Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Juni 2015 - 4 K 5473/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, die erstattungsfähig sind.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist eine Fraktion im beklagten Kreistag des Rhein-Erft-Kreises. Sie sieht sich in ihren organschaftlichen Rechten verletzt durch das Verfahren der Mehrheit des Beklagten zur Bestimmung der Personalvorschläge für den Verwaltungsrat der zu 1 beigeladenen Kreissparkasse Köln.
3Träger der Beigeladenen zu 1 ist der Zweckverband für die Kreissparkasse Köln, bestehend aus dem Rhein-Erft-Kreis, dem Rhein-Sieg-Kreis, dem Rheinisch-Bergischen Kreis und dem Oberbergischen Kreis. Die Mitglieder des Zweckverbandes waren nach der Kommunalwahl 2014 aufgerufen, Personalvorschläge unter anderem für den Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1 zu beschließen. Seit der Kommunalwahl 2014 besteht der Verwaltungsrat aus 24 Mitgliedern, von denen sechs Sitze auf den Rhein-Erft-Kreis entfallen.
4Vorgänger der Beigeladenen zu 1 ist die Kreissparkasse der Landkreise Köln und Mühlheim, zu der die Spar- und Darlehenskasse des Landkreises Köln und die Kreissparkasse Mühlheim 1923 fusioniert hatten. Vor der Fusion war bereits die Stadtsparkasse Brühl in der Spar- und Darlehenskasse des Landkreises Köln mit Wirkung vom 1. Januar 1922 aufgegangen. Mit Vertrag vom 20. Mai 1922 vereinbarten dazu der Landrat als Vertreter der Spar- und Darlehenskasse und des Landkreises Köln sowie der Bürgermeister der beigeladenen Stadt Brühl und als Vertreter der Sparkasse Brühl in § 7 Satz 1, dass
5„der Vorstand der Kreissparkasse [...] auf die Geltungsdauer dieses Vertrages durch ein durch die Stadtverordnetenversammlung in Brühl zu wählendes ständiges und ein stellvertretendes Mitglied verstärkt [wird].“
6In seiner Sitzung am 25. Juni 2014 behandelte der Beklagte unter TOP 15.1, welche Personen er zur Wahl in den Verwaltungsrat vorschlagen sollte. Nach der Beschlussvorlage 196/2014 sollte ein Sitz dem Landrat als vorsitzendem Mitglied und ein Sitz dem von der beigeladenen Stadt Brühl benannten Vertreter vorbehalten werden. Die restlichen vier Sitze sollten nach dem Grundsatz der Verhältniswahl aufgeteilt werden, sofern kein einheitlicher Vorschlag zustande komme.
7Nach Diskussion beantragte die Klägerin zunächst, neben dem Sitz des Landrats fünf statt vier Sitze nach der Stärke der Fraktionen zu verteilen. Ihrer Auffassung nach widerspreche ein Vorabvorschlagsrecht für die Beigeladene zu 2) dem Sparkassengesetz und dem Grundsatz, dass im Verwaltungsrat die Mehrheitsverhältnisse des Beklagten wiedergegeben werden sollten. Dieser Antrag der Klägerin wurde mehrheitlich abgelehnt.
8Sodann stimmten die Mitglieder des Beklagten über zwei Listen mit unterschiedlichen Personalvorschlägen für insgesamt vier Sitze im Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1 ab. Eine Liste hatte die Klägerin eingebracht, die andere war eine gemeinsame der Fraktionen CDU/Grüne/FDP. Für die Liste der Klägerin wurden 24 Stimmen abgegeben, für die gemeinsame Liste der anderen Fraktionen 53 Stimmen. Dadurch entfiel nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren auf die Liste der Klägerin ein Sitz, auf die andere Liste drei Sitze.
