Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Okt. 2018 - 6 K 1826/16.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger zu 1.) ist am 00.00.1977 in Gizeh, Ägypten geboren. Die Antragstellerin zu 2.) ist am 00.00.1979 in Kairo geboren. Ihre gemeinsamen Kinder sind ebenfalls in Kairo geboren: der Kläger zu 3.) am 00.00.2003 und die Klägerin zu 4.) am 00.00.2013. Die Kläger sind ägyptische Staatsangehörige koptischer Konfession. Am 27.01.2016 beantragten sie die Anerkennung als Asylberechtigte.
3Ihren Angaben zufolge reisten sie am 14.07.2015 mit dem Flugzeug nach Deutschland. Diesbezügliche Unterlagen legten sie nicht vor.
4Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 28.01.2016 gab die Klägerin zu 2.) an, sie hätten in Ägypten ein schönes Leben und alles gehabt. Sie hätten nur ein Auto gehabt und dieses beruflich genutzt. Meistens habe sie den Wagen genutzt, nur dienstags der Kläger zu 1.). Am 13.04.2015 sei Ostern gewesen und sie hätten einen Tag frei gehabt. Am 14.04.2015 hätten sie wieder arbeiten müssen. Ihre Mitarbeiterin hätte ihr gesagt, dass sie nicht zur Arbeit kommen könne. Sie habe ihr dann freigegeben und ihr Kind mit zur Arbeit genommen. Sie seien mit dem Bus gefahren. Im Bus hätten drei Männer mit Bärten und zwei Frauen gesessen. Dieser Bus müsse an jeder Haltestelle halten, um die Leute ein- und aussteigen zu lassen. Der Bus habe aber nicht mehr angehalten und sei einfach weitergefahren, auch an der Haltestelle vorbei, wo sie hätten aussteigen müssen. Der Fahrer habe eine andere Richtung genommen. Sie hätten gemerkt, dass dort ein Friedhof sei und Angst bekommen. Sie habe geschrieen. Sie habe mit ihrem Handy den Kläger zu 1.) kontaktieren wollen. Die Frau, die hinter ihr gesessen habe, habe ihr das Handy weggenommen. Einer der drei Männer habe ihr ihr Kind weggenommen und der Frau hinter ihr gegeben. Der Mann habe ihr ein Messer an den Hals gehalten. Er habe ihr gesagt, wenn sie weiter schreien würde, würde er ihre Tochter töten. Die beiden anderen Männer hätten ihre Tasche mit dem Laptop genommen. Sie habe die Männer und Frauen gebeten, einfach zu nehmen, was sie wollten und sie und ihr Kind in Ruhe zu lassen. Die Frauen hätten gesehen, dass sie eine Kette mit einem Kreuz angehabt habe. Sie hätten gesagt, wenn sie Christin sei, müssten sie ihr die Zunge abschneiden. Der Fahrer habe dann die Fahrt verlangsamt und sie während der Fahrt auf die Straße geworfen. Sie hätten ihnen noch gesagt, dass sie sie töten würden, wenn sie zur Polizei gingen. Sie habe eine Frau auf dem Friedhof gesehen, die kein Telefon gehabt, aber sie auf eine Telefonzelle in der Nähe hingewiesen habe. Sie sei dorthin gegangen und habe den Kläger zu 1.) kontaktiert. Ein anderer Mann habe ihm am Telefon beschrieben, wo sie zu finden seien. Sie habe dann nicht mehr arbeiten können und zunächst zwei Wochen Urlaub genommen, danach jedoch ihren Arbeitsplatz aufgegeben. Der Kläger zu 1.) habe sie ins Krankenhaus zu einem Spezialisten gebracht. Der Arzt habe ihr das Medikament „Motival“ verschrieben. Auf Nachfrage erklärte die Klägerin zu 2.), dass sie denke, dass der Überfall damit zu tun habe, dass in ihrer Siedlung ersichtlich Personen mit mehr Geld lebten.
5Der Kläger zu 1.) machte bei seiner Anhörung am gleichen Tage keine eigenen Asylgründe geltend.
6Im Verwaltungsverfahren legten die Kläger ein Arztschreiben des Evangelischen Krankenhauses C. H. vom 17.02.2016, laut dem bei der Klägerin zu 2.) eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei.
7Mit Bescheid vom 09.03.2016 lehnte die Beklagte die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte Abschiebungsverbote. Zugleich forderte sie die Kläger auf, innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung auszureisen, und drohte ihnen die Abschiebung zuvorderst nach Ägypten an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte sie aus, sie könne die Kläger weder als Asylberechtigte noch als Flüchtlinge anerkennen, weil ihr Sachvortrag nicht asylerheblich sei. Gemeinschaftsrechtliche oder nationale Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
8Am 14.03.2016 haben die Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung führen sie zur allgemeinen Gefährdungslage der koptischen Christen in Ägypten aus. Zudem leide die Klägerin zu 2.) an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Bei Rückkehr nach Ägypten drohe ihr eine Retraumatisierung und daher eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben. Die Kläger haben weitere Arztschreiben vom Evangelischen Krankenhaus vom 27.01.2017 und vom 02.10.2018 vorgelegt. Danach seien bei der Klägerin zu 2.) eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung diagnostiziert worden.
9Die Kläger beantragen,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.03.2016 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
14Das Gericht hat die Kläger zu 1.) und 2.) in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2018 informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung verweist das Gericht auf das Terminsprotokoll und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Bundesamtes.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Das Gericht konnte ohne einen Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil es in der Ladung darauf hingewiesen hat (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf die Anerkennung der Asylberechtigung noch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf die Feststellung von subsidiärem Schutz oder einem Abschiebungshindernis (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
17Ein Asylanspruch ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Kläger zu 1.) und zu 2.) nicht hinreichend dargetan und belegt haben, von Ägypten mit dem Flugzeug in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Nach Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 S. 1 AsylG kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, nicht mit Erfolg auf das Asylgrundrecht berufen. Sichere Drittstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Drittstaat muss nicht positiv benennbar sein, wenn nur feststeht, dass die Einreise aus einem Nachbarstaat erfolgte, da Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist.
18Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.06.1999 – 9 C 36.98 –, juris, Rz. 7 ff. und vom 02.09.1997 – 9 C 5.97 –, juris, Rz. 9 ff.
19Die Kläger zu 1.) und zu 2.) haben im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt zwar angegeben, von Ägypten aus mit dem Flugzeug nach Deutschland gereist zu sein. Über diese pauschale Angabe hinaus haben sie jedoch keinerlei Unterlagen hierüber vor- und den behaupteten Reiseweg auch nicht durch einen detaillierten und nachvollziehbaren Vortrag dargelegt. Auch wenn man die verfahrenstypischen Beweisprobleme des Asylsuchenden berücksichtigt, reicht jedenfalls die einfache Behauptung, mit dem Flugzeug eingereist zu sein, nicht aus.
