Verwaltungsgericht Minden Urteil, 12. Nov. 2015 - 9 K 3413/13
Gericht
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe der Fa. K H. & Co. KG verpflichtet gewesen ist, den Antrag des Klägers vom 13.06.2013 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Betrieb des Kurhauses in C. T4. , Q.---straße 26, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23.09.2013 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägen die Beklagte zu ¾ und der Kläger zu ¼.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen Veranstaltungen im Kurhaus nach 22.00 Uhr.
3Er ist Eigentümer des in C. T4. gelegenen Grundstücks Gemarkung C. T4. , Flur 22, Flurstücke 14, 519, 665 bis 668 (Q.---straße 1, 3, 5). Auf dem Grundstück befindet sich ein 1974 errichtetes Kurhotel, welches der Kläger seit 1989 unter dem Namen „L. Hotel“ betreibt. Das Grundstück liegt in dem Bebauungsplan Nr. 0146 „Q.---straße “, der für den Bereich des Grundstücks des Klägers Sondergebiet „SO-L1. “ ausweist.
4Auf der gegenüberliegenden Straßenseite südöstlich des Grundstücks des Klägers befindet sich das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück Gemarkung C. T4. , Flur 22, Flurstück 754 (Q.---straße 26). Das Grundstück liegt derzeit nicht im Bereich eines Bebauungsplans. Diese Grundstück war bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem Kurhaus bebaut, welches – so die Beklagte – von Beginn an nicht nur als kurgastbezogene Kureinrichtung diente, sondern in dem neben herkömmlichen Gaststätten- und Cafénutzungen durchweg auch sonstige Veranstaltungen wie Konzerte, Vorträge, Tagungen, Veranstaltungen politischer Parteien, Kongresse, Kurse sowie Feste örtlicher Vereine und Verbände stattfanden. Im Jahr 1987 brannte das Kurhaus aus und wurde in der Folgezeit bei Beibehaltung der äußeren Form und unter Veränderung im Innern wiederhergestellt. Der Abstand zwischen dem nunmehr bestehenden Kurhaus und dem Hotel des Klägers beträgt rund 20 m.
5Für den „Wiederaufbau und die Instandsetzung des Kurhauses“ erteilte der Stadtdirektor der Beklagten unter dem 10.02.1989 dem das Kurhaus damals betreibenden Landesverband M. eine Baugenehmigung. In der vom Landesverband eingereichten „Betriebsbeschreibung zum Bauantrag“ heißt es: „Art des Betriebs: Kurhaus mit Gastronomie“, „Betriebszeit: von 10.00 bis 22.00 Uhr“ und „Zahl der Beschäftigten: Insg. 40“. Der Betriebsbeschreibung war eine maschineschriftliche Ergänzung mit dem Titel „Betriebsbeschreibung / Art der Nutzung“ beigefügt. Darin werden bezugnehmend auf einen Raumplan die Arten der Nutzungen der unterschiedlichen Räume angegeben. Dabei wird als Art der Nutzung u.a., insbesondere für den großen Saal, angegeben: „gesellschaftliche Veranstaltungen mit Tanz“, „Großveranstaltungen z.B. Bälle“. Sowohl die Betriebsbeschreibung als auch die maschinenschriftliche Ergänzung „Betriebsbeschreibung / Art der Nutzungen“ tragen Grünstempel („Anlage der mit Bauordnungsverfügung-Nr. 63 3 O BS 261 / 88 V. 10. Feb. 89 ausgesprochenen Genehmigung“).
6In der Folgezeit wurde das Kurhaus für gastronomische Zwecke genutzt. Darüber hinaus fanden in dem Kurhaus auch Abend-/Nachtveranstaltungen statt, wobei Häufigkeit und Umfang zwischen den Beteiligten streitig sind.
7Im Jahr 2013 – d.h. im Zeitpunkt der Klageerhebung – wurde der gastronomische Bereich des Kurhauses von der Firma K. H. & Co. KG betrieben. Die Fa. K. H. & Co. KG führte auch Abend-/Nachtveranstaltungen durch. Dabei hatte die Beklagte der Fa. K. H. & Co. KG für einige Veranstaltungen gaststättenrechtliche Erlaubnisse nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz erteilt.
