Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Feb. 2014 - 24 S 13.31330

published on 11/02/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Feb. 2014 - 24 S 13.31330
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Gericht

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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Mit seinem vorliegenden Antrag begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.: M 24 K 13.31329) gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom ... Dezember 2013. Das Bundesamt hat darin die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt und die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn gemäß § 34a AsylVfG angeordnet.

Der Antragsteller wurde am 10. August 2013 im Bundesgebiet einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung (Bl. 35 der Behördenakte) gab er u. a. an, er sei über den Iran in die Türkei gereist. Dann sei er nach Griechenland weiter geschleust worden, wo er sich sechs Monate aufgehalten habe; dort habe er auch einen Aufenthaltstitel besessen. Danach sei er über Mazedonien und Serbien nach Ungarn geschleust worden.

Eine EURODAC-Recherche der Polizei vom ... August 2013 für „...“ verlief positiv, sie ergab zwei Treffer, und zwar zum einen ... vom ... August 2013 und zum anderen ... vom ... April 2013 (Bl. 38). Die Erstmeldung der Polizeiinspektion Fahndung vom 19. August 2013 enthält für den Antragsteller den Aliasnamen „...“ (Bl. 36), die Beschuldigtenvernehmung erfasste hingegen „...“.

Am 22. August 2013 stellte der Antragsteller einen Asylantrag beim Bundesamt (Bl. 3).

Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 20. August 2013 (Bl. 42 f.) teilte das Office of Immigration and nationality der Dublin Coordination Unit mit Schreiben vom 27. August 2013 mit, dass Ungarn der Überstellung zustimme. Diese Zustimmung bezieht sich auf „...“, alias „...“, alias „...“, geboren am ... Juni 1997 bzw. am ... Januar 1995 bzw. am ... Januar 1997. Die genannte Person habe am 15. März 2013 in Ungarn Asyl beantragt. Der Antrag sei am 24. April 2013 „as manifestly unfounded“ zurückgewiesen worden. Nach Überprüfung der Entscheidung habe das Gericht diese am 4. Juni 2013 aufgehoben und die Asylbehörde verpflichtet, ein neues Verfahren durchzuführen, das noch nicht abgeschlossen sei („… the court annulled the decision of the asylum authority and ordered the asylum authority to conduct a new procedure, which (the in-merit procedure) is still in progress, no decision has been made yet.”). Der Antragsteller habe angegeben, minderjährig zu sein, nach einer vorläufigen medizinischen Untersuchung („preliminary medical examination“) sei er indes vermutlich („presumably“) älter als 18 Jahre (Bl. 46).

Bei seiner Befragung zur Identitätsklärung bei der Regierung von ... am 27. August 2013 (Bl. 54 ff.) gab der Antragsteller u. a. an, er sei in Griechenland, Mazedonien und Ungarn von der Polizei kontrolliert worden. Er habe in keinem anderen Land Asyl beantragt. Bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung beim Bundesamt am 29. November 2013 (Bl. 74 ff.) gab der Antragsteller auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl oder Anerkennung als Flüchtling beantragt oder zuerkannt bekommen habe und ob er in einem anderen Mitgliedstaat erkennungsdienstlich behandelt worden sei, hingegen an, ja in Ungarn, dort sei er ca. zehn Tage gewesen. Auf die Frage, ob es Gründe gegen die Prüfung einer Überstellung in ein anderes europäisches Land und eine dortige Prüfung des Asylantrags gebe, antwortete der Antragsteller, dass er Deutschland schon immer gemocht habe und dies von Anfang an sein Ziel gewesen sei. Es gebe keine Gründe, wie z. B. dass sein Leben dort in Gefahr sei, gegen Ungarn. Aber er wolle nicht dorthin zurück. Wann er den Iran verlassen habe, wisse er nicht mehr genau, es sei vor ca. einem Jahr und zwei Monaten gewesen.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Der Asylantrag sei nach § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c) Dublin-II-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei und außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung auszuüben, nicht ersichtlich seien. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systematischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Der Bescheid wurde an den Antragsteller selbst übermittelt, das Datum der Zustellung ist aus der vorgelegten Behördenakte nicht ersichtlich; laut telefonischer Auskunft des Bundesamts vom 8. Januar 2014 wurde der Bescheid dem Antragsteller am 7. Dezember 2013 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamts vom ... Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 4 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 AsylVfG zuzuerkennen und hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen. Weiterhin ließ er beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013, bei Gericht eingegangen am 19. Dezember 2013, legte die Antragsgegnerin die Behördenakte vor.

Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 begründete der Antragsteller seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass Ungarn kein sicherer Drittstaat sei und dort systemische Mängel sowohl im Asylverfahren als auch bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge bestünden. Für den Antragsteller bestehe die konkrete Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung. In Ungarn würden Flüchtlinge inhaftiert, ohne dass effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehe. Nach der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderung in Ungarn könnten Flüchtlinge bis zu sechs Monate inhaftiert werden. Nach Einschätzung des UNHCR solle sowohl die illegale Einreise als auch die europäische Weiterreise kriminalisiert werden, was gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 EMRK verstoße. Die Gründe für die Inhaftierung Asylsuchender seien nach Auffassung des Ungarn-Helsinki-Komitees zu vage formuliert, gefährdeten die Rechtssicherheit und setzten sich über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinweg.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat die Einzelrichterin den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Februar 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf die Kammer übertragen.

Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2014, bei Gericht am selben Tag eingegangen, trug der Bevollmächtigte des Antragstellers u. a. vor, dass es sich beim Antragsteller um einen Minderjährigen handele und ernstliche und gut begründete Zweifel daran bestünden, dass er in Ungarn ein Asylverfahren durchführen könne, das die Rechte Minderjähriger entsprechend berücksichtige. Außerdem sei dem Antragsteller die ablehnende ungarische Entscheidung über seinen Asylantrag unbekannt und auch, dass dagegen Einspruch erhoben worden sei. Er sei über seine Rechte in Ungarn nicht informiert worden und habe dort keine Chance auf ein faires Verfahren gehabt. Außerdem halte sich der jugendliche und heranwachsende Antragsteller nunmehr bereits seit über sechs Monaten im Bundesgebiet auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte im Verfahren M 24 K 13.31329 verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet, weil das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage davon ausgeht, dass die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache offen sind und die Interessenabwägung zugunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses ausfällt.

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist dahin auszulegen, dass mit ihm die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die kraft Gesetzes (§§ 75 Satz 1, 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids erreicht werden soll. Denn allein die Klage gegen die Abschiebungsanordnung kann aufschiebende Wirkung haben.

2. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. §§ 75, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) und fristgerecht gestellt. Die Neuregelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wonach Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen sind, ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) am 6. September 2013 in Kraft getreten. Die Wochenfrist ist gewahrt.

3. Der Antrag ist unbegründet, weil die Erfolgsaussichten der Hauptsache nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung offen sind (3.2.) und das Vollzugsinteresse der Verwaltung vorliegend das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt (5.).

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (BVerwG, B. v. 25.3.1993, Az.: Az.: 1 ER 301/92, NJW 1993, 3213, juris Rn. 3).

Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit „ernstliche“ Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. dazu eingehend VG Trier, B. v. 18.9.2013, Az.: 5 L 1234/13.TR, juris Rn. 5 ff.; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013, Az.: 2 B 869/13, juris Rn. 16; VG München, B. v. 27.1.2014, Az.: M 4 S 14.30066). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

3.1. Rechtsgrundlage der angegriffenen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylVfG. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt.

Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

3.1.1. Ungarn ist der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat i. S. v. § 27a AsylVfG.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil Ungarn nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin-II-Verordnung) zuständig ist.

3.1.1.1. Diese Verordnung ist anwendbar, weil sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 - sog. Dublin-III-Verordnung).

3.1.1.2. Grundsätzlich prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-Verordnung). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-Verordnung wird der Antrag grundsätzlich nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung (Art. 5 bis 14 Dublin-II-Verordnung) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung kann jedoch jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-Verordnung). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-Verordnung).

Ungarn hat den Asylantrag des Antragstellers bereits geprüft und ist somit zuständiger Mitgliedstaat i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-Verordnung geworden.