20Den Klägern ist ebenso wenig die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 4, 1 AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht ist. Eine Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage und nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nummer 3), es sei denn, es besteht interner Schutz (§ 3e AsylG).
21Für die Beurteilung der Frage, ob dem Ausländer Verfolgungsmaßnahmen drohen, gilt – unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist – der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal der begründeten Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ("real risk") abstellt.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 – 10 C 25.10 –, juris, Rz. 22 m.w.N.
23Eine Verfolgung ist beachtlich wahrscheinlich, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, juris, Rz. 32.
25Nach Überzeugung des Gerichts droht den Klägern in Ägypten weder Gruppen- noch individuelle Verfolgung.
26Eine Gruppenverfolgung liegt vor, wenn entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder unmittelbar bevorsteht, oder wenn die Übergriffe, von denen Angehörige einer Gruppe in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal getroffen werden, so zahlreich sind, dass für jedes Gruppenmitglied begründete Furcht besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.04.2011 – 10 B 11.11 – juris, Rz. 3; Urteile vom 21.04.2009 – 10 C 11.08 –, juris, Rz. 13 und vom 05.07.1994 – 9 C 158.94 –, juris, Rz. 17 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2015 – 16 A 688/14.A –, juris, Rz. 10.
28Diese Voraussetzungen sind für die in Ägypten lebenden koptisch-orthodoxen Christen nicht erfüllt. Dem Gericht liegen nach der aktuellen Erkenntnislage keine Hinweise auf ein die koptisch-orthodoxen Christen als Gruppe betreffendes staatliches Verfolgungsprogramm vor.
29Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 14.04.2018 (Stand: März 2018), S. 7 f.
30Angesichts der Zahl der (noch) in Ägypten lebenden koptisch-orthodoxen Christen wird die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht erreicht, denn der Anteil der Christen an der ägyptischen Gesamtbevölkerung beträgt je nach Quelle zwischen 5 und 12 %.
31Vgl. zu den sehr unterschiedlichen Zahlen: Auswärtiges Amt, Länderinformation Ägypten (Stand: März 2018), abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegypten/203556; vgl. auch VG Minden, Urteil vom 13.03.2018 – 10 K 955/16.A –, juris, Rz. 27 f. m. w. N.
32Es kann vor diesem Hintergrund nicht festgestellt werden, dass Übergriffe auf koptisch-orthodoxe Christen so zahlreich wären, dass für jeden Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft begründete Furcht bestünde, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden.
33Vgl. VG Minden, Urteil vom 13.03.2018 – 10 K 955/16.A – juris, Rz. 21 ff.; VG Berlin, Urteil vom 20.02.2018 – 32 K 79.17 A –, juris, Rz. 41 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2017 – 12 K 463/16.A – juris, Rz. 21 ff.; VG Köln, Urteil vom 19.01.2017 – 6 K 1399/16.A –, juris, Rz. 27 ff.
34Die Kläger haben auch eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie – QualRL –) ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung bei einer sogenannten Vorverfolgung hatte der Gesetzgeber durch § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG a. F. in deutsches Recht übernommen. Im Richtlinienumsetzungsgesetz vom 28.08.2013 wurde die Regelung mit der Begründung gestrichen, dass sie in das Asylverfahrensgesetz übernommen werden sollte (BT-Drs. 17/13063 zu § 60 Doppelbuchstabe cc). Dies ist jedoch nicht geschehen, die Vorschrift fehlt auch im Asylgesetz. Daher ist Art. 4 Abs. 4 QualRL im Falle einer Vorverfolgung unmittelbar anzuwenden.
35Vgl. VG Köln, Urteil vom 20.04.2016 – 23 K 877/16.A –, juris, Rz. 25.
36Der Schutzsuchende muss eine Furcht vor Verfolgung schlüssig und detailliert begründen. Das Gericht muss beurteilen, ob die persönlichen Erlebnisse des Asylbewerbers glaubhaft sind. Dies ist Teil der richterlichen Rechtsfindung im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dabei sind Persönlichkeitsstruktur, Bildung und Herkunft des Ausländers zu berücksichtigen.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.08.1990 – 9 B 45.90 –, juris, Rz. 2; OVG NRW, Urteil vom 14.02.2014 – 1 A 1139/13.A –, juris, Rz. 35, Beschluss vom 20.01.2016 – 13 A 1868/15.A –, juris, Rz. 12 ff.
38Der Kläger zu 1.) hat keine eigenen Verfolgungsgründe vorgetragen. Die Klägerin zu 2.) hat eine Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Es bleibt hier jedenfalls fraglich, ob hinsichtlich der Klägerin zu 2.) überhaupt ein verfolgungserhebliches Merkmal vorliegt. Denn nach ihrem Vortrag ist sie Opfer von kriminellem Unrecht in Form eines Raubüberfalls geworden. Aber selbst wenn man wegen der nachträglichen Bezugnahme der Räuber auf die Religion der Klägerin zu 2.) wegen der entdeckten Kreuzkette das Verfolgungsmerkmal der Religion als erfüllt ansehen würde, würde dies nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Denn Verfolgungshandlungen nichtstaatlicher Akteure können nur dann zur Anerkennung als Asylberechtigter bzw. zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen, wenn der Staat oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz zu bieten (§ 3a Nr. 3 AsylG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wie die Kammer bereits entschieden hat, kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der ägyptische Staat nicht willens oder in der Lage wäre, gegen einen derartigen Übergriff, wie er von der Klägerin zu 2.) geschildert worden ist, vorzugehen.
39Vgl. VG Köln, Urteil vom 19.01.2017 – 6 K 1399/16.A –, juris.
40Für Gegenteiliges ist auch im Fall der Kläger nichts ersichtlich; sie haben nach ihrem eigenen Vortrag davon abgesehen, eine Strafanzeige bei der ägyptischen Polizei zu stellen.
41Die Kläger haben ebenfalls keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Ägypten, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Auch hier gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Grundsätzlich können auch Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG darstellen, wenn sie sich aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führen.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 – 1 C 18.05 –, juris, Rz. 15.
43Jedenfalls ist vorliegend auch nicht aus gesundheitlichen Gründen von einer Abschiebung nach Ägypten abzusehen. Selbst wenn die Klägerin zu 2.) an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankt sein sollte,
44vgl. zu PTBS: VG München, Urteil vom 10.01.2017 – M 21 K 15.31612 –, juris, Rz. 15 ff.,
45ist davon auszugehen, dass auch diese psychische Erkrankung in Ägypten behandelt werden kann. Alle gängigen Medikamente sind in Ägypten erhältlich. Psychiatrische Behandlungen in staatlichen Krankenhäuser sind einschließlich der Medikamente kostenlos.
46Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf (12 K 8511/15.A) vom 17.02.2017; VG Berlin, Urteil vom 15.02.2018 – 32 K 266.17 A –, juris, Rz. 91.
47Diese Erkenntnisse werden auch durch den eigenen Vortrag der Kläger gestützt. Sie ist in Ägypten nach ihrem eigenen Vortrag vor ihrer Ausreise von einem Spezialisten mit Psychopharmaka behandelt worden. Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin zu 2.) sich sogar eine etwaige private (psychotherapeutische) Behandlung leisten kann, falls eine solche erforderlich sein sollte. Ausweislich des Schreibens des Evangelischen Krankenhauses vom 02.10.2018 ist eine psychotherapeutische Behandlung dort nur zu Beginn durchgeführt worden; eine weitere Notwendigkeit ist nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen wäre im Heimatland eine Therapie in der Muttersprache auch heilungsfördernder. Jedenfalls hat die Klägerin zu 2.) vorgetragen, dass sie in Ägypten ausreichende finanzielle Mittel gehabt haben und sie sogar ihren Hausarzt zu sich nach Hause kommen hat lassen. Zudem ist auch keine Retraumatisierungsgefahr glaubhaft gemacht. Im aktuellen Schreiben des Evangelischen Krankenhauses vom 02.10.2018 wird nicht begründet, warum mit einer Retraumatisierung zu rechnen sei. Soweit in den Schreiben vom 17.02.2016 und vom 27.01.2017 eine Retraumatisierung noch in Zusammenhang mit erneutem Täterkontakt gestellt worden war, erscheint dieses Szenario in einer Millionenmetropole wie Kairo nicht hinreichend wahrscheinlich, zumal es den Klägern freisteht, sich an einem anderen Ort in Ägypten niederzulassen. Somit war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag zur PTBS der Klägerin zu 2.) nicht weiter nachzugehen.
48Aus diesen Gründen können weder der Kläger zu 1.) nach § 26 Abs. 1 AsylG noch die Kläger zu 3.) und 4.) nach § 26 Abs. 2 AsylG Familienasyl und -flüchtlingsschutz für sich ableiten.
49Nicht zu beanstanden ist im Übrigen die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung, da die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 - 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG erfüllt sind.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
51Rechtsmittelbelehrung
52Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
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2. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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3. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrens-mangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
58Statt in Schriftform können die Einlegung und die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
59Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
60Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Okt. 2018 - 6 K 1826/16.A
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Okt. 2018 - 6 K 1826/16.A zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Februar 2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe
2Der auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte Berufungszulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts‑ oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
4Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 127 mit weiteren Nachweisen; zum Revisionsrecht siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 ‑ 1 B 11.05 ‑, NVwZ 2005, 709 = juris, Rn. 3.
5Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6"inwieweit eine Gruppenverfolgung von Hindus in Bangladesch stattfindet",
7erfüllt ausgehend von seinen Darlegungen diese Voraussetzung nicht (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG).
8Mit der aufgeworfenen Frage tritt der Kläger der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das eine Gruppenverfolgung verneint hat, vorrangig in tatsächlicher Hinsicht entgegen. Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Juli 2005 ‑ 3 A 2389/05.A ‑, vom 19. Dezember 2007 ‑ 3 A 1290/06.A ‑, vom 16. Juni 2009 ‑ 16 A 2274/08.A - und vom 7. Oktober 2014- 16 A 155.14.A -.
10Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründung nicht. Der Kläger verweist als Beleg für eine landesweite Verfolgung von Hindus in Bangladesch auf die von ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Zeitungsartikel, die Übergriffe für die Zeit von März 2013 bis November 2013 dokumentierten, und auf einen von Amnesty International veröffentlichten Bericht vom 2. Februar 2014. Daraus ergibt sich aber weder eine für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte noch lässt sich erkennen, dass hinsichtlich der Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure kein Schutz durch staatliche Stellen gewährt würde.
11Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt – abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms – eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung sind die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte nicht mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit feststellen. Es genügt, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen.
12Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 = juris, Rn. 18 ff., und vom 5. April 2011 - 10 B 11.11 -, juris, Rn. 3.
13Daran gemessen lässt sich mit Blick darauf, dass 8,5 % der Bevölkerung in dem Land mit 156,6 Millionen Einwohnern nach aktuellen Informationen des Auswärtigen Amtes Hindus sind,
14vgl. Länderinformationen zu Bangladesch auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes (Stand: Dezember 2014),
15aus den vom Kläger vorgelegten Zeitungsartikeln und dem von Amnesty International veröffentlichten Bericht „Bangladesh: Government must protect the minority Hindu community“ vom 2. Februar 2014 über einzelne Übergriffe gegen Hindus insbesondere durch Anhänger der BNP bzw. Jamaat-e Islami eine die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigende Verfolgungsdichte nicht erkennen.
16In einigen Artikeln wird im Übrigen beschrieben, dass Angehörige von Minderheiten (Hindus, Buddhisten und Christen) Protestversammlungen und –demonstrationen wegen der Übergriffe durchgeführt hätten, was ihnen offenbar ohne weiteres möglich war (vgl. Artikel in der Tageszeitung „Daily Ittefaq“ vom 20. November 2013, zwei Artikel in derselben Zeitung vom 10. November 2013, Artikel in der Internetzeitung „Bangladesch Protidin“ vom 27. März 2013). Auch dies spricht gegen eine Gruppenverfolgung von Hindus in Bangladesch.
17Aus den Zeitungsartikeln geht außerdem nicht hervor, dass staatliche Stellen nicht gewillt oder in der Lage seien, Schutz gegen solche Übergriffe zu gewähren. So wird in verschiedenen Artikeln auch darauf eingegangen, dass die Vorfälle staatlicherseits untersucht, Täter verhaftet, Strafanzeigen erstattet und zum Schutz vor weiteren Übergriffen Ausgangssperren verhängt worden seien (vgl. Artikel in der Tageszeitung „Daily Ittefaq“ vom 4. November 2013 und vom 17. November 2013, Artikel in der Tageszeitung „Prothom-Alo“ vom 2. März 2013).
18Sonstige Quellen hat der Kläger nicht benannt. Die Nennung einschlägiger Erkenntnisquellen ist schließlich auch nicht ausnahmsweise entbehrlich; denn dem Senat liegen keine sonstigen Informationen vor, die gegen die Richtigkeit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts und für die Darstellung des Klägers sprechen.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83b AsylVfG.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. März 2013 – 23 K 6544/10.A – wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 17. August 1990 geborene Klägerin ist angolanische Staatsangehörige katholischen Glaubens. Sie reiste nach ihren Angaben auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und meldete sich am 29. Februar 2008 als Asylsuchende.
