Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Juni 2014 - 24 E 14.50338
Tenor
I.
Der Antrag nach § 123 VwGO wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben äthiopischer Staatsangehöriger (Bl. 17 der Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF - d. A.). Er stellte am 8. Oktober 2012 in Italien einen Asylantrag (Bl. 48 d. A.) und erhielt dort eine Aufenthaltsgestattung (Bl. 39 - 41 d. A.). Am 8. August 2013 reiste er mit dem Zug von Italien aus nach Deutschland ein und wurde von der Polizei aufgegriffen (Bl. 13 d. A.). Am 9. August 2013 wurde in einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender - BÜMA - die Aufnahmeeinrichtung Zirndorf als zuständig festgestellt und der Aufenthalt des Antragstellers auf deren Bezirk beschränkt (Bl. 32 d. A.). Am 12. September 2013 stellte der Antragsteller einen Asylantrag bei der BAMF-Außenstelle Zirndorf (Bl. 9 und 17 d. A.).
Das BAMF richtete am 26. September 2013 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien (Bl. 46 ff. d. A.), woraufhin das italienische Ministero dell´Interno am 10. Oktober 2013 die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptierte (Bl. 55 d. A.).
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 (Bl. 57 d. A.), dem Antragsteller gegen Empfangsbestätigung zugestellt am 24. Oktober 2013 (Bl. 73 d. A.), stellte das BAMF fest, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an.
Mit Schreiben vom 11. November 2013 (Bl. 83 d. A.) teilte das BAMF der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern mit, dass der Asylantrag unanfechtbar als unzulässig abgelehnt worden sei; die Bestandskraft sei am 8. November 2013 eingetreten.
Die Zentrale Rückführungsstelle und das BAMF planten daraufhin eine Flugüberstellung des Antragstellers nach Italien für den 20. November 2013 (Bl. 80, 81, 88 - 94 d. A.).
Mit am 12. November 2013 eingegangenem Schriftsatz vom 8. November 2013 (Bl. 99 d. A.) bestellten sich beim BAMF anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers unter Vorlage einer Vollmacht, denen das BAMF mit Schreiben vom 14. November 2013 die Verwaltungsakte übersandte.
Am 20. November 2013 ging beim BAMF ein Schreiben des Provinzials einer kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts vom 18. November 2013 ein (Bl. 102 d. A.), in dem unter anderem mitgeteilt wurde, dem Antragsteller werde seit dem 18. November, 09:00 Uhr, Kirchenasyl gewährt. Der Aufenthaltsort wurde benannt. Bereits am 19. November 2013 war beim Einwohnermeldeamt der Stadt Nürnberg ein inhaltsgleiches Schreiben eingegangen (Bl. 118 d. A.), das die Zentrale Rückführungsstelle dem BAMF mit Telefax vom 20. November 2013 übermittelte (Bl. 117 d. A.).
Die für den 20. November 2013 geplante Überstellung nach Italien wurde storniert, weil der Antragsteller untergetaucht sei (Bl. 103 - 105 d. A.). Das BAMF teilte dies dem Ministero dell´Interno noch am 20. November 2013 mit Telefax mit (Bl. 106 ff.).
Mit weiterer Mitteilung vom 9. Dezember 2013 (Bl. 119 d. A.) teilte das BAMF dem Ministero dell´Interno unter anderem mit, dass die Überstellung bis spätestens 10. April 2015 erfolge gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin-VO.
Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 (Bl. 132 d. A.) stellten weitere anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen einen Asylantrag unter Hinweis auf den aus ihrer Sicht gegebenen Ablauf der Überstellungsfrist.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 teilte die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern dem BAMF mit, der Antragsteller befinde sich nicht mehr im Kirchenasyl (Bl. 126 d. A.); er sei der Meinung, die Überstellungsfrist sei abgelaufen (Bl. 127 d. A.).
Das BAMF und die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern bereiteten daraufhin eine kontrollierte Überstellung des Antragstellers nach Italien am 5. Juni 2014 vor (Bl. 135 - 144 d. A.). Diese Überstellung scheiterte, weil der Antragsteller sich weigerte, in das Flugzeug einzusteigen (Schreib der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern vom 5.6.2014).
Noch am 5. Juni 2014 wurde der Antragsteller bis zum 19. Juni 2014 in Zurückschiebungshaft in der JVA ... genommen (Bl. 9 der Gerichtsakte des VG Ansbach).
Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2014 bestellte sich der jetzige Bevollmächtigte im Verwaltungsverfahren und wies auf den Ablauf der Überstellungsfrist hin (Bl. 5 der Gerichtsakte des VG Ansbach).
Mit Telefax vom 10. Juni 2014 (Bl. 1 der Gerichtsakte des VG Ansbach) beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2013 zu verpflichten, den Antragsteller als Flüchtling anzuerkennen und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) festzustellen (1.), hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2013 zu verpflichten, den Eintritt in das nationale Verfahren zu erklären und den Antragsteller zu seinen Asylgründen anzuhören (2.) sowie
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unverzüglich die beauftragte Ausländerbehörde anzuweisen, den Haftantrag nach § 62 AufenthG zurückzunehmen, damit der Antragsteller unverzüglich aus der Rückschiebungshaft in der JVA... entlassen werden könne (3.) und dem Antragsteller - nach Vorlage der Unterlagen - für die Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu bewilligen (4.).
Mit Beschlüssen vom 11. Juni 2014 (Bl. 14 - 23 der Gerichtsakte des VG Ansbach) erklärte sich das Verwaltungsgericht Ansbach nach entsprechender Anhörung der Beteiligten jeweils für unzuständig und verwies den Rechtsstreit jeweils an das Verwaltungsgericht München, weil der Antragsteller im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München inhaftiert sei und eine anderweitige Zuweisung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG rechtlich zu zulässig wäre.
Mit Telefax vom 11. Juni 2014 (Bl. 27 der Gerichtsakte des VG Ansbach) hatte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Ansicht vertreten, dass das Verwaltungsgericht Ansbach zuständig sei. Es werde in jedem Fall um ein „nobile officium“ durch das Gericht zum Bundesamt zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme gebeten.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2014 an das Verwaltungsgericht Ansbach, dort eingegangen am 16. Juni 2014, teilte das BAMF als neuen geplanten Überstellungstermin den 18. Juni 2014 mit.
Am 17. Juni 2014 gingen die Verweisungsbeschlüsse mit den zugehörigen Akten beim Verwaltungsgericht München ein.
Mit Telefax vom 17. Juni 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers auch beim Verwaltungsgericht München ein
„nobile officium“ durch das Gericht zum Bundesamt zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme gebeten.
Dabei führte er unter anderem aus, die Überstellungsfrist habe am 10. Oktober 2013 begonnen und am 10. April 2014 geendet. Am Tag des Rückfluges habe das Kirchenasyl des Antragstellers bei der kirchlichen Körperschaft begonnen - also ebenfalls am 10. Oktober 2013. Von einem Untertauchen und einer Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-II-VO könne nicht die Rede sein. Exakt am Tag des Rückfluges nach Italien - 20.11.2013 - habe der Antragsteller seinen Eintritt in das Kirchenasyl dem Bundesamt bekannt gegeben. Es wurde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten vom 25. Juni 2013 (Bundestags-Drucksache 17/13724, dort S. 11, zu Frage 9) hingewiesen.
Ebenfalls mit Telefax vom 17. Juni 2014 übersandte die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern dem Verwaltungsgericht München den Beschluss des Landgerichts ... vom 17. Juni 2014 - ... - mit dem Haftbeschwerden zurückgewiesen wurden.
Das Verwaltungsgericht München teilte den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juni 2014 unter anderem mit, dass die vom Verwaltungsgericht Ansbach verwiesenen Verfahren unter den Aktenzeichen M 24 K 14.50337 und M 24 E 14.50338 geführt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten M 24 K 14.50337 und M 24 E 14.50338 sowie auf die vom Verwaltungsgericht Ansbach übersandten Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag gemäß § 123 VwGO bleibt erfolglos.
