Verwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Juli 2015 - 4 K 5856/14
Gericht
Tenor
Herr V. C. , Q.--------straße 00, 00000 Leverkusen, wird beigeladen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt mit der Klage die Korrektur des Wahlergebnisses der Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 im Hinblick auf den Beigeladenen und die Feststellung, dass der im Wahlvorschlag der Wählergruppe „Freie Wähler Leverkusen e.V.“ (im Folgenden Freie Wähler) auf dem nachfolgenden Listenplatz aufgeführte Kandidat der ordnungsgemäß gewählte Vertreter ist.
3Der Kläger und der Beigeladene kandidierten für die Freien Wähler bei der Kommunalwahl sowohl in einem Wahlbezirk als auch auf der Reserveliste. Der Kläger stand auf Listenplatz 3 und der Beigeladene auf Listenplatz 1. Die Freien Wähler hatten den Beigeladenen als Bewerber für die Kommunalwahl vorgeschlagen. Im Wahlvorschlag ist für den Beigeladenen als Beruf N. und als Wohnung und Wohnort Q.--------straße 00 in 00000 Leverkusen angegeben. Zudem ergibt sich aus dem Wahlvorschlag, dass für den Beigeladenen zwölf Unterstützungsunterschriften vorliegen. Die Beklagte bescheinigte die Wählbarkeit des Beigeladenen am 2. April 2014.
4Am 25. Mai 2014 fand die Kommunalwahl in Leverkusen statt. Die endgültigen Wahlergebnisse stellte der Wahlausschuss der Beklagten in seiner Sitzung vom 2. Juni 2014 fest. Die öffentliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte im Amtsblatt der Beklagten vom 6. Juni 2014 unter der laufenden Nr. 15, Seite 125. Die Freien Wähler erhielten für die in allen Wahlbezirken zugelassenen Wahlvorschläge 833 bzw. 1,4 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Ein Direktmandat konnten sie nicht erzielen. Der Wahlausschuss stellte in seiner Sitzung am 2. Juni 2014 den Beigeladenen als gewählten Bewerber von der Reserveliste fest. Am 4. Juni 2014 erklärte der Beigeladene, dass er die Wahl in die Vertretung der Beklagten annehme.
5Bereits unmittelbar nach der Wahl hatte der Beigeladene seinen Austritt aus der Wählergruppe verkündet. Mit E-Mail vom 26. Mai 2014 hatte er den Vorstandsmitgliedern der Freien Wähler mitgeteilt, dass er seine Mitgliedschaft bei den Freien Wählern mit sofortiger Wirkung kündige. Sein personengebundenes Ratsmandat werde er nicht zurückgeben.
6Mit Schreiben vom 23. Juni 2014 – eingegangen am Montag, den 7. Juli 2014 – erhob der Kläger Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl des Rates. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das Ratsmandat des Beigeladenen stehe nach Beendigung seiner Mitgliedschaft bei den Freien Wählern noch vor Ermittlung des endgültigen amtlichen Wahlergebnisses und vor Mandatsannahme ausschließlich den Freien Wählern zu. § 45 Abs. 1 KWahlG gelte analog. Wegen seines ungeklärten Lebensmittelpunktes sei der Beigeladene möglicherweise nicht gemäß § 12 KWahlG wählbar gewesen. Seine Frau und Kinder würden in Frankfurt/Main wohnen. Der Wohnort seines Lebenspartners/seiner Lebenspartnerin sei Dormagen. Ferner habe der Beigeladene erklärt, er habe den Wohnort mit seinem Zwillingsbruder getauscht. Seine Wohnung in Leverkusen wolle er der Gruppe „Piraten“ als Geschäftsräume zur Verfügung stellen. Zudem sei nicht zweifelsfrei ausgeschlossen, dass er in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten stehe. Dies führe zur Inkompatibilität bei der Ausübung des Ratsmandates. Darüber hinaus habe der Beigeladene nach der Wahl erklärt, dass es beim Generieren von Unterstützungsunterschriften im Wahlbezirk 36 zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Ferner seien die Feststellungen des Wahlausschusses formal fehlerhaft. Die Tagesordnung und die Verwaltungsvorlagen seien nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Den Freien Wählern sei in der Sitzung des Wahlausschusses keine Gelegenheit eingeräumt worden, ihre Einwendungen mündlich zu erläutern.
7Der Wahlprüfungsausschuss beriet über den Einspruch des Klägers in seiner Sitzung vom 24. Juli 2014. Er beschloss, der Wahleinspruch sei unbeachtlich und daher zurückzuweisen. In derselben Sitzung beschloss der Wahlprüfungsausschuss außerdem, die Wahl des Rates vom 25. Mai 2014 für gültig zu erklären.