3In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) trug sie im Wesentlichen vor: Ihre Mutter sei bei ihrer Geburt gestorben, ihr Vater neun Jahre später. Seitdem habe sie bei ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, in M. gelebt. Ihre Ausbildung an einer Fachhochschule für Gesundheit habe sie im Jahre 2006 abbrechen müssen, weil ihr Onkel diese nicht weiter habe finanzieren können. Zu ihrem 16. Geburtstag habe ihr Onkel ihre Verlobung mit dem General P. I. arrangiert. Da sie damit nicht einverstanden gewesen sei, sei sie im Juni oder Juli 2007 in die Sekte „D. F. “ geschickt worden, um ihren Widerstand zu brechen und ihre Beschneidung vorzubereiten. In einem unbeobachteten Moment habe sie durch eine geöffnete Tür fliehen können. Sie sei weglaufen und später von Unbekannten zu einer Mission gebracht worden. In katholischen Missionen sei sie versteckt mit Auto und Flugzeug über I1. nach M1. gebracht worden. Von dort sei sie nach Deutschland geflogen.
4Das Bundesamt lehnte es mit Bescheid vom 18. Januar 2010 ab, der Klägerin Asyl zu gewähren sowie die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) festzustellen. Außerdem forderte es die Klägerin auf auszureisen und drohte ihr die Abschiebung nach Angola an. Der Bescheid wurde der Klägerin am 20. September 2010 zugestellt.
5Am 1. Oktober 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie habe vergeblich von Deutschland aus versucht, Kontakt zu ihrem Zwillingsbruder aufzunehmen. In Angola habe sie niemanden mehr.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen,
8hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz besteht,
9weiter hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz besteht.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 3. Juli 2013 zugelassen. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen und ergänzt, die Zwangsverlobung habe von vornherein nicht in eine Ehe münden sollen. Ziel sei nur gewesen, sie dem General zur Verfügung zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihre Angaben weiter vertieft.
13Die Klägerin beantragt,
14das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,
15hilfsweise, ihr subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
16weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden.
22Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte sie als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG anerkennt (dazu I.) und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuerkennt (dazu II.). Daher kann auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides keinen Bestand haben.
23Maßgebliche Rechtslage für die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende. Dies sind u. a. die seit dem 1. Dezember 2013 geltenden §§ 3 ff. AsylVfG, welche die Richtlinie 2011/95/EU ins deutsche Recht umsetzen.
24I. Die Klägerin ist als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen.
251. Nach dieser Vorschrift genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Voraussetzungen und Umfang des politischen Asyls sind wesentlich bestimmt von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2012 – 2 BvR 2954/09 –, NVwZ 2013, 500 = juris, Rn. 24, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 38 ff., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u. a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 46.
27Zu den unverfügbaren Merkmalen im eben genannten Sinne zählt auch die Geschlechtszugehörigkeit.
28Vgl. VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris (Zwangsverheiratung); VG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2006 – A 11 K 11112/04 –, juris, Rn. 26 f. (Verfolgung durch einen gewalttätigen Ehemann); VG Frankfurt, Urteil vom 23. August 2005 – 12 E 194/05.A –, juris, Rn. 12 (drohender Ehrenmord); VG Berlin, Urteil vom 3. September 2003 – 1 X 23.03 –, juris, Rn. 22 f. (Genitalverstümmelung); VG Aachen, Urteil vom 12. August 2003 – 2 K 1924/00.A –, juris, Rn. 49 (Genitalverstümmelung); VG Frankfurt, Urteil vom 29. August 2001 – 3 E 30495/98.A (2) –, NVwZ-RR 2002, 460 = juris, Rn. 41 (Genitalverstümmelung); VG München, Urteil vom 20. Juni 2001 – M 21 K 98.50394 –, juris, Rn. 92 ff. (Genitalverstümmelung).
29Die Rechtsverletzung, aus der der Asylbewerber seine Asylberechtigung herleitet, muss ihm gezielt, d. h. gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale zugefügt worden sein. Hieran fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. Die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung muss von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als ausgrenzende Verfolgung darstellt, so dass der davon Betroffene gezwungen war, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 43 ff. m. w. N.
31Politische Verfolgung gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung. "Private" Handlungen können jedoch dann als "politische" Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen sein, wenn der Staat Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit dem Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, weil er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist. Anders liegt es, wenn die Schutzgewährung die Kräfte eines konkreten Staates übersteigt; jenseits der ihm an sich zur Verfügung stehenden Mittel endet seine asylrechtliche Verantwortlichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass keine staatliche Ordnungsmacht einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt zu garantieren vermag.
32Vgl. BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u. a. – BVerfGE 83, 216 = NVwZ 1991, 768 = juris, Rn. 44, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 40, 46 f., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u.a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 48.
33Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schutzsuchender asylberechtigt ist, gelten unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl schon dann zu gewähren, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann. Hat der Ausländer sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 67 ff.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2011 – 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 24.
35Asyl nach Art. 16 a Abs. 1 GG wird nicht gewährt, wenn für den Betroffenen eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen existiert. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden. Der Asylsuchende kann auch dann auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dort in anderer Weise als durch politische Verfolgung existenziell gefährdet wäre und eine gleichartige existenzielle Gefährdung auch am Herkunftsort bestände. In einem solchen Fall liegt nämlich nicht in einer am Herkunftsort drohenden politischen Verfolgung, sondern in der auch in anderen Landesteilen drohenden sonstigen existenziellen Gefährdung der eigentliche Grund dafür, dass außerhalb des für die Schutzgewährung in erster Linie zuständigen Herkunftsstaates Schutz gesucht wird. Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort einer inländischen Fluchtalternative ist also nur asylerheblich, wenn es verfolgungsbedingt ist.
36Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 – 2 BvR 32/03 –, DVBl. 2004, 111 = juris, Rn. 2 f.; BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 – 9 C 43.96 –, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274 = juris, Rn. 26.
37Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, so schildert, dass der behauptete Asylanspruch davon lückenlos getragen wird. Das Gericht muss beurteilen, ob eine solche Aussage des Asylbewerbers glaubhaft ist. Dies gehört zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts sind u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylbewerbers zu berücksichtigen.
38Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 1990– 9 B 45.90 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 225 = juris, Rn. 2, vom 26. Oktober 1989– 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 = juris, Rn. 8, und vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, InfAuslR 1989, 349 = juris, Rn. 3 f.
392. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände ihres Einzelfalls als Asylberechtigte anzuerkennen. Das Gericht glaubt der Klägerin ihr Vorbringen (dazu a)). Sie ist wegen ihres Geschlechts von Privaten verfolgt worden und ihr droht bei einer Rückkehr erneut politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG (dazu b)). Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen (dazu c)). Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in Angola zur Verfügung (dazu d)). Art. 16 a Abs. 2 GG steht dem Asylanspruch nicht entgegen (dazu e)).
40a) Das Gericht hält den Vortrag der Klägerin für insgesamt glaubhaft. Diese hat in der mündlichen Verhandlung detailliert, in sich schlüssig und sichtlich emotional berührt ihr Schicksal geschildert. Ihre Aussagen passen in den wesentlichen Punkten zu ihren bisherigen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie zu den Erkenntnissen des Senats über Angola.
41Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: Zunächst wurde die Klägerin an ihrem 16. Geburtstag ohne ihre Zustimmung von ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, nach einer sogenannten Verlobungsfeier dem General P. I. , dem Vorgesetzten des Onkels, der Sache nach überlassen, blieb aber weiter bei ihrem Onkel wohnen. Der General wollte die Klägerin nicht heiraten. Die angebliche Verlobung diente ihm vielmehr als Vorwand, sie gegen ihren Willen immer wieder, auch über Nacht, mitzunehmen und nach Belieben über sie zu verfügen.
42Die Angaben der Klägerin über ihre sogenannte Verlobung decken sich mit den Erkenntnissen des Senats zu Angola. Dort werden innerhalb des Landes Frauen und Mädchen zum Zwecke der gewerbsmäßigen sexuellen Ausbeutung gehandelt.
43Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 52.
44Die Klägerin sollte zwar keiner gewerbsmäßigen Prostitution nachgehen, aber dem General persönlich zu sexuellen Zwecken zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, ob das Ansinnen, die Klägerin dem General zu überlassen, vom General oder vom Onkel der Klägerin ausging, erscheint plausibel, dass ein einfacher Berufssoldat mit Geldnöten sich seinem Vorgesetzten insoweit nicht widersetzt, zumal es nicht um seine eigene Tochter ging und er offenbar keine Skrupel hatte, seine Nichte zu verkaufen.
45Die Klägerin, die regelmäßig den katholischen Gottesdienst besuchte, erzählte dem Priester ihrer Gemeinde von den Vorfällen. Nachdem dieser ihren Onkel zur Rede gestellt hatte, verbot der Onkel der Klägerin, weiter zur Kirche zu gehen. Als der General die Abneigung der Klägerin gegen ihn bemerkte, ließ er sie in eine geschlossene Sekte außerhalb der Stadt verbringen. Die Klägerin sollte dort zunächst durch „Beten“ gefügig gemacht werden. Außerdem war geplant, sie nach Ablauf einiger Monate zu beschneiden. Berücksichtigt man, dass eine Heirat ohnehin nicht beabsichtigt war, der General sie immer wieder abgeholt hat, wenn er in M. war, und sie dann einige Zeit, auch über Nacht, mit ihm verbringen musste, erklärt sich auch ihre Aussage in der Anhörung vor dem Bundesamt (Seite 5 des Protokolls), die Beschneidung habe verhindern sollen, dass sie mit einem anderen Mann schlafe, wenn der General nicht in M. gewesen sei: Der General wollte die Klägerin wie einen persönlichen Besitz für sich allein beanspruchen und drohte mit einer Genitalverstümmelung, um dieses Ziel durchzusetzen. Außerdem bedrohte er sie mit dem Tod, sollte sie sich weigern, sich auf ihn einzulassen.
46Die Aussagen der Klägerin zur geplanten Genitalverstümmelung stimmen mit den Berichten überein, nach denen in seltenen Fällen weibliche Genitalverstümmelung in den östlichen Provinzen von Angola bzw. in abgelegenen Gegenden praktiziert wird.
47Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 30; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 50.
48M. , der Wohnsitz des Onkels der Klägerin und der Ort der Sekte, liegt im Osten von Angola.
49Die Klägerin wurde während des Aufenthaltes bei der Sekte krank. Da sie geschwächt war, wurde sie nicht mehr so streng bewacht wie vorher. Dabei gelang ihr in einem unbeobachteten Moment die Flucht. Da sie einen speziellen Kittel der Sekte trug, war sie ohne Weiteres als Sektenangehörige erkennbar. Menschen, die der Klägerin außerhalb des Areals der Sekte begegneten, brachten sie auf ihren Wunsch zu einer katholischen Gemeinde. Dort traf sie den Priester ihrer Heimatgemeinde, der bereits nach ihr gesucht hatte, nachdem sie nicht mehr zur Kirche gekommen war. Er organisierte eine Fahrt mit dem Auto und Begleitern nach I1. , von wo aus die Klägerin nach M1. flog. Dort wurde sie von den dortigen katholischen Missionen aufgenommen, die schließlich den Flug der Klägerin nach Deutschland organisierten. Auf diesem Flug begleitete sie eine angolanische Familie.
50Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin sprechen insbesondere nicht ihre Aussagen zum Zeitablauf ihres Schulbesuchs. Die Klägerin hat in der Anhörung erklärt, sie sei mit 6 Jahren eingeschult worden. Da die Schule nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Januar beginnt und da die Klägerin im August 1996 6 Jahre alt geworden ist, muss ihr Schulbesuch im Januar 1997 begonnen haben. Sie hat in der Anhörung vor dem Bundesamt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben, sie sei 8 Jahre lang zur Schule gegangen. Dies muss etwa bis zum Januar 2006 gewesen sein. Damals war die Klägerin 15 Jahre alt. Anschließend hat sie die gesundheitstechnische Schule in M. etwa drei Monate lang besucht, bis ihr Onkel nicht mehr gezahlt hat. Dies kann zeitlich ohne Weiteres vor ihrem 16. Geburtstag am 17. August 2006 erfolgt sein, an dem ihr Onkel sie aus finanziellen Gründen verkauft hat. Soweit im Erstgespräch beim Jugendamt der Stadt E. am 7. März 2008 protokolliert wurde, die Klägerin habe 11 Jahre lang eine Schule besucht, hat die Klägerin dies mit einem Missverständnis erklärt. Im Hinblick darauf, dass ihre Angaben glaubhaft sind und die Klägerin damals erst kurz in Deutschland war, so dass sie die deutschen Angaben mangels Sprachkenntnissen nicht selbst überprüfen konnte, ist dies plausibel, zumal damals ausweislich des Protokolls keine Rückübersetzung erfolgte.