1.1. Das Verwaltungsgericht München ist örtlich zuständig aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach
1.2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist bereits unzulässig, weil mit Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) schon kein Anordnungsanspruch im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) „bezeichnet“ ist, aus dem sich ergeben könnte, dass der Antragsteller von der Antragsgegnerin trotz der Bestandskraft der Abschiebungsanordnung verlangen kann, dass der Haftantrag nach § 62 AufenthG von der Antragsgegnerin zurückgenommen wird.
Der Hinweis im Schriftsatz der Antragspartei vom 17. Juni 2014 auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO, die gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) einschlägig ist, genügt für die Bezeichnung eines Anordnungsanspruchs nicht. Denn selbst im Fall einer Verletzung diese Vorschrift würde sich daraus keine Verletzung der Rechte des Antragstellers ergeben, weil Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinerlei Rechte vermittelt, sondern allein die Beziehungen zwischen Staaten betrifft - im Falle eines Verstoßes könnte sich aus Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO nur eine objektive Rechtswidrigkeit ergeben, nicht aber ein subjektiver Anordnungsanspruch des Antragstellers (ebenso VG Minden U. v. 20.1.2014 - 10 K 1096/13.A - juris Rn. 24 - 26 m. w. N.).
Jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - der Adressat einer Abschiebungsanordnung diese hat bestandskräftig werden lassen, ist auch im Hinblick auf grundrechtliche Erwägungen kein Grund ersichtlich, von diesem Grundsatz der rein objektivrechtlichen Bedeutung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO abzusehen. Die Abschiebungsanordnung vom 14. Oktober 2013 ist bestandskräftig geworden, weil nicht innerhalb der in § 74 AsylVfG genannten Frist Klage erhoben und auch der - gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige - Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht innerhalb der Frist des § 34a Abs. 2 AsylVfG gestellt worden ist.
Auch wenn die wiederholte Bitte der Antragspartei um ein „nobile officium“ des Gerichts zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme auszulegen sein sollte (§ 88 VwGO) als Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vollstreckungsmaßnahme einzustellen, wäre mit Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO keine Anspruchsgrundlage im Sinne von § 920 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO „bezeichnet“, aus der sich ein solcher Anspruch ergeben könnte.
1.3. Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn man - abweichend hiervon - den Antrag nach § 123 VwGO trotz der Bestandskraft des Bescheides vom 14. Oktober 2013 für zulässig erachten wollte, der Antrag jedenfalls unbegründet, weil die Antragspartei einen Anordnungsanspruch nicht „glaubhaft“ gemacht hat im Sinne von § 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO.
1.3.1. Sollten sich nämlich - anders als hier angenommen (s.o.) - aus Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO doch subjektive Rechte ergeben können, so wäre jedenfalls der Antragsteller nach Treu und Glauben gehindert, sich darauf zu berufen, dass die 6-Monats-Frist nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin-II-VO abgelaufen und eine Verlängerung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO unzulässig sei. Denn der Antragsteller hat sich in das Kirchenasyl begeben, was von den staatlichen Stellen auch respektiert worden ist und während der Dauer des Kirchenasyls nicht zu Zurückschiebungsmaßnahmen geführt hat. Deshalb ist es dem Antragsteller während der in Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO normierten Frist von 18 Monaten verwehrt, aus einem früher eintretenden Fristablauf etwas für sich herzuleiten (ebenso VG Minden U. v. 20.1.2014 - 10 K 1096/13.A - juris Rn. 26).
1.3.2. Unabhängig hiervon wäre der Antrag nach § 123 VwGO aber auch deshalb mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs unbegründet, weil die Antragspartei ihren Vortrag im Schriftsatz vom 17. Juni 2014, dass das Kirchenasyl am Tag des Rückfluges begann, nicht glaubhaft gemacht hat.
Es muss dabei vorliegend nicht geklärt werden, inwieweit es für das Kriterium des „Flüchtigseins“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO - unabhängig von der Frage, ob man diese Vorschrift abweichend vom hier vertretenen Standpunkt überhaupt als Quelle subjektivrechtlicher Positionen ansehen kann (s.o.) - tatsächlich darauf ankommt, ob in Fällen des Kirchenasyls den zuständigen Behörden „rechtzeitig noch vor dem Zeitpunkt der geplanten Überstellung“ Mitteilung gemacht wird.
Denn selbst wenn man dies zugrunde legen wollte, wäre der Vortrag im Schriftsatz vom 17. Juni 2014, dass das Kirchenasyl am Tag des Rückfluges begann, nach Aktenlage nicht glaubhaft gemacht im Sinne von § 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO. Der ursprüngliche Rückflug war nämlich von BAMF und Zentraler Rückführungsstelle für den 20. November 2013 geplant gewesen, während nach dem Schreiben der kirchlichen Körperschaft vom 18. November 2013 das Kirchenasyl bereits am „18. November“ begonnen hatte, wobei in diesem Schreiben insoweit das Jahr „2011“ genannt wird, was aber im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet ein Schreibfehler sein könnte, jedenfalls aber für eine Glaubhaftmachung weiterer Klarstellung bedürfte. Der Umstand, dass das Schreiben der kirchlichen Körperschaft vom 18. November 2013 beim BAMF am Tag der beabsichtigten Rücküberstellung einging, ändert dabei nichts daran, dass der Vortrag der Antragspartei im Schriftsatz vom 17. Juni 2014, das Kirchenasyl habe „am Tag des Rückfluges“ begonnen, sich so aus den vorgelegten Akten nicht ergibt und deshalb nicht glaubhaft gemacht ist. Abgesehen davon ist auch die insoweit im Schriftsatz vom 17. Juni 2014 erfolgte Datierung des Tages des Rückfluges auf den „10.10.2013“ so nicht nachvollziehbar, da ja der 21. November 2013 als Rückflugtag vorgesehen war.
1.4. Der Antrag ist auch nicht begründet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, weil die Antragsgegnerin verpflichtet wäre, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben. Das italienische Asylverfahren und Aufnahmesystem leiden nämlich nicht an systemischen Mängeln, die befürchten ließen, dass Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Das Gericht schließlich sich insoweit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
„[42] Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag jedenfalls unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist.
1.5. Der vollständig unterliegende Antragsteller hat die Kosten gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten bleibt erfolglos, weil der Antrag keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im vorliegenden Eilverfahren und über den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz selbst konnte zeitgleich entschieden werden (vgl. OVG Hamburg B. v. 13.2.1996 - Bs IV 313/95 - juris Rn. 1; OVG Lüneburg B. v. 17.1.2005 - 2 PA 108/05 - juris Rn. 2).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Juni 2014 - 24 E 14.50338
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Juni 2014 - 24 E 14.50338 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist zuständig für die Ausführung des Übereinkommens nach § 1 Nr. 1 und der Verordnungen nach § 1 Nr. 2 und 3 in Bezug auf
- 1.
die Übermittlung von Auf- und Wiederaufnahmeersuchen an die anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung, - 2.
die Entscheidung über Auf- und Wiederaufnahmeersuchen der anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung, - 3.
den Informationsaustausch sowie die notwendigen Mitteilungen an die betroffenen Drittstaatsangehörigen.
(2) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist auch zuständig für die Zusammenarbeit mit den anderen Staaten nach der Verordnung gemäß § 1 Nr. 4 bei
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger stellte am 28. Oktober 2010 einen Asylantrag. Dabei gab er an, er sei am 7. - in anderem Zusammenhang: am 1. - Januar 1990 in B. R. geboren und besitze die eritreische Staatsangehörigkeit. In den vom Bundesamt vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindet sich ein Vermerk vom gleichen Tage, dem zufolge eine Fingerabdrucknahme per live scan nicht möglich gewesen sei. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) am 9. November 2010 führte der Kläger - in der Sprache Tigrinia - u.a. aus: Er habe sich in Eritrea vom 10. Februar bis zum 20. Dezember 2009 im Gefängnis befunden. An dem Tag sei er geflohen, und zwar in den Sudan. Dort habe er sich zehn Monate lang aufgehalten. Von Khartoum aus sei er dann nach Deutschland geflogen, und zwar nach Frankfurt/Main. Dort sei er am 18. Oktober 2010 mit dem Flugzeug angekommen.
