besucherfrequenzen konfrontiert. Die Beigeladene rechne damit, dass die Gäste des … überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden. Im Übrigen sei im Rahmen des Bebauungsplans die schalltechnische Verträglichkeit des … mit der östlich gelegenen Bebauung untersucht worden. Die durch die Antragstellerin befürchtete lärmintensive Nutzung der straßenseitigen Dachterrassenfläche werde faktisch durch einen in der Baugenehmigung noch nicht berücksichtigten Technikaufbau unterbunden. Die Höhenentwicklung in der näheren Umgebung sei inhomogen. Die Beigeladene habe beim Antragsgegner zwischenzeitlich die Aufstellung eines geänderten Bebauungsplans beantragt. Die Beigeladene gehe von einer alsbaldigen Erledigung des Normenkontrollverfahrens wegen der Planänderung aus. Der Beigeladenen drohe bei Außervollzugsetzung der Baugenehmigung ein erheblicher finanzieller Schaden. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie sei keine Nachbarin im Rechtssinne. Sie sei auch in ihrem Sondereigentum nicht betroffen. Bezüglich der Abstandsflächen gelte, dass eine Nichteinhaltung vom Sondereigentümer nur gerügt werden könne, wenn die maßgeblichen Abstandsflächen nicht nur auf dem Gemeinschaftseigentum zum Liegen kommen, sondern auch in das Sondereigentum hineinreichen. Im vorliegenden Fall komme die östliche Abstandsfläche noch auf dem gemeindeeigenen Grundstück Flnr. 2469/3 zum Liegen. Die behauptete Lärmbeeinträchtigung sei nicht gegeben. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit die behauptete Belastung über das Maß hinausreiche, die das gesamte Grundstück und mithin die Eigentümergemeinschaft als solche betreffe. In der Hauptsache würden die Erfolgsaussichten fehlen. Die Hauptsacheklage sei unzulässig. Es fehle die Klagebefugnis. Außerdem sei die Klage verfristet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Klage sei überdies unbegründet. Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht drittschützend. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Auch in Ansehung von § 22 Abs. 1 BImSchG sei eine Rechtsverletzung nicht ersichtlich. Die im Bauleitplanverfahren erstellte schalltechnische Untersuchung belege, dass die Richtwerte der TA Lärm eingehalten seien. Die Einstufung als Mischgebiet sei ohne weiteres sachgerecht.

Mit Schreiben vom … September 2017 ergänzte der Bevollmächtigte der Antragstellerin sein Vorbringen. Es werde weiterhin mit Hochdruck gearbeitet. Die Wände für das dritte Obergeschoss seien mittlerweile errichtet. Es bestehe die Gefahr, dass durch die Fertigstellung des Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis entfalle.

Der Antragsgegner hat sich bisher nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens M 11 SN 4263, des zugehörigen Hauptsacheverfahrens M 11 K 17.3560, des Verfahrens M 11 K 16.5732 und die in diesem letztgenannten Verfahren vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist zwar zulässig.

Insbesondere ist die Antragstellerin als Sondereigentümerin einer Wohnung im Anwesen …straße ... entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie im Sinne dieser Vorschrift ausreichend geltend gemacht hat, durch die erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Antragstellerin macht im Wesentlichen eine Verletzung von Vorschriften des Abstandsflächenrechts sowie des Gebots der Rücksichtnahme durch unzumutbare Lärmimmissionen und durch eine übermäßige, abriegelnde und erdrückende Bebauung geltend. Auf jeden dieser geltend gemachten Verstöße kann eine Nachbarklage grundsätzlich gestützt werden.

Das Vorbringen der Antragstellerin ist in Bezug auf jeden dieser Gesichtspunkte zur Bejahung der Antragsbefugnis ausreichend. In Bezug auf das Abstandsflächenrecht hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass es im vorliegenden Fall auf die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners ankomme, die in Richtung des Anwesens …straße ... fallenden Abstandsflächen des Bauvorhabens nicht auf den eigenen Grundstücken der Beigeladenen zum Liegen kämen und selbst über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausreichen würden. Da die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO grundsätzlich als nachbarschützend anzusehen ist, weil diese Regelung auch und gerade dazu dient, dass der gegenüberliegende Nachbar ebenso verfahren und auch auf seiner Seite die öffentliche Fläche zur Hälfte für die Lage seiner Abstandsflächen in Anspruch nehmen kann (vgl. Simon / Busse / Dhom / Franz / Rauscher, 125. EL Mai 2017, BayBO Art. 6 Rn. 608), ist damit ein Verstoß gegen eine drittschützende Norm grundsätzlich hinreichend geltend gemacht. Die Antragsbefugnis ist insoweit auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Antragstellerin „nur“ Sondereigentümerin einer der im Anwesen …straße ... gelegenen Wohnungen ist. Es ist anerkannt, dass auch ein einzelner Wohnungseigentümer die Nachbarrechte geltend machen kann, sofern gerade eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. für das Abstandsflächen-recht z. B. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Das ist hier nicht von vornherein zu verneinen, da die Antragstellerin hinreichend dargelegt hat, dass ihre Wohnung zum Bauvorhaben hin ausgerichtet ist und die ostseitigen Abstandsflächen des Bauvorhabens gerade vor ihrer Wohnung zum Liegen kommen. In Bezug auf die behauptete erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung und die geltend gemachten Lärmimmissionen gilt angesichts der Kubatur des Bauvorhabens, der vorgesehenen Nutzungen sowie des Umstands, dass der Gebäudeteil des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befindet, einen geringeren Abstand zum Vorhaben aufweist als die weiter nördlich gelegenen Wohnungen in der …straße, nichts anderes.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Nach summarischer Prüfung ist offen, ob die Hauptsacheklage Erfolg haben wird. aa) Die Klage ist voraussichtlich zulässig.

Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO beträgt die Klagefrist im vorliegenden Fall ein Jahr.

Zwar dürfte die in der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt des Antragsgegners vom 19. November 2016 (Anlage K 2 zur Klageschrift) enthaltene falsche Gemarkungsangabe („…“) die Anstoßfunktion der Bekanntmachung nicht in Frage stellen, weil wegen der - richtigen - Straßenbezeichnung für die Betroffenen wohl kein Zweifel bestehen konnte, wo das Bauvorhaben lag.

Allerdings war in der Bekanntmachung eine Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckt, die dem Umstand, dass beim Verwaltungsgericht München seit dem 1. Mai 2016 eine Klageerhebung auch in elektronischer Form möglich ist (vgl. E-Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungsgerichte - ERVV VwG - GVBl. S. 69), nicht Rechnung trug. Zwar verlangt § 58 Abs. 1 VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Belehrung auch über die Form (z. B. BVerwG, Beschluss vom 27. August 1997 - 1 B 145/97 - juris Rn. 5). Die Belehrung darf aber andererseits hinsichtlich der Formerfordernisse keine irreführenden oder gar unrichtigen Angaben oder Zusätze enthalten, die geeignet sind, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (BVerwG a. a. O. Rn. 7). Das ist hier jedoch gerade der Fall. Die im Amtsblatt abgedruckte Rechtsbehelfsbelehrung:verweist nur darauf, dass die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Die durch die ERVV VwG eingeführte Möglichkeit der Klageerhebung erwähnt sie nicht. Bereits dies dürfte zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO führen. Hinzukommt, dass in den nach der Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckten „Hinweisen zur Rechtsbehelfsbelehrung:“ sogar noch ausdrücklich betont wird, dass die Klageerhebung in elektronischer Form (z. B. durch E-Mail) unzulässig sei. Auch wenn der Klammerzusatz insoweit richtig ist, als durch eine einfache E-Mail keine Klage zulässig erhoben werden konnte und kann, ist der gesamte Hinweis jedenfalls falsch, weil er nur so verstanden werden kann, dass jede elektronische Form der Klageerhebung und damit auch diejenige, die den Erfordernissen der ERVV VwG genügt, unzulässig sei. Indem die Rechtsbehelfsbelehrung:bzw. die ihr beigefügten Hinweise eine zulässige Form der Klageerhebung ausschließen, war sie geeignet, die Erhebung der Klage zu erschweren. Infolgedessen ist § 58 Abs. 2 VwGO einschlägig.

Auf den von der Antragstellerin gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es deshalb nicht an.

Die Antragstellerin ist auch klagebefugt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Antragsbefugnis verwiesen.

bb) Ob die Klage in der Sache Erfolg haben wird, ist offen.

aaa) In Bezug auf das Abstandsflächenrecht dürfte die Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig sein, weil sie gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO verstößt.

Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist ein Sonderbau mit der Folge, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts zum Genehmigungsmaßstab der Baugenehmigung gehören (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO).

Die Kammer geht davon aus, dass kein Fall vorliegt, in dem sich aus planungsrechtlichen Vorschriften ergeben würde, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ganz oder zum Teil nicht gelten würden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Juni 2017 den Bebauungsplan Nr. 112 außer Vollzug gesetzt. Diese Entscheidung hat in personeller Hinsicht Wirkung gegenüber jedermann (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 182), somit auch gegenüber der im Normenkontrollverfahren nicht beteiligten Antragstellerin. Die Außervollzugsetzung hat inhaltlich die Wirkung, dass der Bebauungsplan jedenfalls seitdem so zu behandeln ist, als existiere er nicht (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 185). Ob dies nicht nur bedeutet, dass er als Grundlage für künftige Baugenehmigungen ausscheidet, sondern darüber hinaus im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer vor Außervollzugsetzung erteilten Baugenehmigung zwingend von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen ist, kann dahin stehen. Die Beteiligten haben gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich nichts vorgebracht, das Anlass böte, in Abweichung von der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der den Bebauungsplan als voraussichtlich insgesamt unwirksam angesehen hat (vgl. S. 8 oben der Gründe), vorläufig von der Wirksamkeit oder zumindest von einer Teilwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen.

Die Baugenehmigung verstößt wohl gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO. Zwar dürfte das Grundstück Flurnummer 2469/3, das im Eigentum des Antragsgegners steht, als Fläche im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Betracht kommen. Aus der von der Beigeladenen selbst vorgelegten Darstellung der ostseitigen Abstandsflächen (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 26. September 2017) ergibt sich jedoch, dass diese Abstandsflächen bei Zugrundelegung von 1 H im südlichen Teil deutlich über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausragen. Die Länge der östlichen Außenwand des südlichen Bauteils beträgt nach den Bauvorlagen schon für sich genommen 18,35 Meter, so dass nicht erkennbar ist, dass die Beigeladene insoweit das 16-Meter-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) in Anspruch nehmen könnte. Es wurde auch nicht dargelegt, dass sich eine geringere Abstandsflächentiefe auf Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO stützen ließe. Vorläufig muss deshalb angenommen werden, dass das Bauvorhaben mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO nicht vereinbar ist.

bbb) Die Antragstellerin ist aber hierdurch wohl nicht in ihren subjektiven Rechten als Sondereigentümerin verletzt.