8Ende des Jahres 2014 kündigte die Beklagte der Fa. K. H. & Co. KG den Pachtvertrag zum 31.03.2015. Die Fa. K. H. & Co. KG stellte in der Folgezeit – nach den Angaben der Beklagten vor dem 31.03.2015 – ihren Betrieb ein. Derzeit wird der gastronomische Bereich des Kurhauses vorübergehend von einem benachbarten, im Kurgastzentrum angesiedelten Café genutzt, bis deren dortigen Räume umgebaut bzw. renoviert sind. Ein Betrieb nach 22.00 Uhr erfolgt nicht.
9Mit Blick auf einen neuen Betreiber und dessen beabsichtigtes Nutzungskonzept beschloss der Rat der Stadt C. T4. , einen neuen Bebauungsplan – Bebauungsplan Nr. 0151 „Q.---straße “, Mittlerer Teil“ – aufzustellen (vgl. Planaufstellungsbeschluss vom 21.04.2015), in dessen Geltungsbereich das streitgegenständliche Grundstück des Kurhauses liegt. In der Beschlussvorlage vom 08.04.2015, Drucksache Nr. 89/2015, wird als Begründung für die Planaufstellung angeführt, diese sei erforderlich, weil die vom Investor vorgesehenen Nutzungen bauplanungsrechtlich voraussichtlich nur in einem Kerngebiet zulässig sei. Da das Kurhaus derzeit aber nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liege, sei es das Ziel, nunmehr dort ein Kerngebiet auszuweisen. Neben der Neuplanung sei aus städtebaulicher Sicht zudem erforderlich, auch die angrenzenden Bereiche in die Planung zu integrieren, weshalb u.a. die Festsetzungen der umliegenden Bebauungspläne, die bislang Sondergebiete („SO-L1. “ oder „SO-Kur“) vorsehen, in Mischgebiete, besondere oder allgemeine Wohngebiete geändert werden sollten.
10Bereits am 13.06.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf behördliches Einschreiten gegen die Nutzung des Kurhauses nach 22.00 Uhr. Zur Begründung des Antrags führt der Kläger unter Bezugnahme auf die zuvor mit der Beklagten geführte Korrespondenz aus, es gebe zwar eine Baugenehmigung für die Nutzung des Kurhauses vom 10.02.1989. Die ebenfalls Gegenstand der Baugenehmigung gewordene Bauvorlage gebe als Betriebszeiten aber nur 10.00 bis 22.00 Uhr an. Derzeit würden nach konzeptionellen Veränderungen in dem Kurhaus jedoch auch nächtliche Veranstaltungen wie Tanzveranstaltungen, Abiturbälle, Diskothekenveranstaltungen stattfinden, die oft erst am nächsten Morgen gegen 4.00 oder 5.00 Uhr endeten. Dabei käme es – so führt der Kläger unter Bezugnahme auf konkrete detaillierte Vorfälle aus – dazu, dass bei offenen Fenstern laute Musik gespielt werde und sich vor dem Gebäude Gäste versammelten, die sich rege und laut unterhielten. Seine Gäste hätten sich daher bei ihm wegen der von dem Betrieb des Kurhauses und dem Verhalten der Gäste nach dem Verlassen des Kurhauses ausgehenden Lärmbelästigungen beschwert.
11Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.09.2013 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten lägen nicht vor. Der derzeitige Betrieb des Kurhauses sei von der erteilten Baugenehmigung vom 10.02.1989 gedeckt. Dies gelte auch für Nutzungen nach 22.00 Uhr. Denn Gegenstand der Baugenehmigung sei nicht nur die auf dem amtlichen Vordruck erfolgte Betriebsbeschreibung geworden, die die Betriebszeit für das Kurhaus mit 10.00 bis 22.00 Uhr angegeben habe, sondern auch die „ergänzende Betriebsbeschreibung“, die die über die allgemeine Gastronomienutzung hinausgehenden Nutzungen durch besondere Veranstaltungen in verschiedenen Sälen des Kurhauses zum Inhalt habe. Darin werde die Art der Nutzung u.a. mit „gesellschaftlichen Veranstaltungen mit Tanz“ und „Großveranstaltungen, z.B. Bälle, …..“ festgelegt. Bei solchen Veranstaltungen sei es lebensfremd anzunehmen, dass die Betriebszeit dieser Veranstaltungen auf 22.00 Uhr begrenzt werde. Vielmehr liege es bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes geradezu auf der Hand, dass nach der unanfechtbaren Baugenehmigung auch derartige Veranstaltungen genehmigungskonform regelmäßig weit in die Nachtzeit hineinreichen dürften.