3.1.1.3. Ob unter Umständen nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-Verordnung Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig gewesen wäre, bedarf deshalb keiner Erörterung. Denn jedenfalls durch die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-Verordnung ist Ungarn zuständig geworden. Die Vorschrift stellt ausdrücklich klar („abweichend von Absatz 1“), dass die Regelung des Art. 3 Dublin-II-Verordnung der Regelung des Art. 10 Dublin-II-Verordnung vorgeht.

3.1.1.4. Zwar hat der Antragsteller bei seiner Befragung zur Identitätsklärung bei der Regierung von ... am 27. August 2013 (Bl. 54 ff.) zunächst angegeben, in keinem anderem Staat Asyl beantragt zu haben. Anders ließ er sich indes bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung beim Bundesamt am 29. November 2013 ein, wo er bejahte, in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt zu haben. Letzteres deckt sich auch mit den Ergebnissen der EURODAC-Recherche und der Übernahmemitteilung der ungarischen Behörden und den Einlassungen seines Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. Februar 2014. Für das Gericht bestehen im summarischen Eilverfahren deshalb letztlich keine Zweifel daran, dass der Antragsteller in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt hat.

Hinzu kommt, dass sich die Einzelheiten zur Erfassung von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich aus der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Errichtung von „EURODAC“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-VO) ergeben. Art. 5 der EURODAC-VO regelt die Datenspeicherung, insbesondere den Umfang der zu speichernden Daten. Näheres wird durch die Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur EURODAC-VO geregelt (DurchführungsVO). In Art. 2 Abs. 3 der DurchführungsVO sind im Einzelnen die Anforderungen an die von dem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat verwendete Kennnummer im Sinne von Art. 5 Abs. 1d der EURODAC-VO geregelt, wobei die Kennbuchstaben der Mitgliedstaaten nach der ISO-Norm ISO 3166-2-Buchstabencode erfolgen. Entsprechend Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der DurchführungsVO beginnt die Kennnummer mit dem oder den Kennbuchstaben, mit dem oder denen gemäß der im Anhang 1 genannten Norm (o.g. ISO-Norm), die die Daten übermittelnden Mitgliedstaaten bezeichnet werden. Dem oder den Kennbuchstaben folgt die Kennung für die Personenkategorien. Dabei werden Daten von Asylbewerbern mit „1“, von Personen nach Art. 8 der EURODAC-Verordnung mit „2“ und von Personen nach Art. 11 der EURODAC-Verordnung mit „3“ gekennzeichnet.

Die aufgrund der vom Antragsteller in Ungarn abgenommenen Fingerabdrücke im EURODAC-System gefundenen Treffer lauten: „HU 1...“. Hieraus folgt, dass der Antragsteller in Ungarn (Buchst. HU) einen Asylantrag („1“) gestellt haben muss, denn gemäß Art. 2 Abs. 3 S. 3 der DurchführungsVO werden, wie bereits oben zitiert, Daten von Asylbewerbern mit „1“ gekennzeichnet.

Bei der EURODAC-Datei handelt es sich um eine öffentliche Datei, die bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eingerichtet wird und die dafür zuständig ist, im Namen der Mitgliedstaaten eine zentrale Datenbank zu betreiben (vgl. Art. 3 Abs. 1 der EURODAC-VO). Werden in einer solchen Datenbank entsprechende Daten gespeichert, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Daten auch zutreffend sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch einen entsprechenden substantiierten Vortrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung begründet werden bzw. wenn konkret entsprechende Berichtigungsanträge gestellt worden sind (vgl. Art. 15 EURODAC-Datei). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass der Antragsteller in Ungarn offenbar unter einem Aliasnamen „...“ erfasst ist und divergierende Geburtsdaten aufgeführt werden, führt vor dem Hintergrund des soeben Ausgeführten nicht zu Zweifeln des Gerichts daran, dass es sich um den Antragsteller handelt, der zuvor in Ungarn Asyl beantragt hat.

3.1.1.5. Die Behauptung des Antragstellers, noch minderjährig zu sein, führt hinsichtlich der Zuständigkeit Ungarns zu keinem anderen Ergebnis.