9Im Anschluss wurden in einem weiteren Beschlussverfahren die verbleibenden zwei Sitze im Verwaltungsrat vergeben. Mit einstimmigem Beschluss schlug der Beklagte den Landrat als vorsitzendes Mitglied des Verwaltungsrats und den von der Beigeladenen zu 2) benannten Vertreter samt seinem Stellvertreter als weiteres ordentliches Mitglied vor.
10Unter dem 26. Juni 2014 wandte sich die Klägerin an den Landrat des Rhein-Erft-Kreises und forderte ihn auf, den Beschluss zu TOP 15.1 der Sitzung vom 25. Juni 2014 zu beanstanden.
11Dieser lehnte es unter dem 10. Juli 2014 ab, den genannten Beschluss zu beanstanden. Es sei zulässig, den Landrat und den Vertreter der Beigeladenen zu 2) außerhalb des Verteilungsverfahrens zu benennen. Der Sitz des Verwaltungsratsvorsitzenden sei nicht in die Sitzverteilung nach dem Grundsatz der Verhältniswahl einzubeziehen. Werde der Landrat zum Verwaltungsratsvorsitzenden gewählt, sei seine Position auch nicht auf das Kontingent einer Fraktion anzurechnen. Dies ergebe sich aus den unterschiedlichen Regelungen zur Wahl des Verwaltungsratsvorsitzenden und der übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung aus dem Jahr 1922 habe zudem der Rat der Beigeladenen zu 2) das Recht, ein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Beigeladenen zu 1 zu bestimmen. Als Rechtsnachfolger des Landkreises Köln sei der Rhein-Erft-Kreis an den Vertrag gebunden.
12Die Klägerin hat am 6. Oktober 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor:
13Ihr könne nicht entgegen gehalten werden, dass sie letztlich dafür gestimmt habe, den Landrat und den Brühler Vertreter als Verwaltungsratsmitglieder vorzuschlagen. Sie habe die Thematik in den Mittelpunkt der Debatte im beklagten Kreistag gestellt, weshalb eine spätere rechtliche Überprüfung möglich sein müsse. Dem Landrat sei nicht zwingend die Funktion des Verwaltungsratsvorsitzenden zu übertragen, da nach dem Fusionsvertrag der Vorsitz im Verwaltungsrat nur der Körperschaft des Beklagten, nicht aber einer bestimmten Funktion zustehe. Nach § 12 Abs. 1 SpkG könne zwar auch der Hauptverwaltungsbeamte Mitglied des Verwaltungsrates werden, seine Nominierung sei aber der Fraktion anzurechnen, die ihn nominiert habe.
14Auch für den Vorbehalt zugunsten der Stadt Brühl gebe es keine tragfähige Begründung. Der Vertrag von 1922 regle lediglich, dass der Vorstand der Beigeladenen zu 1 um ein von der Beigeladenen zu 2) zu bestimmendes Vorstandsmitglied erweitert werde, nicht aber der Verwaltungsrat. Zudem widerspreche jegliche Verstärkung dem Sparkassengesetz, das Größe und Wahl des Verwaltungsrates abschließend regle. Schließlich hätten sich seit dem Vertragsschluss die Verhältnisse so wesentlich geändert, dass der Vertrag als obsolet anzusehen sei oder zumindest anzupassen sei.
15Die Klägerin beantragt,
16festzustellen, dass die Beschlüsse des beklagten Kreistags des Rhein-Erft-Kreises vom 25. Juni 2015 zu TOP 15.1 rechtswidrig sind.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Der Beklagte hält die Klage bereits für unzulässig. Der Klägerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Landrat und der Vertreter der Beigeladenen zu 2) seien am 25. Juni 2014 einstimmig vorgeschlagen worden.
