Verwaltungsgericht Köln Urteil, 15. Juli 2014 - 7 K 3449/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.0000 in Kljutschi/Kasachstan geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines am 18.05.1977 in Almaty/Kasachstan geborenen Sohnes F. und seiner Familie, nämlich die am 00.00.0000 geborene zweite Ehefrau W. sowie die 1996, 2000 und 2007 geborenen Kinder E. (Sohn der Ehefrau aus erster Ehe, 2011 vom Sohn des Klägers adoptiert), W1. und B. , in den ihm unter dem 04.11.1996 erteilten Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG).
3Der Sohn des Klägers reiste bereits am 15.02.1997 – seinen Angaben zufolge mit einem Aufnahmebescheid aus eigenem Recht – gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau P. nach Deutschland ein. Von März 1997 bis August 1997 nahm er in Hauenstein/Pfalz an einem Sprachkurs teil, kehrte jedoch Ende Oktober 1997 nach Kasachstan zurück und lebt dort seit November 2000 in Almaty, wo er als Kraftfahrer tätig ist. In einer Erklärung über die Umstände seiner Rückkehr aus dem Jahre 2012 führte der Sohn des Klägers aus: Nach der Übersiedlung nach Deutschland im Februar 1997 habe seine damalige Ehefrau unter großem psychischen Druck gestanden. Sie habe sehr unter der Trennung von ihren Eltern gelitten und sich Sorgen um ihren kranken Vater gemacht. Das habe sie bewogen, Deutschland mit der gemeinsamen Tochter zu verlassen und nach Kasachstan zurückzukehren. Er habe sich entschlossen, ihnen zu folgen und seine damalige Frau zur Rückkehr zu bewegen. All den Sorgen habe die Ehe jedoch nicht standgehalten. Er habe vor dem Nichts gestanden und sei gezwungen gewesen, von Neuem zu beginnen. Bis heute sei er trotz seiner Arbeit auf elterliche Unterstützung angewiesen. Zudem verwies er auf die Schwierigkeiten des Lebens in Kasachstan.
4Mit Bescheid vom 22.10.2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt (BVA) den entsprechenden Antrag des Klägers ab. Der Sohn gehöre wegen der Rückkehr nicht mehr zum Personenkreis der im Herkunftsland verbliebenen Personen, die nachträglich in den erteilten Aufnahmebescheid einbezogen werden könnten.
5Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BVA mit Bescheid vom 02.05.2013 als unbegründet zurück. Sinn und Zweck der Einbeziehung wegen einer besonderen Härte sei es, Abkömmlingen und Ehegatten, die sich bei Aufnahme der Bezugsperson zunächst für einen Verbleib im Herkunftsgebiet entscheiden hätten, nachträglich die Einbeziehung zu ermöglichen, wenn dies wegen eines nach der Ausreise eingetretenen Härtefalls geboten sei. Diesem Personenkreis sei der Sohn des Klägers nach Einreise und anschließender Rückkehr in das Herkunftsgebiet nicht mehr zuzurechnen.
6Der Kläger hat am 05.06.2013 Klage erhoben. Für die Frage, ob ein Abkömmling im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ sei, komme es nicht darauf an, ob sich dieser durchgängig dort aufgehalten habe. Es entspreche gerade der Intention des Gesetzgebers, familiäre Härten auszugleichen.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2013 zu verpflichten, in seinen Aufnahmebescheid den Sohn F. , geb. 00.00.0000, sowie die Enkelsöhne E. , geb. 00.00.0000, W1. , geb. 00.00.0000, und B. , geb. 00.00.0000, einzubeziehen und die Ehefrau W. , geb. am 00.00.0000, in die Anlage zum Einbeziehungsbescheid einzutragen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Hinsichtlich der 2000 und 2007 geborenen Enkelkinder scheide eine nachträgliche Einbeziehung bereits deshalb aus, weil sie erst nach der Ausreise des Klägers geboren seien. Der Sohn des Klägers sei nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Denn von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in Deutschland oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls vorübergehende Aufenthalte, deren Dauer durch einen feststehenden Zeitpunkt eindeutig begrenzt sei. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich nicht derjenige auf eine Härte berufen könne, der sie durch zurechenbares Verhalten selbst herbeigeführt habe. Zudem sei ein Härtefall nicht schlüssig dargelegt. Die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsgebiet seien für sich genommen kein Härtefall im Sinne des Gesetzes. Die Einbeziehung des 1996 geborenen E. scheitere an § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG (a.F.), wonach eine Einbeziehung nur gemeinsam mit derjenigen der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils möglich sei.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des BVA Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die Klage ist nicht begründet.