8In seiner öffentlichen Sitzung am 25. August 2014 beschloss der Rat der Beklagten, den Einspruch des Klägers zurückzuweisen und die Wahl des Rates und der Bezirksvertretungen in Leverkusen am 25. Mai 2014 mit den in der o.g. öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten festgestellten Wahlergebnissen für die Kommunalwahl für gültig zu erklären. Dieser Ratsbeschluss wurde öffentlich bekannt gemacht.
9Mit Bescheid vom 9. September 2014 – zugestellt am 24. September 2014 – teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Rat der Beklagten seinen Einspruch zurückgewiesen habe. Es gebe keine Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung der Wahl. Der Beigeladene sei zudem wählbar gewesen. Zur weiteren Begründung verwies sie auf die Beschlussvorlage Nr. 2014/0095 für den Wahlprüfungsausschuss und den Rat, die dem Bescheid beigefügt war.
10Am 24. Oktober 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft seine Einspruchsgründe. Ergänzend führt er aus, der Beigeladene habe selbst erklärt, er habe mehrere Lebensmittelpunkte. Dies werde daran deutlich, dass sein privates Fahrzeug das amtliche Kennzeichen von Neuss trage. Zudem liefen gegen den Beigeladenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und ein zivilrechtliches Verfahren.
11Der Kläger beantragt,
12den Beschluss des Rates der Beklagten vom 25. August 2014 (Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014 und Zurückweisung des Einspruchs des Klägers) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, auf den Einspruch des Klägers vom 23. Juni 2014 die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig zu erklären, sie aufzuheben und die Neufeststellung mit der Maßgabe anzuordnen, dass Herr V. C. bei der Zuteilung der Sitze von der Reserveliste der Freien Wähler Leverkusen e.V. außer Betracht bleibt und
13den Beschluss des Rates der Beklagten vom 25. August 2014 (Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014 und Zurückweisung des Einspruchs des Klägers) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, auf den Einspruch des Klägers vom 23. Juni 2014 das Ausscheiden des Herrn V. C. anzuordnen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Der Beigeladene sei wählbar gewesen, so dass kein Fall des § 40 Abs. 1 a) KWahlG vorliege. Er wohne seit 2008 in Leverkusen und habe dort seine alleinige Wohnung. Nebenwohnungen seien nicht registriert. Aus dem Melderegister ergebe sich ferner, dass der Beigeladene bereits bei Zuzug im Jahre 2008 geschieden gewesen sei. Den nebulösen Mutmaßungen des Klägers könne nicht gefolgt werden. Es liege auch kein Wahlfehler im Sinne des § 40 Abs. 1 b) KWahlG vor. Für die Feststellung des Wahlergebnisses am Wahltag sei es unerheblich, wie sich ein Bewerber nach Beendigung der Wahl verhalte, ob er die Wahl annehme oder ob er die Partei, für die er eigentlich angetreten sei, verlasse. Die Ersatzbestimmung von Vertretern werde in § 45 KWahlG geregelt. Die Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Austritt aus den Freien Wählern habe den Beigeladenen nicht gehindert, sein Ratsmandat anzunehmen und zu behalten. Dies ergebe sich aus § 43 GO NRW. Dass der Zeitpunkt der Austrittserklärung bereits vor der Annahme der Wahl gelegen habe, könne nicht dazu führen, dass er sein Mandat verliere. Die Wahlprüfungsklage habe daher keinen Erfolg.
17Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
18Entscheidungsgründe
19Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auch das Ausscheiden des Herrn V. C. wegen mangelnder Wählbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 a) KWahlG beantragt hat, war dieser beizuladen. Im Hinblick auf § 40 Abs. 1 a) KWahlG ist er derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO).
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21Der Beschluss des Rates der Beklagten vom 25. August 2014 (Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014 und Zurückweisung des Einspruchs des Klägers) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auf seinen Einspruch hin weder einen Anspruch gegen den Rat der Beklagten auf die Ungültigerklärung des Wahlergebnisses, dessen Aufhebung und die Neufeststellung mit der Maßgabe, dass der Beigeladene bei der Zuteilung der Sitze von der Reserveliste der Freien Wähler außer Betracht bleibt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 43 KWahlG) (I.) noch auf die Anordnung des Ausscheidens des Beigeladenen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (II.).
22I. Die Zurückweisung des Einspruchs des Klägers durch den Ratsbeschluss vom 25. August 2014 ist im Hinblick auf § 40 Abs. 1 c) KWahlG rechtmäßig. Der zulässige Einspruch des Klägers ist unbegründet.
