Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 24. Okt. 2013 - 9 B 273/13

ECLI: ECLI:DE:VGMAGDE:2013:1024.9B273.13.0A
published on 24/10/2013 00:00
Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 24. Okt. 2013 - 9 B 273/13
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Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens.

2

Die Antragsgegnerin betreibt in ihrem Gemeindegebiet die kommunalen Kindertagesstätten „M...“ im Ortsteil S... sowie „R...“ im Ortsteil K.... Am 21.02.2012 fasste sie folgenden Beschluss:

3

Der Gemeinderat beschließt als Grundsatz, die Übertragung der Kindertagesstätten der Gemeinde A-Stadt in freie Trägerschaft zu untersuchen und beauftragt die Verwaltung auf der Grundlage des § 9 Abs. 3 KiFöG, das für die Übertragung der Kindereinrichtungen an freie Träger erforderliche Verfahren zu erarbeiten.

4

Zu diesem Zwecke wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die unter anderem ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren durchführte und am 07.07.2012 eine Trägerbörse veranstaltete, an der sich 5 freie Träger beteiligten.

5

Die Beschlussvorlage vom 14.08.2012 (BV/042/2012) für die Gemeinderatssitzung am 16.10.2012 sah die Beschlussfassung dahingehend vor, dass der Gemeinderat die Übertragung der Kindertagesstätten an den anerkannten Träger der freien Jugendhilfe „Kinderzentren K…“ beschließen möge. Aus der Begründung der Beschlussvorlage ergibt sich, dass die Übertragung an den freien Träger „Kinderzentren K…“ das Ergebnis der eingesetzten Arbeitsgruppe sei.

6

Entgegen der Beschlussvorlage fasste der Gemeinderat in der Sitzung vom 16.10.2012 folgenden Beschluss (BV/042/2012):

7

Der Gemeinderat beschließt die Übertragung der Kindertagesstätten der Gemeinde A-Stadt an einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe.

8

In der Begründung ist ausgeführt, dass auf Antrag in der Gemeinderatssitzung am 16.10.2012 die ursprüngliche Beschlussvorlage vom 14.08.2012 dahingehend mit nachfolgender Begründung geändert werde, dass hier nur über die grundsätzliche Übertragung der Kindertagesstätten an einen freien Träger entschieden werde. In einem späteren zweiten Schritt solle dann über den eigentlichen Träger entschieden werden. Erörterungen und Aussprachen in den örtlichen Gremien und Ausschüssen hätten gezeigt, dass zu einzelnen Fragen, Bewertungskriterien und Argumenten noch Diskussionsbedarf vor einer endgültigen Übertragungsentscheidung bestehe.

9

Am 16.04.2013 fasste der Gemeinderat - bei zuvor erfolgter namentlicher Abstimmung über den Antrag, der Übertragung auf den freien Träger „Kinderzentren K…“ - folgenden Beschluss (BV 088/2013/1):

10

Der Gemeinderat beschließt die Übertragung der beiden Kindertagesstätten der Gemeinde A-Stadt an den folgenden anerkannten Träger der freien Jugendhilfe:

11

           Europäisches Bildungswerk …

12

Die Übertragung soll zum 01.08.2013 erfolgen.

13

Der Begründung ist zu entnehmen, am 16.10.2012 habe der Gemeinderat beschlossen, die Kindertageseinrichtungen der Gemeinde A-Stadt in eine freie Trägerschaft zu überführen. Unter Berücksichtigung der Bewerber sowie der für bedeutsam gehaltenen Kriterien habe man sich für den festgestellten Bewerber entschlossen. Dies berücksichtige auch den Willen der Elternschaft, der Einrichtungsleitungen sowie des Personalrates, die sich sowohl mit einem anderen Bewerber als auch mit dem festgestellten Bewerber als Alternativlösung einverstanden erklärt hätten. Dabei sind Wirtschaftlichkeitsaspekte auf Grund der Haushaltslage der Gemeinde und regionale Nähe des Trägers besonders berücksichtigt worden. Der Beschlussvorlage BV 088/2013/1 war sowohl eine Übersicht über die Entscheidungskriterien sowie ihre Beurteilung als auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beigefügt. Als Entscheidungskriterium wurde neben den Empfehlungen von Personal und Eltern, dem Trägerkonzept u. a. die Wirtschaftlichkeit/Kosten herangezogen und diesen Kriterien eine Wertigkeit (in Punkten) zugeordnet. Aus den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ergibt sich u. a., dass insbesondere wegen der unterschiedlichen Personalkosten der freien Träger, die ca. 85 – 92 % der Gesamtkosten einer Kindertagesstätte ausmachten, mit einer Übertragung auf den freien Träger „Kinderzentren K...“ eine Ersparnis im Vergleich zur gemeindlichen Trägerschaft von ca. ca. 10.000,00 Euro und bei der Übertragung auf den Träger „Europäisches Bildungswerk B… eine solche in Höhe von 114.000,00 Euro einhergehe.