Die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO ist zwar nachbarschützend (siehe oben). Auch steht der Geltendmachung des Abstandsflächenverstoßes nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der Bebauung auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft ein annähernd gleichgewichtiger Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht entgegenzuhalten ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Nach den Angaben der Beigeladenen soll das Anwesen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine traufseitige Wandhöhe von 9,30 Meter besitzen. Diese Wandhöhe zugrunde gelegt, dürften nach den der Kammer möglichen Messungen anhand der vorliegenden Pläne die westlichen Abstandsflächen des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 entweder überhaupt nicht überschreiten oder jedenfalls bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dies umgekehrt beim Vorhaben der Beigeladenen der Fall ist.

Die Antragstellerin ist jedoch durch den Abstandsflächenverstoß im Ergebnis wohl nicht konkret in ihrem Sondereigentum beeinträchtigt. Nach der handschriftlichen Eintragung auf dem als Anlage Ast 5 zur Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Foto befindet sich die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss im südlichen Bereich des Anwesens, unmittelbar angrenzend an das Nachbargebäude …straße ... (Flurnummer 2469/2). Aus der Zusammenschau mit der Abstandsflächendarstellung der Beigeladenen (Anlage B 6 zur Antragserwiderung vom 26. September 2017) ist ersichtlich, dass die Abstandsflächenüberschreitung über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinweg genau in dem Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin liegt.

Allein dies genügt jedoch wohl nicht, um eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums der Antragstellerin bejahen zu können. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass ein Sondereigentümer erst dann konkret beeinträchtigt sei, wenn die Abstandsflächen auf seinem Sondereigentum zum Liegen kommen (so VG München, Urteil vom 4. März 2016 - M 8 K 14.5724). Das würde bedeuten, dass ein Sondereigentümer eine Abstandsflächenverletzung auch dann noch nicht geltend machen könnte, wenn die Abstandsflächen bis unmittelbar vor die Außenwand seiner Wohnung fallen. Die Kammer kann für das Eilverfahren offen lassen, ob dem zu folgen sein wird. Selbst wenn man einen weniger strengen Maßstab anlegt, muss aber mindestens berücksichtigt werden, wie groß der Abstand zwischen den Gebäuden tatsächlich ist, in welcher Etage sich die betroffene Wohnung befindet und wie gravierend der Abstandsflächenverstoß ist. Im vorliegenden Fall dürfte der Abstand zwischen der Wohnung der Antragstellerin zur fraglichen Wand des streitgegenständlichen Gebäudes immerhin bereits 20 Meter betragen. Aus dem vorgelegten Foto über die Lage der Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss ist ohne weiteres erkennbar, dass das Fußbodenniveau dieser Wohnung um deutlich mehr als 5 Meter höher liegt als das Niveau der Geländeoberfläche. Umgekehrt kann man der Ab-standsflächendarstellung der Beigeladenen entnehmen, dass die Abstandsflächentiefe des Vorhabens die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 zwar nicht unerheblich, jedenfalls aber wohl nicht um 5 Meter oder mehr überschreitet. Das bedeutet, dass der Unterschied zwischen dem Bodenniveau der im 2. Obergeschoss befindlichen Wohnung der Antragstellerin und dem Niveau des oberen Abschlusses der Wand des Bauvorhabens nicht größer ist als der Höhenunterschied zwischen einer auf dem Niveau der natürlichen Geländeoberfläche befindlichen Erdgeschosswohnung und einem mit gleichem Abstand errichteten, aber 5 Meter niedrigeren und damit jedenfalls die Abstandsflächen einhaltenden - und damit von den Nachbarn hinzunehmenden - Gebäude. Nach vorläufiger Ansicht der Kammer liegt daher eine über die grundstücksbezogene Beeinträchtigung hinausgehende konkrete Beeinträchtigung der im Sondereigentum der Antragstellerin stehenden Wohnung nicht vor, weil nicht anzunehmen ist, dass auch und gerade bezüglich dieser Wohnung die vom Abstandsflächenrecht gestellten Mindestanforderungen an Belichtung, Belüftung und Sozialabstand nicht eingehalten sind.

ccc) Nach summarischer Prüfung zu verneinen ist auch, dass das Vorhaben eine konkret die Wohnung der Antragstellerin beeinträchtigende abriegelnde oder erdrückende Wirkung hat. Insoweit muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass das streitgegenständliche Gebäude sich in immerhin 20 Meter Entfernung befindet und die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss liegt. Nichts anderes ergibt sich auch bei Mitberücksichtigung der Gesamtlänge des Gebäudekomplexes, den das Gebäude mit dem nördlich anschließenden Bestandsgebäude, an das es angebaut wird, bildet. Denn auch die Wohnung der Antragstellerin befindet sich in einem Gebäude, das nach Süden hin geschlossen an andere Gebäude angebaut ist. Dieser Gebäudekomplex mit der Wohnung der Antragstellerin dürfte, wie man dem Lageplan der genehmigten Bauvorlagen entnehmen kann, knapp 90 Meter lang sein. Insgesamt ist das Bauvorhaben nach summarischer Prüfung gegenüber der Antragstellerin somit nicht aufgrund seiner Kubatur und Situierung rücksichtslos.

ddd) Ob das Vorhaben in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gegenüber der Antragstellerin rücksichtslos ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Die angegriffene Baugenehmigung sieht einerseits für die Ostfassade des streitgegenständlichen Gebäudes Lärmschutzauflagen vor, verzichtet andererseits aber darauf, Grenzwerte zugunsten der Nachbarn festzusetzen. Ob die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, muss als offen angesehen werden, zumal sich aus der von der Beigeladenen als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 26. September 2017 vorgelegten Zusammenfassung des im Bebauungsplanverfahren erstellten Berichts des Ingenieurbüros … vom ... April 2015 ergibt, dass die Immissionsrichtwerte an der bestehenden Wohnbebauung außerhalb des Plangebiets „nachts gerade eingehalten“ seien.