51b) Die Klägerin ist wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit verfolgt worden. Ihre Menschenwürde ist grob missachtet worden, indem sie als Frau zum Handelsobjekt herabgewürdigt worden ist. Außerdem ist mit der angekündigten Genitalverstümmelung auch ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit bedroht worden. Beides erfolgte in Anknüpfung an ihre Geschlechtszugehörigkeit. Der General, der nach den Angaben der Klägerin immer junge Frauen suchte, nur eine Zeitlang mit einer Frau zusammen war und ihrer dann wohl überdrüssig wurde, war an der Klägerin nur interessiert, weil sie eine Frau war und weil sie jung war. Auf diese Weise wurde die Klägerin als sozial minderwertiges Wesen ohne eigene Rechte behandelt und aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgegrenzt. Indem der General ihr die Genitalverstümmelung ankündigte und diese plante, um zu verhindern, dass sie mit anderen Männern als mit ihm schläft, reduzierte er sie auf ein bloßes Sexualobjekt.
52Vgl. zur drohenden Beschneidung bei Männern als asylrelevanter Verfolgung BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 – 9 C 118.90 –, BVerwGE 89, 162 = NVwZ 1992, 582 = juris, Rn. 10: „…ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist, weil ihm bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, während des Wehrdienstes zwangsbeschnitten zu werden.“ und Rn. 13: „Es kann weiterhin auch nicht zweifelhaft sein, dass eine gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte Beschneidung ihrer Intensität nach einen asylrechtlich erheblichen Eingriff in seine physische und psychische Integrität darstellt. Das Berufungsgericht führt in dieser Hinsicht zu Recht aus, dass - abgesehen von dem körperlichen Eingriff - der von einer Zwangsbeschneidung Betroffene unter Missachtung seines religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum bloßen Objekt erniedrigt wird.“
53Durch die Bedrohung mit dem Tod war auch das Recht der Klägerin auf Leben gefährdet. Auch dies hängt unmittelbar mit ihrer Verfolgung als Frau zusammen. Der General nahm es der Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben persönlich übel, dass sie ihn ablehnte, und drohte ihr deshalb mit dem Tod. Dabei handelte es sich nicht nur um einen privaten kriminellen Racheakt ohne politische Motive. Die Todesdrohung ist hier vielmehr vor dem Hintergrund der sie begleitenden politischen Verfolgung wegen des Geschlechts zu sehen. Ohne diese hätte der General die Klägerin nicht mit dem Tod bedroht. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Todesdrohung sich nicht durch die Ausreise der Klägerin und eine mehrjährige Abwesenheit im Ausland erledigt hat. Denn der General hatte bereits nach der Klägerin suchen lassen, nachdem sie aus der Sekte entkommen war. Er hatte für sie bezahlt und wollte sich die Gegenleistung nicht entgehen lassen. Außerdem dürfte er es in seiner Stellung als hoher Vertreter des Militärs gewohnt sein, seine Interessen und Ziele durchzusetzen, und war beleidigt wegen der Flucht der Klägerin. Es erscheint plausibel, dass er seine Rache auch aus Gründen der Machtdemonstration in jedem Fall durchzusetzen versucht. Die vorverfolgt ausgereiste Klägerin wäre bei einer Rückkehr nach Angola aus diesen Gründen nicht hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung wegen ihres Geschlechts, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod.
54c) Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen. Dieser ist entweder nicht in der Lage oder nicht willens, der Klägerin Schutz zu bieten. Wenn die Klägerin sich an die Polizei oder Gerichte gewandt hätte, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass sie als Waise von dort effektive Hilfe gegen ihren Onkel als ihren Betreuer und gegen den General als einen hohen Vertreter des Militärs, dem als solchen wesentlich mehr gesellschaftliche und finanzielle Einflussmöglichkeiten zustehen dürften als der Klägerin, erhält. Dies ergibt sich aus Folgendem:
55Kindesmissbrauch („child abuse“) ist weit verbreitet und von den angolanischen Behörden weitgehend toleriert. Insbesondere schutzbedürftige Kinder („vulnerable children“) wie Waisen laufen Gefahr, von ihren Betreuern missbraucht zu werden. Die angolanische Regierung verfügt über keine Strategie, um solche Kinder zu schützen. Sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zwischen 12 und 18 Jahren sind zwar als sexueller Missbrauch strafbewehrt. Eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeiten und ein unzureichendes Justizsystem verhindern jedoch in den meisten Fällen eine Strafverfolgung.
56Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 32 f.; Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51.
57Häusliche Gewalt gegenüber Frauen ist verbreitet und allgegenwärtig. Sie ist nicht illegal. Trotzdem wird sie gelegentlich als Vergewaltigung, Beleidigung oder Körperverletzung verfolgt.
58Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51; UK Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 49.
59Die meisten Fälle häuslicher Gewalt werden von den betroffenen Frauen jedoch nicht angezeigt. Dies geschieht wegen des den Behörden grundsätzlich entgegengebrachten starken Misstrauens und der unangemessenen Einstellung der Polizei zu Fällen häuslicher Gewalt. Die Anzeige eines solchen Falles würde für die betreffende Frau einen sie frustrierenden, beschämenden und zeitraubenden Vorgang darstellen. Zudem sind Richter häufig nachsichtig, wenn es um die Verurteilung eines Mannes geht, der sich der Gewalt gegenüber einer Frau schuldig gemacht hat.
60Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51 f.
61Verfahrensrechte laufen aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems vielfach leer. Der Justizweg ist allenfalls eingeschränkt gewährleistet. Ermittlungsbehörden und Polizei sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig.
62Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Angola vom 26. Juni 2007, S. 6; United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 9; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 28; nach den Informationen von Dalichau, Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen, Juni 2011, S. 4, gehört der Perzeptionsindex für Korruption zu den höchsten der Welt.
63Da der angolanische Staat nach diesen Auskünften schon für den Regelfall einer Misshandlung einer jungen Frau durch ihre Familie bzw. einen hohen Militärangehörigen keinen wirksamen Schutz zur Verfügung stellt, entlastet es ihn nicht, dass kein Staat der Welt lückenlosen Schutz vor politischer Verfolgung durch Private bieten kann.
64d) Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen von Angola zur Verfügung. Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der General als hoher Vertreter des Militärs im Hinblick auf seine gesellschaftliche Stellung und die allgegenwärtige Korruption im Land die Möglichkeit hat und diese nutzen würde, die Klägerin mit Hilfe des Militärs oder anderer Beziehungen auch in anderen Teilen von Angola ausfindig zu machen, um sich an ihr zu rächen. Er hatte bereits nach ihr suchen lassen, während sie in M1. bei den katholischen Missionen versteckt war.