Bereits die ungarischen Behörden haben die diesbezüglichen Angaben bezweifelt. Nach der Berechnung des Gerichts kann die Angabe ebenfalls nicht zutreffen: Der Antragsteller hat bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung beim Bundesamt am 29. November 2013 (Bl. 74 ff.) vorgetragen, er sei als Zweijähriger in den Iran gegangen und habe dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Wann genau er den Iran verlassen habe, wisse er nicht, es sei vor ca. einem Jahr und zwei Monaten gewesen. Bei der Regierung von ... hatte er am 27. August 2013 angegeben, er habe seit 16 Jahren im Iran gelebt (Bl. 55). An diesen Aussagen muss sich der Antragsteller festhalten lassen. Somit hat er aber im Alter von 18 Jahren den Iran verlassen und müsste nach über einjähriger Reise seinen Angaben zufolge Ende November 2013 bereits 19 Jahre alt gewesen sein.

3.1.2. Ungarn hat dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts vom 20. August 2013 mit Schreiben vom 27. August 2013 gem. Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-Verordnung i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung zugestimmt, so dass i. S. v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auch feststeht, dass die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat durchgeführt werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass Abschiebungshindernisse bzw. -verbote oder Duldungsgründe vorliegen, die einer Abschiebung des Antragstellers entgegenstehen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. dazu VG Hannover, U. v. 7.11.2013, Az.: 2 A 4696/12, juris Rn. 53 ff.).

Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die Abschiebungsanordnung nach Ungarn vor.

3.2. Ob sich vorliegend - abweichend von § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylVfG - eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den Asylantrag des Antragstellers aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung ergibt, ist jedenfalls als offen zu betrachten.

3.2.1. Grundsätzlich steht es im Ermessen eines Mitgliedsstaats, ob er von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht (vgl. EuGH, Große Kammer, U. v. 21.12.2011, Az.: C-411/10 und C-493/10, NVwZ 2012, 417, juris Ls 1.). Eine Verdichtung dieses Selbsteintrittsrechts zu einer entsprechenden Pflicht, davon Gebrauch zu machen, kommt nur ausnahmsweise in Betracht.

Denn die Ausübung des Ermessens hinsichtlich des Selbsteintritts ist integraler Bestandteil des gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Dieses wurde in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegen bringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss dann aber grundsätzlich die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie der Genfer Flüchtlingskommission und der EMRK steht (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 78 ff.). Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 81). Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Dublin-II-Verordnung berühren würde (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82). Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 85).

3.2.2. Die Überstellung eines Asylbewerbers an einen Mitgliedstaat ist indes jedenfalls dann mit Art. 4 der EU-GRCharta unvereinbar, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne dieser Vorschrift implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 86).

3.2.3. Jedenfalls in einem solchen Fall müsste nach Einschätzung der Kammer auch eine wiederholte Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung durch einen anderen Mitgliedstaat möglich sein, auch wenn der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung zunächst gegen eine solche Annahme spricht. Die Frage bedarf indes vorliegend keiner Vertiefung, weil das Gericht die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel“ in diesem Sinn vorliegen, erst aufgrund weiterer Ermittlungen in einem Hauptsacheverfahren klären kann.

3.2.4. Die Klage hat nicht schon deshalb Erfolg, weil die Lage der Flüchtlinge in Ungarn in den Jahren bis 2012 Anlass zur Kritik gegeben hat, denn diese Kritik an der Situation in Ungarn in den Jahren bis 2012 ist nach Auffassung der Kammer nicht mehr aktuell und zutreffend.

3.2.4.1. Der Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) „Ungarn als Asylland - Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn“ in seiner deutschsprachigen Fassung vom 15. Juni 2012 (zitiert nach www.bordermonitoring.eu/tag/ungarn-2 vom 7. Februar 2014 unter „Neue Berichte“ 17. Punkt, nachfolgend UNHCR-Bericht April 2012) stammt vom April 2012. Darin wird die Situation von Asylsuchenden sehr kritisch beschrieben, so sei u. a. der Verfahrenszugang im Zusammenhang mit Dublin-II-Überstellungen „problematisch“ (vgl. UNHCR-Bericht April 2012, S. 9 Rn. 20) und es folge in den meisten Fällen nach einer Rückkehr nach Ungarn auf eine Abschiebungsanordnung automatisch die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht April 2012, S. 9 f., Rn. 20). In dem Bericht richtete der UNHCR auch eine Vielzahl von „Empfehlungen“ an die ungarischen Behörden, forderte jedoch die EU-Mitgliedstaaten nicht auf, von Überstellungen nach Ungarn im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems abzusehen (vgl. dazu auch EGMR, U. v. 6.6.2013, Az.: Mohammed gegen Österreich, 2283/12, Rn. 105, abrufbar unter asyl.net, Rechtsprechungsdatenbank).