12Am 24.10.2013 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er zunächst die Verpflichtung der Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten für Nutzungen nach 22.00 Uhr forderte.
13Zur Begründung führt er die bereits in der vorgerichtliche Korrespondenz dargelegte Argumentation an und trägt ergänzend vor, dass eine Auslegung der Baugenehmigung vom 10.02.1989 gar nicht erforderlich sei, weil diese hinsichtlich der Betriebszeit bis 22.00 Uhr eindeutig sei. Er – der Kläger – habe sein Recht auf behördliches Einschreiten auch nicht verwirkt, denn er habe erst durch die Akteneinsicht seines Bevollmächtigten am 24.05.2012 Kenntnis von den in der Baugenehmigung angegebenen Betriebszeiten gehabt. Zuvor habe er davon ausgehen können und müssen, dass die Nutzungen auch nach 22.00 Uhr von der entsprechenden Baugenehmigung gedeckt seien.
14Der Kläger hat zunächst beantragt,
15die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.09.2013 zu verpflichten, mit bauaufsichtlichen Mitteln gegen den Betrieb des „Kurhauses“ auf dem Grundstück Q.---straße 26 in C. T4. einzuschreiten, soweit in dem Kurhaus nach 22.00 Uhr Veranstaltungen stattfinden, die zu auf das Grundstück des Klägers Q.---straße 1 in C. T4. einwirkenden Immissionen führen,
16hilfsweise,
17die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 13.06.2013 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Betrieb des Kurhauses in C. T4. , Q.---straße 26, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 23.09.2013 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
18Nach der Mitteilung der Betriebsaufgabe der Fa. K. H. & Co. KG und nachdem die Beklagte erklärt hatte, sie wolle das Kurhaus weiterhin in der bisherigen Art und Weise nutzen und dies auf Grundlage der Genehmigung vom 10.02.1989 tun, beantragt der Kläger nunmehr,
19festzustellen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe der Fa. K. H. & Co. KG verpflichtet gewesen ist, den Antrag des Klägers vom 13.06.2013 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Betrieb des Kurhauses in C. T4. , Q.---straße 26, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23.09.2013 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
20Im Übrigen hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
21Die Beklagte hat sich dieser (Teil-)Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt im Übrigen,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung führt sie vertiefend aus, dass auch die Nutzung nach 22.00 Uhr von der Baugenehmigung vom 10.02.1989 gedeckt sei. Dies sei Ergebnis der Auslegung nach § 133 BGB und der Würdigung der Bauvorlagen und der Angaben, die der Landesverband M. als damaliger Bauherr gemacht habe. Bereits die Bezeichnung als „Kurhaus“ deute auf eine Nutzung des Gebäudes als Mehrzweckgebäude hin. Zudem sei das Kurhaus in der Vergangenheit so genutzt worden, dass dort auch Abendveranstaltungen stattgefunden hätten, wie sich durch Zeitungsartikel und ähnliches belegen lasse. Auch die Bezeichnung in dem Bauantrag mit „Wiederaufbau und Instandsetzung des Kurhauses“ mache deutlich, dass es um eine „Wiederbelebung“ des Kurhauses in seiner bisherigen Tradition und Prägung gehe. Ebenso belege die bauliche Gestaltung, dass die Nutzung wie in der Vergangenheit erfolgen solle. Darüber hinaus gebe es neben der Betriebsbeschreibung eine „ergänzende Betriebsbeschreibung“, die ebenfalls Bestandteil der Baugenehmigung geworden sei und in der es unter Art der Nutzung u.a. heiße, „gesellschaftliche Veranstaltungen mit Tanz“ und „Großveranstaltungen, z.B. Bälle“. Daraus werde der Wille des Bauherrn deutlich, dass die auf dem Vordruck angegebene Betriebsbeschreibung und dort angegebenen Betriebszeiten allein auf die Betriebe des Kurhauses, die ständig als Schank- und Speisewirtschaften genutzt werden, gerichtet sei. Für die die in der „Betriebsbeschreibung/Art der Nutzung“ angegebene Nutzung habe hingegen die zeitliche Beschränkung nicht gelten sollen.