65Unabhängig davon könnte die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Unterstützung einer Familie ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern. Der größere Teil der angolanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
66Vgl. Die Zeit: „Auf nach Afrika!“ vom 18. April 2013: über die Hälfte; taz: „Je reicher das Land, desto mächtiger der Chef“ vom 5. April 2012: Zwei Drittel leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 2 Dollar am Tag; ebenso Dalichau: „Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen“ von Juni 2011, S. 3; Der Spiegel: „Die Revolution ist beerdigt“ vom 15. Juni 2009; Spiegel online: „Mit Hühnern gegen Raubtierkapitalismus“ vom 29. März 2009; Le Monde diplomatique: „Reiches Land mit armen Leuten“ vom 9. Mai 2008.
67Die Lebenshaltungskosten in Angola und insbesondere in der Hauptstadt M1. sind extrem hoch. Insbesondere, wenn kein familiärer Rückhalt besteht, der zumindest für den Beginn Unterstützung gewährt, ist es zum Teil äußerst schwierig, wenn nicht sogar ausgeschlossen (abhängig von den persönlichen Fähigkeiten/Verhältnissen), „Fuß zu fassen“.
68So die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 22. September 2009.
69Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums in anderen Landesteilen von Angola ist hier auch asylerheblich, weil es verfolgungsbedingt ist. Die asylrechtlich relevante Verfolgung der Klägerin hatte ihren Ursprung darin, dass ihr Onkel sie dem General zur Verfügung stellte, u. a. zur sexuellen Ausbeutung. Daher ist es ihr unzumutbar, zu ihrem Onkel zurückzukehren. Zu dem einzigen anderen Familienangehörigen der Klägerin in Angola, ihrem Zwillingsbruder, hat sie keinen Kontakt mehr, weil sie seinen Aufenthalt nicht mehr kennt. Die Klägerin verfügt zwar über eine 8-jährige angolanische Schulbildung und ist nach ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dabei, ihren Realschulabschluss zu erwerben. Auch spricht sie ziemlich gut Deutsch. Allerdings verfügt sie nicht über eine Berufsausbildung. Wenn sie nach Angola zurückkehrte, ist ohne familiäre Unterstützung und ohne gesicherte Anlaufstelle nicht ersichtlich, wie sie in ihrem besonderen Einzelfall ihren Lebensunterhalt, gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr, in zumutbarer Weise sichern könnte.
70e) Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG stehen dem Asylanspruch der Klägerin nicht entgegen. Danach erhält kein Asyl, wer aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Dazu zählen alle an Deutschland angrenzenden Staaten, so dass Asyl für diejenigen ausgeschlossen ist, die auf dem Landweg einreisen.
71Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin auf dem Luftweg nach Deutschland gekommen ist. Sie hat glaubhaft geschildert, wie sie von M1. mit einer südafrikanischen Fluglinie und einem Zwischenstopp in Afrika nach Deutschland geflogen ist. Dass der Zwischenstopp in Afrika stattfand, ergibt sich für das Gericht aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin, dass die Menschen auf diesem Flughafen afrikanisch gewesen seien. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalles macht es ihr Vorbringen nicht unglaubhaft, dass sie ihren Pass, den Namen, auf den dieser Pass ausgestellt war, und die Sitznummer im Flugzeug nicht kannte. Ebenso wenig ist ihr vorzuhalten, dass sie nicht bereits auf dem deutschen Ankunftsflughafen Asyl beantragt hat. Denn die Klägerin war wegen ihrer persönlichen Situation damals kaum in der Lage, die konkrete Ausgestaltung der Flucht nach Deutschland selbst in die Hand zu nehmen. Sie verließ sich vielmehr auf ihre erwachsenen Reisebegleiter: Die Klägerin war bei der Ausreise aus Angola 17 Jahre alt. Sie hatte bis zu ihrer Flucht nie ohne ihre Familie gelebt und ihr Leben nie völlig selbstständig organisiert. Sie reiste zum ersten Mal aus Angola aus. Sie war ganz auf sich allein gestellt, nachdem ihr Onkel sie verkauft und sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Zwillingsbruder hatte. Sie war von den vorangegangenen Ereignissen emotional beeinträchtigt. Die katholische Mission hatte ihre Ausreise zusammen mit einer Familie organisiert, an die sie sich halten sollte. Ihren Pass hatte der Vater dieser Familie, der sie sich angeschlossen hatte. Sie folgte daher deren Anweisungen, als sie am Flughafen von einem Mann mit einem Auto abgeholt wurden und als sie sich in C. in einem bestimmten Büro melden sollte. Dabei ging sie davon aus, dass die Familie, wie angekündigt, folgen würde, und wartete vergeblich auf diese. In einer solchen Situation ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht alle Einzelheiten ihrer Ausreise wiedergeben konnte.
72II. Der Klägerin steht auch Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zu.
731. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
74Gemäß § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 u. a. folgende Handlungen gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1) sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen (Nr. 6). Nach § 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 1 AsylVfG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe u. a. angeborene Merkmale gemein haben und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der die umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft (§ 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 4 AsylVfG).
75Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3 c AsylVfG der Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatliche Akteure, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Schutz vor Verfolgung kann nach § 3 d Abs. 1 AsylVfG nur geboten werden vom Staat (Nr. 1) oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten (Nr. 2). Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3 d Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).
76Gemäß § 3 e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
77Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen, unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, nicht durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2011– 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 23 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 35 ff. m. w. N. (jeweils zur entsprechenden Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
792. Die Klägerin ist aus den unter I. 2. genannten Gründen aufgrund der Besonderheiten ihres Einzelfalls als junge, unverheiratete und elternlose Minderjährige wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht verfolgt worden. Ihr „Verkauf“ an den General ist unauflöslich mit sexueller Gewalt und Ausbeutung verbunden. Er zielt auf den Genderstatus der Frau, ihr Alter, Geschlecht, ihre wirtschaftliche und soziale Stellung wie auch ihre sexuelle Verwertbarkeit zu wirtschaftlichen Zwecken.
80Vgl. Marx, Furcht vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Art. 10 I Bst. d RL 2004/83/EG), ZAR 2005, 177 (184); zur geschlechtsspezifischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG; Hess. VGH, Urteil vom 23. März 2005 – 3 UE 3457/04.A –, NVwZ-RR 2006, 504 = juris, Rn. 38 ff., 43 ff. (Genitalverstümmelung); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5a K 4418/11.A –, juris, Rn. 62 ff. (Zwangsverheiratung); VG Magdeburg, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 182/11 MD –, juris (Zwangsverheiratung); VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris, (Zwangsverheiratung); VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2005 – W 8 K 04.30919 –, juris, Rn. 13 (Zwangsprostitution); Ziffer 60.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 nennt als Beispiele für an das Geschlecht anknüpfende Verfolgungshandlungen drohende Genitalverstümmelung und Fälle schwerer häuslicher Gewalt; siehe auch Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Jan. 2014, § 60 Rn. 187, nach dem die Gruppe der minderjährigen oder der unverheirateten Frauen eine soziale Gruppe darstellen kann.