15Der Bescheid des BVA vom 22.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn dieser hat keinen Anspruch auf Einbeziehung seines Sohnes und seiner Enkel in den mit Datum vom 04.11.1996 erteilten Aufnahmebescheid.
16Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG können – abweichend von der Regel einer Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung – im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge eines Spätaussiedlers nachträglich in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden, wenn die sonstigen Einbeziehungsvoraussetzungen vorliegen.
17Die Vorschrift ist ihrem ausdrücklichen Wortlaut gemäß auf Ehegatten und Abkömmlinge beschränkt, die im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Zu dieser Personengruppe zählt der Sohn des Klägers nicht. Denn er ist nicht in Kasachstan verblieben, sondern hat – wohl auf der Grundlage eines eigenen Aufnahmebescheides – das Aussiedlungsgebiet bereits 1997 verlassen und ist in die Bundesrepublik Deutschland in der Absicht dauernder Wohnsitznahme eingereist. Der Umstand, dass er aus familiären Gründen nach etwa einem halben Jahr nach Kasachstan zurückkehrte und dort bis heute „verblieb“ führt nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG vom 14.09.2013 hat der Gesetzgeber zwar die Anforderungen an eine nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen insoweit abgesenkt als ein Härtefall nicht stets Voraussetzung ist und gleichzeitig die Ausnahmen vom Spracherfordernis erweitert, aber an der Beschränkung des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. auf diejenigen Personen festgehalten, die im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ sind. An einem solchen „Verbleiben“ fehlt es jedoch zumindest dann, wenn die einzubeziehende Person das Aussiedlungsgebiet auf Dauer verlassen hat, um in Deutschland Wohnsitz zu nehmen,
18vgl. zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -.
19Es lebt auch dann nicht wieder auf, wenn die einzubeziehende Person nach der Ausreise in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt. Denn § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG bietet unter Verzicht auf das bisherige Härtefallerfordernis eine Erleichterung für diejenigen, die nicht in Zusammenhang mit der Bezugsperson ausgereist, sondern – aus welchen Gründen auch immer – im Aussiedlungsgebiet zurückgeblieben sind. Für diese Personengruppe lässt die Neuregelung die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalls und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Diese wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere nicht nutzt, muss für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten,
20vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf des Bundesrates des 10. BVG-Änderungsgesetz (BT-Drs. 17/13937 vom 12.06.2013.
21Hierzu zählen Personen, welche die Möglichkeit der Aussiedlung bereits genutzt haben, erkennbar nicht, zumal im Gesetzgebungsverfahren dem Antrag einer Minderheitsfraktion auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. nicht entsprochen hat,
22vgl. BT-Drs. 17/7178; Plenarprotokoll 17/130, S. 15368; OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -; VG Köln, Urteil vom 06.05.2014 - 7 K 5256/12 -; Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 -.
23Nicht erfasst sind damit nicht nur Personen, die bereits ausgereist sind und sich seither dauernd im Bundesgebiet aufhalten, sondern auch solche, die – wie der Sohn des Klägers – ausgereist sind und nachträglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren. Denn diese haben die durch das BVFG eröffnete Möglichkeit der Einreise ebenso genutzt, wie solche Personen, die in Deutschland verblieben sind. Anderenfalls hätte jeder bereits Ausgereiste die Möglichkeit, durch eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet die Einbeziehungsvoraussetzungen jederzeit aus eigenem Entschluss wiederherzustellen.