14

In der Folgezeit führten die Antragsteller zu 1. und 2. ein Bürgerbegehren durch. Dabei wurde folgende Frage zum Bürgerentscheid gestellt:

15

Wollen Sie, dass die Kindertagesstätten „M...“ und „R...“ an den Träger Kinderzentrum K... e. V. übertragen werden?

16

Der Frage ist folgende Begründung beigefügt:

17

Mit der Vergabe der Kitas an das „Europäische Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft“ hat sich der Gemeinderat gegen die Meinung der Eltern, des Personals sowie aller kritischen Stimmen von Bürgern und relevanten Ortschaftsräten entschieden. Das Europäische Bildungswerk bildet im Zusammenhang mit der Arbeitsagentur massenhaft Erwachsene aus und hat keine Erfahrung mit Kindererziehung. Der von allen gewünschte Träger „Kinderzentrum K... e.V.“ ist erfahren und anerkannt für seine pädagogische Qualität. Da er angemessene Arbeitsbedingungen bietet und Tariflöhne zahlt, ist die Qualität der Betreuung langfristig gesichert. Mit dem Europäischen Bildungswerk werden dagegen Kitas zu Ausbildungsstätten zweckentfremdet und über Gehaltskürzung wird die Qualität der Kinderbetreuung sinken. Bei Kindern spart eine Gemeinde an der falschen Stelle. Entscheidungen von dieser Tragweite sollten von den Bürgern unserer Gemeinde getroffen werden!

18

Die Antragsteller zu 1. und 2. reichten das von 1.418 wahlberechtigten Bürgern unterzeichnete Bürgerbegehren am 28.05.2013 schriftlich bei der Antragsgegnerin ein. Unstreitig sind davon mindestens 1.366 Stimmen gültig.

19

Am 16.07.2013 stellte der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens fest. Zwar sei das Bürgerbegehren innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2 Satz 1 GO LSA eingereicht und auch mit der hierzu erforderlichen Anzahl von Unterschriften der wahlberechtigten Bürger versehen. Mit dem Bürgerbegehren werde jedoch keine wichtige Gemeindeangelegenheit im Sinne von § 26 Abs. 2 GO LSA behandelt. Denn mit der Übertragung der gemeindlichen Kindertagesstätteneinrichtungen in freie Trägerschaft erfolge keine Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung, wie dies von § 26 Abs. 2 Nr. 1 GO LSA für die Durchführung eines Bürgerbegehrens für erforderlich gehalten werde. Die Kindertageseinrichtungen werden auch zukünftig als öffentliche Einrichtungen betrieben. Mit dem freien Träger werde ein Vertrag zur Betriebsführung der Einrichtung geschlossen. Dieser trete gegenüber der Gemeinde als Verwaltungshelfer auf. Der freie Träger werde in wesentlichen Punkten über die zu schließenden Vereinbarungen in seinem Handeln gebunden. Der Betriebsführungsvertrag regele maßgebliche Punkte wie den Personaleinsatz, die Personalvergütung, die Durchführung von Investitionen, das pädagogische Konzept, der Umfang der Kostenerstattung und die Erhebung von öffentlich rechtlichen Elternbeiträgen, so dass die Gemeinde maßgeblichen Einfluss auf die Einrichtung habe. Bei der Auswahl des freien Trägers handele es sich auch nicht um eine wichtige Gemeindeangelegenheit im Sinne von § 26 Abs. 2 Ziff. 4 GO LSA. Denn die Trägerauswahl sei eine, in ihrer Gewichtigkeit den im Gesetz explizit aufgeführten Angelegenheiten vergleichbare. Der Beschluss der Antragsgegnerin vom 16.07.2013 wurde im Amtsblatt für den Landkreis … vom 14.08.2013 bekannt gemacht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.08.2013 legten die Antragsteller gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 16.07.2013 Widerspruch ein.

20

Am 16.09.2013 haben die Antragsteller beim Gericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, das Bürgerbegehren sei formell und materiell zulässig. So sei das nach § 25 Abs. 2 GO LSA erforderliche Quorum gewahrt. Das schriftliche eingereichte Bürgerbegehren, das mit den Antragstellern zu 1. und 2. zwei Personen genannt habe, die berechtigt seien, die Unterzeichner zu vertreten, enthalte eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Fragestellung, die zum Gegenstand des Bürgerentscheid gemacht werden solle. Es enthalte auch eine ausreichende Begründung sowie unter Berücksichtigung seiner Kostenneutralität einen ausreichenden Kostendeckungsvorschlag. Innerhalb der letzten drei Jahre sei ein Bürgerentscheid aufgrund eines Bürgerbegehrens zu der gleichen Frage auch nicht durchgeführt worden.