Zwar veröffentlichte der UNHCR im Oktober 2012 eine Empfehlung, nach den Dublin-II-Bestimmungen keine Asylbewerber nach Ungarn zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in Ungarn durch Serbien gekommen waren (zitiert nach www.bordermonitoring.eu/tag/ungarn-2 vom 7. Februar 2014 unter „Neue Berichte“ 11. Punkt, nachfolgend UNHCR-Bericht Oktober 2012, S. 3: „On this basis, UNHCR recommends that Dublin participating States refrain form transferring asylum-seekers under the Dublin II Regulation to Hungary, in cases where those asylum-seekers have or may have been in Serbia prior to entering Hungary.”). Allerdings wurde diese Aufforderung im Dezember 2012 ausdrücklich wieder aufgehoben und die Veränderungen in der ungarischen Asylpraxis ausdrücklich positiv gewürdigt („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012, S. 1: „UNHCR acknowledges the subsequent progress in asylum practice in Hungary, and accordingly amends its previous position“, zitiert nach www.refworld/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?docid=50d1d13e2 vom 10.2.2014, nachfolgend UNHCR-Bericht vom Dezember 2012, soweit ersichtlich nicht veröffentlicht unter www.bordermonitoring.eu/tag/-ungarn-2 vom 7. Februar 2014 unter „Neue Berichte“). Nach diesem UNHCR-Bericht vom Dezember 2012 sollen die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft werden und die Praxis, Dublin-II-Rückkehrer in Haft zu nehmen, solle eingestellt werden (S 2: „Such asylum-seekers have access to an in-merit examination of their claims upon their return, provided they make a formal application to (re-)initiate the examination of the previously-made asylum claim They will then not be detained and may await the outcome of their procedure in Hungary“.)

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat - allerdings noch vor der Gesetzesänderung - im Juni 2013 bestätigt, dass - nunmehr - keine unionswidrige Asylpraxis in Ungarn mehr zu befürchten sei (vgl. U. v. 6.6.2013, Az.: Mohammed gegen Österreich, 2283/12, Rn. 110 f., abrufbar unter asyl.net, Rechtsprechungsdatenbank).

3.2.4.2. Auch die Unterkunftssituation der Asylsuchenden in Ungarn steht zumindest ab der zweiten Hälfte des Jahres 2013 in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben.

Zwar hatte der UNHCR-Bericht vom April 2012 festgestellt, dass die Unterkunftsmöglichkeiten für Asylbewerber in Ungarn nicht den europäischen Standards entsprechen (S. 14 Rn. 31). Auch berichtet das Helsinki-Komitee (vgl. Bericht des Helsinki-Komittees vom Juni 2013, S. 3), es gebe aufgrund der stark gestiegenen Zahlen an Asylbewerbern in der ersten Hälfte des Jahres 2013 eine signifikante Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen („There is significant overcrowding at the main open reception facility in Debrecen…, which led to serious problems...“). Allerdings sei auch Abhilfe geschaffen worden, denn im Sommer 2013 solle auf einer alten Militärbasis eine neue (große) Aufnahmeeinrichtung errichtet werden (Bericht des Helsinki-Komittees vom Juni 2013, S. 4: „ Another reception centre is expected to be opened in the summer in Vámosszabadi (near Gyor and right on the border with Slovakia) in a former military accommodation facility“). Mangels gegenteiliger Informationen geht das Gericht davon aus, dass diese neue Aufnahmeeinrichtung auch geschaffen wurde.