24Ob von diesem Grundsatz in Härtefällen Ausnahmen möglich sind, ist im Hinblick auf Wortlaut und Systematik der Bestimmung zweifelhaft,
25vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 06.05.2014 - 7 K 5256/12 -; Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 -,
26bedarf vorliegend aber keiner abschließenden Klärung. Denn der Kläger hat solche Härtegründe nicht dargelegt. In seiner Äußerung aus dem Jahre 2012 beschränkt er sich vielmehr auf die Darstellung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation in Kasachstan und den Umstand, dass es dem Sohn bislang nicht gelungen ist, beruflich in zufriedenstellendem Umfang Fuß zu fassen. Damit ist jedoch auf eine Situation im Aussiedlungsgebiet verwiesen, der sich alle Einwohner des Landes zu stellen haben. Soweit er in seiner Erklärung auf die Probleme in der Ehe mit seiner ersten Frau verweist, liegen diese Jahre zurück und wurden durch die erneute Heirat und Gründung einer neuen Familie offenbar erfolgreich überwunden. Ein Grund, eine nachträgliche Einbeziehung unter Umgehung des Tatbestandsmerkmals „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ zuzulassen, wäre auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar.
27Der Einbeziehung der Enkelkinder des Klägers steht nach aktueller Rechtslage nunmehr § 27 Abs. 2 Satz 4 BVFG entgegen, der wie seine Vorgängervorschrift die Einbeziehung minderjähriger Abkömmlinge nur gemeinsam mit der der Eltern oder sorgeberechtigten Elternteile zulässt. Zudem weist die Beklagte zutreffend auf den Umstand hin, dass W1. und B. erst nach der Ausreise des Klägers geboren wurden. Von einem „Verbleiben“ ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auszugehen.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 15. Juli 2014 - 7 K 3449/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
3Der 1939 geborenen, aus Kasachstan stammenden Klägerin hatte die Beklagte unter dem 13.05.2003 einen Aufnahmebescheid erteilt. Gleichzeitig waren ihr Sohn T1. und dessen Kinder in den Aufnahmebescheid einbezogen worden. Für die Tochter H. der Klägerin war eine Einbeziehung nicht beantragt worden. Mit der Erteilung des Aufnahmebescheides war die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass nach ihrer Ausreise grundsätzlich keine Möglichkeit mehr bestehe, Angehörige in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Die Klägerin war im Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist und hatte im Februar 2004 eine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten.
4Im November 2004 reiste die Tochter H. der Klägerin mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre im März 2005 in Bochum geschlossene Ehe mit W. T. wurde im Dezember 2006 geschieden.
5Die Klägerin stellte im Mai 2012 den Antrag, das Verfahren gemäß § 27 Abs. 3 Bundesvertriebenengesetz in der mit Gesetz vom 04.12.2011 geänderten Fassung - BVFG a.F. - wieder aufzunehmen mit dem Ziel, ihre Tochter H. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Sie habe seinerzeit keinen förmlichen Einbeziehungsantrag für H. gestellt, die mit einem russischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen, jedoch später geschieden worden sei. Seit ihrer Trennung von Herrn T. , einem deutschen Staatsbürger, wohne ihre Tochter mit ihr zusammen. Sie, die Klägerin, sei aufgrund zunehmenden Alters und verschiedener Erkrankungen dringend auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen. Nach der Scheidung habe H. zunächst mit Duldung ihren Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt und ab Januar 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Der noch unsichere Aufenthaltsstatus ihrer Tochter belaste sie, die Klägerin, psychisch schwer. Eine Abschiebung widerspreche dem Sinn und Zweck des BVFG, dessen Novellierung gerade dazu diene, dauernde Familientrennungen auch im Nachhinein zu vermeiden. Die Klägerin legte ein Zertifikat „Deutsch-Test für Einwanderer“ vor, wonach ihre Tochter H. über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 verfügt. Zum Nachweis ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen übersandte die Klägerin verschiedene ärztliche Bescheinigungen.
