Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 26. Aug. 2016 - 23 L 1845/16
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der zulässige Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 23 K 6851/16 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 6. Juli 2016 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die vorliegend aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung der Klage nur dann wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehung überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ist die Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung nach der summarischen Prüfung hingegen offen, so kann über den Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung nur anhand einer allgemeinen, d.h. vom Ausgang des Hauptsachverfahrens unabhängigen Interessenabwägung entschieden werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2013 – 16 B 1229/12 –, juris, Rz. 12.
7Vorliegend lassen sich die Erfolgsaussichten der Klage nicht hinreichend sicher beurteilen; der Ausgang des Klageverfahrens ist vielmehr offen.
8Rechtsgrundlage für das gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Verbot, Fahrzeuge aller Art im öffentlichen Verkehr zu führen, ist § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren erwiesen hat, dieses Führen zu untersagen.
9Dabei ist die Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2016 nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller vor Erlass nicht angehört worden ist.
10Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diese grundsätzliche Pflicht zur Anhörung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW entfallen. Eine Gefahr im Verzug setzt voraus, dass durch eine vorherige – eventuell sogar mündliche – Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht erreicht wird. Anhaltspunkte für eine derart akute Gefahrenlage sind aus den Akten weder ersichtlich noch vorgetragen.
11Auch ist die Anhörung nicht durch den Austausch der Sachargumente im Eilrechtsschutzverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG NRW nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG NRW können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Eine Heilung in diesem Sinne tritt nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Das setzt voraus, dass der Betroffene – nachträglich – eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 –, juris, Rz. 37 zu § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HVwVfG; Kopp/Ramsauer, VwGO, § 45 Rz. 26; a.A.: OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 –, juris Rz. 7 ff., vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, juris, Rz. 14, vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 –, juris, Rz. 7 und vom 16. Juni 2016 – 7 B 745/16 –.
13Allerdings folgt aus dem Vorstehenden zugleich, dass eine Heilung noch bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens möglich ist. Zudem spricht alles dafür, dass der Anhörungsmangel nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich ist, da nach § 3 Abs. 1 FeV das Verbot zum Führen von Kraftfahrzeugen bei festgestellter Ungeeignetheit zwingend zu versagen ist. Mithin ist davon auszugehen, dass etwaige Erklärungen des Antragstellers im Anhörungsverfahren keinen Einfluss auf den Erlass der Ordnungsverfügung gehabt hätten.
14Ob die materiellen Voraussetzungen für das ausgesprochene Verbot vorliegen, ist ungewiss. Voraussetzung für das Verbot, Fahrzeuge aller Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, ist, dass der Betroffene sich als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen hat. Aus dem Verweis in § 3 Abs. 2 FeV auf die §§ 11 bis 14 FeV folgt, dass hinsichtlich der Feststellung der Eignung bzw. der fehlenden Eignung im Rahmen des § 3 FeV dieselben Kriterien wie bei der Kraftfahreignung gelten. Vorliegend kommt eine Ungeeignetheit des Antragstellers nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung in Betracht. Hiernach ist derjenige, der gelegentlich Cannabis konsumiert und den Konsum nicht vom Führen eines Fahrzeuges trennen kann, zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet.
15Daran, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiert, hat die Kammer nach dem Akteninhalt keinen Zweifel. Nach der Rechtsprechung ist eine „gelegentliche“ Einnahme von Cannabis bereits bei zwei selbständigen Konsumvorgängen anzunehmen.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 16 B 1329/14 – und BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 –.
17Dass der Antragsteller mehrfach Cannabis konsumiert hat, ergibt sich schon aus seinen eigenen Angaben. So hat er gegenüber den Polizeibeamten am 20. April 2016 auf Befragen zunächst erklärt, er habe etwa vor 10 Tagen letztmalig Betäubungsmittel konsumiert. Im Rahmen der weiteren Befragung hat er hiervon abweichend erst angegeben, vor etwa einem Monat zuletzt an einem Joint gezogen zu haben, und hat dann erklärt, der letzte Konsum liege etwa zwei Wochen zurück. Schon aus diesen divergierenden Angaben kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Antragsteller immer wieder Betäubungsmittel konsumiert. Hätte nur ein einmaliger Konsum – wie in der Antragsbegründung behauptet – vorgelegen, hätte der Antragsteller sich gewiss genauer an den Zeitpunkt erinnern können. Nichts anderes ergibt sich dann, wenn man dem Vorbringen des Antragstellers Glauben schenkt, dass er auf einer Feier am 16. April 2016 erstmals Cannabis konsumiert hat. Denn in Verbindung mit dem rechtsmedizinischen Gutachten des Universitätsklinikums Bonn vom 13. Mai 2016 zur Blutentnahme am 20. April 2016 ist davon auszugehen, dass es nach dem 16. April 2016 einen weiteren Konsumakt gegeben haben muss. Die Nachweisbarkeitsdauer von THC im Blutserum wird im Fachschrifttum nach einem Einzelkonsum mit höchstens sechs Stunden angegeben und nur in Fällen wiederholten oder regelmäßigen Konsums kann sich diese Zeitspanne erhöhen, gelegentlich auf über 24 Stunden.
18Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2012 – 16 B 277/12 –, juris, Rz. 17 f.; VGH Mannheim, Urteil vom 22.11.2011 – 10 S 3174/11 –, juris, Rz. 26; BayVGH, Beschlüsse vom 13.12.2010 – 11 CS 10.2873 –, juris, Rz. 19 und vom 23.01.2007 – 11 CS 06.2228 –, juris, Rz. 36 ff.; Schubert/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl., S. 178.
19Damit können die Ergebnisse der Blutanalyse nicht auf dem eingeräumten Konsum von 16. April 2016 beruhen.
20Allerdings ist (zumindest) ungewiss, ob dem Antragsteller das Vermögen fehlt, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren zu trennen. Dies wäre aber erforderlich, um bei ihm die für das Verbot zum Führen von Fahrzeugen aller Art erforderliche Ungeeignetheit annehmen zu können (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV).
21In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung,
22vgl. zuletzt OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris, Rz. 31, und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris, Rz. 34 ff.,
23ist die Kammer bislang von einem fehlenden Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen, wenn ein Fahrzeug mit einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml Blutserum geführt worden ist. Im September 2015 hat allerdings die sogenannte Grenzwertkommission empfohlen, erst ab einem Grenzwert von 3,0 ng/ml Blutserum von einem Verstoß gegen das Trennungsgebot auszugehen.
24Bei der Grenzwertkommission handelt es sich um eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie im Jahr 1994 gegründet wurde und – paritätisch – mit hoch qualifizierten Wissenschaftlern besetzt ist.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 16 B 1267/15 –, juris, Rz. 33.
26Ob und inwieweit dieser Empfehlung zu folgen ist, bedarf einer vertieften Prüfung, ggf. unter Hinzuziehung von Sachverständigen, die im Eilverfahren nicht durchgeführt werden kann.
27Auf diese Frage kommt es aber an, weil die dem Antragsteller entnommene Blutprobe nach dem Ergebnis des toxikologischen Gutachtens des Universitätsklinikums Bonn einen THC-Wert von 2,4 ng/ml Blutserum aufwies.
28Hängt somit der Ausgang des Klageverfahrens maßgeblich von einer weiteren Sachverhaltsaufklärung ab, ist die allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt wird, sich die angefochtene Verfügung aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 16 B 1267/15 –, juris, Rz. 37; BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, juris, Rz. 23 ff.
30Diese Abwägung geht vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung des Verbots zum Führen von Fahrzeugen aller Art ein ganz erheblicher und letztlich nicht wiedergutzumachender Verlust an persönlicher Mobilität für ihn verbunden sein kann und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz das Verbot ausgesprochen wurde. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz einer gegebenenfalls fehlenden Fahreignung weiter mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung dieser widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wieder gutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 16 B 1267/15 –, juris, Rz. 39; vgl. zu dieser Interessenlage auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Juli 2007 – 1 BvR 305/07 –, juris, Rz. 6.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der festgesetzte Betrag entspricht der Hälfte des Streitwertes für das Hauptsacheverfahren.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 26. Aug. 2016 - 23 L 1845/16
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach der Untersagung, auf öffentlichen Straßen ein Mofa nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder ein Kraftfahrzeug nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1b zu führen, ist die Prüfbescheinigung nach § 5 Absatz 4 Satz 1 unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage der Prüfbescheinigung besteht auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat.
(2) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines für sofort vollziehbar erklärten Hausverbotes vom 6. Dezember 2013, welches der Antragsgegner der Antragstellerin – befristet bis zum 31. Dezember 2014 – unter Hinweis darauf erteilt hat, dass es dann nicht gilt, wenn sie das Jobcenter S. -T. auf Aufforderung betreten müsse; ferner könne sie – die Antragstellerin – im Einzelfall einen Antrag auf Ausnahme stellen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 16. Dezember 2013 Klage beim Verwaltungsgericht Köln (26 K 7793/13) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage 26 K 7793/13 gegen das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 wiederherzustellen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt.
3Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiterverfolgt. Mit den im Beschwerdeverfahren vorgebrachten, allein zu prüfenden Erwägungen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.
4Rechtsgrundlage für das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 ist die Sachkompetenz des Antragsgegners zur Erfüllung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das Hausrecht ist notwendiger Annex dieser Sachkompetenz. Der Träger öffentlicher Gewalt, der die Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe im Rahmen der öffentlichen Verwaltung – wie hier der Antragsgegner – zugewiesen erhält, muss und kann selbst bestimmen, wem der Zutritt zum räumlichen Bereich zu gestatten und wem der Zutritt zu versagen ist, wenn eine ordnungsgemäße Tätigkeit im Rahmen des Widmungszwecks gefährdet oder gestört wird.
5OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 1988 ‑ 15 A 188/86 -, NWVBl. 1989, 91.
6Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Widmungszweck des Jobcenters S. -T. ist darauf ausgerichtet, in seinem Zuständigkeitsbereich die Bezieher von Arbeitslosengeld II zu betreuen. Diese Zielsetzung hat zur Grundvoraussetzung, dass ein ordnungsgemäßer Betrieb des Jobcenters und insbesondere die Sicherheit seiner Besucher und der im Jobcenter tätigen Mitarbeiter gewährleistet ist. Deren Sicherheit ist – auch unter Berücksichtigung der Pflicht des Hausrechtsinhabers, mit aus seiner Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und ihnen grundsätzlich das ungehinderte Vortragen ihrer Anliegen ermöglichen zu müssen - durch die Antragstellerin im schweren Maße beeinträchtigt. Dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausführlich dargelegt, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin inhaltlich nichts Substantielles vorgetragen.
7Sie macht allerdings Folgendes geltend: Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht tragfähig. Dessen ungeachtet sei das vorliegend streitige Hausverbot schon deshalb formell rechtswidrig, weil sie – die Antragstellerin – vor seinem Erlass nicht angehört worden sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch keine Heilung eingetreten. Die fehlende Anhörung könne nicht dadurch ersetzt werden, dass der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot festgehalten habe. Wie könne ohne Kenntnis der Gegenargumente die Anhörung nachgeholt werden? Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Senats vom 1. Juni 2012 (15 A 48/12) trage den angegriffenen Bescheid im Hinblick auf die fehlende Anhörung nicht. Zum einen setze sich das Oberverwaltungsgericht in dem vorgenannten Beschluss mit der Nachholung einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung in einem Klageverfahren und nicht in einem Eilverfahren auseinander. Außerdem sei in dem dem Beschluss vom 1. Juni 2012 zugrunde liegenden Sachverhalt die Anhörung nachgeholt und damit geheilt worden, was hier nicht der Fall sei. Dem Antragsgegner habe keine Stellungnahme von ihr – der Antragstellerin – zur Verfügung gestanden, so dass er ihre Argumente gar nicht habe prüfen können; sie seien ihm nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht nicht anerkannt, dass sie die E-Mails, die das Hausverbot ausgelöst hätten, nur versehentlich an den Antragsgegner geschickt habe. Für diesen seien die E-Mails nicht bestimmt gewesen. Alleiniger Empfänger habe ihr Prozessbevollmächtigter sein sollen. Die Korrespondenz zwischen diesem und ihr sei aber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders geschützt. Der E-Mail-Verkehr mit ihrem Prozessbevollmächtigten dürfe daher nicht zur Begründung des Hausverbots herangezogen werden.
8Diese Darlegungen der Antragstellerin rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer beim Verwaltungsgericht Köln gegen das Hausverbot erhobenen Klage vom 16. Dezember 2013 wiederherzustellen. Im Einzelnen:
9Entgegen der Auffassung der Antragstellerin genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Hausverbots den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss das besondere Interesse an der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich begründet werden. Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Dabei ist die Behörde verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus.
10Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, München 2010, § 80 Rn. 97 m. w. N.
11Diesen Anforderungen wird die seitens des Antragsgegners für den Sofortvollzug angegebene – sehr knappe - Begründung noch gerecht. Diese erschöpft sich namentlich nicht in formelhaften und abstrakten Angaben. So führt der Antragsgegner zunächst die besondere Schutzbedürftigkeit seiner Beschäftigten vor Bedrohungen an, von der er zu Recht annehmen darf, dass sie keinen Aufschub duldet. Dabei stellt der Antragsgegner zugleich auf den vorliegenden Einzelfall ab, wenn er in der Begründung des Sofortvollzugs gerade auf die Bedrohungen durch die Antragstellerin abhebt.
12Die Antragstellerin geht auch Fehl in der Annahme, das Hausverbot sei bereits deshalb formell rechtswidrig, weil sie vor seinem Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden sei.
13Hieraus folgt schon deshalb nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Hausverbots, weil es vor dessen Ausspruch einer Anhörung der Antragstellerin gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X nicht bedurfte. Nach dieser Vorschrift kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Von dieser Ermächtigung hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht, wenn er in seinem Bescheid vom 6. Dezember 2013 ausführt: „Das Hausverbot wird ohne vorherige Androhung ausgesprochen, da ich die Gefahr eines tätlichen Angriffs ihrerseits auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zulassen kann.“ Der Antragsgegner hat richtig angenommen, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X vorlagen, da die von ihm angeführten E-Mails der Antragstellerin offenlegen, dass sie Gewaltgedanken in Bezug auf Mitarbeiter des Antragsgegners hegte, die ein sofortiges Handeln zum Schutz der Betroffenen erforderten.
14Aber auch dann, wenn man annehmen wollte, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätten nicht vorgelegen, erwiese sich das Hausverbot nicht als formell rechtswidrig. Denn die fehlende Anhörung wäre dann gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot vom 6. Dezember 2013 festgehalten und damit die Anhörung nachgeholt.
15Der Wortlaut des § 41 Abs. 2 SGB X, wonach u. a. eine unterbliebene Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann, lässt sowohl eine Heilung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch eine solche im Gerichtsverfahren zu. Entscheidend ist, dass die nachgeholte Anhörung die ihr zukommende Funktion im Rahmen des behördlichen Entscheidungsprozesses erfüllen kann. Hierzu ist es nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält. Die Heilung kann vielmehr auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2012 ‑ 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff., und vom 14. Juni 2010 ‑ 10 B 270/10; OVG Nds., Beschluss vom 31. Januar 2002 ‑ 1 MA 4216/01 -, BRS 65 Nr. 203; Hessischer VGH, Beschluss vom 20. Mai 1988 ‑ 4 TH 3616/87 ‑, NVwZ-RR 1989, 113 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 ‑ 3 CS 09.46 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 3. Mai 2005 ‑ 4 M 37/05 -, juris; a. A.: Kopp/Schenke, VwVfG, § 45 Rn.27 und 42; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 86 ff.; Knack/Henneke, VwVfG, § 45 Rn. 29 f.
17Das ist – anders als die Antragstellerin meint – im gerichtlichen Verfahren geschehen. In diesem hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 in Kenntnis und Würdigung der von der Antragstellerin mit ihrem klage- und verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 15. Dezember 2013 gegen die Rechtmäßigkeit des Hausverbotsbescheids vom 6. Dezember 2013 vorgetragenen Argumente an dem Hausverbot nach erneuter Prüfung festgehalten, was er durch den angekündigten Klageabweisungsantrag und den Antrag auf Ablehnung der von der Antragstellerin begehrten Vollziehungsaussetzung zum Ausdruck gebracht hat.
18Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Stellungnahme vom 18. Dezember 2013 sei ausschließlich im Eilverfahren erfolgt, in dem eine Anhörung nicht nachgeholt werden könne, führt dies zu keiner anderen Beurteilung ihrer Beschwerde. Zum einen trifft es nicht zu, dass die Stellungnahme des Antragsgegners vom 18. Dezember 2013 ausschließlich im Eilverfahren abgegeben worden ist. Die Stellungnahme betrifft ersichtlich sowohl das Klage- als auch das Eilverfahren. Dessen ungeachtet ist aber auch die Nachholung einer Anhörung im Eilverfahren möglich und zulässig. So sind verschiedene Spruchkörper des beschließenden Gerichts, denen der Senat folgt, auch in der Vergangenheit von der Heilung einer vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts unterlassenen Anhörung ausgegangen, wenn der Betroffene – wie vorliegend - in dem beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und der Antragsgegner sich – wie hier – in seiner Antragserwiderung mit den vorgetragenen Argumenten zumindest sachgedanklich auseinandergesetzt hat.
19Vgl. die Nachweise bei OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 –, juris Rn. 9.
20Schließlich begegnet das Hausverbot auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil der Antragsgegner dieses auf Informationen gestützt hat, die aus der Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und ihrem Prozessbevollmächtigten stammen. Bezüglich dieser Informationen besteht im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot. Der Antragsgegner durfte sie zur Kenntnis nehmen und das Hausverbot auf die aus den E-Mails der Antragstellerin gewonnenen Erkenntnisse stützen. Denn die fraglichen Informationen sind ihm durch die Antragstellerin selbst zur Verfügung gestellt worden. Ob dies absichtlich oder versehentlich geschehen ist, ist unerheblich. Entscheidend ist hier, dass der Antragsgegner die Informationen nicht (rechtswidrig) erhoben und er nicht unzulässigerweise in das geschützte Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eingegriffen hat. Vor diesem Hintergrund war er sogar gehalten, die ihm durch die Antragstellerin zur Kenntnis gebrachten Informationen zu verwerten und in seine Entscheidung betreffend die Erteilung eines Hausverbotes einfließen zu lassen, um so Gefahren insbesondere für seine Beschäftigten abzuwenden und seiner Fürsorgepflicht diesen gegenüber zu genügen.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Zu den von der Antragstellerin zu tragenden Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören auch die Gerichtskosten. § 188 Satz 2 VwGO findet keine Anwendung, da es sich bei Streitigkeiten über ein Hausverbot, das für die Räume eines Jobcenters gegenüber einem Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erlassen wird, nicht um Angelegenheiten der Fürsorge im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift handelt.
22OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2013 ‑ 16 B 445/13 -.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 447 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.868,06 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.) noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; II.) noch liegt ein die Zulassung der Berufung erfordernder Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; III.).
3I. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81.) Die Auffassung des Klägers, der Beitragsbescheid sei bereits mangels notwendiger Anhörung rechtswidrig, trifft nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob im vorliegenden Verfahren – wie die Beklagte meint – von der Anhörung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG NRW i. V. m. § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO abgesehen werden konnte. Denn selbst wenn man von einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung vor Erlass des streitigen Bescheides ausgeht, kann dieser Verfahrensmangel im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i. V. m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO nachgeholt und geheilt werden. Dabei kann die Heilung – wie auch hier ausweislich der Gerichtsakte geschehen – durch Austausch von Sachäußerungen im Klageverfahren erfolgen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff.
10Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang noch eine unterbliebene Benachrichtigung der Anlieger über die Ausbaumaßnahme rügen will, führt auch dieser Einwand nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Es steht der Entstehung der Beitragspflicht generell nicht entgegen, dass die Anlieger über die beabsichtigte beitragspflichtige Ausbaumaßnahme nicht informiert oder sie gar befragt worden sind, da dies keine Voraussetzung hierfür ist.
11Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Auflage, Bonn 2013, Rn. 618.
122.) Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ursprünglich nicht den Willen gehabt, irgendwelche Kosten gegenüber den Anliegern abzurechnen, weil es sich um ein (teures) Pilotprojekt gehandelt habe, begründet ebenfalls keine Richtigkeitszweifel.
13Der Kläger verkennt, dass die Beklagte in aller Regel eine Beitragserhebungspflicht trifft, deren inhaltliche Reichweite weit zu fassen ist, so dass vom Grundsatz her kein Raum für einen Verzicht auf den Straßenbaubeitrag besteht. Allenfalls in besonderen, als atypisch anzusehenden Fallgestaltungen kann ein Abweichen von der Beitragserhebungspflicht gerechtfertigt sein.
14Vgl. Dietzel/Kallerhoff, a. a. O., Rn. 9 m. w. N.
15Ein solcher atypischer Fall liegt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte den Ausbau der Beleuchtungslage selbst als Pilotprojekt bezeichnet hat, nicht vor. Eine Gemeinde kann zwar dazu berechtigt sein, von einer Beitragserhebung ausnahmsweise abzusehen, wenn bei der Durchführung einer nach ihrer Konzeption neuartigen straßenbaulichen Maßnahme, deren wirtschaftliche Vorteile für die Anlieger nicht ohne Weiteres erkennbar sind, die betroffenen Einwohner nicht bereits im Zeitpunkt der Planung des Vorhabens auf eine etwaige Beitragspflicht hingewiesen worden sind.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 1985 – 15 A 1904/84 -, KStZ 1985, 234.
17Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es stellt sich schon die Frage, ob es sich bei dem hier vorgenommenen Ausbau der Beleuchtungsanlage um eine „ihrer Konzeption nach neuartige straßenbauliche Maßnahme“ handelt. Jedenfalls liegen die mit dem Ausbau der Beleuchtungsanlage verbundenen wirtschaftlichen Vorteile für die Anlieger mit Blick auf die erzielte Verbesserung der Beleuchtungssituation (siehe dazu unten I. 7.) bei objektiver Betrachtungsweise auf der Hand, so dass die Beklagte rechtsfehlerfrei von einer Beitragserhebungspflicht ausgehen durfte und musste. Sie war damit schon vom Ansatz her nicht berechtigt, von der Erhebung des hier streitigen Straßenbaubeitrags abzusehen.
183.) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte rechne Kosten ab, die für die heute installierte Anlage nicht angefallen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger trägt insoweit im Kern vor: Die Beklagte rechne vorliegend die Aufstellung von konventionellen Beleuchtungskörpern ab. Tatsächlich seien diese konventionellen Beleuchtungskörper nur als Interimslösung für einige Wochen montiert worden, um zu einem späteren Zeitpunkt die noch nicht gelieferten LED-Beleuchtungskörper zu installieren. Die Abrechnung von „Verbesserungsmaßnahmen“, die nicht mit den dauerhaft vorhandenen Anlagen korrespondierten, aus denen erst die von § 8 KAG NRW vorausgesetzte Verbesserung nachhaltig entstehe, sei nicht durch § 8 KAG NRW gedeckt. Zumindest fehle es an einer „Vergütung“ für die demontierten Beleuchtungskörper.
19Diese Erwägungen greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte der Berechnung des Straßenbaubeitrags die nur als Interimslösung angebrachten Beleuchtungskörper zugrunde gelegt hat, die zwischenzeitlich durch die LED-Beleuchtungskörper ersetzt worden sind. Hieraus ist dem Kläger aber im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden. Denn die nunmehr installierten, zur Verbesserung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW führenden LED-Beleuchtungskörper sind viel teurer als die abgerechneten konventionellen Beleuchtungskörper; die Kosten der teureren Beleuchtungskörper sind aber in die Beitragsberechnung nicht eingeflossen.
204.) Der Kläger trägt ferner vor, dass die jetzt angebrachten Beleuchtungskörper auf jeden Fall überdimensioniert seien und gedimmt werden müssten. Vor diesem Hintergrund liege eine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes vor. Auch dieses Vorbringen begründet keine Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt schon deshalb keine Verletzung des Grundsatzes der Erforderlichkeit vor, weil die jetzt angebrachten LED-Beleuchtungskörper, in denen die „Überdimensionierung“ ihre Ursache findet, gegenüber dem Kläger im Rahmen der Beitragserhebung nicht abgerechnet worden sind.
215.) Das Vorbringen, § 11 des neuen Beleuchtungsvertrages zwischen der Beklagten und den Stadtwerken, wonach eine Vergütung für entsorgte Anlagenteile zu zahlen ist, sei zu seinen Lasten nicht angewandt worden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Die vom Kläger geforderte Anrechnung scheidet hier schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht Ende 2007 der vom Kläger in Bezug genommene Vertrag noch nicht galt. Denn der „Vertrag über die Öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG“ ist gemäß seiner Regelung in § 31 für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2018 geschlossen worden.
226.) Die Berufung ist auch nicht mit Blick auf das Vorbringen des Klägers zur angeblichen Vergaberechtswidrigkeit der „gesamten Maßnahme“ wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zuzulassen. Eine Vergaberechtswidrigkeit stellt die Erforderlichkeit des Aufwandes nicht in Frage. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vergaberechtswidrigkeit zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge gekommen ist.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2568/05 -, NVwZ-RR 2008, 442.
24Dafür ist hier jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
257.) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich ferner nicht daraus, dass der Kläger, der die Richtigkeit der in den Akten befindlichen Beleuchtungsmesswerte bestreitet, das Vorliegen einer Verbesserungsmaßnahme in Abrede stellt. Das Verwaltungsgericht ist unter nicht zu beanstandender Auswertung der Verwaltungsvorgänge (einschließlich eines Vorher-Nachher-Vergleichs) zu der rechtlich zutreffenden Annahme gelangt, dass hier eine verkehrstechnische Verbesserung der Straßenbeleuchtung vorliegt, ohne dass der Kläger hiergegen Substantielles eingewandt hat.
268.) Des Weiteren kann der Kläger seinen Zulassungsantrag nicht mit Erfolg auf das Argument stützen, die Beklagte habe entgegen § 10 des „Vertrages über die öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG für den Zeitraum vom 1.4.1999 bis 31.12.2008“ die in Rede stehende Ausbaumaßnahme nicht gesondert ausgeschrieben, weshalb das angegriffene Urteil keinen Bestand haben könne. Es ist schon fraglich, ob es sich vorliegend um eine Baumaßnahme von „besonderer Bedeutung und/oder außergewöhnlichem Umfang“ im Sinne der zitierten Vertragsregelung handelt. Dessen ungeachtet gilt auch in diesem Zusammenhang (vgl. schon oben I. 6.), dass eine gebotene aber unterlassene (gesonderte) Ausschreibung nur dann die Erforderlichkeit des Aufwandes in Frage stellt, wenn der Verzicht auf die Ausschreibung zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge kommt. Hierfür ist – wie bereits oben ausgeführt – im vorliegenden Verfahren weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
27II.) Die Berufung ist weiterhin nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfte, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat.
28OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 15 A 1279/07 -.
29Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil „im vorliegenden Fall … ein Betrag für eine Beleuchtungsanlage als Verbesserung abgerechnet (wurde), die tatsächlich nur kurze Zeit an dem streitgegenständlichen Grundstück montiert war.“ Darüber hinaus sei klärungsbedürftig, „inwieweit der Wille, eine Anlage als Pilotprojekt zu betreiben, dafür entscheidend ist, ob zu einem späteren Zeitpunkt dennoch Beiträge nach § 8 KAG abgerechnet werden können.“
30Aus diesen „Fragen“ ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es mangelt schon an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dessen ungeachtet kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
31Das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung ist durch eine deutliche Steigerung der Beleuchtungsstärke infolge des Ausbaus der Beleuchtungsanlage eingetreten (s. o.). Dass in die Berechnung des Beitrags nur die Kosten für die – später wieder entfernte - Interimslösung eingestellt worden sind, macht die Beitragserhebung nicht rechtswidrig. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Kosten für die Interimslösung tatsächlich entstanden sind. Entscheidend ist aber, dass die Kosten für die dauerhaft errichteten LED-Leuchten nicht in die Beitragserhebung eingestellt worden sind, so dass dem Kläger im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden ist.
32Wenn der Kläger darüber hinaus an dieser Stelle erneut aus der Bezeichnung „Pilotprojekt“ ableiten will, dass die abgerechnete Maßnahme nicht beitragsfähig sein soll, geht dieser Einwand aus den bereits oben genannten Gründen ins Leere (vgl. I. 2.).
33III.) Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist der Kläger nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist der Rechtsstreit mit dem den Beteiligten übersandten Beschluss vom 24. Juli 2013 auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Für den am 18. Juli 2013 durchgeführten Erörterungstermin hat es eines solchen Übertragungsbeschlusses mit Blick auf die Bestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht bedurft. Wenn der Kläger darüber hinaus rügt, dass der Vorsitzende der erkennenden Kammer im Erörterungstermin, vor allem aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Vertretung der als Einzelrichterin zuständigen Berichterstatterin befugt gewesen sei, weil für das Bestehen eines Vertretungsfalles nichts ersichtlich sei, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Einzelrichterin nicht krank war und ein Vertretungsfall nicht vorlag. An der Beachtung der Vorgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen keine Zweifel.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach der Untersagung, auf öffentlichen Straßen ein Mofa nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder ein Kraftfahrzeug nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1b zu führen, ist die Prüfbescheinigung nach § 5 Absatz 4 Satz 1 unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage der Prüfbescheinigung besteht auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat.
(2) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Oktober 2014 ‑ Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe ‑ werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren; außergerichtliche Kosten des Verfahrens hinsichtlich der Beschwerde gegen die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe werden nicht erstattet.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren wegen Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
31. Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes lässt der Senat offen, ob diese wegen Versäumung der Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) unzulässig ist oder ob dem Antragsteller insofern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu gewähren wäre. Denn sie ist jedenfalls unbegründet.