b) Angesichts der nur hinsichtlich der geltend gemachten Lärmimmissionen offenen Erfolgsaussichten überwiegt das private Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten fortführen zu können, das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Beigeladene hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihr im Fall der Nichtfortführung des Baus ein ganz erheblicher finanzieller Schaden entsteht. Auch ist davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die Baugenehmigung die Antragstellerin in Bezug auf den Lärmschutz in ihren Rechten verletzen sollte, durch die Fortführung der Bauarbeiten keine nicht mehr rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen werden, sondern durch ergänzende Auflagen und ggf. durch gewisse Umplanungen eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Gesamtsituation erreicht werden kann. Nicht zu verkennen ist zwar, dass sich, obwohl die Baugenehmigung im Dezember 2016 von anderer Seite angefochten, ein Normenkontrollverfahren eingeleitet und der die Grundlage bildende Bebauungsplan vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schließlich außer Vollzug gesetzt worden ist, die Beigeladene trotz des damit verbundenen Risikos dafür entschieden hat, mit dem Bau zu beginnen bzw. diesen fortzuführen. Andererseits muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin den Eilantrag erst zu einem Zeitpunkt gestellt hat, zu dem sich, wie die mit der Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Bilder zeigen, das Bauvorhaben schon in einem fortgeschrittenen Stadium befand, obwohl der Beginn der Bauarbeiten der Antragstellerin, die in ihrer Eigentumswohnung auch selbst wohnt, nicht verborgen geblieben sein konnte. Insgesamt ist es deshalb angemessen, dass die Beigeladene die Bauarbeiten vorläufig fortsetzen darf.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nrn. 1.5 u. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die

1.
dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
2.
dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
3.
dem Einbruchsschutz und
4.
dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität
dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind.

(4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 17. November 2016 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines … mit Tiefgarage auf den im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners liegenden Grundstücken Flnrn. 2450/9, 2450/10 und 2450/88 der Gemarkung … Die Baugenehmigung wurde am 19. November 2016 im Amtsblatt des Antragsgegners öffentlich bekannt gemacht.

Gegen diese Baugenehmigung erhob die Eigentümerin des Grundstücks Flnr. 2450/7, das nördlich an das Grundstück Flnr. 2450/9 angrenzt, am … Dezember 2016 Anfechtungsklage. Die Klage ist bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 16.5732 anhängig. Außerdem hat diese Eigentümerin gegen den Bebauungsplan Nr. 112 eine Normenkontrollklage erhoben, die beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig ist.

Die Antragstellerin ist Sondereigentümerin einer Wohnung eines auf dem Grundstück Flnr. 2469/4 befindlichen Anwesens (…straße ...). Dieses Grundstück befindet sich östlich der Bauvorhabengrundstücke, grenzt an diese allerdings nicht direkt an. Dazwischen liegt noch das dem Antragsgegner gehörende Grundstück Flnr. 2469/3. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im zweiten Obergeschoss im südlichen Teil des Anwesens und besitzt einen zum Bauvorhaben hin ausgerichteten Balkon.

Mit Beschluss vom 26. Juni 2017 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan Nr. 112 des Antragsgegners bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug (1 NE 17.716).

Am … Juli 2017 erhob die Antragstellerin ebenfalls Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. November 2016, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.3560 anhängig ist. Vorsorglich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Versäumung der Klagefrist sei als unverschuldet anzusehen.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom ... September 2017 beantragte die Antragstellerin zusätzlich,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom … Juli 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2016 anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei davon auszugehen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollhauptsacheverfahren seine Eilentscheidung bestätigen werde. Das Objekt, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, umfasse nur drei Stockwerke und ein Dachgeschoss. Das Bauvorhaben umfasse dagegen 5 Vollgeschosse. Es habe eine Wandhöhe von 16,5 Metern. Ein Teil der gegenüber der Wohnung der Antragstellerin liegenden Wand sei zurückversetzt und messe noch eine Höhe von 13,55 Metern. Zudem liege das natürliche Gelände bis zu einem halben Meter tiefer. Es komme auch bei einer 13,55 Meter hohen Gebäudewand zu einer deutlichen Erhöhung im Vergleich zum Bestandsbau. Außerdem handele es sich trotz des Gebäudeversatzes um einen fünfstöckigen Sonderbau. Zudem weise das … auf einer Länge von 3,2 Metern die volle Wandhöhe von 16,60 Metern zum Sondereigentum der Antragstellerin auf. Infolgedessen würden die Abstandsflächen unterschritten und die Antragstellerin in den vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern massiv verletzt. Das Maß der baulichen Nutzung habe zudem abriegelnde und erdrückende Wirkung. Die weitere Umgebungsbebauung weise kein solches Maß auf. Der bisherige Straßenverlauf werde verändert. Dadurch würden sich die Abstandsflächen des Objektes in der …straße ... selbst verändern. Wegen der Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten (200) und des dadurch bedingten Verkehrsaufkommens sei mit einem erheblichen Lärmaufkommen zu rechnen. Mit weiteren massiven Lärmimmissionen sei durch die im Dachgeschoss vorgesehene intensive Nutzung (Spa, Panoramasauna, Mehrzweckräume) zu rechnen. Es entstehe eine dachterrassenähnliche Nutzungsmöglichkeit für die Besucher. Der Bau schreite voran. Der Bescheid sei gegenüber der Antragstellerin noch nicht bestandskräftig, weil Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Ihr Sondereigentum liege im Bereich der Abstandsflächen. Durch die Dachterrasse und das erhöhte Verkehrsaufkommen sei mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Der Wohnfriede werde durch die Einblicksmöglichkeit auf den Balkon verletzt. Der Antrag sei auch begründet. Die Klage sei wegen der zu gewährenden Wiedereinsetzung zulässig. Die Klage sei zudem begründet. Die Antragstellerin sei in ihren vom Abstandsflächenrecht umfassten Schutzgütern verletzt. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei nicht anzuwenden, weil der außer Vollzug gesetzte Bebauungsplan nicht herangezogen werden könne. Die nach der Wandhöhe zu bemessende Tiefe der Abstandsflächen sei nicht eingehalten. Die Abstandsflächen lägen insbesondere nicht mehr auf dem Grundstück der Bauherrin und würden die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche überschreiten. Eine Ausnahme, dass eine Tiefe von weniger als 1 H eingehalten werden dürfe, komme nicht in Frage. Auch das 16-Meter-Privileg finde keine Anwendung. Ginge man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, verletze das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme. Die deutlich größere Gebäudehöhe und der massive Baukörper würden zu einer massiven Einschränkung der vom Abstandsflächenrecht geschützten Rechtsgüter wie Besonnung, Belichtung und Belüftung führen. Der soziale Wohnfriede werde nachhaltig gestört. Das Vorhaben habe eine erhebliche erdrückende und abriegelnde Wirkung. Außerdem würde die Antragstellerin in ihrem Recht auf Rücksichtnahme durch die zu erwartenden massiven Lärmbelästigungen verletzt. Die Hauptsacheklage werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein. Das Aussetzungsinteresse überwiege daher das Vollzugsinteresse.