20Die Klage sei zudem unbegründet. Der beklagte Kreistag habe die Verwaltungsratsmitglieder nur vorzuschlagen und nicht nach § 12 SpkG zu wählen. Für die Entscheidung, bestimmte Personen zur Wahl in den Verwaltungsrat vorzuschlagen, finde der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz keine Anwendung. Die Beschlüsse seien im Übrigen auch rechtmäßig. Das vorsitzende Mitglied des Verwaltungsrates werde nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SpkG separat gewählt, weshalb auch das vorgehende Vorschlagsverfahren separat zu erfolgen habe. Da dieses Mitglied separat gewählt werde, sei es auch nicht auf das Kontingent einer Fraktion anzurechnen. Der Vertreter der Beigeladenen zu 2) sei aufgrund des bestehenden Vertrages zwischen dem Landkreis Köln und der Beigeladenen zu 2) vorzuschlagen. Daran sei der Rhein-Erft-Kreis als Rechtsnachfolger des Landkreises Köln gebunden. Durch seine anschließende Wahl in den Verwaltungsrat sei der Vertreter der Beigeladenen zu 2) auch demokratisch legitimiert.
21Die Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.
22Die Beigeladene zu 2 beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie hält die Klage mangels eines Feststellungsinteresses für unzulässig. Zudem habe die Klägerin die Entscheidung mit ihren Stimmen mitgetragen und daher kein Rechtsschutzinteresse. Die Klage sei darüber hinaus auch unbegründet.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die Kammer hat das Rubrum von Amts wegen berichtigt. Beklagter ist der Kreistag des Rhein-Erft-Kreises. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ausweislich der Klageschrift gegen den Rhein-Erft-Kreis geklagt haben könnte. Bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens (vgl. §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO) richtet sich die Klage erkennbar gegen den Kreistag als das Organ, das organschaftliche Rechte der Klägerin verletzt haben soll. Entsprechend hat die Klägerin den Klagegegner in der mündlichen Verhandlung klargestellt. Sollte es sich gleichwohl um eine Klageänderung handeln, wäre diese sachdienlich und der Beklagte hat ihr in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.
28Die Klage ist unzulässig in Bezug auf beide von der Klägerin angegriffenen Beschlüsse des Beklagten.
29Der Klägerin fehlt jeweils das Rechtsschutzinteresse für den vorliegenden Kommunalverfassungsstreit.
30Dabei handelt es sich um eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung für alle Verfahrensarten. Das Rechtsschutzinteresse ist erforderlich für alle an einen Antrag gebundenen gerichtlichen Entscheidungen,
31vgl. Ehlers in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 27. EL 2014, Vorb. § 40 Rn. 74 f.; Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 335,
32und Ausdruck des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
33Im Kommunalverfassungsstreit finden der Grundsatz von Treu und Glauben und das verfassungsrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ihre besondere Ausprägung im Grundsatz der Organtreue.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.08.2011 - 15 A 1555/11 -, juris Rn. 16 ff.
35Im Bereich des Prüfungsrechts entwickelt, gilt der Grundsatz der Organtreue auch im Verhältnis zwischen kommunalen Organen und Organteilen.
36Vgl. OVG NRW, Urteile vom 02.05.2006 - 15 A 817/04 -, juris Rn. 76, vom 02.09.2008 - 15 A 2426/07 -, juris Rn. 48 und Beschluss vom 19.08.2011 - 15 A 1555/11 -, juris Rn. 14; zur Folge entsprechender Obliegenheitsverletzungen im Prüfungsrechtsverhältnis: BVerwG, Urteil vom 17.02.1984 - 7 C 67/82 -, BVerwGE 69, 46.
37Aus der Pflicht zur Organtreue folgt die grundsätzliche Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns. Im Besonderen begründet dieser Grundsatz die Obliegenheit, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer anstehenden Beschlussfassung oder der Verfahrensgestaltung in der verfahrensrechtlich gebotenen Form rechtzeitig geltend zu machen. Unterbleibt diese Rüge, kann die vermeintliche Rechtswidrigkeit der fraglichen Verfahrensweise später im Rahmen einer Feststellungsklage nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, da dies treuwidrig wäre.