6Mit Bescheid vom 12.06.2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Die seit 2004 ununterbrochen in Deutschland lebende Tochter H. der Klägerin sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Ihre Einbeziehung sei offensichtlich nicht zur Aufhebung einer räumlichen Trennung erforderlich.
7Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit der Regelung des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. sollten Aussiedlerfamilien auf möglichst unbürokratische Weise zusammengeführt werden. Diesem Anliegen werde die Beklagte nicht gerecht, wenn sie die Einbeziehung einer Person, die wie ihre Tochter die sonstigen Voraussetzungen als Härtefall erfülle, allein wegen des formalen Gesichtspunkts ihres Aufenthaltsorts verweigere und sie auf den schwierigeren ausländerrechtlichen Weg verweise. Bei wörtlicher Auslegung wäre auch die nachträgliche Einbeziehung von Personen ausgeschlossen, die sich weder im Aussiedlungsgebiet noch im Bundesgebiet aufhielten, was der Zielsetzung der Vorschrift widerspreche.
8Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 zurück; es wiederholte dabei die im Ausgangsbescheid angeführte Begründung.
9Die Klägerin hat am 08.09.2012 Klage erhoben.
10Zur Klagebegründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit erfordere einen dauerhaften und rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus für ihre Tochter, so wie ihn das BVFG für den Abkömmling einer Spätaussiedlerin vorsehe.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 zu verpflichten, ihre Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
16Mit Beschluss vom 20.11.2013 hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
22Die Voraussetzungen für die begehrte nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der maßgeblichen, durch Gesetz vom 06.09.2013 geänderten Fassung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.) liegen nicht vor.
23Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
24Die Tochter der Klägerin, H. T. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hält sich Frau T. seit November 2004 in Deutschland auf, um hier dauerhaft zu bleiben und in familiärer Gemeinschaft zunächst mit ihrem Ehemann bzw. seit 2006 mit der Klägerin zu leben. Sie hat mithin ihren Wohnsitz spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung im März 2005 vom Aussiedlungsgebiet an ihren jetzigen Wohnort verlagert. Der Annahme, dass H. T. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass sie seit der Scheidung von Herrn T. keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, die weitere Fortsetzung ihres Aufenthalts somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11 -, m.w.N., juris.
26Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
27§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG selbst enthält keine Regelung dahin, dass von der Verpflichtung des Einzubeziehenden, die nachträgliche Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, im Falle einer besonderen Härte abgesehen werden kann.
28Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG
29- erwogen und offen gelassen für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris -
30sprechen der Wortlaut des § 27 Abs.1 Satz 2 BVFG, der ausschließlich auf § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG Bezug nimmt und die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, ausschließlich auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
31Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem im Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.04.2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
32„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
33Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit der Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
34Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder mit der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie die Tochter der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen und hier nicht vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat,
35vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
36Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten im September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche, nach der Aussiedlung der Bezugsperson erfolgende Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
37vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22.08.2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.06.2013, Drs. 17/13937,
38lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll,
39vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 - und - 10 K 6881/12 -; Urteil vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 -.
40Schließlich lässt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, besondere Regelungen für die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen zu schaffen, die sich in Drittstaaten aufhalten, nicht die Annahme zu, er wolle an dem Erfordernis des Verbleibens im Aussiedlungsgebiet generell nicht mehr festhalten.
41Der geltend gemachte Einbeziehungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.) stützen.
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Nach dieser Bestimmung wird der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlinge zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
43Diese Voraussetzungen sind für Frau T. nicht vollständig erfüllt, weil die Klägerin vor ihrer Ausreise keinen Antrag auf Einbeziehung ihrer Tochter zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt hat.
44In der Rechtsprechung ist für die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
45vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.07.2005 - 5 B 134.04 - und vom 30.10.2006 - 5 B 55/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2008 -12 A 4479/06 -, jeweils m.w.N., abgedruckt in juris.
46Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht von dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. abweicht, soweit es um die Härtefalleinbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung geht, ist an dem Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin festzuhalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung für im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nach der Aussiedlung der Bezugsperson nachträglich in deren Aufnahmebescheid einbezogen werden können. Die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung ist damit nicht obsolet geworden. Neben ihr ist nur eine „weitere Option“ geschaffen worden,
47so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, BT-Drs. 17/13937,
48die die Familienzusammenführung in den Fällen erleichtern soll, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status von seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben,
49vgl. zum Ganzen VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
50Unabhängig hiervon scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Tochter der Klägerin auch daran, dass die Übersiedlung der Tochter in das Bundesgebiet schon seit Jahren abgeschlossen ist. Das BVFG knüpft das Stellen eines Härtefallantrags zwar nicht an die Einhaltung einer bestimmten Frist; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten sowie Abkömmlingen nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erfassten Härtefällen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden – sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings – gestellt werden müssen; dieser zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls mehr als vier Jahre nach der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet nicht mehr gegeben.
51Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 5 C 23.11 -, juris, zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs.2 Satz 1 BVFG a.F.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966/13 -, juris, Beschluss vom 02.04.2014 - 11 A 1070/13 -für § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
53Die dabei angestellten Überlegungen greifen auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage eingereisten Abkömmlings in den vorhandenen Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Insbesondere ist der Hinweis des BVerwG auf die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen, auf den Zuzug von Ehegatten und Abkömmlingen dieser Personen übertragbar. Dasselbe gilt für das aus § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG abgeleitete Argument. Diese Norm, die nach Abschluss des Aussiedlungsvorgangs geborene Kinder von der Einbeziehung ausschließt, unterstreicht den temporären Bezug zum Aussiedlungsvorgang gerade auch für die Einbeziehung. Schließlich gilt auch die Erwägung, dass die durch das BVFG intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung spreche, gleichermaßen für den übersiedelnden Ehegatten oder Abkömmling,
54vgl. VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
55An dem Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Aussiedlung und Härtefallantrag ändert auch die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG nichts. Nach dieser Regelung ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids oder auf Einbeziehung nicht an eine Frist gebunden. Sie ist nach der Gesetzesbegründung zugeschnitten auf Verfahren von Personen, die noch im Aussiedlungsgebiet leben und soll ihnen ermöglichen, nach einer Rechtsänderung ohne zeitlichen Druck eine Entscheidung über die Aussiedlung zu treffen; (unanfechtbar abgeschlossene) Härtefallanträge bleiben von dieser Regelung unberührt,
56vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966713 -, juris.
57Hier kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit der Übersiedlung nicht festgestellt werden, weil seit der Begründung des dauernden Aufenthalts von Frau T. im Bundesgebiet bis zum Stellen des Einbeziehungsantrags mehr als sieben Jahre vergangen sind.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
3Der 1939 geborenen, aus Kasachstan stammenden Klägerin hatte die Beklagte unter dem 13.05.2003 einen Aufnahmebescheid erteilt. Gleichzeitig waren ihr Sohn T1. und dessen Kinder in den Aufnahmebescheid einbezogen worden. Für die Tochter H. der Klägerin war eine Einbeziehung nicht beantragt worden. Mit der Erteilung des Aufnahmebescheides war die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass nach ihrer Ausreise grundsätzlich keine Möglichkeit mehr bestehe, Angehörige in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Die Klägerin war im Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist und hatte im Februar 2004 eine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten.
4Im November 2004 reiste die Tochter H. der Klägerin mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre im März 2005 in Bochum geschlossene Ehe mit W. T. wurde im Dezember 2006 geschieden.