21

Der Gegenstand des Bürgerbegehens betreffe auch eine wichtige Gemeindeangelegenheit. Denn die Antragsgegnerin beabsichtige die Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung, die den Einwohnern zu dienen bestimmt sei. Unstreitig betreibe die Antragsgegnerin die Kindertageseinrichtungen „M...“ und „R...“ als von ihr gewidmete öffentliche Einrichtungen. Der freie Träger sei mit der Übertragung der Kindertagesstätteneinrichtungen auch nicht lediglich Verwaltungshelfer der Gemeinde, sondern betreibe diese Einrichtungen in alleiniger Verantwortung und im alleinigen Namen. Dafür spreche auch das von der Antragsgegnerin durchgeführte Übertragungsverfahren nach dem Kinderförderungsgesetz. Freie Träger seien auch keine beliehenen Unternehmer, weil sie über die Aufgabe hinaus nicht zusätzlich das Recht zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse erhalten würden. Zudem sei eine vertragliche Gestaltung, wie von der Antragsgegnerin nunmehr geltend gemacht, gar nicht beabsichtigt. Diese widerspreche dem Arbeitsauftrag des Gemeinderates hinsichtlich der Übertragung der Kindertagesstätten an einen freien Träger. Allein der Umstand, dass die Kindertageseinrichtungen auch nach ihrer Überführung in die freie Trägerschaft dem Wohl der Einwohner der Gemeinde zu dienen bestimmt seien, sei unbeachtlich, da wohl die Gemeinde als auch der freie Träger den Betrieb der Kindertagesstätten stets in diesem Sinne auszuführen hätten. Anders als bei einer öffentlich rechtlichen Trägerschaft seien die Rechtsbeziehungen zu einem freien Träger privatrechtlich geprägt.

22

Sofern die Antragsgegnerin sich nunmehr darauf beruft, seinem Inhalt nach sei das Bürgerbegehren gar nicht gegen die Aufhebung der öffentlichen Einrichtungen gerichtet, sondern vielmehr allein auf die Frage der Trägerauswahl beschränkt, könne dem nicht gefolgt werden. Denn die Bürgerbeteiligung zur Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung als wichtige Gemeindeangelegenheit sei nicht nur einer Fragestellung nach dem Pro und Contra der öffentlichen Einrichtung zugänglich. Die Regelungen in der Gemeindeordnung würden es dabei nicht ausschließen, dass anstelle einer Frage, ob die Einrichtung überhaupt an einen freien Träger übertragen werden solle oder nicht, eben gerade auch gefragt werden könne, ob die Kindertagesstätten an den einen oder eben den anderen freien Träger übertragen werden sollen. Dem so auszulegenden Bürgerbegehren stehe auch der Beschluss des Gemeinderates vom 16.10.2012 nicht entgegen, da mit dem vom Bürgerbegehren erfassten Beschluss vom 16.04.2013 dieser konkretisierend wiederholt werde. Solche Beschlüsse könnten nach dem Sinn und Zweck der Regelungen über das Bürgerbegehren ihrer Kassation nicht entzogen werden.

23

Zudem handele es sich bei dem Bürgerbegehren um eine andere wichtige Gemeindeangelegenheit im Sinne von § 26 Abs. 2 Ziff. 4 GO LSA. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der grundrechtlichen Relevanz des gemeindlichen Handelns. Auch sei eine Vielzahl von Gemeindeeinwohnern von dieser Frage betroffen. Zudem handele es sich bei der Übertragung auf einen freien Träger um eine Dienstleistungskonzession, die den Grundsätzen des EG-Vertrages unterliege.

24

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe auch ein Anordnungsgrund, da die Antragsgegnerin beabsichtige, am 10.11.2013 mit dem freien Träger die entsprechenden Verträge abzuschließen. Von dem beabsichtigten Betriebsübergang habe die Antragsgegnerin die Beschäftigten mit Schreiben vom 18.09.2013 noch mal in Kenntnis gesetzt.

25

Die Antragsteller beantragen,

26

vorläufig festzustellen, dass das von den Antragstellern unterzeichnete Bürgerbegehren zur Übertragung der Kindertagesstätten „M...“ im Ortsteil S... und „R...“ im Ortsteil K... der Antragsgegnerin zulässig ist.

27

Die Antragsgegnerin beantragt,

28

den Antrag abzulehnen.

29

Zur Begründung führt sie aus, die Kindertagesstätten „M...“ und „R...“ würden auch zukünftig als öffentliche Einrichtung betrieben werden. Dies ergebe sich unzweifelhaft aus der Satzung über die Benutzung der Tageseinrichtungen der Gemeinde A-Stadt und über die Erhebung von Gebühren als Kostenbeitrag (Kita-Satzung) vom 16.07.2013. Die Einrichtungen würden folglich nicht an einem Dritten übertragen. Vielmehr bediene sich die Gemeinde eines Verwaltungshelfers. Der freie Träger sei im Wesentlichen Punkten über die zu schließenden Vereinbarungen in seinem Handeln gebunden. Insofern werde auf die vorgelegten Entwürfe des Überlassungsvertrages sowie des Vertrages zur Betriebsführung der Kindertagesstätte verwiesen. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stehe zudem entgegen, dass sich das Bürgerbegehren gar nicht gegen die Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne der Gemeindeordnung richte. Vielmehr solle allein die Frage danach, an welchen freien Träger die Einrichtungen übertragen werden sollen, zum Gegenstand eines Bürgerbescheids gemacht werden. Die grundsätzliche Frage nach der Übertragung an einen freien Träger hätte schon deshalb nicht mehr zum Gegenstand eines Bürgerbegehrens gemacht werden können, weil der Gemeinderat darüber bereits am 16.10.2012 abschließend entschieden habe.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Diese war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

