Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 31. Mai 2017 - 8 B 245/17
Gericht
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.05.2017, mit welchem der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wegen der schweizerischen Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in die Schweiz angeordnet wurde. Der Eilantrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen, hat Erfolg. Denn der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass er an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leidet, welche der Abschiebung in die Schweiz entgegensteht.
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In der vorgelegten psychologischen Stellungnahme der Medi Care ZASt A-Stadt heißt es:
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"Befund: Herr A. wurde unter zu Hilfenahme des PTSS 10 am 02.05.2017 untersucht. Dort erreichte er einen Gesamtscore von 45 Punkten. Herr A. ist schwerst traumatisiert.
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[…]
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Diagnose: Eine ABS (F43.0) erschient in der Interpretation der Werte gesichert vorzuliegen, eine PTBS (F43.1) ist gesichert gegeben. Entsprechend der Exploration wird die erhöhte Schutzbedürftigkeit bei schwerer Erkrankung festgestellt. Es handelt sich um eine Erkrankung, deren Behandlung zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist."
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Demnach ist das Gericht davon überzeugt, dass der Antragsteller aufgrund seiner diagnostizierten und nachgewiesenen psychischen Erkrankung zu einem besonders schützenswerten Personenkreis gehört, der ohne vorherigen Nachweis der Behörden in der Schweiz zur Unterbringungs- und Versorgungssituation nicht dorthin verbracht werden dürfen. Dieser Nachweis liegt indes nicht vor. Leider setzt sich das Bundesamt trotz richterlicher Aufforderung nicht mit dem durch die psychologische Stellungnahme belegten Gesundheitszustandes des Antragsstellers auseinander, sondern macht nur allgemeine Ausführungen zu den – auch vom Gericht so gesehenen (vgl. nur: Beschluss v. 17.11.2016, 8 B 719/16 MD; juris) - nicht vorhandenen systemischen Mängeln in der Schweiz.
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Das Gericht geht mit der herrschen Meinung in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur: Urteil v. 17.02.2016, 8 A 51/16; Beschluss v. 09.03.2017, 8 B 127/17 MD; juris) davon aus, dass in einen Dublin-Staat nur die Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sind, wenn sie, weil ausschließlich auf staatliche Hilfe angewiesen, sich in einer besonderen Situation befinden (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12 (Tarakhel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 98; BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 732/14 -, juris; s. a. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 – juris, United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) and others of the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 - Rn. 62.). Dies gilt insbesondere im Fall der Betroffenheit von Kindern. Hierbei ist entscheidend auf ihre besondere Verletzlichkeit abzustellen, der der Vorrang gegenüber dem Gesichtspunkt ihres Status als illegaler Einwanderer einzuräumen ist (EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 99).
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Dies gilt nach der auszugsweise wiedergegebenen fachpsychologischen Stellungnahme auch für den Antragsteller. Danach liegt bei ihm eine PTBS (F43.1) gesichert vor. Entsprechend der Exploration wird die erhöhte Schutzbedürftigkeit bei schwerer Erkrankung festgestellt. Eine Behandlung ist zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich.
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Zur Überzeugung des Gerichts gebieten diese glaubhaften, fachpsychologisch bescheinigten und nachvollziehbaren Besonderheiten hinsichtlich des Gesundheitszustands des Antragstellers die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Im Falle einer unfreiwilligen Rückführung bestünden ernsthafte Gesundheitsgefahren für den Antragsteller.
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Demnach hat der Eilantrag Erfolg. Der Antragsteller muss die Sicherheit haben, nicht mit seiner Abschiebung rechnen zu müssen, damit sich sein Gesundheitszustand nicht verschlechtert und er die Chance auf eine effektive Behandlungsmöglichkeit hat, was nach den faktischen Verhältnisse wiederum nur in Deutschland der Fall sein dürfte.
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Dementsprechend dürfte auch im anhängigen Hauptsache-Klageverfahren (8 A 246/17 MD) positiv für den Antragsteller zu entscheiden sein. Demnach erlaubt sich das Gericht zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten den richterlichen Hinweis, dass das von der Beklagten vorzunehmende Prüfverfahren zum Selbsteintrittsrecht nicht erst nach Ablauf der Überstellungsfrist eingeleitet wird, sondern jetzt aufgrund dieser gerichtlichen Entscheidung.
Annotations
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
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ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
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ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.