4Die Begründung der Beschwerde gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 24. Oktober 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nicht fristgerecht innerhalb der dafür nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geltenden einmonatigen Frist beim beschließenden Gericht eingegangen, wo sie gemäß § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO einzureichen gewesen wäre. Der Antragsteller hat diese Begründung, die nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, am 19. November 2014 an das Verwaltungsgericht gefaxt. Beim Oberverwaltungsgericht ist sie nach Weiterleitung durch das Verwaltungsgericht erst am 25. November 2014 und damit einen Tag nach der am 24. November 2014 ablaufenden Begründungsfrist eingegangen. Ob dem Antragsteller Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren ist, weil eine schnellere Weiterleitung an das beschließende Gericht zu erwarten gewesen und die Begründung dann fristgerecht eingegangen wäre, kann dahinstehen.
5Denn die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung der angegriffenen Entscheidung führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
6Mit der Rüge, der zweimalige Konsum von Cannabis sei nicht ausreichend, um von einer Kraftfahrungeeignetheit des Antragstellers auszugehen, kann der Antragsteller nicht durchdringen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis nur dann von der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, wenn zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt wird und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen erfolgt und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt. Der zweimalige Cannabiskonsum unterfällt jedenfalls dann dem Begriff des gelegentlichen Konsums, wenn es sich um zwei selbständige, deutlich voneinander abgegrenzte Konsumakte handelt.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2013 -16 A 2020/13 -, m.w.N.
8Beim Antragsteller ist schon aufgrund der ermittelten THC-COOH-Werte von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen. Im Rahmen der Beschwerdebegründung macht er im Übrigen einen nur einmaligen Konsum auch nicht geltend.
9Der Antragsteller hat am 27. Juli 2013 zudem unzweifelhaft unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt. An diesem Tag wurde der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeugs im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten. Die Untersuchung der ihm an diesem Tag abgenommenen Blutprobe ergab eine THC-Konzentration von 17,3 ng/ml im Blutserum. Darauf, ob der Konsum im zeitlichen Zusammenhang mit der Fahrt stand, kommt es nicht an.
10Ebenfalls ohne Belang ist, ob – wie der Antragsteller vorträgt – keine „dauerhafte Wirkung von Cannabis“ besteht, es keinerlei Eintragungen im Verkehrszentralregister gibt und er weder Unfälle verursacht hat noch an ihnen beteiligt gewesen ist.
11Auch der Vortrag, er konsumiere kein Cannabis mehr, kann der Beschwerde des Antragstellers nicht zum Erfolg verhelfen. Es spricht nichts dafür, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsverfügung oder später die Kraftfahreignung wiedererlangt hätte. Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt in Fällen der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum den Nachweis voraus, dass der Betroffene Cannabis nicht regelmäßig konsumiert oder bei gelegentlichem Konsum hinreichend zwischen Konsum und Führen eines Fahrzeugs trennt. Ob der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht schon mit einem – ohnehin lediglich behaupteten – Verzicht auf Drogenkonsum nachgewiesen. Es bedarf zusätzlich des Nachweises, dass bezogen auf die Einnahme illegaler Drogen auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist und daher für die Folgezeit eine günstige Prognose getroffen werden kann. Dieser Nachweis kann grundsätzlich - und so auch hier - nur auf der Grundlage einer medizinisch- psychologischen Begutachtung erbracht werden.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Oktober 2006- 16 B 1538/06 -, juris, Rn. 4, vom 2. April 2012- 16 B 356/12 -, juris, Rn. 6 ff., und vom 20. März 2014 ‑ 16 B 264/14 -, juris, Rn. 12.
13Daran fehlt es.
142. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) geboten hat. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache fernliegt.
15St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 ‑ 1 BvR 274/12 ‑, NJW 2013, 1727 = juris, Rn. 10 ff.
16So verhält es sich hier. Insofern wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss und auf die oben angeführten Gründe.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung - auch wenn sie nach anderen Vorschriften erfolgt - die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. § 2 Abs. 7 und 8 gilt entsprechend.
(2) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Nach der Entziehung ist der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern oder zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis auf Grund anderer Vorschriften entzieht.
(3) Solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs in Betracht kommt, darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn die Fahrerlaubnis von einer Dienststelle der Bundeswehr, der Bundespolizei oder der Polizei für Dienstfahrzeuge erteilt worden ist.
(4) Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.
(5) Die Fahrerlaubnisbehörde darf der Polizei die verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Bestehen eines Fahrverbots übermitteln, soweit dies im Einzelfall für die polizeiliche Überwachung im Straßenverkehr erforderlich ist.
(6) Für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland gelten die Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend.
(7) Durch Rechtsverordnung auf Grund des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 können Fristen und Voraussetzungen
- 1.
für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht oder - 2.
für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland
(1) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
(2) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Bei Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse schränkt die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Die Anlagen 4, 5 und 6 sind zu berücksichtigen.
(3) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.
(4) Die Fahrerlaubnis ist auch zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. § 11 Absatz 6 bis 8 ist entsprechend anzuwenden.
(5) Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.
(6) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. November 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1986 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis unter anderem der Klassen A und B. Am 19. Juli 2011 führte er gegen 13.15 Uhr in T. ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss. Das Gutachten des Universitätsklinikums C. ‑ Institut für Rechtsmedizin ‑ vom 19. August 2011 über die Untersuchung einer dem Kläger entnommenen Blutprobe ergab einen Wert des Cannabiswirkstoffs THC von 1,3 ng/ml sowie eine Konzentrationen des THC-Metaboliten THC‑COOH von 41,1 ng/ml. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen löste dieser Vorfall für sich genommen ‑ soweit bekannt ‑ nicht aus.
3Am 19. März 2013 geriet der Kläger gegen 16.50 Uhr in O. /Kreis T. -X. als Führer eines Personenkraftwagens in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Blutprobe ergab nach dem ärztlichen Befundbericht des Labors L. vom 28. März 2013 für THC einen Wert von 1,1 ng/ml sowie für THC‑COOH einen Wert von 14 ng/ml. Zusammenfassend kommt der Befundbericht zu dem Schluss, das Auffinden von THC und seinen Metaboliten beweise eine kürzliche Cannabiseinnahme. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe.
4Mit Ordnungsverfügung vom 9. April 2013 entzog der Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 23. April 2013 abzugeben. Zur Begründung führte er an, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gerechtfertigt. Der Kläger habe am 19. Juli 2011 und am 19. März 2013 jeweils unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Die in den nachfolgenden chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe. Damit sei bewiesen, dass er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren nicht trennen könne. Aufgrund der wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss sei zudem erwiesen, dass zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege.
5Am 8. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit dem Vorfall seien bei ihm abgesehen von mittelweit geöffneten Pupillen keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Das Ergebnis der nachfolgenden Blutprobe habe ihn dann sehr überrascht; er könne sich diesen Wert nicht erklären. Es stelle sich die Frage, ob der festgestellte Wert von 1,1 ng/ml THC überhaupt den Tatbestand des Cannabiskonsums erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige nicht jede nachgewiesene Menge eines berauschenden Mittels behördliches Einschreiten. Vielmehr müsse eine Konzen-tration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lasse, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gewesen sei. Einen bestimmten Grenzwert habe das Bundesverfassungsgericht nicht eingeführt. Es habe lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaube, der Betroffene habe bei der Verkehrsteilnahme unter einer tatbestandlich relevanten Rauschmittelwirkung gestanden. Dafür müssten aber konkrete Angaben und Hinweise vorliegen, an denen es hier fehle; denn bei der Verkehrskontrolle im März 2013 hätten die beteiligten Polizeibeamten keine Auffälligkeiten festgestellt, die für einen relevanten Cannabiseinfluss sprächen. Im Hinblick auf das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei entscheidend, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss einer solchen THC‑Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit signifikant erhöhe. Der derzeitige naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertige es nicht, bereits ab einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer solchen Risikoerhöhung auszugehen; vielmehr sei bei gelegentlichem Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme mit einem THC‑Wert zwischen 1 und 2 ng/ml vor einer etwaigen Fahrerlaubnisentziehung ein Gutachten einzuholen. Daran fehle es hier. Ferner stelle sich die Frage einer Messungenauigkeit. Da er, der Kläger, sich das Erreichen eines THC‑Wertes von 1,1 ng/ml nicht erklären könne, müsse der vom Labor L. ermittelte Befund diesbezüglich untersucht werden, zumal der festgestellte Wert den vom Beklagten zugrundegelegten Grenzwert nur geringfügig überschreite. Gehe man, wie in der Literatur diskutiert, von einer Messwerttoleranz von 30 bis 40% aus, sei im günstigsten Fall von einer THC‑Konzentration von nur 0,66 ng/ml und damit weit unter dem Grenzwert auszugehen. Er habe auch weder erkennen können noch erkennen müssen, dass er bei seiner Fahrt vom 19. März 2013 unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe. Schließlich sei er aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Aufgaben innerhalb des von seinem Vater und ihm geführten Handwerksbetrieb erfüllen zu können.
6Der Kläger, dessen zugleich mit der Klage gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben ist, hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen,
10und vorgetragen: Entscheidend sei, dass der Kläger in zwei Fällen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und dabei jeweils den maßgeblichen Grenzwert überschritten habe. Die zugrundeliegenden rechtsmedizinischen Gutachten seien in sich logisch, frei von Widersprüchen und beruhten auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es stehe mithin fest, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen und seinen Cannabiskonsum nicht kontrollieren könne.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf seine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewiesen.
12Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Das rechtsmedizinische Gutachten des Labors L. über die Untersuchung der Blutprobe aus dem Jahr 2013 lasse nicht erkennen, ob eine Messtoleranz berücksichtigt worden sei. Die Frage der Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages sei weder vom Bundesverfassungsgericht noch von der sog. Grenzwertkommission entschieden worden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehe bisher davon aus, der von der Grenzwertkommission im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG empfohlene "analytische Grenzwert" von 1,0 ng/ml enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aber noch aus. Wegen der gravierenden Folgen von Fahrerlaubnisentziehungen müsse zumindest gefordert werden, dass die mit der Blutuntersuchung beauftragten Labore verpflichtet würden, die Streubreite ihrer jeweiligen Messergebnisse offenzulegen. Zudem sei bei einer THC‑Konzentration von lediglich 1,1 ng/ml nicht von einem signifikant erhöhten Gefährdungsgrad für den Straßenverkehr auszugehen. Weiter erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Gefährdung des Familienbetriebes als unverhältnismäßig. Den Anforderungen der Sicherheit des Straßenverkehrs wäre schon dann ausreichend Rechnung getragen, wenn ihm, dem Kläger, die Gelegenheit eingeräumt würde, im Wege einer laufenden Abstinenzkontrolle durch eine anerkannteBegutachtungsstelle seine aktuelle Fahreignung nachzuweisen. Schließlich hat der Kläger noch ein vom AG T. im diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten-verfahren eingeholtes rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Q. vom 8. Juni 2014 vorgelegt, das unter anderem die Frage eines Cannabiskonsums des Klägers am 19. März 2013 und die Frage einer Messungenauigkeit betrifft. Auf die einzelnen gutachterlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
13Der Kläger beantragt,
14den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die Gerichtsakte 6 L 278/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
21Der Bescheid ist nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Umstand, dass möglicherweise das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss vom 19. März 2013 noch nicht abgeschlossen ist, steht der eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Klägers durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten und auch dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 nicht entgegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines noch anhängigen Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht kommt, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf, ist vorliegend nicht entsprechend anwendbar. Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung auch auf ein noch anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren scheidet aus, weil in diesem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB oder nach einer anderen Bestimmung nicht in Betracht kommt. Außerdem spricht die systematische Gegenüberstellung der genannten Bestimmung mit § 3 Abs. 4 StVG gegen die Anwendung des Berücksichtigungsverbotes des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfah-rens. Denn das Abweichungsverbot nach § 3 Abs. 4 StVG bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Feststellungen aus einem (abgeschlossenen) Strafverfahren, sondern auch auf Feststellungen in Bußgeldentscheidungen, soweit diese den zugrundegelegten Sachverhalt und die Beurteilung der Schuldfrage betreffen. Wenn demnach § 3 Abs. 4 StVG für seinen Anwendungsbereich das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich gleichstellt, während § 3 Abs. 3 StVG eine solche Gleichstellung nicht vorsieht, muss von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht im Wege der Analogie korrigiert werden kann.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ 16 E 726/12 ‑; Bay. VGH, Beschluss vom 7. September 2007 ‑ 11 CS 07.898, 11 C 07.1371 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 84 = juris, Rn. 18; OVG S.‑A., Beschluss vom 13. April 2012 ‑ 3 M 47/12 ‑, Blutalkohol 49 (2012), 327 = juris, Rn. 3 f.; a.A. Fromm/Schmidt, NZV 2007, 217, 219.
23Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch bedacht haben, dass unter bestimmten Umständen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann (vgl. die §§ 41 f. OWiG) und dass die Gefahr divergierender Entscheidungen in den jeweils noch laufenden Verfahren auch im Verhältnis zwischen Bußgeldstelle und Fahrerlaubnisbehörde bestehen kann.
24Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Es handelt sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 Abs. 3 FeV und den §§ 11 bis 14 FeV i. V. m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung.
25Der hier in Rede stehende Konsum von Cannabis wird in Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV behandelt. Der regelmäßige Konsum von Cannabis lässt die Fahreignung in jedem Fall entfallen (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung nicht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Die hier allein interessierende Trennung zwischen Konsum und Fahren betrifft die Frage, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Fahrerlaubnisinhaber bereit bzw. in der Lage ist, zuverlässig diesen Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen auseinanderzuhalten. Sind gelegentlicher Cannabiskonsum und mangelndes Trennen von Konsum und Fahren erwiesen, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Sachverhaltsauf-klärung die Fahrerlaubnis entziehen. Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.
26OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2006 ‑ 16 B 1392/05 ‑, juris, Rn. 2 bis 8, und Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, NJW 2013, 2841 = Blutalkohol 50 (2013), 146 und 196 = NZV 2014, 102 = NWVBl. 2013, 329 = juris, Rn. 22 f.
27Auch charakterliche Mängel können die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
28Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, NJW 2002, 2378 = juris, Rn. 49.
29Im Zusammenhang mit dem Merkmal des Trennens des Cannabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen kann nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichen. Es muss vielmehr eine Konzentration feststellbar sein, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.
30Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NJW 2005, 349 = NZV 2005, 270 = DAR 2005, 70 = Blutalkohol 42 (2005), 156 = juris, Rn. 29.
31Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit ‑ zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt ‑ nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lässt.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 39 und 51.
33Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt nach Auffassung des Senats und anderer Obergerichte bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 ‑ 16 A 2075/11 ‑, juris, Rn. 15, und vom 22. Mai 2012 ‑ 16 B 536/12 ‑, juris, Rn. 5, sowie Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 ‑ 10 S 2519/05 ‑, NJW 2006, 2135 = juris, Rn. 7, und Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, juris, Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 ‑ 1 S 17.09 ‑, NZV 2010, 531 = juris, Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, NJW 2012, 3526 = juris, Rn. 14; Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 ‑ 3 Bs 214/05 ‑, NJW 2006, 1367 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 ‑ 12 ME 287/03 ‑, juris, Rn. 7; Schl.‑H. OVG, Urteil vom 17. Februar 2009 ‑ 4 LB 61/08 ‑, juris, Rn. 36; Thür. OVG, Beschluss vom 6. September 2012 ‑ 2 EO 37/11 ‑, DAR 2012, 719 = juris, Rn. 16; a. A. (mangelnde Trennung erst oberhalb von 2,0 ng/ml THC) Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, Blutalkohol 43 (2006), 414 = juris, Rn. 16, und vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, DAR 2006, 407 = juris, Rn. 45; vgl. auch OVG M.‑V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 ‑ 1 M 142/06 ‑, juris, Rn. 18; Heß/Burmann, NJW 2007, 486, 492.
35In seinem Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑ hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:
36"Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 ‑ aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 ‑, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml im Serum liegt. Eine solche Konzentration kann ‑ einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags ‑ sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.
37Vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 29.
38Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt.
39Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche und somit für die rechtliche Beurteilung entscheidende Hinweise, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC‑Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht. Des Weiteren ist die Unfall‑ und Gefährdungshäufigkeit in der späteren Phase der Cannabiswirkung signifikant höher als im akuten Rauschzustand.
40Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung, Blutalkohol 43 (2006), 441 ff.
41Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem in Bezug genommenen Urteil vom 14. Juni 2010 ‑ 11 K 1059/10 ‑, juris, auf weitere Untersuchungen hingewiesen, die den von der Grenzwertkommission bestimmten Grenzwert bestätigen. So kommt etwa die Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem THC‑Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum in jedem Fall noch von einer möglichen Wirkung auszugehen ist, da auch noch im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach Rauchende bei den Versuchspersonen Störungen der Feinmotorik feststellbar waren.
42Vgl. die Darstellung bei Möller, Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensisch-toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109 ff., und Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff.
43Zudem hat das Verwaltungsgericht auf toxikologische Studien Bezug genommen, die belegen, dass das subjektive Einflussempfinden (High-Gefühl) eines Kraftfahrzeugführers noch vorhanden sein kann und damit verbunden auch relativ deutliche Ausfallerscheinungen auftreten können, obwohl nur noch eine sehr geringe (oder möglicherweise überhaupt keine) THC-Konzentration mehr im Blut nachweisbar ist.
44Vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 517 f.
45Dies erklärt sich damit, dass die THC-Konzentration im Blut nicht zwingend mit der THC-Konzentration im Gehirn korreliert, also nicht die Konzentration am Wirkort widerspiegelt.
46Vgl. Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, a. a. O., S. 446 f.
47Der Annahme, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC (im Blut) sei die Fahrtüchtigkeit möglicherweise eingeschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht nicht entgegengetreten. Auf einen bestimmten Mindestwert hat sich das Bundesverfassungsgericht indes nicht festgelegt, den Mindestwert von einem 1 ng/ml als ausreichenden Nachweis für die Feststellung von hinreichenden Konzentrationen von THC im Blut im Hinblick auf die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit aber auch nicht beanstandet.
48BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O., zu § 24a Abs. 2 StVG.
49Demgegenüber nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mangelnde Trennung erst ab einem THC‑Wert ab 2,0 ng/ml im Blutserum an.
50Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, a. a. O.; vgl. auch Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, a. a. O, und vom 13. Dezember 2010 ‑ 11 CS 10.2873 ‑, juris.
51Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Januar 2006 zahlreiche Gutachten zu der Frage der Fahruntüchtigkeit unter der Wirkung von Cannabis und der Bestimmung eines Grenzwerts ausgewertet, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und ist unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den bestehenden Unsicherheiten nicht gerechtfertigt erscheine, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestünden lediglich Eignungsbedenken (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Um sie zu klären, sei vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, mit dem ermittelt werden könne, ob der Betroffene künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde.
52Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen und toxikologischen Feststellungen geht der Senat von gesicherten Erkenntnissen aus, dass ab dem THC-Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung und damit eine drogenkonsumbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs möglich ist. Hierzu ist insbesondere auf die bereits angeführte Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O.) zu verweisen, die die tatsächlichen Annahmen des Bay. VGH in der Entscheidung vom 25. Januar 2006 eingehend berücksichtigen, ihnen mit Rücksicht auf neuere Untersuchungsergebnisse und mit einleuchtender Begründung aber nicht folgen. Aus diesem Grund liegen nicht nur Eignungsbedenken vor. Es ist daher bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.
53Des Weiteren stimmt der Senat nicht mit dem vom Bay. VGH gewählten Gefahrenmaßstab überein. Es heißt zwar in dem Beschluss vom 25. Januar 2006 (a. a. O., Rn. 17) zunächst, entscheidend sei, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöhe, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. An anderer Stelle setzt der Bay. VGH aber eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ausdrücklich voraus (a. a. O., Rn. 17). Ein solches besonderes Gefahrenerfordernis lässt sich aus den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht entnehmen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen.