24Darüber hinaus habe der Kläger seinen etwaigen Anspruch auf behördliches Einschreiten verwirkt, denn dessen Geltendmachung verstoße gegen Treu und Glauben. Der Kläger sei bislang nicht gegen die Nutzung des Kurhauses nach 22.00 Uhr vorgegangen, obwohl ihm hätte bekannt sein müssen, dass diese erfolgten. Diese Untätigkeit seitens des Klägers habe ein Vertrauen bei ihr – der Beklagten – geschaffen, welches sie durch die Aufwendungen für Umbauten (für die Sanierung des Daches, für die Brandzentrale, für den Treppenlift, für die Erneuerung in der Küche und an den Kühlanlagen sowie für Baumaßnahmen an der Fassade und an der Schiebetür) betätigt habe.
25Anlässlich eines am 21.10.2014 durchgeführten Erörterungstermins hat der damalige Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen.
26Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Das Verfahren war in analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einzustellen, soweit es die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend hinsichtlich der Anträge auf Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten und auf Neubescheidung in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
29Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
30Die in der Umstellung vom Verpflichtungsantrag auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag liegende Klageänderung ist zulässig. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Zwar hat die Beklagte nicht ausdrücklich ihre Einwilligung in die Klageänderung erklärt. Diese wird aber nach § 91 Abs. 2 VwGO fingiert, weil die Beklagte sich, ohne der Klageänderung zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat. Überdies sieht die Kammer die Klageänderung als sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO an, weil sich der Klagegrund nicht wesentlich ändert und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert.
31Der nunmehr nur noch geltend gemachte Anspruch auf Feststellung, dass bis zur Betriebsaufgabe der Fa. K. H. & Co. KG ein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf bauaufsichtliche Einschreiten bestand, ist in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
32Vgl. zur analogen Anwendbarkeit in Verpflichtungssituationen BVerwG, Urteile vom 24.01.1992 – 7 C 24.91 –, juris, Rn. 7, und vom 29.04.1992 – 4 C 29.90 –, juris, Rn. 13 jeweils m.w.N.
33Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr. Denn es besteht die Möglichkeit, dass die Beklagte auch in Zukunft unter vergleichbaren Umständen ein bauaufsichtliches Einschreiten mit vergleichbaren Gründen ablehnt.
34Vgl. zur Wiederholungsgefahr Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage, 2015, § 113, Rn. 141 m.w.N.
35Die Beklagte hat erklärt, dass sie eine erneute Verpachtung des Kurhauses an einen schon mit einem konkreten Konzept vorstellig gewordenen Investor beabsichtigt, bei der das Kurhaus im vergleichbaren Umfang und Ausmaß genutzt werden solle. Insbesondere sollten auch weiterhin Veranstaltungen über 22.00 Uhr hinaus stattfinden. Dabei sei nicht unbedingt die Erteilung einer erneuten Baugenehmigung geplant, sondern die künftigen Nutzungen sollten weiterhin auf Grundlage der Baugenehmigung von 10.02.1989 erfolgen. Angesichts dieser Absichtserklärungen der Beklagten ist davon auszugehen, dass sie auch künftig Anträge des Klägers, die sich gegen zu laute Nachtveranstaltungen im Kurhaus richten, mit der gleichen Begründung wie bisher – die Baugenehmigung vom 10.02.1989 erlaube solche – ablehnen wird.