3Der Kläger unterzog sich am 25. August 2011 einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung. In einem Vermerk des Bundesamtes heißt es dazu, es sei festgestellt worden, dass seine Fingerkuppen Veränderungen aufwiesen. - Verwertbare Fingerabdrucke wurden seitens der Behörde anscheinend nicht erlangt.
4Am 2. August 2012 wandte sich das Bundesamt an den Kreis I. : In dem Asylverfahren des Klägers habe bisher keine Entscheidung getroffen werden können. Es habe noch keine Klassifizierung des Antrags wegen mangelnder Auswertbarkeit der erkennungsdienstlichen Maßnahme erfolgen können. Diesseits bestehe der Verdacht auf Manipulation der Fingerkuppen. Ohne Auswertung der Fingerabdrücke könne keine Einstufung des Antrags als Asylerstantrag, Asylfolgeantrag oder evtl. DÜ-Prüffall vorgenommen werden, so dass eine materiellrechtliche Prüfung der Angaben des Klägers in der persönlichen Anhörung vom 9. November 2010 sich derzeit nicht anbiete.
5Mit Schreiben vom 8. Oktober 2012 bat das Bundesamt eine italienische Stelle um Übernahme des Klägers, nachdem die Behörde aufgrund des Ergebnisses einer (erneuten) erkennungsdienstlichen Behandlung von ihm am 6. September 2012 zu dem Ergebnis gelangt war, die Zuständigkeit Italiens sei gegeben. Eine Antwort erfolgte nicht.
6Am 16. Januar 2013 ließ der Kläger "im Hinblick auf die fiktive Zustimmung Italiens … vorsorglich" beantragen, die Bundesrepublik möge von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen: Die Situation des Asylsystems, mit der er im Falle seiner Rückkehr konfrontiert würde, stehe im Widerspruch zu Art. 3 EMRK. - Das ließ er detailliert und ausführlich begründen.
7Mit Bescheid vom 23. Januar 2013 stellte das Bundesamt gegenüber dem Kläger fest, a) der Asylantrag sei unzulässig; b) gleichzeitig ordnete es die Abschiebung nach Italien an: Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Italien gemäß Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Am 8. Oktober 2012 sei ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Italien gerichtet worden. Die italienischen Behörden hätten dieses sowie das Verfristungsschreiben vom 12. November 2012 unbeantwortet gelassen. Ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Dublin II-VO bestehe somit seit dem 23. Oktober 2012. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Italien erfülle gegenüber Ausländern, die dort einen Asylantrag stellten, die Mindeststandards. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. - Ein Abdruck des Bescheides wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 12. Februar 2013 übersandt mit dem Bemerken, die zuständige Ausländerbehörde werde die Zustellung an den Kläger veranlassen. Am 18. Februar 2013 wurde dem Kläger der Bescheid gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt.
8Der Kläger hat am 28. Februar 2013 Klage erhoben.
9Am 11. März 2013 sollte seine Überstellung nach Italien auf dem Luftweg erfolgen. Einen von ihm ebenfalls am 28. Februar 2013 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer mit Beschluss vom 7. März 2013 ‑ 10 L 124/13.A - abgelehnt, ebenso mit Beschluss vom 8. März 2013 - 10 L 140/13.A - einen Abänderungsantrag vom gleichen Tag. - Aus der für den Abänderungsantrag gegebenen Begründung folgt, dass der Kläger in Italien unter dem Namen H. A. , geb. 01.01.1987, aufgetreten war. - Zu der Überstellung am 11. März 2013 kam es nicht. Einem Vermerk des Kreises I. vom gleichen Tag ist zu entnehmen: Am Morgen sei der Flug nach Rom infolge eines Streikes (am Flughafen Düsseldorf) annulliert worden. Die Unterkunft des Klägers sei aufgesucht worden, um ihn darüber zu informieren. Die Unterkunft sei verlassen gewesen. An der Tür sei eine handschriftliche Nachricht des Klägers angebracht gewesen zur Information der Behörde. Daraus gehe hervor, dass er es vorgezogen habe unterzutauchen. - Einen weiteren Abänderungsantrag hat die Kammer mit Beschluss vom 12. April 2013 ‑ 10 L 202/13.A - abgelehnt. Im Rahmen jenes Verfahrens hat der Kläger u.a. vorgetragen, er leide an einer behandlungsbedürften posttraumatischen Belastungsstörung. Eine Abschiebung hätte massive Auswirkungen auf seinen gesundheitlichen Zustand.
10Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger vorgetragen: Er habe seine Heimat Eritrea im September 2009 Richtung Sudan verlassen. Dort sei er ca. zwei Wochen geblieben, bevor er nach Libyen ausgereist sei. Er sei am 26. Oktober 2009 in Sizilien eingereist und in ein Flüchtlingslager gekommen, das er nach ca. vier Monaten habe verlassen müssen. Anschließend habe er in Rom auf der Straße gelebt. Im Juli sei er in die Schweiz gereist. Dort sei ihm die Rückführung nach Italien angekündigt worden. Als die Polizei gekommen sei, sei er weggerannt und nach Deutschland geflohen. - Im Übrigen hat der Kläger umfassend darlegen lassen, weshalb eine Rückführung von Asylbewerbern nach Italien generell und in seinem Fall zusätzlich aus individuellen Gründen unzulässig sei. - Im Übrigen sei die Frist, in der er hätte überstellt werden können, inzwischen abgelaufen.
11Der Kläger, der sich seit März 2013 im Kirchenasyl befindet, beantragt,
12den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Januar 2013 aufzuheben.
13Die Beklagte hat schriftlich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie wiederholt und vertieft früheres Vorbringen.
16Weitere Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Wege der Abänderung vorangegangener Entscheidungen hat die Kammer mit Beschlüssen vom 12. April 2013 - 10 L 202/13.A - sowie 24. April 2013 - 10 L 247/13.A - abgelehnt.
17Sie hat eine Auskunft des Auswärtigen Amtes - vom 24. Mai 2013 - eingeholt und einen weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (Beschluss vom 29. Oktober 2013 - 10 L 688/13.A -).
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 10 L 688/13.A, 10 L 124/13.A, 10 L 140/13.A, 10 L 202/13.A, 10 L 247/13.A, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) und die vom Kreis I. überreichten Ausländerakten (2 Hefte) Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen die in dem Bescheid vom 23. Januar 2013 getroffene Feststellung, der Asylantrag sei unzulässig, richtet, zulässig. Die auf § 27 a AsylVfG gestützte Entscheidung stellt einen Verwaltungsakt dar. Der Kläger hat für dessen bloße Beseitigung ein Rechtsschutzbedürfnis, ist also nicht darauf angewiesen, weitergehend eine Verpflichtungsklage zu erheben. Wird der Verwaltungsakt vom 23. Januar 2013 insoweit aufgehoben, so führt dies zur Prüfung des von dem Kläger gestellten Asylantrags durch die Beklagte. Wäre das Verwaltungsgericht statt dessen verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist.
21- vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 - 6 K 2643/12.A -, sowie Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris -.
22Die Klage ist unbegründet.
23Die Feststellung, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob die Feststellung außerdem rechtswidrig ist, bedarf danach keiner Klärung mehr, da sich daraus zugunsten des Klägers angesichts des Wortlauts von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nichts ergeben würde. Sie findet eine Grundlage in § 27 a AsylVfG. Der Bestimmung zufolge ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Zuständigkeit der Republik Italien gegeben ist. Das folgt für die Kammer angesichts der von dem Kläger im Rahmen des Verfahrens 10 L 140/13.A vorgelegten Unterlagen (dort Blatt 9 - 12) aus Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (künftig: Dublin II-VO).
24An dieser Verordnung (und nicht der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (Dublin III-VO)) ist in diesem Zusammenhang Maß zu nehmen. Das folgt aus Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO
25- siehe in diesem Zusammenhang VG Hannover, Beschluss vom 09. Januar 2014 - 1 B 7895/13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 -; VG Potsdam, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 6 L 27/14.A - und 20. Dezember 2013 - VG 6 L 858/13.A -, jeweils juris -.