31

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

32

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

33

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt danach grundsätzlich auch in einem streitigen Rechtsverhältnis bezüglich der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens in Betracht. Da nach § 25 Abs. 5 GO LSA nur ein für zulässig erklärtes Bürgerbegehren die Sperrwirkung entfaltet, d. h. dem Begehren entgegenstehende Entscheidungen der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug derartiger Entscheidungen nicht mehr begonnen werden darf, kann Rechtsschutz auch in der Weise gewährt werden, dass vorläufig, nämlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens in der Hauptsache, das Bürgerbegehren für zulässig erklärt wird. Rechtsschutz kann jedoch auch gegen den konkreten Vollzug des Gemeinderatsbeschlusses gewährt werden. Im Wege einer einstweiligen Anordnung ist die Verpflichtung zur Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens bzw. der Untersagung des Vollzuges jedoch nur zu bejahen, wenn die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens überwiegend wahrscheinlich und eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen ist (vgl. u. a. SächsOVG, B. v. 02.10.2013, 4 B 369/13; OVG Münster, B. v. 01.08.2013, 15 B 584/13; OVG Baden-Württemberg, B. v. 27.04.2010, 1 S 2810/09; HessVGH, B. v. 18.03.2009, 8 B 528/96, alle juris).

34

Keine Bedenken hat das Gericht vorliegend in Ansehung von §§ 25 Abs. 6 i. V. m. 24 Abs. 6 GO LSA an der Antragsbefugnis der Antragsteller, da sie unstreitig Mitunterzeichner des Bürgerbegehrens sind. Der Antrag ist auch zu Recht gegen die Körperschaft und nicht gegen den Gemeinderat der Gemeinde A-Stadt gerichtet (so noch VG Magdeburg, Urt. v. 12.05.2004, 9 A 458/03 MD, juris). Denn bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens handelt es sich um einen Verwaltungsakt, weil er Außenrechtsbeziehungen der Gemeinde zu Dritten schafft, weshalb Rechtsschutz dagegen im Wege der Verpflichtungsklage erlangbar ist (vgl. Wefelmeier in: Bluhm u. a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Kommentar, Stand Juli 2013, § 32 Rn. 133 m. w. N.). Dem steht auch nicht § 25 Abs. 4 Satz 1 GO LSA entgegen, wonach der Gemeinderat über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden hat. Denn dabei handelt es sich um die Zuweisung einer Organzuständigkeit innerhalb der Gemeinde (§ 35 GO LSA), der jedoch kein Einfluss auf die Beurteilung der rechtlichen Qualität des gemeindlichen Handelns zukommt (vgl. auch HessVGH, B. v. 17.11.2008, 8 B 1805/08, juris).

35

2. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn dem von ihnen verfolgten Begehren steht § 25 Abs. 2 Satz 4 GO LSA entgegen. Danach muss das Bürgerbegehren neben einer Begründung einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Dies ist hier nicht der Fall.

36

Dabei kann es dahinstehen, ob sich das Bürgerbegehren, wie nunmehr im gerichtlichen Verfahren von den Antragstellern geltend gemacht, gegen die Aufhebung der Kindertagesstätten „M...“ im Ortsteil S... sowie „R...“ im Ortsteil K... als öffentliche Einrichtung oder ob es ausweislich des Wortlautes der Frage (§ 25 Abs. 2 Satz 3 GO LSA) und seiner Begründung (§ 25 Abs. 2 Satz 4 GO LSA) allein auf dieAuswahl eines anderen als den von dem Gemeinderat bestimmten Träger richtet. Denn in beiden Fällen - die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bürgerbegehren im Übrigen unterstellt - ist ein Kostendeckungsvorschlag nicht entbehrlich.