362. Die Klage ist auch in der Sache begründet. Die Ablehnung des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten mit Bescheid vom 23.09.2013 ist rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog. Der Kläger hatte vor der Beendigung der Nutzung des Kurhauses durch die Fa. K. H. & Co. KG einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags vom 13.06.2013 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nachtnutzungen des Kurhauses.
37Rechtsgrundlage hierfür ist § 61 Abs. 1 S. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – BauO NRW –. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Errichtung und Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Sie haben gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW in Wahrnehmung dieser Aufgabe nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
38Soweit Vorschriften des öffentlichen Baurechts betroffen sind, die unter anderen den Nachbarschutz dienen, müssen dabei auch die hierdurch erfassten Interessen des Nachbarn berücksichtigt werden. Daraus folgt der grundsätzliche Anspruch des Nachbarn, dass die Behörde über seinen Antrag auf Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände auf dem Nachbargrundstück ermessensfehlerfrei entscheidet.
39OVG NRW, Urteil vom 15.08.1995 – 11 A 850/92 –, juris Rn. 3, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 18.08.1960 – I C 42.59 –, juris Rn. 10.
40Von einer ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens im Sinne des § 40 VwVfG NRW kann aber insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht oder umgekehrt Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen wären.
41Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15.08.1995 – 11 A 850/92 –, juris Rn. 5, und vom 16.06.2015 – 11 A 1131/13 –, juris, Rn. 32; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 16. Auflage, 2015, § 40 Rn. 89.
42Die Behörde muss ihre Ermessensentscheidung unter korrekter Anwendung der einschlägigen Rechtsgrundlagen auf der Basis eines zutreffenden und im entscheidungserheblichen Umfang vollständig ermittelten Sachverhalts treffen.
43OVG NRW, Urteile vom 15.08.1995 – 11 A 850/92 –, juris Rn. 5, und vom 16.06.2015 – 11 A 1131/13 –, juris, Rn. 32.
44Diesen Anforderungen ist die Beklagte bei ihrer ablehnenden Ermessensentscheidung im Bescheid vom 23.09.2013 nicht gerecht geworden.
45Die Beklagte hat ihre ablehnende Entscheidung zu Unrecht allein darauf gestützt, dass die Baugenehmigung vom 10.02.1989 die beanstandeten Nutzungen nach 22.00 Uhr umfasst (a)). Sie hat entgegen der ihr obliegenden Sachaufklärungspflicht gemäß § 24 VwVfG NRW nicht weiter überprüft, ob die vom Kläger beanstandeten Nutzungen diesen als Nachbarn in seinen Rechten verletzen (b)). Auf Verwirkung der Rechte des Klägers oder die Pflicht des Gerichts die Sache „spruchreif“ zu machen, kann sie sich schließlich nicht berufen (c)).
46a) Die Baugenehmigung vom 10.02.1989 ließ keinen Betrieb des Kurhauses nach 22.00 Uhr zu. Regelungen zu einer derartigen Nutzung sind der Baugenehmigung vom 10.02.1989 nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen.
47Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erfordert das in § 37 Abs. 1 VwVfG NRW niedergelegte Bestimmtheitsgebot, dass sich Inhalt, Reichweite und Umfang der mit einer Baugenehmigung getroffenen Regelungen eindeutig erkennen lassen müssen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss der Baugenehmigung selbst gegebenenfalls durch Auslegung entnommen werden können. Dabei müssen die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des Erklärungsinhalts herangezogen werden.
48OVG NRW, Urteil vom 16.12.2014 – 7 A 2623/13 –, juris, Rn. 33 m.w.N.
49Hieran fehlt es. Denn die Baugenehmigung vom 10.02.1989 ist jedenfalls in sich widersprüchlich. Die angegebenen Betriebszeiten sehen eine Nutzung des Kurhauses nur bis 22.00 Uhr vor ((1)). Zugleich schließen aber die ebenfalls angegebenen Arten der im Kurhaus stattfindenden Nutzung bei lebensnaher Betrachtung eine Beschränkung auf Nutzungen bis 22.00 Uhr aus ((2)). Damit ist weder für den Betreiber noch die Nachbarn die Bandbreite der legalen Nutzungen zu erkennen ((3)).