26Dass eine Verletzung der Rechte des Klägers durch eine nunmehr vorgenommene Überstellung von ihm nach Italien erfolgen würde, die in Rede stehende Regelung vom 23. Januar 2013 jedenfalls inzwischen eine solche Rechtsverletzung darstellt, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO normierte Frist von drei Monaten ist gewahrt worden. Denn nachdem die (erneute) erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers vom 06. September 2012 ein positives Ergebnis erbracht hatte, hat sich das Bundesamt mit Schreiben vom 08. Oktober 2012 an eine italienische Stelle mit der Bitte um dessen Übernahme gewandt. Da darauf keine Antwort erfolgte, besteht seit dem 23. Oktober 2012 eine Zuständigkeit Italiens (Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO). Danach hätte die Überstellung des Klägers an sich gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO durchgeführt werden müssen, also bis 22. April 2013 (einschl.). Ein entsprechender Versuch am 11. März 2013 schlug fehl, weil a) der entsprechende Flug nach Rom annuliert worden und b) der Kläger "untergetaucht" war. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO kann die Frist auf höchstens ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Mit Blick darauf ergeben sich im vorliegenden Fall verschiedene Fragen: Kann die Frist verlängert werden, so könnte das vielleicht nur unter Mitwirkung der ausländischen (hier: italienischen) Stelle erfolgen. Für eine solche Beteiligung ist hier nichts ersichtlich. Außerdem ist der Kläger hier zwar am 11. März 2013 "untergetaucht", doch hätte er an dem Tag ohnehin nicht überstellt werden können. "Taucht" er "unter" und meldet er sich nach einiger Zeit wieder, so fragt sich, welche Auswirkungen das auf die in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO normierten Fristen hat. Außerdem wäre zu klären, ob Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Kläger sich seit März 2013 gerade im Kirchenasyl befindet (worüber die evangelische Kirchengemeinde C. die Ausländerbehörde unter dem 18. März 2013 informiert hat (GA Bl. 61)). Die Kammer geht solchen Fragen nicht nach. Wäre eine sich aus Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Frist inzwischen verstrichen, führte das dazu, dass eine gleichwohl vollzogene Überstellung des Klägers nach Italien objektiv rechtswidrig wäre (und Italien die Überstellung von vornherein nicht mehr akzeptieren müsste). Daraus würde sich aber nach Ansicht der Kammer keine Verletzung der Rechte des Klägers ergeben. Denn zu ihrer Überzeugung vermittelt Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO dem Asylbewerber keinerlei Rechte, sondern regelt allein die Beziehungen zwischen Staaten
27- vgl. VG Berlin, Beschluss vom 07. Oktober 2013 - 33 L 403.13 A -, juris ‑ dort Rdnr. 10 - (zu Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO) unter Hinweis auf EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 18. April 2013, Rs. C-4/11, Rdnr. 58 -; zum Problem siehe auch noch GK-AsylVerfG, Stand November 2013, § 27 a Rdnr. 234, und Stand Juni 2012, § 27 a Rdnrn. 211, 212, 199 -.
28Im Übrigen wäre der Kläger, hätte er - anders als hier angenommen - doch Rechte aus Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO und wäre die dort normierte im vorliegenden Fall an sich maßgebliche Frist verstrichen, nach Treu und Glauben gehindert, sich darauf zu berufen. Er hat sich in das Kirchenasyl begeben in der Erwartung, dass dies seitens der staatlichen Stellen respektiert würde. So ist es auch gekommen. Dann ist es ihm ‑ jedenfalls während der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO normierten Frist von 18 Monaten - verwehrt, aus einem früher eintretenden Fristablauf etwas für sich herleiten zu wollen.
29Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Die Bestimmung ist geeignet, subjektive Rechte des Klägers zu begründen. Allerdings lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i.S.d. Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrundeliegenden "Konzepts der normativen Vergewisserung"
30- vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris -
31bzw. des "Prinzips des gegenseitigen Vertrauens"
32- vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs C 411/10 und C-393/10 -, juris -
33grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist
34- vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O.‑.
35Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn die Notwendigkeit eines solchen durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des "Konzepts normativer Vergewisserung" durch Gesetz berücksichtigt werden konnten, oder aber sich die für die Qualifizierung als "sicher" maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesrepublik hierauf noch aussteht. Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschriften des Art. 3 EMRK implizieren.
36Eine Verletzung der EU-Richtlinien, vereinzelte Verstöße gegen sonstige Grundrechte sowie anderweitige Missstände unterhalb der Schwelle "systemischer Mängel" stehen hingegen Dublin-Überstellungen nicht entgegen
37- Thym, Zulässigkeit der Dublin-Überstellungen nach Italien, ZAR 2013, 331, 332 -.
38Zum Inhalt der angesprochenen Bestimmungen ist dabei zu bemerken: Ausländern, die von einer Rückführung betroffen sind, gewährt die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt wird. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Ausweisung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Betreffenden bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie des Vertragsstaates verwiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK kann auch nicht so ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtet, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; diese Regelung enthält keine allgemeine Pflicht, Flüchtlinge finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen
39- EGMR, Beschluss vom 02. April 2013, Nr. 27725/10, Hussein u.a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, 336 -.
40Einzig außergewöhnlich zwingende humanitäre Gründe stehen einer Dublin-Überstellung entgegen
41- Thym, a.a.O., 332 -.
42In diesem Zusammenhang ist zunächst zu betonen: Der Kläger hat in Italien im Rahmen des von ihm betriebenen Asylverfahrens einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erhalten. Einen (weitergehenden) Flüchtlingsstatus hat er dort nicht besessen. Das ließe ihm die Möglichkeit, in Italien einen weiteren Asylantrag zu stellen mit dem Ziel, eine "bessere" Rechtsposition zu erlangen. Er wäre dann dort (erneut) Asylbewerber. Es kommt allerdings auch in Betracht, dass er dort - eine Rückführung einmal angenommen - kein weiteres Asylverfahren betreiben, sondern aufgrund eines Aufenthaltstitels leben würde, der ihm aus humanitären Gründen erteilt worden ist.
43In diesem zweiten Fall gilt: Es lässt sich nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren dort derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des Europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht. Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention, erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung ("permesso di soggiorno") ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich - ebenso wie italienische Staatsangehörige - grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen. Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationslinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.
44Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige - und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind - kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. (sonstige) staatliche Leistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben. Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen indessen auch nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings
45- vgl. zum Ganzen OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris, m.w.N. und Belegen für die entsprechenden Angaben -.
46Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung der Kammer für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling oder sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Lebensgefahr ausgesetzt wäre, "auf der Straße" zu leben und zu verelenden
47- vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O. -,
48jedenfalls bestehen die beschriebenen Gefahren nicht in einem solchen Maße, dass die Annahme eines systemischen Mangels gerechtfertigt wäre
49- vgl. dazu Thym, a.a.O., 333 -.
50Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass - ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation - auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können.
51Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet. Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht - ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber -, denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie "als Asylbewerber im Herkunftsgebiet verbleiben dürfen". "Asylbewerber" im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.
52Die Kammer vermag danach keine gegenwärtig bestehenden, strukturellen landesweiten Missstände zu erkennen, die eine individuelle Gefährdung einer nennenswerten Anzahl von Betroffenen - d.h. von nicht besonders schutzbedürftigen Personen wie dem alleinstehenden 25-jährigen Kläger ‑ im Falle der Rückführung nach Italien begründen und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden. Dementsprechend besteht auch keine Empfehlung des UNHCR, von solchen Rückführungen abzusehen. Dessen Stellungnahmen sind angesichts der Rolle, die ihm durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
53Danach war auch den Beweisanträgen nicht zu entsprechen. Die Beweistatsachen sind unerheblich. Der Kläger behauptet, dass er in Italien keinen Anspruch auf eine Unterkunft in einer CARA hätte, dass für ihn nach der Ankunft auf einem Flughafen keine Betreuung vorhanden wäre usw. Darauf kommt es indessen nicht an. Wesentlich ist, ob von der Existenz systemischer Mängel in dem dargelegten Sinne auszugehen ist. Mit Blick darauf ist unerheblich, ob dem Kläger in bestimmten Situationen nicht geholfen würde. Gleiches gilt für den Fall, dass die Beweisanträge auf die Behandlung aller Personen in bestimmten Situationen zielen, die mit ihm, dem Kläger, vergleichbar sind. Denn über die Existenz/Nichtexistenz systemischer Mängel würde damit nichts gesagt.