Im Übrigen hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die wirtschaftliche Situation eines Asylbewerbers schlechter sein wird als in einem anderen Vertragsstaat, nicht ausreicht, um die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Art. 3 EMRK könne nicht so ausgelegt werden, dass er die Vertragsstaaten verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; diese Regelung enthalte auch keine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B. v. 2.4.2013, Az.: 27725/10, ZAR 2013, 336, Rn. 70, 71, in Bezug auf Italien).

3.2.5. Allerdings besteht vor dem Hintergrund aktueller kritischer Stellungnahmen zum Asylsystem in Ungarn nach der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 nach Auffassung der Kammer in der Hauptsache Ermittlungsbedarf dahingehend, ob der UNCHR sich nach der Visite einer UNHCR-Arbeitsgruppe im September/Oktober 2013 in Ungarn und einem diesbezüglichen kritischen vorläufigen Bericht vom Oktober 2013 zu einer dahingehenden Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten veranlasst sieht, von Rückführungen nach Ungarn wegen drohender Inhaftierungen von Asylbewerbern abzusehen. In diesem Fall könnte das Bestehen „systemischer Mängel“ im oben genannten Sinn nicht ausgeschlossen werden.

Hinsichtlich dieser Frage bedarf es weiterer Ermittlungen durch das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO. Die bisherigen Erkenntnisse genügen dem Gericht nicht, um eine abschließende Beurteilung dieser Frage vorzunehmen (vgl. zum gegenwärtigen Meinungsstand in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: systemische Mängel in Ungarn verneinend: VG Hannover, U. v. 7.11.2013, Az.: 2 A 4696/12, juris; VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013, Az.: 12 S 675/13, juris; VG Augsburg, B. v. 28.10.2013, Az.: Au 6 E 13.30399, juris Rn. 19 ff.; VG Trier; B. v. 18.10.2013, Az.: 2 L 1483/13.TR, juris Rn. 22; VG München, B. v. 9.1.2014, Az.: M 25 S 13.31377; VG München, B. v. 27.1.2014, Az.: M 4 S 14.30066; VG München, B. v. 3.2.2014, Az.: M 21 S 14.30150; a.A. dahingehend, die Lage in Ungarn sei in einem Hauptsacheverfahren weiter aufklärungsbedürftig u. a. VG München, B. v. 4.10.2013, Az.: M 23 S 13.30924; VG München, B. v. 31.10.2013, Az.: M 23 S 13.31091; VG München B. v. 11.10.2013, Az.: M 22 S 13.30995; VG München, VG München, B. v. 11.11.2013, Az.: M 18 S 13.31119; VG München, B. v. 6.12.2013, Az.: M 22 S 13.31235).

Im Ergebnis sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren deshalb als offen zu betrachten. Denn es ist klärungsbedürftig, ob die insgesamt positive Entwicklung nicht wieder überholt ist durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 1. Juli 2013. Die kritischen Äußerungen des UNHCR und des ungarischen Helsinki-Komittees veranlassen das Gericht, in der Hauptsache die Umstände weiter aufzuklären.

3.2.5.1. Mit dem Bill T/11207 (vgl. Zusammenstellung der Regeln im Bericht des Helsinki-Komitees vom 28.6.2013, zitiert nach www.bordermonitoring.eu/tag/-ungarn-2 vom 7. Februar 2014, unter „Neue Berichte“, 4. Punkt, Ungarisches Helsinki-Komitee Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 2, nachfolgend Bericht des Helsinki-Komitees vom Juni 2013) wurde das Asylsystem in Ungarn mit Wirkung zum 1. Juli 2013 erneut grundlegend reformiert. Es wurden umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylsuchenden geschaffen. Unbegleitete Minderjährige dürfen allerdings nicht inhaftiert werden. Ausnahmen für andere verletzliche Personen (Folteropfer, traumatisierte Flüchtlinge und vergewaltigte Frauen etc.). sind nicht vorgesehen.

Das ungarische Helsinki-Komitee befürchtet - insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mit der Asylpraxis in Ungarn -, dass diese Reform „unzweifelhaft“ zu einer „signifikanten Steigerung“ der Zahl der inhaftierten Asylsuchenden führen werde (vgl. Bericht des Helsinki Komittees vom Juni 2013, S. 2: „These provisions will undoubtedly lead to a significant increase in the number of detained asylum-seekers.“).