50(1) Die Baugenehmigung vom 10.02.1989 gibt als Betriebszeiten 10.00 bis 22.00 Uhr an. Zwar macht die Baugenehmigung selbst keine Vorgaben zur zeitlichen Dauer der Nutzung des Kurhauses. Gegenstand der Baugenehmigung ist aber aufgrund des Grünstempels auch die Betriebsbeschreibung und deren Ergänzung „Betriebsbeschreibung / Art der Nutzungen“ geworden. Nach der vom Antragsteller gefertigten Betriebsbeschreibung soll der Betrieb zwischen 10.00 und 22.00 Uhr stattfinden. Dabei ist diese Betriebsbeschreibung – anders als die Beklagte meint – nicht nur auf den Betrieb der Gastronomie beschränkt zu verstehen, sondern erfasst den „gesamten“ Betrieb des Kurhauses. Denn in der Betriebsbeschreibung wird als Art des Betriebs angegeben: „Kurhaus mit Gastronomie“. Dadurch wird deutlich, dass die Betriebsbeschreibung auch die anderen im Kurhaus geplanten Nutzung mitumfasst und darstellen soll. Darüber hinaus wird die Zahl der insgesamt im Betrieb Beschäftigten mit 40 angegeben, was ebenfalls dagegen spricht, dass die Betriebsbeschreibung nur den im Vergleich zu den übrigen Nutzungsflächen kleinen gastronomischen Bereich erfassen soll.
51(2) Die sich demnach ergebende Beschränkung der Betriebszeiten auf 10.00 bis 22.00 Uhr steht indes im Widerspruch zu der Art und dem Umfang der in dem Gebäude des Kurhauses geplanten Nutzungen. Nach der maschinenschriftlichen Ergänzung „Betriebsbeschreibung / Art der Nutzungen“, die die beabsichtigten Nutzungen der einzelnen Räumlichkeiten des Kurhauses wiedergibt, sollen u.a., etwa im großen Saal, „gesellschaftliche Veranstaltungen mit Tanz“ und „Großveranstaltungen z.B. Bälle, …“ stattfinden. Es widerspricht indes der Lebenswirklichkeit, dass diese genannten Veranstaltungen lediglich im Zeitraum von 10.00 bis 22.00 Uhr stattfinden. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtung und unter Berücksichtigung der von der Beklagten dargestellten Historie des Kurhauses davon auszugehen, dass sie auch über 22.00 Uhr hinaus und damit außerhalb der in der Betriebsbeschreibung ausdrücklich angegebenen Betriebszeiten erfolgen.
52(3) Aufgrund dieses Widerspruchs zwischen den in der Betriebsbeschreibung angegebenen Betriebszeiten und den nach der „Art der Nutzung“ zu erwartenden Nutzungszeiten ist weder für den Betreiber noch die Nachbarn zu erkennen, welche Nutzungen, wie lange und in welchem Umfang nach der Baugenehmigung zugelassen und demnach von den Nachbarn zu dulden sind.
53b) Überdies hätte die Beklagte der Frage nach einem Verstoß gegen das in § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme, das allein planungsrechtlicher Maßstab für einen Nachbarschutz eines – so wie hier – außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstückseigentümers ist,
54vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55/07 –, juris, Rn. 6,
55weiter nachgehen müssen.
56Nach § 15 Abs. 1 S. 2 1. Fall, BauNVO ist ein Vorhaben unzulässig, wenn von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.
57Welche Anforderungen im Einzelnen an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
58Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.11.2012 – 4 C 8.11 –, juris, Rn. 16, und vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 –, juris, Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 19.04.2010 – 7 A 2362/07 –, juris, Rn. 63.
59Bei Lärmimmissionen wird für die Bestimmung der Zumutbarkeit der mit einem Vorhaben notwendigerweise verbundenen Immissionen für die Nachbarschaft in Bezug auf die Belange des Schallschutzes auf die Begriffsbestimmung und die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts zurückgegriffen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG – legt die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereiches allgemein fest.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.09.1983 – 4 C 74.78 –, juris, Rn. 5 und vom 23.09.1999 – 4 C 6.98 –, juris, Rn. 22; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar, Stand August 2015, § 34 Rn. 50b.