38Vgl. OVG NRW, Urteile vom 02.05.2006 - 15 A 817/04 -, juris Rn. 76, vom 02.09.2008 - 15 A 2426/07 -, juris Rn. 48 und vom 25.03.2014 - 15 A 1651/12 -, juris Rn. 69; Beschlüsse vom 25.05.2007 - 15 B 634/07 -, juris Rn. 14, vom 12.09.2008 - 15 A 2129/08 -, juris Rn. 11, vom 16.07.2009 - 15 B 945/09 -, juris Rn. 21 und vom 19.08.2011 - 15 A 1555/11 -, juris Rn. 21; VG Arnsberg, Urteil vom 09.07.2010 - 12 K 3599/09 -, juris Rn. 52; VG Oldenburg, Beschluss vom 02.04.2004 - 2 B 1229/04 -, juris Rn. 8.
39In Anwendung dieser Maßgaben verstößt die Klägerin gegen ihre Pflicht zu organtreuem Verhalten, indem sie zwei Beschlüsse des Beklagten beklagt, die in beiden Fällen nicht gegen oder zumindest ohne, sondern ausdrücklich mit ihren Stimmen zustande gekommen sind.
40Die Klägerin ging – zutreffend – davon aus, dass über die fünf Personalvorschläge für ordentliche Mitglieder im Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1 auf der Grundlage nur eines Wahlgangs zu beschließen war.
41Das Vorschlagsverfahren für die Kreisvertreter im Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1 war gemäß § 35 Abs. 4 KrO durchzuführen. Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 KrO wird über den Vorschlag von zwei oder mehr Vertretern im Sinne des § 26 Abs. 5 und 6 KrO, die nicht hauptberuflich tätig sind, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abgestimmt. Bei dem Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1 handelt es sich um ein einem Aufsichtsrat vergleichbares Organ, für das der Beklagte insgesamt sechs Mitglieder vorzuschlagen hat. Von diesen war die Mitgliedschaft des Landrats als vorsitzendes Mitglied des Verwaltungsrats abzuziehen, da er hauptberuflich tätig ist. Der Beklagte hat diesen Personalvorschlag daher zu Recht von den sechs vorzuschlagenden Verwaltungsratsmitgliedern in Abzug gebracht und separat beschlossen. Für die fünf verbleibenden Personalvorschläge verblieb es aber bei der gesetzlichen Vorgabe, diese in einem Wahlgang nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu beschließen. In einem Wahlgang bedeutet, dass sämtliche ordentliche Mitglieder des betreffenden Gremiums in diesem Wahlgang zu wählen sind.
42Vgl. Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Stand: Januar 2015, § 35 KrO Ziff. 6.7.
43Dagegen hat der Beklagte verstoßen, indem er den Vorschlag der fünf Personen auf zwei Wahlgänge aufgeteilt hat. Denn der Beklagte hat zunächst über den Vorschlag von lediglich vier Personen als ordentliche Mitglieder des Verwaltungsrats nach den Grundsätzen der Verhältniswahl anhand von zwei Wahlvorschlägen abgestimmt. Über die fünfte Person hat er sodann im Anschluss an diesen ersten Beschluss in einem separaten Beschluss entschieden, mit dem neben der fünften Person – dem Brühler Vertreter – auch der Landrat benannt wurde.
44Die Klägerin kann sich aber nicht auf die Rechtswidrigkeit dieses Abstimmungsverfahrens berufen. Nachdem ihr Antrag, fünf statt vier Sitze im Verwaltungsrat nach dem Verhältnis der Stärke der Fraktionen zu verteilen, abgelehnt worden war, wurde über die Personalvorschläge für den Verwaltungsrat mit den Stimmen der Klägerin in den beschriebenen zwei Wahlgängen beschlossen. Die Klägerin beteiligte sich sowohl an dem ersten Beschluss zu den Vorschlägen für vier ordentliche Verwaltungsratsmitglieder als auch an dem zweiten – einstimmigen – Beschluss zu den Vorschlägen für ein fünftes ordentliches Verwaltungsratsmitglied und das vorsitzende Mitglied, den Landrat.