Die Beigeladene beantragte, den Antrag abzulehnen.

Sie wandte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26. September 2017 im Wesentlichen ein:

Die Beigeladene habe im Vertrauen auf die Wirksamkeit von Bebauungsplan und Baugenehmigung bereits am 22. Mai 2017 mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen. Die Antragstellerin habe sich erst mit Schreiben vom 24. Juni 2017 beim Antragsgegner erkundigt, welche Arbeiten auf dem Vorhabengrundstück stattfänden. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Juli 2017 umfänglich aufgeklärt. Der Abstand des Gebäudes, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befinde, zum Bauvorhaben betrage an der engsten Stelle ca. 20 Meter. Zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, liege das im Eigentum des Antragsgegners liegende Grundstück Flnr. 2469/3, das bis zum Beginn der Bauarbeiten faktisch als Abstellfläche für Fahrzeuge verwendet worden sei. Selbst bei Anwendung der Abstandsflächenregelung der BayBO läge die zu bildende Abstandsfläche vollständig außerhalb des Grundstücks, auf dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde. Das Gebäude der Antragstellerin verfüge über drei Geschosse zuzüglich Dachgeschoss, wobei das Erdgeschoss als Hochparterre ausgebildet sei. Die traufseitige Wandhöhe betrage ca. 9,30 Meter. Es sei offensichtlich, dass auch das Gebäude, in dem sich die Sondereigentumseinheit der Antragstellerin befinde, die Abstandsflächen nicht einhalte. Angesichts der vorhandenen Nutzungen sei die Antragstellerin bereits jetzt mit einem gewerblich geprägten Umfeld und entsprechenden Besucherfrequenzen konfrontiert. Die Beigeladene rechne damit, dass die Gäste des … überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden. Im Übrigen sei im Rahmen des Bebauungsplans die schalltechnische Verträglichkeit des … mit der östlich gelegenen Bebauung untersucht worden. Die durch die Antragstellerin befürchtete lärmintensive Nutzung der straßenseitigen Dachterrassenfläche werde faktisch durch einen in der Baugenehmigung noch nicht berücksichtigten Technikaufbau unterbunden. Die Höhenentwicklung in der näheren Umgebung sei inhomogen. Die Beigeladene habe beim Antragsgegner zwischenzeitlich die Aufstellung eines geänderten Bebauungsplans beantragt. Die Beigeladene gehe von einer alsbaldigen Erledigung des Normenkontrollverfahrens wegen der Planänderung aus. Der Beigeladenen drohe bei Außervollzugsetzung der Baugenehmigung ein erheblicher finanzieller Schaden. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie sei keine Nachbarin im Rechtssinne. Sie sei auch in ihrem Sondereigentum nicht betroffen. Bezüglich der Abstandsflächen gelte, dass eine Nichteinhaltung vom Sondereigentümer nur gerügt werden könne, wenn die maßgeblichen Abstandsflächen nicht nur auf dem Gemeinschaftseigentum zum Liegen kommen, sondern auch in das Sondereigentum hineinreichen. Im vorliegenden Fall komme die östliche Abstandsfläche noch auf dem gemeindeeigenen Grundstück Flnr. 2469/3 zum Liegen. Die behauptete Lärmbeeinträchtigung sei nicht gegeben. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit die behauptete Belastung über das Maß hinausreiche, die das gesamte Grundstück und mithin die Eigentümergemeinschaft als solche betreffe. In der Hauptsache würden die Erfolgsaussichten fehlen. Die Hauptsacheklage sei unzulässig. Es fehle die Klagebefugnis. Außerdem sei die Klage verfristet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Klage sei überdies unbegründet. Das Maß der baulichen Nutzung sei nicht drittschützend. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Auch in Ansehung von § 22 Abs. 1 BImSchG sei eine Rechtsverletzung nicht ersichtlich. Die im Bauleitplanverfahren erstellte schalltechnische Untersuchung belege, dass die Richtwerte der TA Lärm eingehalten seien. Die Einstufung als Mischgebiet sei ohne weiteres sachgerecht.