54An dem Ergebnis ändert sich im Übrigen nichts, wenn - anders als in diesem Urteil angenommen - der Kläger in Italien - eine Rückführung von ihm unterstellt - doch einen Asylantrag stellen und damit wieder den Status eines Asylbewerbers erlangen würde. Denn dann wäre seine Rechtsstellung - verglichen mit der Situation, dass er den in Rede stehenden Antrag nicht stellt - besser
55- vgl. dazu OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O. -.
56Einen Anspruch auf Selbsteintritt hat der Kläger auch nicht im Hinblick auf von ihm geltend gemachte individuelle gesundheitliche Gründe.
57Allerdings hat er im Rahmen des Verfahrens 10 L 202/13.A eine fachärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. med. Dipl. Psych. S. aus C. vom 28. März 2013 vorlegen lassen. In dieser heißt es u.a.:
58"Es muss also vom Vorliegen einer PTBS ausgegangen werden, deren Schweregrad allerdings durch die relativ stabile und sozial kompetente Primärpersönlichkeit noch nicht zu einer lang anhaltenden Persönlichkeitsstörung geführt hat oder Komorbiditäten wie Suchtverhalten, selbstverletzendem Verhalten, Aggressionsausbrüchen etc. Dem gut begabten, sozial kompetenten jungen Mann, der über den Wunsch und die Fähigkeiten verfügt, sich zu integrieren, war es gelungen, sich in C. zu stabilisieren und so zu relativer psychischer Gesundheit zurückzufinden. Er konnte sich am Bauhof in der Arbeit sicher fühlen und mit dem Schulbesuch in Q. integrieren und Freunde und Helfer finden, also die Dinge tun, die seine psychische Balance ganz basal ermöglichten. Aufgrund der traumatischen Erlebnisse ist Herr A. jedoch stark erhöht vulnerabel. D.h. die psychische Verletzlichkeit ist so groß, dass auch leichtere Retraumatisierungen zu einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen können, z.B. schwerer Depressivität oder Persönlichkeitsstörungen. Die Androhung der Ausweisung hat Herrn A. bereits aus seinem labilen Gleichgewicht geworfen, posttraumatische Stresssymptome getriggert und eine ängstlich depressive Symptomatik ausgelöst. Eine medikamentöse Therapie der Schlafstörungen kann entweder mit niedrigpotenten Neuroleptika oder schlafanstoßenden Antidepressiva erfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheinen soziotherapeutisch wirksame Maßnahmen, wie z.B. Fortsetzung der Beschulung oder die Integration in ein Beschäftigungsverhältnis noch ausreichend, um Herrn A. wieder zu stabilisieren und eine Verschlimmerung der psychischen Symptomatik zu verhindern. Eine Abschiebung wäre jedoch mit der Gefahr der Dekompensation und schwerwiegender psychischer Erkrankung verbunden und mit nicht absehbaren psychosozialen Folgen und somit nicht zu verantworten."
59Die Stellungnahme ist im Wesentlichen unbrauchbar.
60Sie genügt nicht den nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Mindestanforderungen. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome muss sich aus dem Attest, damit die Kammer Anlass zu weiteren Untersuchungen hat, nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt/die Fachärztin seine/ihre Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen
61- vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, juris -.
62Dem genügt die Stellungnahme vom 28. März 2013 nicht. Sie weist - neben anderem ‑ vor allem den Mangel auf, dass nicht kritisch hinterfragt wird, ob die Angaben des Klägers bezüglich eines Verfolgungsschicksals den Tatsachen entsprechen oder wenigstens wahrscheinlich sind. Es heißt dort u.a.: Traumatische Bilder aus dem Gefängnis in Eritrea, der Flucht durch die Wüste, der fünftägigen Überfahrt nach Sizilien und bedrohliche Situationen in Italien drängten sich ihm immer wieder auf, er erschrecke leicht, wieder und wieder überfalle ihn die Angst, in den Schläfen poche das Blut, er schwitze und zittere, das Herz rase. Der Kläger sei etwa zehn Monate in Haft gewesen, ein Ende der Haft sei nicht absehbar gewesen.
63Indessen ist festzustellen: Der Kläger hat sich erstmals im Oktober 2010 an deutsche Behörden gewandt. Dabei hat er angegeben, er sei am 18. Oktober 2010 aus Khartoum/Sudan kommend auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingereist. Bis Dezember 2009 sei er in Eritrea im Gefängnis gewesen. Dann sei ihm die Flucht gelungen. Als Reiseweg hat er angegeben die Strecke Eritrea-Sudan-Bundesrepublik Deutschland. - Tatsächlich war der Kläger zeitweise in Italien. Dort ist er nach eigener Darstellung im Oktober 2009 eingetroffen. Er hat also bezüglich seines Reisewegs die Unwahrheit gesagt und den Aufenthalt in Italien zunächst verschwiegen. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass er mit der Möglichkeit rechnete, von der Bundesrepublik Deutschland aus nach Italien zurückgeschickt zu werden. In Italien und in der Bundesrepublik Deutschland ist er unter verschiedenen Namen aufgetreten. Außerdem hat er unterschiedliche Geburtsdaten angegeben. Als er glaubte, er werde nach Italien zurückgeschickt, ist er untergetaucht. Erkennungsdienstliche Behandlungen von ihm in der Bundesrepublik Deutschland führten zunächst zu keinem Ergebnis. Es besteht die Möglichkeit, dass er seine Fingerkuppen manipuliert hat, um die Identifizierung seiner Person, die sonst hätte erfolgen können, weil ihm in Italien Abdrücke abgenommen worden waren, zu verhindern.
64Die genannten Tatsachen in Verbindung mit dem Verdacht, der sich daraus ergibt, dass Fingerabdrücke ihm zunächst nicht abgenommen werden konnten, und der Tatsache, dass der Kläger offenkundig ein großes Interesse daran hat, in der Bundesrepublik bleiben zu können, führen zu der Notwendigkeit, seinen Angaben bezüglich einer nunmehr bei ihm gegebenen Erkrankung (PTBS) kritisch zu begegnen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung im Internet ermittelt werden können und es nicht schwierig ist, ihre Existenz zu behaupten. Diese kritische Einstellung lässt die vorgelegte ärztliche Stellungnahme vollständig vermissen. Beispielhaft sei noch erwähnt: Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 09. November 2010 hat der Kläger angegeben, er habe sich in Eritrea zehn Monate im Gefängnis befunden, nämlich vom 10. Februar bis 20. Dezember 2009. Hat er hingegen, wie von ihm im Rahmen des Klageverfahrens angegeben worden ist, sein Heimatland im September 2009 Richtung Sudan verlassen, so stellt sich die Frage, ob er in Eritrea überhaupt im Gefängnis war und von wann bis wann das der Fall gewesen sein soll. Die Angabe in der fachärztlichen Stellungnahme vom 28. März 2013, "Herr A. war etwa zehn Monate in Haft", ist angesichts dessen so nicht verständlich.
65b) Die Regelung zu 2., die Abschiebung nach Italien werde angeordnet, ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG.
66- vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: Juni 2012, § 27 a Rdnr. 12, unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 4 AsylVfG -.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
68Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger stellte am 28. Oktober 2010 einen Asylantrag. Dabei gab er an, er sei am 7. - in anderem Zusammenhang: am 1. - Januar 1990 in B. R. geboren und besitze die eritreische Staatsangehörigkeit. In den vom Bundesamt vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindet sich ein Vermerk vom gleichen Tage, dem zufolge eine Fingerabdrucknahme per live scan nicht möglich gewesen sei. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) am 9. November 2010 führte der Kläger - in der Sprache Tigrinia - u.a. aus: Er habe sich in Eritrea vom 10. Februar bis zum 20. Dezember 2009 im Gefängnis befunden. An dem Tag sei er geflohen, und zwar in den Sudan. Dort habe er sich zehn Monate lang aufgehalten. Von Khartoum aus sei er dann nach Deutschland geflogen, und zwar nach Frankfurt/Main. Dort sei er am 18. Oktober 2010 mit dem Flugzeug angekommen.