23Gemäß § 40 Abs. 1 c) Satz 1 KWahlG hat der Rat die Feststellung des Wahlergebnisses aufzuheben und eine Neufeststellung nach § 43 KWahlG anzuordnen, wenn er die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig erklärt. § 40 Abs. 1 c) KWahlG knüpft zeitlich und inhaltlich an den Bereich der Feststellung des Wahlergebnisses an und bezieht sich damit auf Fehler nach Abschluss der Wahlhandlung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das kommunale Wahlprüfungsverfahren dazu bestimmt ist, die richtige Zusammensetzung der Vertretung zu gewährleisten und damit dem Grundsatz der Wahlgleichheit aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sowie § 42 Abs. 1 Satz 1 GO NRW zum Durchbruch zu verhelfen. Dementsprechend können auch ohne ausdrückliche weitere Postulierung im einfachen Gesetz grundsätzlich nur solche festgestellten Fehler zu Eingriffen der Wahlprüfungsinstanzen führen, die auf die gesetzmäßige Zusammensetzung der Volksvertretung, also auf die konkrete Mandatsverteilung, von Einfluss sind oder sein können.
24Vgl. VG Köln, Urteil vom 25.03.2015 ‑ 4 K 7076/14 ‑, juris Rn. 29 f. m.w.N.
25Davon ausgehend begründet es keinen Wahlfehler, dass dem Beigeladenen trotz seines Austritts aus der Wählergruppe unmittelbar nach der Wahl ein Mandat aufgrund seines Listenplatzes 1 auf der Reserveliste der Freien Wähler zugeteilt worden ist.
26Der Wahlausschuss hat den Beigeladenen zu Recht bei der Besetzung der Sitze im Rat der Beklagten berücksichtigt. Nach § 34 Abs. 1 KWahlG stellt der Wahlausschuss u.a. fest, welche Bewerber aus den Reservelisten gewählt sind. Nach § 33 Abs. 6 Satz 1 KWahlG werden die Sitze aus den Reservelisten in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Eine ausdrückliche Regelung zur Nichtberücksichtigung von Bewerbern aus der Reserveliste enthält § 33 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 32 Satz 2 KWahlG. Danach werden Bewerber dann nicht berücksichtigt, wenn sie ihre Wählbarkeit nach der Zulassung, aber noch vor dem Wahltag verloren haben. Das hat der Kläger in Bezug auf den Beigeladenen nicht substantiiert vorgetragen (näher dazu die Ausführungen zu II.), noch ist es sonst ersichtlich. Demgegenüber ist der vorliegende Fall, dass ein über die Reserveliste gewählter Bewerber noch vor der Annahme der Wahl aus der Partei oder der Wählergruppe, für die er angetreten ist, ausscheidet, im Kommunalwahlgesetz gerade nicht explizit geregelt. Dem Gesetz, das mit den verfassungsrechtlich verankerten Wahlrechtsgrundsätzen im Einklang steht, lässt sich vielmehr umgekehrt entnehmen, dass der Austritt aus der Partei oder der Wählergruppe auch unmittelbar nach der Wahl und vor ihrer Annahme auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste ohne Einfluss bleibt. Bei diesem Befund ist für die vom Kläger angenommene analoge Anwendung der Bestimmungen in § 45 Abs. 1 Satz 2 KWahlG kein Raum.
27Dreh- und Angelpunkt für die folgenlose Abkehr von einer Partei oder Wählergruppe ist § 20 Abs. 2 Satz 3 KWahlG. Danach ist jede Änderung eines Wahlvorschlags nach der Entscheidung über seine Zulassung ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch die Reserveliste grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt unveränderlich ist. Der Austritt aus einer Partei oder Wählergruppe eröffnet keine Veränderungsmöglichkeit der einmal zugelassenen Liste. Der ausgetretene Wahlbewerber ist weiter über die Liste wählbar.
28Aus § 45 Abs. 1 Satz 2 KWahlG kann der Kläger nichts anderes herleiten. Danach bleiben auf der Reserveliste diejenigen Bewerber außer Betracht, die aus der Partei oder Wählergruppe, für die sie bei der Wahl aufgestellt waren, ausgeschieden sind.
29Zur Verfassungsmäßigkeit der vergleichbaren Vorschrift des § 48 BWahlG siehe BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1957 – 2 BvR 9.56–, juris R. 23 ff.