5Die Klägerin stellte im Mai 2012 den Antrag, das Verfahren gemäß § 27 Abs. 3 Bundesvertriebenengesetz in der mit Gesetz vom 04.12.2011 geänderten Fassung - BVFG a.F. - wieder aufzunehmen mit dem Ziel, ihre Tochter H. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Sie habe seinerzeit keinen förmlichen Einbeziehungsantrag für H. gestellt, die mit einem russischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen, jedoch später geschieden worden sei. Seit ihrer Trennung von Herrn T. , einem deutschen Staatsbürger, wohne ihre Tochter mit ihr zusammen. Sie, die Klägerin, sei aufgrund zunehmenden Alters und verschiedener Erkrankungen dringend auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen. Nach der Scheidung habe H. zunächst mit Duldung ihren Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt und ab Januar 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Der noch unsichere Aufenthaltsstatus ihrer Tochter belaste sie, die Klägerin, psychisch schwer. Eine Abschiebung widerspreche dem Sinn und Zweck des BVFG, dessen Novellierung gerade dazu diene, dauernde Familientrennungen auch im Nachhinein zu vermeiden. Die Klägerin legte ein Zertifikat „Deutsch-Test für Einwanderer“ vor, wonach ihre Tochter H. über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 verfügt. Zum Nachweis ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen übersandte die Klägerin verschiedene ärztliche Bescheinigungen.
6Mit Bescheid vom 12.06.2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Die seit 2004 ununterbrochen in Deutschland lebende Tochter H. der Klägerin sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Ihre Einbeziehung sei offensichtlich nicht zur Aufhebung einer räumlichen Trennung erforderlich.
7Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit der Regelung des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. sollten Aussiedlerfamilien auf möglichst unbürokratische Weise zusammengeführt werden. Diesem Anliegen werde die Beklagte nicht gerecht, wenn sie die Einbeziehung einer Person, die wie ihre Tochter die sonstigen Voraussetzungen als Härtefall erfülle, allein wegen des formalen Gesichtspunkts ihres Aufenthaltsorts verweigere und sie auf den schwierigeren ausländerrechtlichen Weg verweise. Bei wörtlicher Auslegung wäre auch die nachträgliche Einbeziehung von Personen ausgeschlossen, die sich weder im Aussiedlungsgebiet noch im Bundesgebiet aufhielten, was der Zielsetzung der Vorschrift widerspreche.
8Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 zurück; es wiederholte dabei die im Ausgangsbescheid angeführte Begründung.
9Die Klägerin hat am 08.09.2012 Klage erhoben.
10Zur Klagebegründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit erfordere einen dauerhaften und rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus für ihre Tochter, so wie ihn das BVFG für den Abkömmling einer Spätaussiedlerin vorsehe.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 zu verpflichten, ihre Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
16Mit Beschluss vom 20.11.2013 hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
22Die Voraussetzungen für die begehrte nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der maßgeblichen, durch Gesetz vom 06.09.2013 geänderten Fassung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.) liegen nicht vor.
23Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
24Die Tochter der Klägerin, H. T. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hält sich Frau T. seit November 2004 in Deutschland auf, um hier dauerhaft zu bleiben und in familiärer Gemeinschaft zunächst mit ihrem Ehemann bzw. seit 2006 mit der Klägerin zu leben. Sie hat mithin ihren Wohnsitz spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung im März 2005 vom Aussiedlungsgebiet an ihren jetzigen Wohnort verlagert. Der Annahme, dass H. T. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass sie seit der Scheidung von Herrn T. keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, die weitere Fortsetzung ihres Aufenthalts somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11 -, m.w.N., juris.
26Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
27§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG selbst enthält keine Regelung dahin, dass von der Verpflichtung des Einzubeziehenden, die nachträgliche Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, im Falle einer besonderen Härte abgesehen werden kann.
28Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG
29- erwogen und offen gelassen für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris -
30sprechen der Wortlaut des § 27 Abs.1 Satz 2 BVFG, der ausschließlich auf § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG Bezug nimmt und die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, ausschließlich auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
31Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem im Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.04.2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
32„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
33Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit der Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
34Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder mit der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie die Tochter der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen und hier nicht vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat,
35vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
36Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten im September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche, nach der Aussiedlung der Bezugsperson erfolgende Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
37vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22.08.2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.06.2013, Drs. 17/13937,
38lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll,
39vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 - und - 10 K 6881/12 -; Urteil vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 -.