45Bereits bei dem ersten Beschluss über insgesamt vier Vorschläge für ordentliche Mitglieder im Verwaltungsrat hat es die Klägerin versäumt, ihre Stimmabgabe zumindest unter den Vorbehalt einer späteren Überprüfung des Verfahrens zu stellen.
46Zu einem solchen Vorbehalt vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.1962 - 1 K 114/62 -, Kottenberg/v. Mutius, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 4 zu § 35.
47Es genügt in diesem Kontext nicht, dass die Klägerin nach vorausgegangener Ablehnung ihres Antrags, über fünf Vorschläge abzustimmen, im anschließenden einheitlichen Wahlgang über vier Vorschläge nur für ihre eigene Vorschlagsliste gestimmt hat. Sie hat sich damit zwar im Abstimmungsverhalten von der Mehrheit im beklagten Kreistag unterschieden. Das mit der Klage angegriffene Abstimmungsverfahren selbst hat sie indes bereits zu diesem Zeitpunkt der Kreistagssitzung mitgetragen. Erst recht verhält sie sich nicht mehr organtreu, wenn sie sich beim zweiten Beschluss wiederum auf das (zweigeteilte) Abstimmungsverfahren rügelos einlässt und darüber hinaus der zweite Beschluss sogar mit ihren Stimmen – einstimmig – ergeht. Unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) ist kein Interesse der Klägerin ersichtlich, gegen eine mit ihren eigenen Stimmen befürwortete Wahl gerichtlich vorzugehen. Niemand hat ein anerkennenswertes Interesse daran, gegen sich selbst und seine rechtswirksam vorgenommenen Rechtshandlungen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
48Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.10.1960 - V OVG A 80/60 -, OVGE 16, 349 (351); VG Minden, Urteil vom 29.01.1997 - 10 K 1031/96 -, NVwZ-RR 1998, 407; VG Saarland, Urteil vom 10.09.2008 - 5 K 12/08 -, juris Rn. 35.
49In gleicher Weise steht ihr Verhalten auch der analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis entgegen. Eine Verletzung organschaftlicher Rechte ist ausgeschlossen, wenn das betreffende Organteil mit den getroffenen Beschlüsse einverstanden ist, so dass eine Verletzung seiner Mitwirkungsrechte sachlich überhaupt nicht möglich ist. Die Klägerin kann nicht einerseits den Beschlüssen zustimmen, um dann in einem Klageverfahren wegen eines vermeintlichen Verfahrensfehlers die Unwirksamkeit gerade dieser Beschlüsse geltend zu machen. Insoweit ist in keiner Weise ersichtlich, wieso die Klägerin durch einen bloßen Verfahrensfehler in ihren organschaftlichen Rechten verletzt sein könnte, wenn sie die angegriffenen Beschlüsse selbst mit getragen hat.
50Vgl. VG Saarland, Urteil vom 10.09.2008 - 5 K 12/08 -, juris Rn. 35.
51Vor diesem Hintergrund kommt es für den Ausgang dieses Klageverfahrens nicht auf § 7 des Vertrages zwischen der Beigeladenen zu 2) Stadt Brühl und dem damaligen Landkreis Köln vom 20. Mai 1922 an. Diese Vereinbarung bindet zwar – ihr Fortbestehen unterstellt – den Rhein-Erft-Kreis als Rechtsnachfolger des Landkreises Köln. Die Regelung ist aber als rein vertragliche Vereinbarung nicht geeignet, die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung des § 35 Abs. 4 und 3 KrO zu überlagern und außer Kraft zu setzen.
52Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 162 Abs. 3, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 für erstattungsfähig zu erklären, da sie – anders als die Beigeladene zu 1 – einen Sachantrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
53Gründe für die Zulassung der Berufung im Sinne des § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
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Annotations
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.