54Der Verstoß gegen das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachte Trennungsgebot muss als im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV erwiesen angesehen werden können, um dem Betroffenen die Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entziehen. § 11 Abs. 7 FeV verlangt, dass die mangelnde Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststeht. So liegt es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit, also ab dem Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blutserum, am Straßenverkehr teilnimmt. Damit belegt er, dass er das entsprechende Trennungsvermögen nicht besitzt und deshalb zum Führen eines Fahrzeugs ungeeignet ist. Daraus folgt zugleich, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit als negative Folge des Konsums möglich ist. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist nicht erforderlich. Hierfür spricht schließlich, dass bei der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis Gefahrenabwehrrecht in Rede steht und insoweit eine Parallele zu dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 24a StVG besteht, das der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 als einfachrechtliche Vorschrift zugrundelag. Auch diese Norm hebt auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, nämlich einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ab.
55Ist von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften also bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt.
56Außerdem ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei einer möglichen drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit angesichts einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
57Vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O., juris, Rn. 18.
58Diese Annahme gründet sich auf die Unsicherheit des Dosis-Wirkungs-Effekts von Cannabis. THC ist, wie Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O., S. 446 f.) unter Hinweis auf die Untersuchung von Mura et al. (THC can be detected in brain while absent in blood, 2005, J. Anal. Toxicol. 29, S. 842) ausgeführt haben, eine hoch lipophile, d.h. gut fettlösliche Verbindung. Entsprechend hoch ist ihr Verteilungsfaktor und entsprechend lange dauert es bis zur Einstellung eines Fließgleichgewichts zwischen wasserreichen Kompartimenten wie etwa dem Blutserum und fettreichen Kompartimenten wie dem Gehirn in der Eliminationsphase. Die THC-Konzentration im Blut spiegelt daher die Konzentration am Wirkort nicht wider. Da die gesicherten medizinischen und toxikologischen Erkenntnisse bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit als möglich belegen, liegt eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betroffenen, also auch bei dem Kläger, bei Erreichen des Werts vor. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber aber ungeachtet dieser Gefährdung nicht bereit, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen, lässt dies auf einen charakterlichen Mangel schließen, der seine Nichteignung begründet. Denn der Fahrerlaubnisinhaber nimmt für seine privaten Bedürfnisse nicht hinnehmbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf. Dieses Verhalten genießt indes weder verfassungsrechtlichen noch einfachrechtlichen Schutz."
59An dieser Sichtweise hält der Senat fest. Neuere Erkenntnisse, welche die Sachgerechtigkeit des Abstellens auf einen Grenzwert von 1 ng/ml in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit methodische Zweifel an den Ergebnissen der Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (s.o.) geäußert worden sind, weil diese im Ausgangspunkt wesentlich auf "subjektiven polizeilichen Feststellungen im Raum München zu Verkehrsauffälligkeiten" beruhten,
60vgl. hierzu die Wiedergabe einer entsprechenden gutachterlichen Äußerung in VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, VRS 124 (2013), 168 = juris, Rn. 53,
61vermag der Senat nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, warum die Einschätzungen von Polizeibeamten, die in der Regel über vielfältige Erfahrungen mit Verkehrsteilnehmern unter dem Einfluss von Rauschmitteln (einschließlich Alkohol) verfügen, von vornherein unergiebig sein sollten, zumal das Erkennen drogenbedingter Auffälligkeiten im Straßenverkehr seit längerer Zeit einen Schwerpunkt der Fortbildung für Polizeibeamte bildet.
62Vgl. Bönke, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NZV 2005, 272; ders., Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 8; Möller, Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 16.
63Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Zugrundelegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum für die Annahme mangelnden Trennens i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auch kein Sicherheitsabschlag zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten bei der rechtsmedizinischen Feststellung des THC‑Gehaltes vorzunehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine ‑ wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende ‑ Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1‑ng/ml‑THC‑Grenze bereits berücksichtigt worden ist,
64vgl. die Empfehlung der Grenzwertkommission zur Änderung der Anlage zu § 24a StVG, Blutalkohol 44 (2007), 311; s. auch Wehowsky, Blutalkohol 43 (2006), 125, 130,
65und nicht (nochmals) durch Abschläge berücksichtigt werden muss. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG,
66vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 ‑ 3 Ss 205/06 ‑, NZV 2007, 248 = VRS 112 (2007), 130 = Blutalkohol 44 (2007), 101 = juris, Rn. 4 f. und Brandenb. OLG, Beschluss vom 30. März 2007 ‑ 1 Ss (OWi) 291B/06 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 135 = juris, Rn. 11 und 13, jeweils m. w. N.,
67und auch der ‑ soweit ersichtlich ‑ einhelligen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die indessen weit überwiegend diese Frage nicht eigens thematisiert, aber im Ergebnis die ermittelten Werte ohne Abschläge zugrundelegt.
68Ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages ablehnend VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 15); VG München, Urteil vom 17. Mai 2011 ‑ M 1 K 11.1120 ‑, juris, Rn. 21.
69Ob diese Praxis bereits mit dem Hinweis gerechtfertigt werden kann, der "wahre" Wert bei der Annahme oder dem Fürmöglichhalten einer Schwankungsbreite des Messergebnisses könne statistisch mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit an der untersten oder an der obersten Grenze des Schwankungsbereichs liegen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn es ‑ anders als nach den Empfehlungen der Grenzwertkommission und der dargestellten Rechtsprechung ‑ auf den zweifelsfreien Nachweis gerade einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr und nicht auf den abweichend definierten Eintritt einer abstrakten Straßenverkehrsgefährdung durch gesichert feststehende Drogenbeeinflussung ankäme, könnte die Sanktionierung von demnach "falsch positiven" Messbefunden schwerlich mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass in anders gelagerten Fällen, das heißt bei "falsch negativen" Befunden, auf die an sich erforderliche Sanktionierung verzichtet werden müsse, also möglicherweise rechtswidrigen Belastungen auch Fälle rechtswidriger Besserstellung gegenüberständen. Schwerer wiegt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme ‑ und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme ‑ eine deutliche Verringerung der THC‑Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis "polyphasisch" erfolgt und daher schwieriger als etwa beim Alkohol berechnet werden kann,
70vgl. Zwerger, Blutalkohol 43 (2006), 105, 110; Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441, 446 f.,
71steht doch außer Frage, dass THC verhältnismäßig schnell verstoffwechselt und jedenfalls bei einmalig und desgleichen wohl auch bei eher sporadisch konsumierenden Personen nach inhalativem Konsum selbst hoher Dosen zumindest überwiegend innerhalb von vier bis sechs Stunden auf Werte unterhalb von 1,0 ng/ml sinkt.
72Vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schnei-der/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 43 (2006), 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. (2010), § 3 Rn. 109 ff.; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 25.
73Im Übrigen dürfte es nicht oder allenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, im Einzelfall den "wahren" Wert der THC‑Konzentration zu ermitteln. Berücksichtigt man weiter, dass sich der jeweils Betroffene zu einem Zeitpunkt ans Steuer gesetzt hat, zu dem jedenfalls er selbst nicht das Ausmaß eines fortbestehenden THC‑Einflusses und einer darauf beruhenden Straßenverkehrsgefährdung abschätzen konnte, erscheint es hinnehmbar, ihm das Risiko zuzumuten, zugunsten der Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer und mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates auf deren höchstrangige Rechtsgüter die Unsicherheit hinzunehmen, die auf der (zumindest weitgehend) unvermeidlichen Schwankungsbreite der THC‑Messergebnisse beruht.
74Vgl. VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 38 f.).
75Dass der Kläger gelegentlich Cannabis konsumiert, folgt schon daraus, dass er bereits 2011 unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr angetroffen worden ist. Abgesehen davon fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers, das einen zumindest gelegentlichen Konsum in Frage stellen könnte.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 sowie 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
78Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit oder der Verkehrssicherheit bei gelegentlichem Konsum von Cannabis maßgeblich ist und ‑ hieraus folgend ‑ ab welcher THC‑Konzentration im Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungserfordernis nach Nr.9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt und für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 7. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 14. September 2015 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Erfolgsaussichten der Klage lassen sich jedoch nach Auffassung des Senats bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen. Gleichwohl fällt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entziehungsverfügung zum Nachteil des Antragstellers aus.
4Die von dem Antragsteller erhobenen Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung begründen keine Erfolgsaussichten seiner Klage gegen diesen Bescheid. Ein etwaiger Fehler im Verwaltungsverfahren, der daraus resultiert, dass seinem damaligen Verfahrensbevollmächtigten - und jetzigem Prozessbevollmächtigten - nach dessen Antrag vom 7. September 2015 Einsicht in die Verwaltungsvorgänge nicht gewährt wurde,
5vgl. in diesem Zusammenhang Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 29 VwVfG, Rn. 36,
6ist jedenfalls gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die hier in Rede stehende Entziehungsverfügung erlassen wurde, ohne dass zuvor über den ebenfalls mit Schreiben vom 7. September 2015 gestellten Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist im Rahmen der Anhörung nach § 28 VwVfG NRW entschieden wurde.
7Vgl. zu einem daraus resultierenden Verfahrensfehler: Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 VwVfG, Rn. 44; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 1998 - 9 B 535.98 -, DVBl. 1999, 97 zu § 130a VwGO.
8Nach § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der - wie vorliegend - nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Letzteres ist der Fall, wenn die Entscheidung auf Grund rechtlicher Alternativlosigkeit strikt gebunden ist.
9Vgl. Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., § 46 VwVfG, Rn. 36.
10Bei der Entscheidung über die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV, wie sie hier in Rede steht, handelt es sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung.
11Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013
12- 16 A 2006/12 -, NJW 2013, 2841 = juris, Rn. 20.