37

2.1. Zur Rechtsbefriedung weist das Gericht jedoch auf folgendes hin:

38

2.1.1. Gewichtiges spricht dafür, dass sich das Bürgerbegehren ausschließlich gegen den vom Gemeinderat bestimmten Träger richtet. Der Gegenstand eines Bürgerbegehrens muss sich zwingend aus der zu stellenden Frage und der beizufügenden Begründung ergeben und unterliegt nicht einer nachträglichen Deutungshoheit im gerichtlichen Verfahren. Denn die Fragestellung ist für das Bürgerbegehren deshalb von tragender Bedeutung, weil die Bürger wissen müssen, für was sie ihre Stimme abgeben (OVG Lüneburg, B. v. 07.05.2009, 10 ME 277/08, juris). Vorliegend ist die Frage unzweifelhaft auf die Frage nach der Person des Trägers gerichtet. Mit keinem Wort wird dagegen die nunmehr von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller - wohl wegen § 26 Abs. 2 Ziffer 1 GO LSA - in den Mittelpunkt der Ausführungen gerückte Frage nach dem Verbleib der Kindereinrichtungen in der Trägerschaft der Gemeinde auch nur erwähnt. Gleiches gilt für die dem Bürgerbegehren beigefügte Begründung, die die „Vorzüge“ des Trägers „Kinderzentren K...“ herausstellt.

39

Nicht unerwähnt lassen will die Kammer in diesem Zusammenhang jedoch, dass einem Bürgerbegehren in dem nunmehr von den Antragstellern verstandenen Sinne wohl aller Voraussicht nach § 25 Abs. 2 Satz 5 GO LSA entgegen gestanden hätte. Danach muss ein Bürgerbegehren dann, wenn es sich gegen einen Beschluss des Gemeinderates richtet, innerhalb von sechs Wochen nach der ortsüblichen Bekanntgabe des Beschluss (dazu VG Magdeburg, B. v. 18.11.2008, 9 B 246/08 MD, n. v.) eingereicht werden. Nur dann, wenn bereits „bürgerbescheidsfeste“ Bestandteile durch einen Folgebeschluss des Gemeinderates erneut zur Disposition gestellt werden, ist ein Bürgerbegehren auch noch gegen diesen Beschluss zulässig (dazu zusammenfassend VG Magdeburg, Urt. v. 30.10.2012, 9 A 235/11 MD, juris). Vorliegend war die Frage der Übertragung auf einen freien Träger jedoch abschließend - mithin auch bürgerbescheidsfähig - am 16.10.2012 vom Gemeinderat beschlossen wurden. Die Verbindlichkeit ergibt sich nicht zuletzt aus dem Hergang der Sitzung vom 16.10.2012, in der der bereits auf eine konkrete Übertragungsentscheidung abzielenden Beschlussvorlage nicht gefolgt wurde, sondern allein ein Beschluss zur grundsätzlichen Übertragung der Kindertagesstätten auf einen freien Träger gefasst worden ist.

40

Aber auch der Wortlaut des Beschlusses und dessen Begründung lassen an dieser Bewertung keinerlei Zweifel. Diese Entscheidung wurde in der Gemeinderatssitzung am 16.04.2012 weder ansatzweise erneut diskutiert noch durch die Beschlussfassung „wiederholend“ bestätigt. Das Bürgerbehren - wie es die Antragsteller nun verstanden wissen wollen - hätte mithin ein „bereits bestelltes Feld“ (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.01.2003, 15 A 203/02, juris), nämlich die Frage nach der Übertragung an einen noch zu bestimmenden Träger, außerhalb der Sechs-Wochen-Frist des § 25 Abs. 2 Satz 5 GO LSA bearbeitet, was jedenfalls deshalb zu seiner Unzulässigkeit geführt hätte. Sofern die Antragsteller nunmehr vortragen, die Beurteilung der „wichtigen Gemeindeangelegenheit“ ergebe sich aus dem Gesetz und nicht nach der Fragestellung des Bürgerbegehrens, so vermag das Gericht dem nicht zuletzt deshalb nicht zu folgen, weil der Vollzug von § 25 Abs. 2 Satz 5 GO LSA dadurch nicht hinreichend gesetzessicher gewährleistet werden kann.

41

2.1.2. Dagegen wäre das für die Ablehnung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vom Gemeinderat in seinem Beschluss vom 13.07.2013 angeführte und im gerichtlichen Verfahren von der Antragsgegnerin bekräftigte Argument, es handele sich gar nicht um die Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 26 Abs. 2 Ziffer 1 GO LSA nicht tragfähig. Ohne darauf wegen seiner Entscheidungsunbeachtlichkeit im Einzelnen einzugehen, sprechen sowohl das durch den Beschluss des Gemeinderates vom 21.02.2012 ausgelöste konzeptionelle Vorgehen als auch die gesetzlich vorgesehenen Trägermodelle des § 9 Abs. 3 KiFöG zwingend dafür, dass die Übertragung der Kindertagesstätten auf einen freien Träger zur Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung führt. Auch der dem Gericht vorliegende Abschlussbericht der eingesetzten Arbeitsgruppe (vgl. B. 133 ff. GA) stellt als Nachteil der Übertragung auf einen freien Träger die mangelnde gemeindliche Einflussnahme auf Konzepte, Platzvergabe und Elternbeiträge heraus. Sofern sich die Antragsgegnerin darauf beruft, sie behalte sich durch die vertragliche Gestaltung hinreichend gewichtige Einflussmöglichkeiten auf den freien Träger vor, so ist dieser rechtliche Ansatz zwar tragfähig (vgl. SächsOVG, B. v. 24.09.2004, 5 BS 119/04, juris). Dass dieser auch in der Vertragsgestaltung, die dann wohl allein der durch den Gemeinderat zu verantwortenden Beschlusslage zuwider liefe, hinreichend umgesetzt wurde, vermag das Gericht insbesondere in Ansehung der mit Schriftsatz vom 14.10.2013 von der Antragsgegnerin vorgelegten Verträge jedoch gerade nicht zu erkennen. Allein ein Auskunftsrecht der Antragsgegnerin (§ 1 Abs. 2) vermag das Gericht dem Betriebsführungsvertrag zu entnehmen. Aber auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Kindertagesstätten in ihrer Satzung über die Benutzung der Tageseinrichtungen vom 16.07.2013 als öffentliche Einrichtungen deklariert, würde die Einrichtung bei einer nachfolgenden Übertragung an einen freien Träger nicht zu einer „gemeindlichen“ machen.