61Die Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots knüpft damit an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG an. Hierbei handelt es sich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen wird für Geräuschimmissionen, die durch gewerbliche Betriebe hervorgerufen werden, durch die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm – vom 26.08.1998 konkretisiert, der auch im gerichtlichen Verfahren bindende Wirkung zukommt und die grundsätzlich geeignet ist, das baurechtliche Rücksichtnahmegebot zu konkretisieren.
62Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18.02.2013 – 2 A 2135/11 – , juris, Rn. 52 ff., vom 12.11.2003 – 7 A 3663/99 –, juris, Rn. 113 ff., und vom 18.11.2002 – 7 A 2127/00 –, juris, Rn. 18 ff. jeweils m.w.N.; s.a. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 – 4 C 8.11 –, juris, Rn. 19.
63Nach Nr. 3.2.1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet, wobei die Immissionsrichtwerte nach der – entsprechend der Baunutzungsverordnung einzustufenden – Gebietsart variieren.
64Das Grundstück des Klägers liegt in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet „Kur“ i.S.d. § 11 Abs. 2 BauNVO. Das Grundstück, auf dem sich das Kurhaus befindet, liegt zwar nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, ist aber aufgrund der dort befindlichen Nutzungen – Kurhaus, L. , Konzerthalle – nach § 34 Abs. 2 BauGB als faktisches L1. einzustufen, so dass auch dort die für Kurgebiete maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 45 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts gelten.
65Ob die nächtliche Nutzung des Kurhauses diesen Immissionsrichtwert von 35 dB(A) nachts einhält, hätte weiterer Aufklärung durch die Beklagte bedurft. Eine Prüfung, ob und wie weit die Nutzungen den ggf. von der Baugenehmigung gesetzten Rahmen überschreiten, hat sie nicht vorgenommen. Dies hätte indes nahe gelegen. Denn selbst wenn die Baugenehmigung Nutzungen nach 22.00 Uhr zulassen sollte, wäre deren Grenze mangels gegenteiliger Angaben in der Baugenehmigung die (materiellen) Vorgaben der TA-Lärm; d.h. Immissionen wären nur bis zu dem Richtwert von 35 dB(A) nachts zulässig. Die vom Kläger in der anlässlich des Antrags vom 13.06.2013 erfolgten Korrespondenz geschilderten Vorfälle und die örtliche Situation lassen eine Überschreitung dieses Richtwerts am Gebäude des Klägers hinreichend wahrscheinlich erscheinen. Der Kläger schilderte Veranstaltungen bis nachts um 4.00 bzw. 4.30 Uhr, bei denen bei zeitweilig geöffneten Fenstern laute Musik gespielt worden sei und sich vor dem Gebäude Gäste versammelt hätten, die sich rege und laut unterhalten hätten. Hinzu kommt, dass zwischen dem Kurhaus und dem Hotelgebäude des Klägers gerade einmal ungefähr 20 m liegen und das Störpotenzial der Lärmimmissionen auch in ihrer Informationshaltigkeit liegt.
66c) Die Beklagte war von der ihr obliegenden Sachaufklärungspflicht auch nicht wegen einer Verwirkung des klägerischen Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten enthoben. Denn Verwirkung ist nicht eingetreten.
67Der Anspruch eines Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein ihn in seinen subjektiven Rechten verletzendes Vorhaben ist verwirkt, wenn die Geltendmachung dieses Anspruchs durch den Nachbarn objektiv gegen Treu und Glauben verstößt. Jede Verwirkung setzt – erstens – das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts (sog. Zeitmoment) und – zweitens – besondere Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Dabei lassen sich hinsichtlich der „längeren Zeit“, während der ein Recht nicht ausgeübt worden ist, obwohl dies dem Berechtigten möglich gewesen wäre, grundsätzlich keine allgemein gültigen Bemessungskriterien benennen. Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, juris, Rn. 22, und Beschluss vom 16.04.2002 – 4 B 8.02 –, juris, Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 10.10.2012 – 2 B 1090/12 –, juris, Rn. 8.