Auch die Arbeitsgruppe der UN-Kommission für Menschenrechte, die Ungarn vom 23. September 2013 bis zum 2. Oktober 2013 besucht hat (zitiert nach www.bordermonitoring.eu/2012/03/zur-situation-der-fluchtlinge-in-ungarn/vom 10.2.2014 unter „Neue Berichte“, 3. Punkt, „Working group on arbitrary dentention - Statement upon the conclusions of its visit to Hungary (23 September - 2 October 2013“, nachfolgend UNHCR-Bericht vom Oktober 2013) äußert sich - zwar nur vorläufig - kritisch, ohne indes eine Empfehlung auszusprechen, von Dublin-II-Rückführungen nach Ungarn abzusehen.

3.2.5.2. Zwar sieht das Gericht hierin noch keine hinreichenden Belege für die Bejahung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von Asylbewerbern aufgrund „systemischer Mängel“ des Asylverfahrens in Ungarn. Denn diese Befürchtungen und vorläufigen Schlussfolgerungen sind auch unter Berücksichtigung der früheren Praxis in Ungarn noch kein hinreichender Beleg für eine systemische unionsrechtswidrige Asylpraxis in Ungarn. Selbst wenn es infolge der zum 1. Juli 2013 in Ungarn in Kraft getretenen Neuregelung des Asylverfahrens zu einzelnen Missständen gekommen sein sollte, ergeben sich daraus jedenfalls noch keine „systemischen Mängel“ der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber in Ungarn.

Allerdings ergibt sich hieraus gerichtlicher Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren, der dessen Erfolgsaussichten als offen erscheinen lässt.

4. Offen sind die Erfolgsaussichten auch im Hinblick auf Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a AsylVfG.

Denn die Frage, ob der Abschiebung in den für das Asylverfahren zuständigen anderen Staat der Europäischen Union ausnahmsweise Hinderungsgründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U. v. 14.5.1996, Az.: 2 BvR 1938/93 u. a., BVerwGE 94, 49 ff.) entgegenstehen, weil sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der betreffende Ausländer von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996, a. a. O., juris Rn. 189 f.), hängt letztlich - ebenso wie die bereits aufgeworfene Frage, ob systemische Mängel in Ungarn ein Abweichen vom Regelungswerk der Dublin-II-Verordnung erfordern - von weiteren Ermittlungen ab.

5. Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung mit dem privaten Suspensivinteresse ergibt vorliegend ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses.

Für das öffentliche Vollzugsinteresse spricht, dass das europäische Recht effektiv durchgesetzt werden soll. Den Regelungen der Dublin-II-Verordnung liegt nämlich zunächst der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zugrunde, der vorliegend nicht mit derart hinreichender Wahrscheinlichkeit erschüttert ist, dass er zum Erfolg des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage führen würde. Dieser Grundsatz kann auch nicht mittels jedweder Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat außer Kraft gesetzt werden mit der Folge, dass die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Dublin-II-Verordnung außer Kraft gesetzt würden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82). Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 85). Hinsichtlich des Antragstellers ist vorliegend konkret auch darauf abzustellen, dass die Befürchtung, ihm werde kein ordnungsgemäßes Asylverfahren in Ungarn zu teil, bereits dadurch abgemildert wird, dass gerade in seinem Fall ein ungarisches Gericht die ablehnende Behördenentscheidung aufgehoben und die Behörde zur erneuten Durchführung eines Asylverfahrens verpflichtet hat. In die Abwägung ist außerdem einzustellen, dass dem Antragsteller weder Todesstrafe noch Folter in Ungarn drohen. Darüber hinaus ist auch die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass der Antragsteller im Hinblick auf sein Alter unzutreffende Angaben gemacht hat. All diese Umstände berücksichtigend und abwägend, kommt die Kammer vorliegend zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Vorschriften der Dublin-II-Verordnung das Interesse des Antragstellers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka
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published on 18/10/2013 00:00

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe 1 Der am 14. Oktober 2013 gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem
published on 18/09/2013 00:00

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet. 2. Die Antragsgegneri
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.