42

2.1.3. Im Lichte des vom Gericht bestimmten Inhalts, wäre das Bürgerbegehren jedoch aller Voraussicht nach im Sinne von § 26 Abs. 2 Ziffer 4 GO LSA zulässig gewesen. Wichtige - und damit bürgerentscheidsfähige - Gemeindeangelegenheiten (vgl. § 26 Abs. 1 GO LSA) sind neben den in § 26 Abs. 2 Ziffern 1 bis 3 GO LSA aufgezählten, nach Ziffer 4 auch andere, der Bedeutung der Nummern 1 bis 3 entsprechende Angelegenheiten der Gemeinde. Das Gericht neigt dazu, nicht allein aus dem Umstand, dass in Ziffer 1 in Bezug auf öffentliche Einrichtungen einer Gemeinde nur deren Errichtung, wesentliche Erweiterung und Aufhebung als wichtige Gemeindeangelegenheit aufgeführt ist, jegliche weitere Modalitäten im Zusammenhang mit einer öffentlichen Einrichtung von einem Bürgerbegehren auszuschließen. Denn handelt es sich bei den in Ziffern 1 bis 3 aufgezählten Angelegenheiten lediglich um Regelbeispiele (so Wiegand u. a., Kommunalverfassungsrecht Sachsen-Anhalt, Kommentar, Stand Juli 2013, § 26 Ziffer 2.2). So muss es ausgehend von dem in § 26 Abs. 1 GO LSA normierten Grundsatz der Bürgerentscheidsfähigkeit von wichtigen Gemeindeangelegenheiten rechtlich möglich sein, auch die Auswahl eines freien Trägers für eine (ehemalige) öffentliche Einrichtung der Bürgerentscheidung zu unterstellen. Dabei ist auf die konkreten Verhältnisse in der Gemeinde abzustellen (so schon OVG LSA, Urt. v. 19.10.2000, A 2 S 298/99, juris; Bennemann/ Hagemeier in: Bennemann u. a., Kommunalverfassungsrecht Hessen, Kommentar, Stand Juli 2013, § 8b S. 9). Hat die Maßnahme für die Gemeinde und ihre Bürger nachhaltige Auswirkungen, so ist von einer wichtigen Gemeindeangelegenheit auszugehen, die dann auch gleichwertig im Sinne von § 26 Abs. 2 Ziffer 4 GO LSA mit den in Ziffern 1 bis 3 aufgeführten (Regel-)Maßnahmen ist. Bei der Bestimmung des freien Trägers einer Kindertagesstätte in einer Gemeinde wie A-Stadt dürfte es sich nach Auffassung des Gerichts um eine wichtige Angelegenheit handeln; denn sowohl in zeitlicher als auch sachlicher Hinsicht hat sie nachhaltige Auswirkungen auf die Gemeinde und ihre Bürger. Dies u. a. deshalb, weil der freie Träger für eine beachtliche Dauer der kindlichen Entwicklung an die Stelle der Eltern tritt. Zudem können bei der Auswahl des zukünftigen freien Trägers häufig die Aspekte, von denen sich die Gemeinde bei ihrer Entscheidung leiten lässt, von anderem Gewicht sein, als bei den Bürgern. Es ist aber gerade Sinn und Zweck eines Bürgerbegehrens, auch diesen Aspekten Geltung zu verschaffen. In die Hand der Bürger soll es nämlich gelegt werden, in welchen Bereichen z. B. ausgabenintensiveres Verhalten für erforderlich gehalten wird und wo den Kosten in sachgerechter Weise das Primat bei der Aufgabenerledigung zuzuordnen ist. Aus diesem Grunde hat das Gericht Verständnis für das verfolgte Bürgerbegehren, kann sich jedoch über die für dessen Zulässigkeit rechtlich gebotenen Voraussetzungen nicht hinwegsetzen.