3Der Kläger unterzog sich am 25. August 2011 einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung. In einem Vermerk des Bundesamtes heißt es dazu, es sei festgestellt worden, dass seine Fingerkuppen Veränderungen aufwiesen. - Verwertbare Fingerabdrucke wurden seitens der Behörde anscheinend nicht erlangt.
4Am 2. August 2012 wandte sich das Bundesamt an den Kreis I. : In dem Asylverfahren des Klägers habe bisher keine Entscheidung getroffen werden können. Es habe noch keine Klassifizierung des Antrags wegen mangelnder Auswertbarkeit der erkennungsdienstlichen Maßnahme erfolgen können. Diesseits bestehe der Verdacht auf Manipulation der Fingerkuppen. Ohne Auswertung der Fingerabdrücke könne keine Einstufung des Antrags als Asylerstantrag, Asylfolgeantrag oder evtl. DÜ-Prüffall vorgenommen werden, so dass eine materiellrechtliche Prüfung der Angaben des Klägers in der persönlichen Anhörung vom 9. November 2010 sich derzeit nicht anbiete.
5Mit Schreiben vom 8. Oktober 2012 bat das Bundesamt eine italienische Stelle um Übernahme des Klägers, nachdem die Behörde aufgrund des Ergebnisses einer (erneuten) erkennungsdienstlichen Behandlung von ihm am 6. September 2012 zu dem Ergebnis gelangt war, die Zuständigkeit Italiens sei gegeben. Eine Antwort erfolgte nicht.
6Am 16. Januar 2013 ließ der Kläger "im Hinblick auf die fiktive Zustimmung Italiens … vorsorglich" beantragen, die Bundesrepublik möge von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen: Die Situation des Asylsystems, mit der er im Falle seiner Rückkehr konfrontiert würde, stehe im Widerspruch zu Art. 3 EMRK. - Das ließ er detailliert und ausführlich begründen.
7Mit Bescheid vom 23. Januar 2013 stellte das Bundesamt gegenüber dem Kläger fest, a) der Asylantrag sei unzulässig; b) gleichzeitig ordnete es die Abschiebung nach Italien an: Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Italien gemäß Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Am 8. Oktober 2012 sei ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Italien gerichtet worden. Die italienischen Behörden hätten dieses sowie das Verfristungsschreiben vom 12. November 2012 unbeantwortet gelassen. Ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Dublin II-VO bestehe somit seit dem 23. Oktober 2012. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Italien erfülle gegenüber Ausländern, die dort einen Asylantrag stellten, die Mindeststandards. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. - Ein Abdruck des Bescheides wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 12. Februar 2013 übersandt mit dem Bemerken, die zuständige Ausländerbehörde werde die Zustellung an den Kläger veranlassen. Am 18. Februar 2013 wurde dem Kläger der Bescheid gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt.
8Der Kläger hat am 28. Februar 2013 Klage erhoben.
9Am 11. März 2013 sollte seine Überstellung nach Italien auf dem Luftweg erfolgen. Einen von ihm ebenfalls am 28. Februar 2013 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer mit Beschluss vom 7. März 2013 ‑ 10 L 124/13.A - abgelehnt, ebenso mit Beschluss vom 8. März 2013 - 10 L 140/13.A - einen Abänderungsantrag vom gleichen Tag. - Aus der für den Abänderungsantrag gegebenen Begründung folgt, dass der Kläger in Italien unter dem Namen H. A. , geb. 01.01.1987, aufgetreten war. - Zu der Überstellung am 11. März 2013 kam es nicht. Einem Vermerk des Kreises I. vom gleichen Tag ist zu entnehmen: Am Morgen sei der Flug nach Rom infolge eines Streikes (am Flughafen Düsseldorf) annulliert worden. Die Unterkunft des Klägers sei aufgesucht worden, um ihn darüber zu informieren. Die Unterkunft sei verlassen gewesen. An der Tür sei eine handschriftliche Nachricht des Klägers angebracht gewesen zur Information der Behörde. Daraus gehe hervor, dass er es vorgezogen habe unterzutauchen. - Einen weiteren Abänderungsantrag hat die Kammer mit Beschluss vom 12. April 2013 ‑ 10 L 202/13.A - abgelehnt. Im Rahmen jenes Verfahrens hat der Kläger u.a. vorgetragen, er leide an einer behandlungsbedürften posttraumatischen Belastungsstörung. Eine Abschiebung hätte massive Auswirkungen auf seinen gesundheitlichen Zustand.
10Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger vorgetragen: Er habe seine Heimat Eritrea im September 2009 Richtung Sudan verlassen. Dort sei er ca. zwei Wochen geblieben, bevor er nach Libyen ausgereist sei. Er sei am 26. Oktober 2009 in Sizilien eingereist und in ein Flüchtlingslager gekommen, das er nach ca. vier Monaten habe verlassen müssen. Anschließend habe er in Rom auf der Straße gelebt. Im Juli sei er in die Schweiz gereist. Dort sei ihm die Rückführung nach Italien angekündigt worden. Als die Polizei gekommen sei, sei er weggerannt und nach Deutschland geflohen. - Im Übrigen hat der Kläger umfassend darlegen lassen, weshalb eine Rückführung von Asylbewerbern nach Italien generell und in seinem Fall zusätzlich aus individuellen Gründen unzulässig sei. - Im Übrigen sei die Frist, in der er hätte überstellt werden können, inzwischen abgelaufen.
11Der Kläger, der sich seit März 2013 im Kirchenasyl befindet, beantragt,
12den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Januar 2013 aufzuheben.
13Die Beklagte hat schriftlich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie wiederholt und vertieft früheres Vorbringen.
16Weitere Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Wege der Abänderung vorangegangener Entscheidungen hat die Kammer mit Beschlüssen vom 12. April 2013 - 10 L 202/13.A - sowie 24. April 2013 - 10 L 247/13.A - abgelehnt.
17Sie hat eine Auskunft des Auswärtigen Amtes - vom 24. Mai 2013 - eingeholt und einen weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (Beschluss vom 29. Oktober 2013 - 10 L 688/13.A -).
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten 10 L 688/13.A, 10 L 124/13.A, 10 L 140/13.A, 10 L 202/13.A, 10 L 247/13.A, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) und die vom Kreis I. überreichten Ausländerakten (2 Hefte) Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen die in dem Bescheid vom 23. Januar 2013 getroffene Feststellung, der Asylantrag sei unzulässig, richtet, zulässig. Die auf § 27 a AsylVfG gestützte Entscheidung stellt einen Verwaltungsakt dar. Der Kläger hat für dessen bloße Beseitigung ein Rechtsschutzbedürfnis, ist also nicht darauf angewiesen, weitergehend eine Verpflichtungsklage zu erheben. Wird der Verwaltungsakt vom 23. Januar 2013 insoweit aufgehoben, so führt dies zur Prüfung des von dem Kläger gestellten Asylantrags durch die Beklagte. Wäre das Verwaltungsgericht statt dessen verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist.
21- vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 - 6 K 2643/12.A -, sowie Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris -.
22Die Klage ist unbegründet.
23Die Feststellung, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob die Feststellung außerdem rechtswidrig ist, bedarf danach keiner Klärung mehr, da sich daraus zugunsten des Klägers angesichts des Wortlauts von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nichts ergeben würde. Sie findet eine Grundlage in § 27 a AsylVfG. Der Bestimmung zufolge ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Zuständigkeit der Republik Italien gegeben ist. Das folgt für die Kammer angesichts der von dem Kläger im Rahmen des Verfahrens 10 L 140/13.A vorgelegten Unterlagen (dort Blatt 9 - 12) aus Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (künftig: Dublin II-VO).