81Unter Berücksichtigung der oben angeführten Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für Vorverfolgte droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneute Verfolgung, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod durch den General. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass der General von seiner angekündigten Rache gegenüber der Klägerin Abstand nehmen könnte, sind nicht ersichtlich.
82Schutz vor dieser Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3 c Nr. 3 AsylVfG ist vom angolanischen Staat nicht zu erwarten. Aus den oben genannten Gründen bietet der angolanische Staat keinen wirksamen und dauerhaften Schutz vor der Verfolgung im Sinne des § 3 d AsylVfG. Ein interner Schutz in anderen Teilen von Angola im Sinne von § 3 e AsylVfG besteht ebenfalls nicht, weil der General die Klägerin dort finden würde und – unabhängig davon – weil die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Familienangehörige ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern könnte.
83III. Die Feststellung in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, ist aufzuheben. Einer Entscheidung über die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Abschiebungsverbote bedarf es nach der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).
84Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010– 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 117 ff.
85IV. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides war aufzuheben. Da die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen ist und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, darf eine Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht ergehen.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus Köln wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus Köln ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
3II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A ‑, vom 10. August 2012 ‑ 13 A 151/12.A ‑, juris, und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A ‑.
6Gemessen daran haben die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
7"Welche genauen Anforderungen dürfen ‑ im Hinblick auf die Nachweiserleichterung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ‑ an die Glaubhaftmachung der Asylgründe im Asylverfahren bei Flucht durch Verfolgung im Heimatland gestellt werden?“
8und
9„Inwieweit dürfen die ‑ oftmals unter Angst vor der Verfolgung und drohenden Strafen im Verfolgerland und/oder wegen Unwissenheit gemachten - falschen oder ungenauen Angaben der Asylsuchenden im Asylverfahren einen Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Ausländers bilden?"
10keine grundsätzliche Bedeutung. Die beiden Fragen zielen darauf ab, welche Beweisanforderungen an den Verfolgungsvortrag zu stellen sind. Zwar sind sie - so verstanden - einer grundsätzlichen Klärung zugänglich, aber nicht klärungsbedürftig. Welchen Anforderungen die Glaubhaftmachung des Verfolgungsvortrages genügen muss, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne geklärt, dass das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit ‑ und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen muss, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet.
11Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. April 1985 ‑ 9 C 109.84 ‑ und vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 ‑, jeweils juris.
12Hierbei darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 ‑ 9 C 109.84 ‑, juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2012 - 13 A 1118/12.A - juris.
14Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Ausländers kann schon allein sein eigener Tatsachenvortrag zur Anerkennung führen, sofern das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugt ist. Der Ausländer ist gehalten, seine Fluchtgründe in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss insbesondere seine persönlichen Erlebnisse unter Angabe genauer Einzelheiten derart schlüssig darlegen, dass seine Schilderung geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Enthält das Vorbringen erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widerspruche und Unstimmigkeiten, kann es als unglaubhaft beurteilt werden.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 ‑ 9 B 239.89 ‑, juris.
16Im Rahmen dieser Maßstäbe gilt der Grundsatz der freien ‑ nicht durch weitere Kriterien eingeschränkten - richterlichen Beweiswürdigung, was bedeutet, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, den Beweiswert einer Aussage zu würdigen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies erfolgt einzelfallbezogen.
17Die im Kern allein hiergegen gerichteten Angriffe des Klägers greifen deswegen mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht durch. Dass es ihm letztlich nicht darum geht, die für die Glaubhaftmachung des Verfolgungsvorbringens geltenden Anforderungen einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen, sondern ausschließlich darum, deren zutreffende Anwendung im konkreten Einzelfall überprüfen zu lassen, ergibt sich daraus, dass er diese Anforderungen in Beantwortung der von ihm selbst gestellten Frage benennt und sich sein übriges Zulassungsvorbringen zu den unter Ziffer 1 und 2 gestellten Fragen darin erschöpft, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung im Stile einer Berufungsschrift in Zweifel zu ziehen. Da die Grundsatzrüge hierfür keinen Raum bietet, ist das darauf gerichtete Zulassungsvorbringen unerheblich. Davon abgesehen bietet es auch keinen tragfähigen Ansatz dafür, dass das Verwaltungsgericht die anerkannten und zuvor dargestellten Maßstäbe bei der Beweiswürdigung außer Acht gelassen hat.
18Vgl. zu den vorstehenden Fragestellungen bereits OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2015 ‑ 13 A 2572/14 -, juris.
19Auch die weitere Frage,
20"Welche Anforderungen sind an eine informatorische Befragung eines Konvertiten zu seiner Glaubensüberzeugung zu stellen?"
21sowie die sinngemäß gestellte Frage,
22Welche Anforderungen sind an die innere Glaubensüberzeugung eines Konvertiten zu stellen?
23haben keine grundsätzliche Bedeutung, da sie entweder in der Rechtsprechung bereits geklärt oder aber einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.
24Geklärt ist diesbezüglich in der Rechtsprechung Folgendes: Es muss aufgrund der glaubhaft gemachten Beweggründe festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Für die Frage, ob ein ernsthafter Glaubenswechsel vorliegt, kommt es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Schilderung und die Glaubwürdigkeit der Person des Asylbewerbers an, die das Gericht selbst im Rahmen einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers zu überprüfen und tatrichterlich zu würdigen hat. Da maßgeblich ist, ob sich der Betroffene nach Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen wird, genügt der Formalakt der Taufe regelmäßig nicht. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch im Herkunftsland auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2014 ‑ 13 A 1646/14.A -, juris, m.w.N.
26Darüber hinausgehende Anforderungen, etwa die Einzelheiten des Vertrautseins mit den wesentlichen Grundzügen der neuen Religion, sind einzelfallbezogen und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Sie richten sich vorwiegend nach der Persönlichkeit und der intellektuellen Disposition des jeweiligen Asylbewerbers. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass auch die damit notwendigerweise zusammenhängenden Anforderungen an die informatorische Befragung des Konvertiten einzelfallbezogen und damit einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.
27Der darüber hinaus vom Kläger geltend gemachte pauschale Hinweis auf Verfahrensfehler führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages. Er genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Soweit er damit wohl einen Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 2 VwGO rügen will, liegen dessen Voraussetzungen bereits deshalb nicht vor, weil der erkennende Einzelrichter nicht erstinstanzlich wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt worden war.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
29Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.
Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“
(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn
- 1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist, - 2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, - 3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und - 4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn
- 1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist, - 2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, - 3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben, - 4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und - 5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.
(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.
(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.
(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, - 2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.