43

2.2. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens scheitert vorliegend jedoch an dem nach § 25 Abs. 2 Satz 5 GO LSA zwingend erforderlichen Kostendeckungsvorschlag. Dieser dient dem Zweck, den Bürgern in finanzieller Hinsicht die Tragweite und Konsequenzen der vorgeschlagenen Entscheidung deutlich zu machen, damit sie in ihrer Entscheidung auch die Verantwortung für die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Gemeindevermögen übernehmen können (so auch HessVGH, B. v. 18.03.2009, 8 B 528/09; VG Magdeburg, Urt. v. 12.05.2004, a. a. O., beide juris). Wie sich bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen lässt, gliedert sich der Kostendeckungsvorschlag in zwei notwendig zusammenhängende Bestandteile. Aus dem Bürgergehren müssen sich einerseits die mit der Sachentscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle ergeben; andererseits ist ein Vorschlag über die Kompensation derselben erforderlich (dazu OVG Lüneburg, B. v. 11.08.2008, 10 ME 204/08, juris). Denn es soll vermieden werden, dass ein Bürgerbegehren mit der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 GO LSA dreijährigen Verbindlichkeit eines endgültigen Beschlusses der Gemeindevertretung Maßnahmen beschließt, deren finanzielle Folgen für die Gemeinde nicht überschaubar und nicht finanzierbar sind. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag nicht überspannt werden, so dass überschlägige und geschätzte, aber schlüssige Angaben genügen, weil die Initiatoren eines Bürgerbegehrens regelmäßig nicht über das Fachwissen der Behörde verfügen (OVG Lüneburg, B. v. 11.08.2008, a. a. O.) und weil dieses plebiszitär-demokratische Element andernfalls weitgehend leerliefe. Daraus ergibt sich, dass der erforderliche Inhalt und Umfang eines Kostendeckungsvorschlags von der mit dem Bürgerbegehren konkret beabsichtigten Maßnahme davon abhängt, welches eigentliche Ziel das Bürgerbegehren nach Fragestellung und Begründung insbesondere auch nach dem objektiven Empfängerhorizont der Bürger verfolgt (HessVGH, B. v. 18.03.2009, a. a. O.).

44

Kosten der mit dem Bürgerbegehren erstrebten Maßnahme sind nicht nur die unmittelbaren Kosten, sondern auch zwangsläufige Folgekosten, der Verzicht auf Einnahmen und auch die Kosten einer begehrten Alternativmaßnahme (vgl. u. a. OVG Münster, B. v. 19.03.2004, 15 B 522/04 sowie v. 21.11.2007, 15 B 1879/07; OVG Schleswig-Holstein, B. v. 24.04.2006, 2 MB 10/06; VG Magdeburg, Urt. v. 12.05.2004, a. a. O., alle juris). Ein Kostendeckungsvorschlag ist danach bei einem kassatorischen Bürgerbegehren auch dann erforderlich, wenn die erstrebte Maßnahme für die Gemeinde mit höheren Kosten verbunden ist, als diejenige, die die Gemeinde beschlossen hat. Anders gewendet: Wird von den Bürgern eine andere Alternative als die beabsichtigte begehrt, so ist ein Vergleich zwischen den dafür jeweils entstehenden und vom Bürgerbegehren erkennbaren Kosten vorzunehmen (vgl. SächsOVG, 02.10.2013, a. a. O.; OVG Münster, B. v. 21.01.2008, 15 A 2697/07, juris). Eines Kostendeckungsvorschlages bedarf es in Ansehung des Normzwecks ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die begehrte Maßnahme keine Kosten verursacht oder offensichtlich die billigere Alternative zu einer von der Kommune beschlossenen Maßnahme darstellt (vgl. Wefelmeier in: Bluhm, a. a. O. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).