Mit Schreiben vom … September 2017 ergänzte der Bevollmächtigte der Antragstellerin sein Vorbringen. Es werde weiterhin mit Hochdruck gearbeitet. Die Wände für das dritte Obergeschoss seien mittlerweile errichtet. Es bestehe die Gefahr, dass durch die Fertigstellung des Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis entfalle.

Der Antragsgegner hat sich bisher nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens M 11 SN 4263, des zugehörigen Hauptsacheverfahrens M 11 K 17.3560, des Verfahrens M 11 K 16.5732 und die in diesem letztgenannten Verfahren vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist zwar zulässig.

Insbesondere ist die Antragstellerin als Sondereigentümerin einer Wohnung im Anwesen …straße ... entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie im Sinne dieser Vorschrift ausreichend geltend gemacht hat, durch die erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Antragstellerin macht im Wesentlichen eine Verletzung von Vorschriften des Abstandsflächenrechts sowie des Gebots der Rücksichtnahme durch unzumutbare Lärmimmissionen und durch eine übermäßige, abriegelnde und erdrückende Bebauung geltend. Auf jeden dieser geltend gemachten Verstöße kann eine Nachbarklage grundsätzlich gestützt werden.

Das Vorbringen der Antragstellerin ist in Bezug auf jeden dieser Gesichtspunkte zur Bejahung der Antragsbefugnis ausreichend. In Bezug auf das Abstandsflächenrecht hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass es im vorliegenden Fall auf die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 112 des Antragsgegners ankomme, die in Richtung des Anwesens …straße ... fallenden Abstandsflächen des Bauvorhabens nicht auf den eigenen Grundstücken der Beigeladenen zum Liegen kämen und selbst über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausreichen würden. Da die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO grundsätzlich als nachbarschützend anzusehen ist, weil diese Regelung auch und gerade dazu dient, dass der gegenüberliegende Nachbar ebenso verfahren und auch auf seiner Seite die öffentliche Fläche zur Hälfte für die Lage seiner Abstandsflächen in Anspruch nehmen kann (vgl. Simon / Busse / Dhom / Franz / Rauscher, 125. EL Mai 2017, BayBO Art. 6 Rn. 608), ist damit ein Verstoß gegen eine drittschützende Norm grundsätzlich hinreichend geltend gemacht. Die Antragsbefugnis ist insoweit auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Antragstellerin „nur“ Sondereigentümerin einer der im Anwesen …straße ... gelegenen Wohnungen ist. Es ist anerkannt, dass auch ein einzelner Wohnungseigentümer die Nachbarrechte geltend machen kann, sofern gerade eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. für das Abstandsflächen-recht z. B. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Das ist hier nicht von vornherein zu verneinen, da die Antragstellerin hinreichend dargelegt hat, dass ihre Wohnung zum Bauvorhaben hin ausgerichtet ist und die ostseitigen Abstandsflächen des Bauvorhabens gerade vor ihrer Wohnung zum Liegen kommen. In Bezug auf die behauptete erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung und die geltend gemachten Lärmimmissionen gilt angesichts der Kubatur des Bauvorhabens, der vorgesehenen Nutzungen sowie des Umstands, dass der Gebäudeteil des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin befindet, einen geringeren Abstand zum Vorhaben aufweist als die weiter nördlich gelegenen Wohnungen in der …straße, nichts anderes.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Nach summarischer Prüfung ist offen, ob die Hauptsacheklage Erfolg haben wird. aa) Die Klage ist voraussichtlich zulässig.

Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO beträgt die Klagefrist im vorliegenden Fall ein Jahr.

Zwar dürfte die in der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt des Antragsgegners vom 19. November 2016 (Anlage K 2 zur Klageschrift) enthaltene falsche Gemarkungsangabe („…“) die Anstoßfunktion der Bekanntmachung nicht in Frage stellen, weil wegen der - richtigen - Straßenbezeichnung für die Betroffenen wohl kein Zweifel bestehen konnte, wo das Bauvorhaben lag.

Allerdings war in der Bekanntmachung eine Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckt, die dem Umstand, dass beim Verwaltungsgericht München seit dem 1. Mai 2016 eine Klageerhebung auch in elektronischer Form möglich ist (vgl. E-Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungsgerichte - ERVV VwG - GVBl. S. 69), nicht Rechnung trug. Zwar verlangt § 58 Abs. 1 VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Belehrung auch über die Form (z. B. BVerwG, Beschluss vom 27. August 1997 - 1 B 145/97 - juris Rn. 5). Die Belehrung darf aber andererseits hinsichtlich der Formerfordernisse keine irreführenden oder gar unrichtigen Angaben oder Zusätze enthalten, die geeignet sind, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (BVerwG a. a. O. Rn. 7). Das ist hier jedoch gerade der Fall. Die im Amtsblatt abgedruckte Rechtsbehelfsbelehrung:verweist nur darauf, dass die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Die durch die ERVV VwG eingeführte Möglichkeit der Klageerhebung erwähnt sie nicht. Bereits dies dürfte zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO führen. Hinzukommt, dass in den nach der Rechtsbehelfsbelehrung:abgedruckten „Hinweisen zur Rechtsbehelfsbelehrung:“ sogar noch ausdrücklich betont wird, dass die Klageerhebung in elektronischer Form (z. B. durch E-Mail) unzulässig sei. Auch wenn der Klammerzusatz insoweit richtig ist, als durch eine einfache E-Mail keine Klage zulässig erhoben werden konnte und kann, ist der gesamte Hinweis jedenfalls falsch, weil er nur so verstanden werden kann, dass jede elektronische Form der Klageerhebung und damit auch diejenige, die den Erfordernissen der ERVV VwG genügt, unzulässig sei. Indem die Rechtsbehelfsbelehrung:bzw. die ihr beigefügten Hinweise eine zulässige Form der Klageerhebung ausschließen, war sie geeignet, die Erhebung der Klage zu erschweren. Infolgedessen ist § 58 Abs. 2 VwGO einschlägig.

