Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 30. Sept. 2013 - 1 B 375/13
Gericht
Gründe
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Der Eilrechtschutzantrag hat keinen Erfolg.
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Rechtsgrundlage für die Ablehnung des in Deutschland gestellten Asylantrages ist § 27 a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Staaten, die an der Anwendung des Dublin-ll-VO teilnehmen, gleichzeitig auch sichere Drittstaaten im Sinne des § 26 a AsylVfG sind. Dies gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ohne Einschränkung, insbesondere auch ohne ansonsten erforderliche Prüfung, da diese sämtlich der GFK und der EMRK beigetreten sind und daher als Vertragsstaaten Art. 33 GFK und Art. 3 EMRK zu beachten und anzuwenden haben. Damit ist auf der Ebene der Verfassung eine Festlegung erfolgt, die einer Widerlegung grundsätzlich nicht zugänglich ist. Diese Regelung der sogenannten normativen Vergewisserung beruht auf dem Gedanken, dass ein politischer Flüchtling in dem ersten Staat um Schutz nachsuchen muss, in dem ihm dies möglich ist, und, falls es sich um einen sicheren Drittstaat handelt, ihm die Rückkehr dorthin zugemutet werden kann; dort hätte der Asylbewerber nämlich Schutz finden können. Folgerichtig können nach Art. 16 a Abs. 2 S. 3 GG aufenthaltsbeendende Maßnahmen dorthin sofort vollzogen werden, ohne dass die Gerichte dies in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren verhindern dürften und eine Prüfung der Sicherheit des Ausländers dort im Einzelfall nicht stattfindet (vgl. auch §§ 31 Abs. 6, 34 a Abs. 1 S. 2 AsylVfG), da der Ausländer alsbald und unabhängig von Rechtsmitteln in den sicheren Drittstaat zurückgeführt werden soll. Neben der Einhaltung von Art. 33 GFK und 3 EMRK ist inhaltlich zu fordern, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Drittstaat möglich sein muss, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Die Folge der Einreise aus einem sicheren Drittstaat ist, dass sich der Asylbewerber weder auf das Asylgrundrecht noch auf sonstige materielle Rechtspositionen gegen seine Abschiebung berufen kann, mit Ausnahme konkreter Gefahrenlagen, die im Drittstaat selbst drohen. Die eingeschränkte Prüfungspflicht und die Entscheidungsform des BAMF nach den §§ 27 a, 31 Abs. 6 AsylVfG sind daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr kann sich der Ausländer nur auf solche Umstände berufen, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berüchtigt werden können und damit von vornherein außerhalb seiner Grenzen liegen. Eine solche Ausnahmesituation kann u. a. in seltenen Fällen dann gegeben sein, wenn sich aus allgemein bekannten oder offenkundigen Umständen ergibt, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen Verpflichtungen nach den genannten Konventionen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgutes entledigen will. Dies ist für Ungarn nicht ersichtlich.
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Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt sieht die früheren Mängel des einschlägigen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung der sog. Dublin-Rückkehrer, durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen als in hinreichender Weise als abgestellt an (B. v. 31.05.2013 - 4 L 169/12 -). Dem schließt sich das Gericht an.
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Nach diesen Grundsätzen ist Ungarn für die Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrages des Antragstellers primär zuständig. Die ungarischen Behörden haben mit Schreiben vom 29.05.2013 gegenüber der Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-ll-VO erklärt.
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Hier ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen Asylantrag in Ungarn gestellt hat. Zwar hat er eigenen Angaben zufolge erklärt, in Ungarn keinen förmlich zu bearbeitenden keinen Asylantrag gestellt zu haben, doch spricht die Übernahmeerklärung der ungarischen Behörden mit Schreiben vom 29.05.2013 dafür, dass der Antragsteller in Ungarn um Asyl nachgesucht hat. Dass die ungarischen Behörden von sich aus „freiwillig“ ihre Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO anerkennen würden, ohne dass dafür tatsächlich ein rechtlicher Grund bestände ist nicht ersichtlich. Insofern dürfte das Vorbringen des Antragstellers eher von dem gewünschten Ergebnis getragen sein, nicht nach Ungarn zurückgeführt zu werden.
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Für Deutschland könnte sich nur eine sekundäre Zuständigkeit ergeben, wenn das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 S. 1, 2 Dublin-ll-VO ausgeübt werden müsste. Unabhängig davon, ob aus dieser Vorschrift ein Rechtsanspruch eines Asylbewerbers folgt und ggf. wie dieser ausgestaltet ist, kann die Rechtsfolgenseite nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen. Wenn nun zwar Tatbestandsvoraussetzungen in der Vorschrift selbst nicht genannt sind, so besteht doch nach den obigen Ausführungen weitgehend Übereinstimmung, dass insoweit ein Ausnahmefall vorliegen muss, der nach Sinn und Zweck der Dublin-ll-VO ein Abweichen von der regelmäßigen Zuständigkeitsbestimmung rechtfertigt. Ein solches Abweichen erscheint nicht begründet. Ein Anspruch auf Selbsteintritt könnte sich hier also allenfalls dann ergeben, wenn die (Rück-) Überstellung nach Ungarn aufgrund dort vorhandener Zustände gegen unionsrechtliche Grundrechtsverbürgerungen oder Menschenrechte verstoßen würde. Dies kann seitens des Gerichts unter Hinweis auf die bereits zitierte Rechtsprechung des OVG Sachsen - Anhalt aber nicht festgestellt werden.
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Die Rechtsgrundlage der weiter verfügten Abschiebungsanordnung nach Ungarn ergibt sich aus § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Soll danach der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a) abgeschoben werden, ordnet das BAMF die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Vorschrift begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Tatbestandsvoraussetzung ist also, dass die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages abschließend auf den betreffenden Mitgliedstaat übergegangen ist und der Abschiebung keine im Rahmen der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung relevanten Gründe - wie vorstehend ausgeführt - entgegenstehen. Nach diesen Grundsätzen konnte die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet werden, da dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig war und dieser Staat gemeinschaftsrechtlich zur (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers verpflichtet ist und diese Verpflichtung mit seinem an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben auch bestätigt hat. Es bestehen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn in zu beanstandender Weise nicht bereit oder nicht in der Lage wäre, die zitierten einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im wesentlichen Umfang einzuhalten und sich hierdurch eklatante und unzumutbare Missstände ergeben würden.
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Auch sonst ist gegen den angefochtenen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.
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Danach war das Eilrechtsschutzverfahren abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels Aussicht auf Erfolg des Rechtsschutzbegehrens abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.