30Diese Vorschrift greift aber nur in den Fällen, in denen ein gewählter Bewerber stirbt oder die Annahme der Wahl ablehnt oder wenn ein Vertreter stirbt oder sonst aus der Vertretung ausscheidet (§ 45 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz KWahlG). Das ist hier nicht der Fall.
31Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 45 Abs. 1 Satz 2 KWahlG nicht analog anwendbar. Eine analoge Anwendung kommt nur dann in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Daran fehlt es hier. Der Kläger meint zu Unrecht, im Kommunalwahlgesetz sei dieser Fall versehentlich nicht geregelt. Dem stehen die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen zur Partei- oder Wählergruppenzugehörigkeit entgegen. Der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen hat der Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählergruppe zunächst nur Bedeutung für die Wahlvorbereitung beigemessen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KWahlG können für die Reserveliste nur Bewerber benannt werden, die für eine Partei oder Wählergruppe auftreten. Die Vorschrift betrifft allein die Kandidatenaufstellung. Ihre Wirkung endet jedoch mit der Zulassung des Wahlvorschlags (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 3 KWahlG). Einen Fortbestand der Mitgliedschaft nach Zulassung des Wahlvorschlags hat der Gesetzgeber hingegen nicht postuliert. Er hat (bewusst) nur den Fall des Versterbens – wie oben bereits dargelegt – gesetzlich geregelt. Die detaillierten Regelungen zur Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählergruppe bei Einreichung des Wahlvorschlags und im Falle des Nachrückens in bestimmten gesetzlich vorgegebenen Fallkonstellationen lassen daher vielmehr den Gegenschluss zu, dass der Gesetzgeber die verbleibenden Fälle gerade nicht anders regeln wollte. Insbesondere hat er nicht vorgegeben, dass die Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählergruppe zwingende Voraussetzung für die erstmalige Annahme des Mandats ist.
32Ist der Wahlbewerber am Wahltag gewählt worden, verhindern nur noch der eigene Tod oder die Mandatsablehnung die Annahme der Wahl (vgl. §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 KWahlG). Der Wahlbewerber selbst muss aktiv noch nicht einmal tätig werden. Sollte der Gewählte bis zum Ablauf der gesetzten Frist keine Erklärung abgeben, so gilt die Wahl zu diesem Zeitpunkt als angenommen (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 4 KWahlG). Ohne sein Zutun kann der gewählte Bewerber seine durch die Wahl erworbene Anwartschaft auf die Mitgliedschaft in der Vertretung nicht mehr verlieren. Ein zwingender, aus der Verfassung ableitbarer Grund, über die im § 45 KWahlG genannten Fälle hinaus einen Listennachfolger auch für den Fall zu berufen, wenn der gewählte Bewerber zwischen der Wahl und der konstituierenden Sitzung aus einer Partei oder Wählergruppe austritt, ist nicht ersichtlich. Die Entscheidung des gewählten Bewerbers ist als Ausfluss des freien Mandats gemäß § 43 Abs. 1 GO NRW hinzunehmen.
33Zu vergleichbarem dortigen Landesrecht siehe VerfGH Saarland, Urteil vom 16. April 2013 – Lv 10/12 –, UA Seite 18.
34Zwar hat der Beigeladene seinen Austritt unmittelbar nach der Wahl und noch vor Annahme des Mandats und konstituierender Sitzung erklärt. Das Mandat selbst hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht inne. Allerdings kann bei einem gewählten Bewerber der Mandatserwerb grundsätzlich – von den oben beschriebenen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr verhindert werden. Auch die Wähler haben nach der Wahl keinen Einfluss mehr auf Entscheidungsprozesse. Sie haben die Verantwortung in die Hände derer gelegt, die gewählt wurden. Es ist unter Geltung des derzeitigen Kommunalwahlgesetzes kein Grund ersichtlich, einen Partei- oder Wählergruppenaustritt vor konstituierender Sitzung anders zu behandeln als ein Austritt nach konstituierender Sitzung.
35Zu einem Parteiaustritt vor Annahmeerklärung bei vergleichbarem Landesrecht siehe auch VG Hannover, Urteil vom 21. Februar 2007 – 1 A 7936/06 –, juris.
36II. Die Zurückweisung des Einspruchs des Klägers durch den Ratsbeschluss vom 25. August 2014 ist im Hinblick auf § 40 Abs. 1 a) KWahlG ebenfalls rechtmäßig. Auch insoweit ist der zulässige Einspruch des Klägers unbegründet.
37Gemäß § 40 Abs. 1 a) Satz 1 KWahlG ist das Ausscheiden des Vertreters anzuordnen, dessen Wahl wegen mangelnder Wählbarkeit für ungültig erachtet wird.