Auf den von der Antragstellerin gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es deshalb nicht an.

Die Antragstellerin ist auch klagebefugt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Antragsbefugnis verwiesen.

bb) Ob die Klage in der Sache Erfolg haben wird, ist offen.

aaa) In Bezug auf das Abstandsflächenrecht dürfte die Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig sein, weil sie gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO verstößt.

Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist ein Sonderbau mit der Folge, dass die Vorschriften des Abstandsflächenrechts zum Genehmigungsmaßstab der Baugenehmigung gehören (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO).

Die Kammer geht davon aus, dass kein Fall vorliegt, in dem sich aus planungsrechtlichen Vorschriften ergeben würde, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ganz oder zum Teil nicht gelten würden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Juni 2017 den Bebauungsplan Nr. 112 außer Vollzug gesetzt. Diese Entscheidung hat in personeller Hinsicht Wirkung gegenüber jedermann (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 182), somit auch gegenüber der im Normenkontrollverfahren nicht beteiligten Antragstellerin. Die Außervollzugsetzung hat inhaltlich die Wirkung, dass der Bebauungsplan jedenfalls seitdem so zu behandeln ist, als existiere er nicht (Bier, in Schoch / Schmid-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 185). Ob dies nicht nur bedeutet, dass er als Grundlage für künftige Baugenehmigungen ausscheidet, sondern darüber hinaus im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer vor Außervollzugsetzung erteilten Baugenehmigung zwingend von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen ist, kann dahin stehen. Die Beteiligten haben gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich nichts vorgebracht, das Anlass böte, in Abweichung von der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der den Bebauungsplan als voraussichtlich insgesamt unwirksam angesehen hat (vgl. S. 8 oben der Gründe), vorläufig von der Wirksamkeit oder zumindest von einer Teilwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen.

Die Baugenehmigung verstößt wohl gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO. Zwar dürfte das Grundstück Flurnummer 2469/3, das im Eigentum des Antragsgegners steht, als Fläche im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Betracht kommen. Aus der von der Beigeladenen selbst vorgelegten Darstellung der ostseitigen Abstandsflächen (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 26. September 2017) ergibt sich jedoch, dass diese Abstandsflächen bei Zugrundelegung von 1 H im südlichen Teil deutlich über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinausragen. Die Länge der östlichen Außenwand des südlichen Bauteils beträgt nach den Bauvorlagen schon für sich genommen 18,35 Meter, so dass nicht erkennbar ist, dass die Beigeladene insoweit das 16-Meter-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) in Anspruch nehmen könnte. Es wurde auch nicht dargelegt, dass sich eine geringere Abstandsflächentiefe auf Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO stützen ließe. Vorläufig muss deshalb angenommen werden, dass das Bauvorhaben mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO nicht vereinbar ist.

bbb) Die Antragstellerin ist aber hierdurch wohl nicht in ihren subjektiven Rechten als Sondereigentümerin verletzt.

Die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BayBO ist zwar nachbarschützend (siehe oben). Auch steht der Geltendmachung des Abstandsflächenverstoßes nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der Bebauung auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft ein annähernd gleichgewichtiger Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht entgegenzuhalten ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 CS 17.918 - juris). Nach den Angaben der Beigeladenen soll das Anwesen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine traufseitige Wandhöhe von 9,30 Meter besitzen. Diese Wandhöhe zugrunde gelegt, dürften nach den der Kammer möglichen Messungen anhand der vorliegenden Pläne die westlichen Abstandsflächen des Anwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 entweder überhaupt nicht überschreiten oder jedenfalls bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dies umgekehrt beim Vorhaben der Beigeladenen der Fall ist.

Die Antragstellerin ist jedoch durch den Abstandsflächenverstoß im Ergebnis wohl nicht konkret in ihrem Sondereigentum beeinträchtigt. Nach der handschriftlichen Eintragung auf dem als Anlage Ast 5 zur Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Foto befindet sich die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss im südlichen Bereich des Anwesens, unmittelbar angrenzend an das Nachbargebäude …straße ... (Flurnummer 2469/2). Aus der Zusammenschau mit der Abstandsflächendarstellung der Beigeladenen (Anlage B 6 zur Antragserwiderung vom 26. September 2017) ist ersichtlich, dass die Abstandsflächenüberschreitung über die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 hinweg genau in dem Bereich vor der Wohnung der Antragstellerin liegt.