69Die Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums verstößt ins-besondere dann gegen Treu und Glauben, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten, das auch in einer Untätigkeit liegen kann, darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, juris, Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 10.10.2012 – 2 B 1090/12 –, juris, Rn. 10, und vom 10.06.2005 – 10 A 3664/03 –, juris, Rn. 9.
71Nach diesen Maßstäben wären etwaige Abwehransprüche des Klägers nicht verwirkt. Zwar mag das erforderliche Zeitmoment gegeben sein. Der Kläger hatte bereits seit längerer Zeit Kenntnis von der Nutzung des Kurhauses auch nach 22.00 Uhr. Nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen der Beteiligten fanden im Kurhaus bereits seit 1989, d.h. zu der Zeit, als der Kläger das Kurhotel auf seinem Grundstück übernahm, Abend- und Nachtveranstaltungen statt. Es fehlt aber an dem erforderlichen Umstandsmoment. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger bei der Beklagten eine Vertrauensgrundlage geschaffen hat, indem er sich nicht früher gegen die Nachtnutzungen des Kurhauses gewehrt hat. Denn es fehlt jedenfalls an einem dadurch geschaffenen Vertrauenstatbestand. Die Beklagte hat kein Vertrauen in den bisherigen Bestand begründet. Im Streit stand hier nur die Nutzung des Kurhauses nach 22.00 Uhr, nicht der sonstige Betrieb des Kurhauses. Insoweit trägt der Einwand der Beklagten, sie habe im Vertrauen auf den Bestand des bisherigen Zustands Aufwendungen für den Umbau und Unterhalt des Kurhauses getätigt, nicht. Die im Einzelnen geschilderten Aufwendungen – für die Sanierung des Daches, für die Brandzentrale, für den Treppenlift, für Erneuerung in der Küche und an den Kühlanlagen sowie für Baumaßnahmen an der Fassade und an der Schiebetür – dienten dem Erhalt und Betrieb des Kurhauses insgesamt und lassen sich nicht nur der Nutzung nach 22.00 Uhr zuordnen. Es ist auch weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sie diese Aufwendungen unterlassen hätte, hätte der Kläger sich früher gegen die Nutzung des Kurhauses nach 22.00 Uhr gewehrt.
72Die Kammer war auch nicht verpflichtet, diese Sachverhaltsermittlungen für die Beklagte vorzunehmen und so die Sache spruchreif zu machen. Nach dem für Bau- und immissionsrechtliche Genehmigungen geltendem Grundsatz vom „stecken gebliebenen“ Genehmigungsverfahren, entfällt die Verpflichtung des Gerichts, die Spruchreife herbeizuführen, wenn ansonsten im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen erstmals im gerichtlichen Verfahren erschöpfend geprüft werden müssten.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.1989 – 4 C 52.87 –, juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteile vom 15.06.2012 – 2 A 2630/10 –, juris, Rn. 134, und vom 19.06.2007 – 8 A 2357/08 – juris, Rn. 208.
74Dieser Grundsatz findet auch für den hier zu beurteilenden Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten Anwendung. Die Beantwortung der Frage, ob von den streitgegenständlichen Nachtnutzungen für den Kläger unzumutbare Lärmimmissionen hervorgerufen werden, erfordert weitergehende Ermittlungsmaßnahmen, zu denen auch eine schalltechnischen Begutachtung gehören kann.
75Die einheitliche Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO. Soweit das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt wurde, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Billigkeit, den Beteiligten die Kosten jeweils anteilig aufzuerlegen, weil der Kläger mit seinen ursprünglichen Klageanträgen voraussichtlich teils obsiegt und teils unterlegen gewesen wäre. Sein Verpflichtungsantrag wäre mangels Spruchreife wohl ohne Erfolg geblieben, während sein Bescheidungsantrag aus den zuvor geschilderten Gründen wohl erfolgreich gewesen wäre. Soweit über die Klage in der Sache entschieden wurde, ergibt sich die Kostenfolge aus dem Unterliegen der Beklagten.
76Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.
(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.
(3)
- 1.
Einkaufszentren, - 2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, - 3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.