38Die Wählbarkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 12 KWahlG. Danach ist jede wahlberechtigte Person wählbar, die am Wahltag das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten in dem Wahlgebiet ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat (§ 12 Abs. 1 KWahlG).
39Zu Unrecht geht der Kläger von der mangelnden Wählbarkeit des Beigeladenen aus. Ausweislich der Auskunft aus dem Melderegister hat der Beigeladene seit dem Zuzug nach Leverkusen am 15. Juli 2008 seine (einzige) Wohnung in Leverkusen gehabt. Ferner ergibt sich aus dem Melderegister, dass der Beigeladene bereits im Zeitpunkt seines Zuzuges nach Leverkusen im Jahre 2008 geschieden war. Insoweit ist der Vortrag des Klägers, seine Frau und Kinder lebten in Frankfurt, unerheblich. Der Einwand, der Lebenspartner/die Lebenspartnerin lebe in Dormagen, woraus der Kläger wohl eine Hauptwohnung außerhalb von Leverkusen herleiten will, entbehrt jeder Substantiierung. Einen wahlprüfungsrechtlich belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Beigeladene – entgegen dem Melderegister – mehrere Wohnungen gehabt haben könnte, benennt der Kläger nicht. Dass der Beigeladene nach dem klägerischen Vortrag seine Wohnung als „Geschäftsräume“ den Piraten zur Verfügung stellen soll, ändert ebenfalls nichts daran, dass der Beigeladene seine Wohnung im Wahlgebiet hat. Der weitere klägerische Vortrag, der Beigeladene habe mit seinem Zwillingsbruder die Wohnung getauscht und er fahre ein Kraftfahrzeug mit Neusser Kennzeichen, lässt bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Einspruchs aufkommen, weil er über Spekulation und bloße Vermutung nicht hinausgeht. Der Einspruch ist aber auch insoweit jedenfalls unbegründet. Das klägerische Vorbringen zu einem Wohnungstausch des Beigeladenen mit seinem Zwillingsbruder entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage und bleibt ohne nähere Erläuterung. Das Neusser Autokennzeichen ist angesichts der seit einiger Zeit schon erlaubten Möglichkeit, Kennzeichen unabhängig vom Wohnort zu nutzen, für sich allein unergiebig.
40Die weiteren vom Kläger vorgebrachten Einspruchsgründe sind von vornherein nicht geeignet, seine Verletzung in eigenen Rechten durch den angegriffenen Beschluss des Rates der Beklagten vom 25. August 2014 (Gültigerklärung der Ratswahl vom 25. Mai 2014 und Zurückweisung des Einspruchs des Klägers) zu begründen. Das gilt insbesondere bezüglich seiner Einwände, der Beigeladene habe die Wähler getäuscht und es sei beim Generieren von Unterstützungsunterschriften zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Denn der einzig überhaupt in Betracht kommende Wahlfehler des § 40 Abs. 1 b) KWahlG sieht als Konsequenz eine Wiederholungswahl vor, die der Kläger nicht begehrt. Er hat in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts erklärt, dass es ihm nicht um eine Wiederholungswahl gehe. Insoweit hat er auch keinen diesbezüglichen Antrag gestellt. Im Übrigen ist in dem Verhalten des Beigeladenen, welches der Kläger als Täuschung des Wählers ansieht, keine Unregelmäßigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 b) KWahlG zu erkennen.
41Siehe insoweit OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.12.1991 – 7 A 10305/91 –, juris zur Scheinkandidatur des Bürgermeisters einer Verbandsgemeinde für ein Ratsmandat.
42Der klägerische Vortrag zur Unregelmäßigkeit beim Generieren von Unterstützungsunterschriften im Wahlkreis 36 ist unsubstantiiert. Zudem hat am 8. Juli 2014 eine Überprüfung der Echtheit der Unterschriften stattgefunden (vgl. Beschlussvorlage 2014/0095 Seite 7 in Beiakte 3, Seite 37).
43Schließlich begründet auch der weitere Einwand des Klägers, die Sitzung des Wahlausschusses sei mit mehreren formalen Fehlern behaftet, keine Rechtsverletzung des Klägers. Denn diese Gründe stellen keine Wahlfehler im Sinne des § 40 Abs. 1 KWahlG dar.
44Der erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebrachte Einwand, es seien gegen den Beigeladenen straf- und zivilrechtliche Verfahren anhängig, ist wegen Versäumung der Einspruchsfrist unbeachtlich.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
46Gründe für die Zulassung der Berufung im Sinne des § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
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Annotations
(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.
(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).
(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.
(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.