40Schließlich lässt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, besondere Regelungen für die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen zu schaffen, die sich in Drittstaaten aufhalten, nicht die Annahme zu, er wolle an dem Erfordernis des Verbleibens im Aussiedlungsgebiet generell nicht mehr festhalten.
41Der geltend gemachte Einbeziehungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.) stützen.
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Nach dieser Bestimmung wird der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlinge zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
43Diese Voraussetzungen sind für Frau T. nicht vollständig erfüllt, weil die Klägerin vor ihrer Ausreise keinen Antrag auf Einbeziehung ihrer Tochter zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt hat.
44In der Rechtsprechung ist für die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
45vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.07.2005 - 5 B 134.04 - und vom 30.10.2006 - 5 B 55/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2008 -12 A 4479/06 -, jeweils m.w.N., abgedruckt in juris.
46Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht von dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. abweicht, soweit es um die Härtefalleinbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung geht, ist an dem Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin festzuhalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung für im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nach der Aussiedlung der Bezugsperson nachträglich in deren Aufnahmebescheid einbezogen werden können. Die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung ist damit nicht obsolet geworden. Neben ihr ist nur eine „weitere Option“ geschaffen worden,
47so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, BT-Drs. 17/13937,
48die die Familienzusammenführung in den Fällen erleichtern soll, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status von seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben,
49vgl. zum Ganzen VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
50Unabhängig hiervon scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Tochter der Klägerin auch daran, dass die Übersiedlung der Tochter in das Bundesgebiet schon seit Jahren abgeschlossen ist. Das BVFG knüpft das Stellen eines Härtefallantrags zwar nicht an die Einhaltung einer bestimmten Frist; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten sowie Abkömmlingen nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erfassten Härtefällen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden – sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings – gestellt werden müssen; dieser zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls mehr als vier Jahre nach der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet nicht mehr gegeben.
51Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 5 C 23.11 -, juris, zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs.2 Satz 1 BVFG a.F.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966/13 -, juris, Beschluss vom 02.04.2014 - 11 A 1070/13 -für § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
53Die dabei angestellten Überlegungen greifen auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage eingereisten Abkömmlings in den vorhandenen Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Insbesondere ist der Hinweis des BVerwG auf die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen, auf den Zuzug von Ehegatten und Abkömmlingen dieser Personen übertragbar. Dasselbe gilt für das aus § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG abgeleitete Argument. Diese Norm, die nach Abschluss des Aussiedlungsvorgangs geborene Kinder von der Einbeziehung ausschließt, unterstreicht den temporären Bezug zum Aussiedlungsvorgang gerade auch für die Einbeziehung. Schließlich gilt auch die Erwägung, dass die durch das BVFG intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung spreche, gleichermaßen für den übersiedelnden Ehegatten oder Abkömmling,
54vgl. VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
55An dem Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Aussiedlung und Härtefallantrag ändert auch die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG nichts. Nach dieser Regelung ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids oder auf Einbeziehung nicht an eine Frist gebunden. Sie ist nach der Gesetzesbegründung zugeschnitten auf Verfahren von Personen, die noch im Aussiedlungsgebiet leben und soll ihnen ermöglichen, nach einer Rechtsänderung ohne zeitlichen Druck eine Entscheidung über die Aussiedlung zu treffen; (unanfechtbar abgeschlossene) Härtefallanträge bleiben von dieser Regelung unberührt,
56vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966713 -, juris.
57Hier kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit der Übersiedlung nicht festgestellt werden, weil seit der Begründung des dauernden Aufenthalts von Frau T. im Bundesgebiet bis zum Stellen des Einbeziehungsantrags mehr als sieben Jahre vergangen sind.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.