24An dieser Verordnung (und nicht der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (Dublin III-VO)) ist in diesem Zusammenhang Maß zu nehmen. Das folgt aus Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO
25- siehe in diesem Zusammenhang VG Hannover, Beschluss vom 09. Januar 2014 - 1 B 7895/13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 -; VG Potsdam, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 6 L 27/14.A - und 20. Dezember 2013 - VG 6 L 858/13.A -, jeweils juris -.
26Dass eine Verletzung der Rechte des Klägers durch eine nunmehr vorgenommene Überstellung von ihm nach Italien erfolgen würde, die in Rede stehende Regelung vom 23. Januar 2013 jedenfalls inzwischen eine solche Rechtsverletzung darstellt, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO normierte Frist von drei Monaten ist gewahrt worden. Denn nachdem die (erneute) erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers vom 06. September 2012 ein positives Ergebnis erbracht hatte, hat sich das Bundesamt mit Schreiben vom 08. Oktober 2012 an eine italienische Stelle mit der Bitte um dessen Übernahme gewandt. Da darauf keine Antwort erfolgte, besteht seit dem 23. Oktober 2012 eine Zuständigkeit Italiens (Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO). Danach hätte die Überstellung des Klägers an sich gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO durchgeführt werden müssen, also bis 22. April 2013 (einschl.). Ein entsprechender Versuch am 11. März 2013 schlug fehl, weil a) der entsprechende Flug nach Rom annuliert worden und b) der Kläger "untergetaucht" war. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO kann die Frist auf höchstens ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Mit Blick darauf ergeben sich im vorliegenden Fall verschiedene Fragen: Kann die Frist verlängert werden, so könnte das vielleicht nur unter Mitwirkung der ausländischen (hier: italienischen) Stelle erfolgen. Für eine solche Beteiligung ist hier nichts ersichtlich. Außerdem ist der Kläger hier zwar am 11. März 2013 "untergetaucht", doch hätte er an dem Tag ohnehin nicht überstellt werden können. "Taucht" er "unter" und meldet er sich nach einiger Zeit wieder, so fragt sich, welche Auswirkungen das auf die in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO normierten Fristen hat. Außerdem wäre zu klären, ob Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Kläger sich seit März 2013 gerade im Kirchenasyl befindet (worüber die evangelische Kirchengemeinde C. die Ausländerbehörde unter dem 18. März 2013 informiert hat (GA Bl. 61)). Die Kammer geht solchen Fragen nicht nach. Wäre eine sich aus Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Frist inzwischen verstrichen, führte das dazu, dass eine gleichwohl vollzogene Überstellung des Klägers nach Italien objektiv rechtswidrig wäre (und Italien die Überstellung von vornherein nicht mehr akzeptieren müsste). Daraus würde sich aber nach Ansicht der Kammer keine Verletzung der Rechte des Klägers ergeben. Denn zu ihrer Überzeugung vermittelt Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO dem Asylbewerber keinerlei Rechte, sondern regelt allein die Beziehungen zwischen Staaten
27- vgl. VG Berlin, Beschluss vom 07. Oktober 2013 - 33 L 403.13 A -, juris ‑ dort Rdnr. 10 - (zu Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO) unter Hinweis auf EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 18. April 2013, Rs. C-4/11, Rdnr. 58 -; zum Problem siehe auch noch GK-AsylVerfG, Stand November 2013, § 27 a Rdnr. 234, und Stand Juni 2012, § 27 a Rdnrn. 211, 212, 199 -.
28Im Übrigen wäre der Kläger, hätte er - anders als hier angenommen - doch Rechte aus Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO und wäre die dort normierte im vorliegenden Fall an sich maßgebliche Frist verstrichen, nach Treu und Glauben gehindert, sich darauf zu berufen. Er hat sich in das Kirchenasyl begeben in der Erwartung, dass dies seitens der staatlichen Stellen respektiert würde. So ist es auch gekommen. Dann ist es ihm ‑ jedenfalls während der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO normierten Frist von 18 Monaten - verwehrt, aus einem früher eintretenden Fristablauf etwas für sich herleiten zu wollen.
29Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Die Bestimmung ist geeignet, subjektive Rechte des Klägers zu begründen. Allerdings lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i.S.d. Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrundeliegenden "Konzepts der normativen Vergewisserung"
30- vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris -
31bzw. des "Prinzips des gegenseitigen Vertrauens"
32- vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs C 411/10 und C-393/10 -, juris -
33grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist
34- vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O.‑.
35Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn die Notwendigkeit eines solchen durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des "Konzepts normativer Vergewisserung" durch Gesetz berücksichtigt werden konnten, oder aber sich die für die Qualifizierung als "sicher" maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesrepublik hierauf noch aussteht. Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschriften des Art. 3 EMRK implizieren.
36Eine Verletzung der EU-Richtlinien, vereinzelte Verstöße gegen sonstige Grundrechte sowie anderweitige Missstände unterhalb der Schwelle "systemischer Mängel" stehen hingegen Dublin-Überstellungen nicht entgegen
37- Thym, Zulässigkeit der Dublin-Überstellungen nach Italien, ZAR 2013, 331, 332 -.
38Zum Inhalt der angesprochenen Bestimmungen ist dabei zu bemerken: Ausländern, die von einer Rückführung betroffen sind, gewährt die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt wird. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Ausweisung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Betreffenden bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie des Vertragsstaates verwiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK kann auch nicht so ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtet, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; diese Regelung enthält keine allgemeine Pflicht, Flüchtlinge finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen
39- EGMR, Beschluss vom 02. April 2013, Nr. 27725/10, Hussein u.a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, 336 -.
40Einzig außergewöhnlich zwingende humanitäre Gründe stehen einer Dublin-Überstellung entgegen
41- Thym, a.a.O., 332 -.
42In diesem Zusammenhang ist zunächst zu betonen: Der Kläger hat in Italien im Rahmen des von ihm betriebenen Asylverfahrens einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erhalten. Einen (weitergehenden) Flüchtlingsstatus hat er dort nicht besessen. Das ließe ihm die Möglichkeit, in Italien einen weiteren Asylantrag zu stellen mit dem Ziel, eine "bessere" Rechtsposition zu erlangen. Er wäre dann dort (erneut) Asylbewerber. Es kommt allerdings auch in Betracht, dass er dort - eine Rückführung einmal angenommen - kein weiteres Asylverfahren betreiben, sondern aufgrund eines Aufenthaltstitels leben würde, der ihm aus humanitären Gründen erteilt worden ist.
43In diesem zweiten Fall gilt: Es lässt sich nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren dort derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des Europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht. Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention, erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung ("permesso di soggiorno") ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich - ebenso wie italienische Staatsangehörige - grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen. Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationslinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.
44Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige - und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind - kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. (sonstige) staatliche Leistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben. Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen indessen auch nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings
45- vgl. zum Ganzen OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris, m.w.N. und Belegen für die entsprechenden Angaben -.
46Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung der Kammer für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling oder sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Lebensgefahr ausgesetzt wäre, "auf der Straße" zu leben und zu verelenden
47- vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O. -,
48jedenfalls bestehen die beschriebenen Gefahren nicht in einem solchen Maße, dass die Annahme eines systemischen Mangels gerechtfertigt wäre
49- vgl. dazu Thym, a.a.O., 333 -.
50Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass - ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation - auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können.
51Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet. Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht - ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber -, denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie "als Asylbewerber im Herkunftsgebiet verbleiben dürfen". "Asylbewerber" im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.
52Die Kammer vermag danach keine gegenwärtig bestehenden, strukturellen landesweiten Missstände zu erkennen, die eine individuelle Gefährdung einer nennenswerten Anzahl von Betroffenen - d.h. von nicht besonders schutzbedürftigen Personen wie dem alleinstehenden 25-jährigen Kläger ‑ im Falle der Rückführung nach Italien begründen und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden. Dementsprechend besteht auch keine Empfehlung des UNHCR, von solchen Rückführungen abzusehen. Dessen Stellungnahmen sind angesichts der Rolle, die ihm durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant.