45

In Ansehung dessen bedurfte es vorliegend eines Kostendeckungsvorschlages, der dem Bürgerbegehren jedoch nicht zu entnehmen ist, was der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entgegen steht. Die Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die vom Bürgerbegehren - ungeachtet seiner Inhaltsbestimmung (siehe oben) - beabsichtigte (Alternativ-)Maßnahme höhere Kosten verursacht, als die Übertragung der Kindertagesstätten auf einen freien Träger bzw. auf den vom Gemeinderat bestimmten freien Träger. Denn wie sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergibt, bewirkt die Übertragung der Kindertagesstätten auf einen freien Träger in jedem Fall eine Ersparnis für die Antragsgegnerin. Dies ergibt sich nachvollziehbar aus dem Abschlussbericht der eingesetzten Arbeitsgruppe (Stand: 07.08.2012). Dieser geht von einem derzeit von der Gemeinde zu tragenden Defizit in Höhe von 945.841,08 € aus. Für den Fall eines Trägerwechsels sinkt das Defizit auf 936.070,20 € (Kinderzenten K...) bzw. 887.613,29 € (Europäisches Bildungswerk). Die Anlage zur Beschlussvorlage vom 16.04.2013 geht davon aus, dass mit der Übertragung auf den Träger „Kinderzentren K...“ eine Ersparnis in Höhe von ca. 10.000,00 Euro und auf den Träger „Europäisches Bildungswerk“ eine solche in Höhe von ca. 114.000,00 Euro einhergeht. Diese soll insbesondere aus den geringeren Personalkosten als bei einer gemeindlichen Trägerschaft resultieren. Dies ist nachvollziehbar, ohne dass das Gericht eine Wertung dahingehend verstanden wissen will, welche Bedeutung dem unter sozialethischen Aspekten beizumessen ist. Daraus ergibt sich jedoch die rechtliche Verpflichtung, dass mit der vom Bürgerbegehren angestrebten Variante der Übertragung auf „Kinderzentren K...“ auf die Gemeinde deshalb höhere Kosten zukommen, als bei der von ihr beschlossenen Maßnahme („Europäisches Bildungswerk“). Für diese Kosten muss die Gemeinde aufkommen, da sie nach § 11 Abs. 4 KiFöG einem freien Träger die für den Betrieb der Einrichtung notwendigen Kosten abzüglich der Elternbeiträge nach § 13 sowie eines Eigenanteils des Trägers von in der Regel 5 v. H. der Gesamtkosten zu erstatten hat, wobei für die Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit die Kosten maßgeblich sind, die die Leistungsverpflichtete selbst als Träger einer Tageseinrichtung aufzuwenden hätte.

46

Zu den Betriebskosten einer Einrichtung gehören dabei unzweifelhaft auch die Personalkosten (vgl. nur OVG LSA, Urt. v. 15.06.2011, 3 L 244/09, juris). Wie sich dies nach dem Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetz vom 23.01.2013 (GVBl. LSA S.38) am 01.08.2013 darstellt, ist unbeachtlich, da für die an den Kostendeckungsvorschlag zu stellenden rechtlichen Anforderungen auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Unterzeichnung/Einreichung des Bürgerbegehrens abzustellen ist (OVG Münster, B. v. 18.04.2012, 15 A 3047711, juris).

47

Die vorstehend bezeichneten Umstände konnten und durften auch dem Bürgerbegehren nicht verborgen bleiben. Jedenfalls durfte der Bürgerschaft durch das - wenn auch unbewusste Weglassen – nicht der Eindruck vermittelt werden, als wenn die erstrebte Maßnahme kostenneutral sein wird oder gar niedrigere Kosten als die von der Antragsgegnerin beschlossene Variante verursachen wird. Ungeachtet der hinsichtlich der Ermittlung der Kosten an ein Bürgerbegehren zu stellenden Anforderungen, hatte bereits der Beschluss vom 16.04.2012 darauf hingewiesen, dass u. a. die Wirtschaftlichkeit des ausgewählten freien Trägers ein wesentliches Entscheidungskriterium für den Gemeinderat war, was sich auch aus den beigefügten Unterlagen ergab. Zudem waren die „finanziellen Vorteile“ der Übertragung schon im Beschluss des Gemeinderates vom 21.02.2012 ausdrücklich angesprochen, so dass sich die Relevanz dieser Aspekte auch für ein Bürgerbegehren stellen musste. Allein dass in der Begründung des hier vorliegenden Bürgerbegehrens darauf hingewiesen wird, bei Kindern solle die Gemeinde nicht sparen, genügt den Anforderungen an einen Kostendeckungsvorschlag jedenfalls nicht (vgl. HessVGH, B. v. 23.11.1995, 6 TG 3539/95, juris).

48

Wegen des zwingend gesetzlich vorgesehenen Kostendeckungsvorschlages ist es dem Gericht rechtlich verwehrt, die (vorläufige) Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen. Die Entscheidung ist ungeachtet des Umstandes zu treffen, dass sich weder der Gemeinderat in seinem Beschluss vom 16.07.2013 noch die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren auf das Fehlen eines Kostendeckungsvorschlages berufen haben, wobei dahinstehen kann, ob aus dortiger Sicht (bereits) andere - ggf. gewichtigerer Gründe - gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sprachen oder diesem rechtlichen Aspekt nicht die notwendige Bedeutung beigemessen wurde.

49

Abschließend betont das Gericht, dass mit der Ablehnung der (vorläufigen) Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Form und Inhalt der vom Gemeinderat beschlossenen Übertragung der Trägerschaft nicht einer rechtlichen Überprüfung unterzogen wurden. Dies ist nicht Aufgabe des Gerichts.

III.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

51

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 und 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, S. 1327). Danach wird empfohlen, für Streitigkeiten um ein Bürgergehren, den gesetzlichen Auffangwert, der für solche Streitigkeiten gilt, in denen - wie hier - der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwertes bietet, und bei nur Vorläufigkeit der Regelung davon die Hälfte zugrunde zu legen; dieser Empfehlung folgt das Gericht.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas
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published on 27/04/2010 00:00

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2009 - 3 K 3443/09 - wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
published on 24/04/2006 00:00

Tenor Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 07. März 2006 geändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragstellerin tr
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.