Allein dies genügt jedoch wohl nicht, um eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums der Antragstellerin bejahen zu können. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass ein Sondereigentümer erst dann konkret beeinträchtigt sei, wenn die Abstandsflächen auf seinem Sondereigentum zum Liegen kommen (so VG München, Urteil vom 4. März 2016 - M 8 K 14.5724). Das würde bedeuten, dass ein Sondereigentümer eine Abstandsflächenverletzung auch dann noch nicht geltend machen könnte, wenn die Abstandsflächen bis unmittelbar vor die Außenwand seiner Wohnung fallen. Die Kammer kann für das Eilverfahren offen lassen, ob dem zu folgen sein wird. Selbst wenn man einen weniger strengen Maßstab anlegt, muss aber mindestens berücksichtigt werden, wie groß der Abstand zwischen den Gebäuden tatsächlich ist, in welcher Etage sich die betroffene Wohnung befindet und wie gravierend der Abstandsflächenverstoß ist. Im vorliegenden Fall dürfte der Abstand zwischen der Wohnung der Antragstellerin zur fraglichen Wand des streitgegenständlichen Gebäudes immerhin bereits 20 Meter betragen. Aus dem vorgelegten Foto über die Lage der Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss ist ohne weiteres erkennbar, dass das Fußbodenniveau dieser Wohnung um deutlich mehr als 5 Meter höher liegt als das Niveau der Geländeoberfläche. Umgekehrt kann man der Ab-standsflächendarstellung der Beigeladenen entnehmen, dass die Abstandsflächentiefe des Vorhabens die Mitte des Grundstücks Flurnummer 2469/3 zwar nicht unerheblich, jedenfalls aber wohl nicht um 5 Meter oder mehr überschreitet. Das bedeutet, dass der Unterschied zwischen dem Bodenniveau der im 2. Obergeschoss befindlichen Wohnung der Antragstellerin und dem Niveau des oberen Abschlusses der Wand des Bauvorhabens nicht größer ist als der Höhenunterschied zwischen einer auf dem Niveau der natürlichen Geländeoberfläche befindlichen Erdgeschosswohnung und einem mit gleichem Abstand errichteten, aber 5 Meter niedrigeren und damit jedenfalls die Abstandsflächen einhaltenden - und damit von den Nachbarn hinzunehmenden - Gebäude. Nach vorläufiger Ansicht der Kammer liegt daher eine über die grundstücksbezogene Beeinträchtigung hinausgehende konkrete Beeinträchtigung der im Sondereigentum der Antragstellerin stehenden Wohnung nicht vor, weil nicht anzunehmen ist, dass auch und gerade bezüglich dieser Wohnung die vom Abstandsflächenrecht gestellten Mindestanforderungen an Belichtung, Belüftung und Sozialabstand nicht eingehalten sind.

ccc) Nach summarischer Prüfung zu verneinen ist auch, dass das Vorhaben eine konkret die Wohnung der Antragstellerin beeinträchtigende abriegelnde oder erdrückende Wirkung hat. Insoweit muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass das streitgegenständliche Gebäude sich in immerhin 20 Meter Entfernung befindet und die Wohnung der Antragstellerin im 2. Obergeschoss liegt. Nichts anderes ergibt sich auch bei Mitberücksichtigung der Gesamtlänge des Gebäudekomplexes, den das Gebäude mit dem nördlich anschließenden Bestandsgebäude, an das es angebaut wird, bildet. Denn auch die Wohnung der Antragstellerin befindet sich in einem Gebäude, das nach Süden hin geschlossen an andere Gebäude angebaut ist. Dieser Gebäudekomplex mit der Wohnung der Antragstellerin dürfte, wie man dem Lageplan der genehmigten Bauvorlagen entnehmen kann, knapp 90 Meter lang sein. Insgesamt ist das Bauvorhaben nach summarischer Prüfung gegenüber der Antragstellerin somit nicht aufgrund seiner Kubatur und Situierung rücksichtslos.

ddd) Ob das Vorhaben in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gegenüber der Antragstellerin rücksichtslos ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Die angegriffene Baugenehmigung sieht einerseits für die Ostfassade des streitgegenständlichen Gebäudes Lärmschutzauflagen vor, verzichtet andererseits aber darauf, Grenzwerte zugunsten der Nachbarn festzusetzen. Ob die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, muss als offen angesehen werden, zumal sich aus der von der Beigeladenen als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 26. September 2017 vorgelegten Zusammenfassung des im Bebauungsplanverfahren erstellten Berichts des Ingenieurbüros … vom ... April 2015 ergibt, dass die Immissionsrichtwerte an der bestehenden Wohnbebauung außerhalb des Plangebiets „nachts gerade eingehalten“ seien.

b) Angesichts der nur hinsichtlich der geltend gemachten Lärmimmissionen offenen Erfolgsaussichten überwiegt das private Interesse der Beigeladenen, die Bauarbeiten fortführen zu können, das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Beigeladene hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihr im Fall der Nichtfortführung des Baus ein ganz erheblicher finanzieller Schaden entsteht. Auch ist davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die Baugenehmigung die Antragstellerin in Bezug auf den Lärmschutz in ihren Rechten verletzen sollte, durch die Fortführung der Bauarbeiten keine nicht mehr rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen werden, sondern durch ergänzende Auflagen und ggf. durch gewisse Umplanungen eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Gesamtsituation erreicht werden kann. Nicht zu verkennen ist zwar, dass sich, obwohl die Baugenehmigung im Dezember 2016 von anderer Seite angefochten, ein Normenkontrollverfahren eingeleitet und der die Grundlage bildende Bebauungsplan vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schließlich außer Vollzug gesetzt worden ist, die Beigeladene trotz des damit verbundenen Risikos dafür entschieden hat, mit dem Bau zu beginnen bzw. diesen fortzuführen. Andererseits muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin den Eilantrag erst zu einem Zeitpunkt gestellt hat, zu dem sich, wie die mit der Antragsschrift vom ... September 2017 vorgelegten Bilder zeigen, das Bauvorhaben schon in einem fortgeschrittenen Stadium befand, obwohl der Beginn der Bauarbeiten der Antragstellerin, die in ihrer Eigentumswohnung auch selbst wohnt, nicht verborgen geblieben sein konnte. Insgesamt ist es deshalb angemessen, dass die Beigeladene die Bauarbeiten vorläufig fortsetzen darf.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nrn. 1.5 u. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.