53Danach war auch den Beweisanträgen nicht zu entsprechen. Die Beweistatsachen sind unerheblich. Der Kläger behauptet, dass er in Italien keinen Anspruch auf eine Unterkunft in einer CARA hätte, dass für ihn nach der Ankunft auf einem Flughafen keine Betreuung vorhanden wäre usw. Darauf kommt es indessen nicht an. Wesentlich ist, ob von der Existenz systemischer Mängel in dem dargelegten Sinne auszugehen ist. Mit Blick darauf ist unerheblich, ob dem Kläger in bestimmten Situationen nicht geholfen würde. Gleiches gilt für den Fall, dass die Beweisanträge auf die Behandlung aller Personen in bestimmten Situationen zielen, die mit ihm, dem Kläger, vergleichbar sind. Denn über die Existenz/Nichtexistenz systemischer Mängel würde damit nichts gesagt.
54An dem Ergebnis ändert sich im Übrigen nichts, wenn - anders als in diesem Urteil angenommen - der Kläger in Italien - eine Rückführung von ihm unterstellt - doch einen Asylantrag stellen und damit wieder den Status eines Asylbewerbers erlangen würde. Denn dann wäre seine Rechtsstellung - verglichen mit der Situation, dass er den in Rede stehenden Antrag nicht stellt - besser
55- vgl. dazu OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02. Oktober 2013, a.a.O. -.
56Einen Anspruch auf Selbsteintritt hat der Kläger auch nicht im Hinblick auf von ihm geltend gemachte individuelle gesundheitliche Gründe.
57Allerdings hat er im Rahmen des Verfahrens 10 L 202/13.A eine fachärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. med. Dipl. Psych. S. aus C. vom 28. März 2013 vorlegen lassen. In dieser heißt es u.a.:
58"Es muss also vom Vorliegen einer PTBS ausgegangen werden, deren Schweregrad allerdings durch die relativ stabile und sozial kompetente Primärpersönlichkeit noch nicht zu einer lang anhaltenden Persönlichkeitsstörung geführt hat oder Komorbiditäten wie Suchtverhalten, selbstverletzendem Verhalten, Aggressionsausbrüchen etc. Dem gut begabten, sozial kompetenten jungen Mann, der über den Wunsch und die Fähigkeiten verfügt, sich zu integrieren, war es gelungen, sich in C. zu stabilisieren und so zu relativer psychischer Gesundheit zurückzufinden. Er konnte sich am Bauhof in der Arbeit sicher fühlen und mit dem Schulbesuch in Q. integrieren und Freunde und Helfer finden, also die Dinge tun, die seine psychische Balance ganz basal ermöglichten. Aufgrund der traumatischen Erlebnisse ist Herr A. jedoch stark erhöht vulnerabel. D.h. die psychische Verletzlichkeit ist so groß, dass auch leichtere Retraumatisierungen zu einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen können, z.B. schwerer Depressivität oder Persönlichkeitsstörungen. Die Androhung der Ausweisung hat Herrn A. bereits aus seinem labilen Gleichgewicht geworfen, posttraumatische Stresssymptome getriggert und eine ängstlich depressive Symptomatik ausgelöst. Eine medikamentöse Therapie der Schlafstörungen kann entweder mit niedrigpotenten Neuroleptika oder schlafanstoßenden Antidepressiva erfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheinen soziotherapeutisch wirksame Maßnahmen, wie z.B. Fortsetzung der Beschulung oder die Integration in ein Beschäftigungsverhältnis noch ausreichend, um Herrn A. wieder zu stabilisieren und eine Verschlimmerung der psychischen Symptomatik zu verhindern. Eine Abschiebung wäre jedoch mit der Gefahr der Dekompensation und schwerwiegender psychischer Erkrankung verbunden und mit nicht absehbaren psychosozialen Folgen und somit nicht zu verantworten."
59Die Stellungnahme ist im Wesentlichen unbrauchbar.
60Sie genügt nicht den nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Mindestanforderungen. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome muss sich aus dem Attest, damit die Kammer Anlass zu weiteren Untersuchungen hat, nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt/die Fachärztin seine/ihre Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen
61- vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, juris -.
62Dem genügt die Stellungnahme vom 28. März 2013 nicht. Sie weist - neben anderem ‑ vor allem den Mangel auf, dass nicht kritisch hinterfragt wird, ob die Angaben des Klägers bezüglich eines Verfolgungsschicksals den Tatsachen entsprechen oder wenigstens wahrscheinlich sind. Es heißt dort u.a.: Traumatische Bilder aus dem Gefängnis in Eritrea, der Flucht durch die Wüste, der fünftägigen Überfahrt nach Sizilien und bedrohliche Situationen in Italien drängten sich ihm immer wieder auf, er erschrecke leicht, wieder und wieder überfalle ihn die Angst, in den Schläfen poche das Blut, er schwitze und zittere, das Herz rase. Der Kläger sei etwa zehn Monate in Haft gewesen, ein Ende der Haft sei nicht absehbar gewesen.
63Indessen ist festzustellen: Der Kläger hat sich erstmals im Oktober 2010 an deutsche Behörden gewandt. Dabei hat er angegeben, er sei am 18. Oktober 2010 aus Khartoum/Sudan kommend auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingereist. Bis Dezember 2009 sei er in Eritrea im Gefängnis gewesen. Dann sei ihm die Flucht gelungen. Als Reiseweg hat er angegeben die Strecke Eritrea-Sudan-Bundesrepublik Deutschland. - Tatsächlich war der Kläger zeitweise in Italien. Dort ist er nach eigener Darstellung im Oktober 2009 eingetroffen. Er hat also bezüglich seines Reisewegs die Unwahrheit gesagt und den Aufenthalt in Italien zunächst verschwiegen. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass er mit der Möglichkeit rechnete, von der Bundesrepublik Deutschland aus nach Italien zurückgeschickt zu werden. In Italien und in der Bundesrepublik Deutschland ist er unter verschiedenen Namen aufgetreten. Außerdem hat er unterschiedliche Geburtsdaten angegeben. Als er glaubte, er werde nach Italien zurückgeschickt, ist er untergetaucht. Erkennungsdienstliche Behandlungen von ihm in der Bundesrepublik Deutschland führten zunächst zu keinem Ergebnis. Es besteht die Möglichkeit, dass er seine Fingerkuppen manipuliert hat, um die Identifizierung seiner Person, die sonst hätte erfolgen können, weil ihm in Italien Abdrücke abgenommen worden waren, zu verhindern.
64Die genannten Tatsachen in Verbindung mit dem Verdacht, der sich daraus ergibt, dass Fingerabdrücke ihm zunächst nicht abgenommen werden konnten, und der Tatsache, dass der Kläger offenkundig ein großes Interesse daran hat, in der Bundesrepublik bleiben zu können, führen zu der Notwendigkeit, seinen Angaben bezüglich einer nunmehr bei ihm gegebenen Erkrankung (PTBS) kritisch zu begegnen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung im Internet ermittelt werden können und es nicht schwierig ist, ihre Existenz zu behaupten. Diese kritische Einstellung lässt die vorgelegte ärztliche Stellungnahme vollständig vermissen. Beispielhaft sei noch erwähnt: Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 09. November 2010 hat der Kläger angegeben, er habe sich in Eritrea zehn Monate im Gefängnis befunden, nämlich vom 10. Februar bis 20. Dezember 2009. Hat er hingegen, wie von ihm im Rahmen des Klageverfahrens angegeben worden ist, sein Heimatland im September 2009 Richtung Sudan verlassen, so stellt sich die Frage, ob er in Eritrea überhaupt im Gefängnis war und von wann bis wann das der Fall gewesen sein soll. Die Angabe in der fachärztlichen Stellungnahme vom 28. März 2013, "Herr A. war etwa zehn Monate in Haft", ist angesichts dessen so nicht verständlich.
65b) Die Regelung zu 2., die Abschiebung nach Italien werde angeordnet, ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG.
66- vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: Juni 2012, § 27 a Rdnr. 12, unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 4 AsylVfG -.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
68Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.