13Gegen eine Anwendung des § 46 VwVfG NRW lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorgelegen hätten und der Antragsgegner, hätte der Antragsteller eine Stellungnahme im Verwaltungsverfahren abgegeben, unter deren Berücksichtigung eine andere Entscheidung getroffen hätte. Zwar ist nicht auszuschließen, dass eine Behörde auch hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine gebundene Entscheidung zu einem anderen Ergebnis gelangen kann, wenn sie die für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts sowie die für die Anwendung des Rechts maßgeblichen Verfahrensvorschriften einhält. Jedoch kommen den Gerichten bei einer gebundenen Entscheidung eine Letztentscheidungskompetenz sowie die Pflicht zu, die Spruchreife herzustellen und in der Sache zu entscheiden.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 1982 - 6 C 60.79 -, NVwZ 1982, 618, 619, und vom 31. Juli 1984 - 9 C 156.83 -, DÖV 1985, 407, 408, sowie Beschluss vom 9. März 1982 - 9 B 360.82 -, DÖV 1982, 744, 745; Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., § 46 VwVfG, Rn. 36.1.
15Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht berufen, weil dieses seinem Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren entgegen dessen Antrag auf Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in seine Geschäftsräume nur Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts angeboten hat. Insoweit kann dahinstehen, ob sich das nach § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO grundsätzlich bestehende Ermessen des Vorsitzenden in Bezug auf die Gewährung von Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in die Geschäftsräume des Prozessbevollmächtigten,
16vgl. insoweit Gärditz in: Gärditz, VwGO, 2013, § 100 VwGO, Rn. 9,
17auf Grund der Belegenheit der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in N. dahingehend reduziert hat, dass nur die Übersendung der Akten nach dorthin als ermessensfehlerfrei anzusehen war. Denn ein etwaiger durch die Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts begründeter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist jedenfalls dadurch geheilt worden, dass dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers - entsprechend dessen Antrag vom 14. Oktober 2015 - nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Gerichtsakte durch das Verwaltungsgericht übersandt worden ist und er danach Gelegenheit hatte, unter Berücksichtigung von deren Inhalt im Beschwerdeverfahren vorzutragen.
18Vgl. zur Heilung eines im ersten Rechtszug unterlaufenen Gehörsverstoßes, wenn sich der Betroffene in einer höheren Instanz zu den in Frage stehenden tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten äußern kann, BVerfG, Entscheidung vom 25. Mai 1956 - 1 BvR 128/56 -, BVerfGE 5, 9; OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2010 - 6 B 1060 -, m. w. N.
19Um der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, hätte der Antragsteller sich deshalb nicht darauf beschränken dürfen, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rügen, sondern er hätte Fehler darlegen müssen, die im Ergebnis zu einer Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses führen müssten. Diesem Erfordernis ist schon deshalb nicht Genüge getan, weil es dem Beschwerdevorbringen an Vortrag dazu mangelt, inwieweit aus dem geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung angezeigt gewesen wäre. Die Behauptung, „Diese Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts führt zur Rechtswidrigkeit dessen Entscheidung.“, ist hierfür nicht ausreichend.
20Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 14. September 2015 ergeben sich auch nicht aus dem gegen den Antragsteller eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft C. (Az.: 930 Js 1251/15 R). Dieses Verfahren stand der Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift wäre der Antragsgegner nur dann an einer eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Antragstellers sowie an der Entziehung von dessen Fahrerlaubnis gehindert gewesen, wenn gegen den Antragsteller noch ein Strafverfahren anhängig gewesen wäre, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht gekommen wäre; solange ein derartiges Verfahren nicht abgeschlossen ist, darf die Fahrerlaubnisbehörde den Gegenstand dieses Strafverfahrens in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Nach dem von dem Antragsteller übersandten Schreiben der Staatsanwaltschaft C. ist Gegenstand des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ein Vergehen nach § 29 BtMG. Dass und inwieweit hier eine Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht kommen könnte, legt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen schon nicht dar. Auf ein möglicherweise gegen ihn eingeleitetes und noch nicht zum Abschluss gebrachtes Ordnungswidrig-keitenverfahren wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG ist die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG weder direkt noch entsprechend anwendbar, da hier - anders als im Strafverfahren - eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit nach § 69 StGB nicht in Betracht kommt.
21Vgl. hierzu im einzelnen OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, VRS 127, 43 = juris, Rn. 19 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 3 StVG, Rn. 45.
22Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass sich die Entziehung seiner Fahrerlaubnis aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist. Er hat nicht dargetan, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist, bei ihm sei von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit angenommen, dass der in der dem Antragsteller am 15. Juli 2015 um 23.07 Uhr entnommenen Blutprobe festgestellte THC-Wert von 1,38 ng/ml Serum bei einer insoweit bestehenden Nachweisdauer von höchstens sechs Stunden nicht durch den ‑ vom Antragsteller selbst eingeräumten - Konsum eines Joints am Abend des 14. Juli 2015 verursacht worden sein kann; dieser Wert müsse vielmehr durch einen weiteren Konsum von Cannabis am 15. Juli 2015 hervorgerufen worden sein, der nicht vor 17.07 Uhr gelegen haben könne. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller hiergegen unter Berufung auf die Abhandlung von „Möller, BA 2006, 361“
23- dabei handelt es sich um die Abhandlung von Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/
24Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff. -
25ein, nach medizinischen Studien sei es durchaus möglich, dass ein THC-Wert auch nach mehr als sechs Stunden im Blut feststellbar sei; dies hänge in erster Linie davon ab, welche Zusammensetzung und Konzentration der konsumierte Stoff aufgewiesen habe. Denn zum einen haben an der Studie, die Gegenstand der genannten Abhandlung ist (hierbei handelt es sich um die sog. erste Maastricht-Studie), nur Personen teilgenommen, die - nach eigenen Angaben - gelegentlich Cannabis rauchen.
26Vgl. insoweit Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/
27Theunissen/Ramaekers, a. a. O., 362.
28Zum anderen wäre bei dem Antragsteller bei einem einzigen Konsum am Abend des 14. Juli 2015 von einer im Vergleich zu sechs Stunden deutlich längeren Abbauzeit auszugehen. Denn schon zwischen der polizeilichen Kontrolle am 15. Juli 2015 um 22.00 Uhr und dem von ihm angegebenen Konsum am Abend des 14. Juli 2015 lagen zwischen 18 und 24 Stunden. Soweit der Antragsteller für seine Behauptung, er habe „jedenfalls nach dem gegenüber der Polizei genannten Konsum keinen weiteren Konsum gehabt“, seine auf Blatt 7 der Verwaltungsvorgänge aufgeführten „Freunde“ als Zeugen benennt, wird hierdurch die Annahme eines gelegentlichen Konsums bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Denn diesem Vorbringen lässt sich schon ein - ggf. durch eine persönliche Erklärung oder eidesstattliche Versicherung dieser Personen weiter zu erhärtender - Geschehensablauf, der geeignet wäre, die auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Abbaugeschwindigkeit des Cannabiswirkstoffs THC basierende Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums durch den Antragsteller ernsthaft in Zweifel zu ziehen, nicht entnehmen. Die von dem Antragsteller beantragte Vernehmung seiner auf Blatt 7 der Verwaltungsvorgänge genannten „Freunde“ als Zeugen kommt in diesem Verfahren nicht in Betracht, weil dies die Grenzen einer summarischen Prüfung überschreiten würde. Eine entsprechende zeugenschaftliche Vernehmung muss daher, soweit erforderlich, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
29Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht bei ihm zu Unrecht von einem mangelnden Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ausgegangen ist. Der Senat ist bisher - in Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung - davon ausgegangen, dass bereits ein im zeitlichen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges ermittelter Wert ab 1,0 ng/ml THC im Serum ein mangelndes Trennungsvermögen belegt, ohne dass darüber hinaus noch spezifische Auffälligkeiten festgestellt werden müssen.
30Dazu grundlegend OVG NRW, Urteile vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 34 ff., und vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, a. a. O. = juris, Rn. 31 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2016
31- 16 E 977/15 -, m. w. N. für die obergerichtliche Rechtsprechung.
32Gesichtspunkte, die eine Abkehr von der bisherigen Auffassung des Senats rechtfertigen könnten, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Die vom Antragsteller insoweit genannten Entscheidungen, u. a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, bieten hierzu ebenso wenig Veranlassung,
33vgl. hierzu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O., = juris, Rn. 49 ff.,
34wie sein - erneuter - Hinweis auf die Abhandlung von Möller/Kauert/Tönnes/
35Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff. Soweit er in Bezug auf diesen Beitrag geltend macht, „Die medizinischen Untersuchungen (Möller, a. a. O.) belegen, dass die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Einwirkungen erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml T H C beweiskräftig festgestellt werden können.“, hat er schon nicht dargelegt, aus welchen konkreten Feststellungen in der genannten Abhandlung er diese Schlussfolgerung zieht. Soweit darin ausgeführt ist, dass bis zu fünf Stunden nach Rauchende eine signifikante (Hervorhebung durch den Senat) Beeinträchtigung der Feinmotorik feststellbar war, entsprechend einer THC-Konzentration von 2 bis 5 ng/ml Serum (vgl. Blutalkohol 43 <2006>,361, 372), steht diese Feststellung der Auffassung des Senats nicht entgegen. Denn diesseits wird davon ausgegangen, dass ein mangelndes Trennungsvermögen bereits dadurch belegt wird, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist insoweit nicht erforderlich.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013
37- 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 38 und 54.
38Allerdings lässt sich in diesem Verfahren aus anderen Gründen nicht abschließend beurteilen, ob der Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten kann. Dieser lag u. a. der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog: Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 - zugrunde, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1,0 ng/ml im Blutserum liegt.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 36.
40Bei der Grenzwertkommission handelt es sich um eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie im Jahr 1994 gegründet wurde und - paritätisch - mit hoch qualifizierten Wissenschaftlern besetzt ist.
41Im September 2015 hat die Grenzwertkommission empfohlen, erst ab einem Grenzwert von 3,0 ng/ml im Blutserum von einem Verstoß gegen das Trennungsgebot auszugehen. In der entsprechenden Veröffentlichung in der Zeitschrift Blutalkohol 52 (2015), 322 heißt es u. a.:
42“Die Grenzwertkommission empfiehlt daher auf der Grundlage dieser Ausführungen bei Feststellungen einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV zu verneinen.“
43Ob und inwieweit dieser Stellungnahme im Ergebnis und speziell mit Blick auf die in der bisherigen Senatsrechtsprechung verwendeten Obersätze zu folgen ist, bedarf einer vertieften Prüfung, die - ebenfalls - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
44Lassen sich also nach alledem die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entziehungsverfügung vom 14. September 2015 nicht abschließend beurteilen, kann über den Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung nur anhand einer allgemeinen, d. h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängigen Interessenabwägung entschieden werden. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wieder hergestellt wird, sich die angefochtene Verfügung aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
45Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005
46- 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927 = juris, Rn. 23 ff.
47Diese Abwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz einer gegebenenfalls fehlenden Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung dieser widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wieder gutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
49Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
50Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 7. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 14. September 2015 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Erfolgsaussichten der Klage lassen sich jedoch nach Auffassung des Senats bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen. Gleichwohl fällt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entziehungsverfügung zum Nachteil des Antragstellers aus.
4Die von dem Antragsteller erhobenen Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung begründen keine Erfolgsaussichten seiner Klage gegen diesen Bescheid. Ein etwaiger Fehler im Verwaltungsverfahren, der daraus resultiert, dass seinem damaligen Verfahrensbevollmächtigten - und jetzigem Prozessbevollmächtigten - nach dessen Antrag vom 7. September 2015 Einsicht in die Verwaltungsvorgänge nicht gewährt wurde,
5vgl. in diesem Zusammenhang Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 29 VwVfG, Rn. 36,
6ist jedenfalls gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die hier in Rede stehende Entziehungsverfügung erlassen wurde, ohne dass zuvor über den ebenfalls mit Schreiben vom 7. September 2015 gestellten Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist im Rahmen der Anhörung nach § 28 VwVfG NRW entschieden wurde.
7Vgl. zu einem daraus resultierenden Verfahrensfehler: Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 VwVfG, Rn. 44; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 1998 - 9 B 535.98 -, DVBl. 1999, 97 zu § 130a VwGO.
8Nach § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der - wie vorliegend - nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Letzteres ist der Fall, wenn die Entscheidung auf Grund rechtlicher Alternativlosigkeit strikt gebunden ist.
9Vgl. Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., § 46 VwVfG, Rn. 36.
10Bei der Entscheidung über die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV, wie sie hier in Rede steht, handelt es sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung.
11Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013
12- 16 A 2006/12 -, NJW 2013, 2841 = juris, Rn. 20.
13Gegen eine Anwendung des § 46 VwVfG NRW lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorgelegen hätten und der Antragsgegner, hätte der Antragsteller eine Stellungnahme im Verwaltungsverfahren abgegeben, unter deren Berücksichtigung eine andere Entscheidung getroffen hätte. Zwar ist nicht auszuschließen, dass eine Behörde auch hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine gebundene Entscheidung zu einem anderen Ergebnis gelangen kann, wenn sie die für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts sowie die für die Anwendung des Rechts maßgeblichen Verfahrensvorschriften einhält. Jedoch kommen den Gerichten bei einer gebundenen Entscheidung eine Letztentscheidungskompetenz sowie die Pflicht zu, die Spruchreife herzustellen und in der Sache zu entscheiden.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 1982 - 6 C 60.79 -, NVwZ 1982, 618, 619, und vom 31. Juli 1984 - 9 C 156.83 -, DÖV 1985, 407, 408, sowie Beschluss vom 9. März 1982 - 9 B 360.82 -, DÖV 1982, 744, 745; Schemmer in: Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., § 46 VwVfG, Rn. 36.1.
15Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht berufen, weil dieses seinem Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren entgegen dessen Antrag auf Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in seine Geschäftsräume nur Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts angeboten hat. Insoweit kann dahinstehen, ob sich das nach § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO grundsätzlich bestehende Ermessen des Vorsitzenden in Bezug auf die Gewährung von Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in die Geschäftsräume des Prozessbevollmächtigten,
16vgl. insoweit Gärditz in: Gärditz, VwGO, 2013, § 100 VwGO, Rn. 9,
17auf Grund der Belegenheit der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in N. dahingehend reduziert hat, dass nur die Übersendung der Akten nach dorthin als ermessensfehlerfrei anzusehen war. Denn ein etwaiger durch die Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts begründeter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist jedenfalls dadurch geheilt worden, dass dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers - entsprechend dessen Antrag vom 14. Oktober 2015 - nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Gerichtsakte durch das Verwaltungsgericht übersandt worden ist und er danach Gelegenheit hatte, unter Berücksichtigung von deren Inhalt im Beschwerdeverfahren vorzutragen.
18Vgl. zur Heilung eines im ersten Rechtszug unterlaufenen Gehörsverstoßes, wenn sich der Betroffene in einer höheren Instanz zu den in Frage stehenden tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten äußern kann, BVerfG, Entscheidung vom 25. Mai 1956 - 1 BvR 128/56 -, BVerfGE 5, 9; OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2010 - 6 B 1060 -, m. w. N.
19Um der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, hätte der Antragsteller sich deshalb nicht darauf beschränken dürfen, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rügen, sondern er hätte Fehler darlegen müssen, die im Ergebnis zu einer Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses führen müssten. Diesem Erfordernis ist schon deshalb nicht Genüge getan, weil es dem Beschwerdevorbringen an Vortrag dazu mangelt, inwieweit aus dem geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung angezeigt gewesen wäre. Die Behauptung, „Diese Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts führt zur Rechtswidrigkeit dessen Entscheidung.“, ist hierfür nicht ausreichend.
20Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 14. September 2015 ergeben sich auch nicht aus dem gegen den Antragsteller eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft C. (Az.: 930 Js 1251/15 R). Dieses Verfahren stand der Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift wäre der Antragsgegner nur dann an einer eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Antragstellers sowie an der Entziehung von dessen Fahrerlaubnis gehindert gewesen, wenn gegen den Antragsteller noch ein Strafverfahren anhängig gewesen wäre, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht gekommen wäre; solange ein derartiges Verfahren nicht abgeschlossen ist, darf die Fahrerlaubnisbehörde den Gegenstand dieses Strafverfahrens in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Nach dem von dem Antragsteller übersandten Schreiben der Staatsanwaltschaft C. ist Gegenstand des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ein Vergehen nach § 29 BtMG. Dass und inwieweit hier eine Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht kommen könnte, legt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen schon nicht dar. Auf ein möglicherweise gegen ihn eingeleitetes und noch nicht zum Abschluss gebrachtes Ordnungswidrig-keitenverfahren wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG ist die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG weder direkt noch entsprechend anwendbar, da hier - anders als im Strafverfahren - eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit nach § 69 StGB nicht in Betracht kommt.
21Vgl. hierzu im einzelnen OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, VRS 127, 43 = juris, Rn. 19 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 3 StVG, Rn. 45.
22Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass sich die Entziehung seiner Fahrerlaubnis aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist. Er hat nicht dargetan, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist, bei ihm sei von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit angenommen, dass der in der dem Antragsteller am 15. Juli 2015 um 23.07 Uhr entnommenen Blutprobe festgestellte THC-Wert von 1,38 ng/ml Serum bei einer insoweit bestehenden Nachweisdauer von höchstens sechs Stunden nicht durch den ‑ vom Antragsteller selbst eingeräumten - Konsum eines Joints am Abend des 14. Juli 2015 verursacht worden sein kann; dieser Wert müsse vielmehr durch einen weiteren Konsum von Cannabis am 15. Juli 2015 hervorgerufen worden sein, der nicht vor 17.07 Uhr gelegen haben könne. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller hiergegen unter Berufung auf die Abhandlung von „Möller, BA 2006, 361“
23- dabei handelt es sich um die Abhandlung von Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/
24Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff. -
25ein, nach medizinischen Studien sei es durchaus möglich, dass ein THC-Wert auch nach mehr als sechs Stunden im Blut feststellbar sei; dies hänge in erster Linie davon ab, welche Zusammensetzung und Konzentration der konsumierte Stoff aufgewiesen habe. Denn zum einen haben an der Studie, die Gegenstand der genannten Abhandlung ist (hierbei handelt es sich um die sog. erste Maastricht-Studie), nur Personen teilgenommen, die - nach eigenen Angaben - gelegentlich Cannabis rauchen.
26Vgl. insoweit Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/
27Theunissen/Ramaekers, a. a. O., 362.
28Zum anderen wäre bei dem Antragsteller bei einem einzigen Konsum am Abend des 14. Juli 2015 von einer im Vergleich zu sechs Stunden deutlich längeren Abbauzeit auszugehen. Denn schon zwischen der polizeilichen Kontrolle am 15. Juli 2015 um 22.00 Uhr und dem von ihm angegebenen Konsum am Abend des 14. Juli 2015 lagen zwischen 18 und 24 Stunden. Soweit der Antragsteller für seine Behauptung, er habe „jedenfalls nach dem gegenüber der Polizei genannten Konsum keinen weiteren Konsum gehabt“, seine auf Blatt 7 der Verwaltungsvorgänge aufgeführten „Freunde“ als Zeugen benennt, wird hierdurch die Annahme eines gelegentlichen Konsums bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Denn diesem Vorbringen lässt sich schon ein - ggf. durch eine persönliche Erklärung oder eidesstattliche Versicherung dieser Personen weiter zu erhärtender - Geschehensablauf, der geeignet wäre, die auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Abbaugeschwindigkeit des Cannabiswirkstoffs THC basierende Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums durch den Antragsteller ernsthaft in Zweifel zu ziehen, nicht entnehmen. Die von dem Antragsteller beantragte Vernehmung seiner auf Blatt 7 der Verwaltungsvorgänge genannten „Freunde“ als Zeugen kommt in diesem Verfahren nicht in Betracht, weil dies die Grenzen einer summarischen Prüfung überschreiten würde. Eine entsprechende zeugenschaftliche Vernehmung muss daher, soweit erforderlich, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
29Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht bei ihm zu Unrecht von einem mangelnden Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ausgegangen ist. Der Senat ist bisher - in Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung - davon ausgegangen, dass bereits ein im zeitlichen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges ermittelter Wert ab 1,0 ng/ml THC im Serum ein mangelndes Trennungsvermögen belegt, ohne dass darüber hinaus noch spezifische Auffälligkeiten festgestellt werden müssen.
30Dazu grundlegend OVG NRW, Urteile vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 34 ff., und vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, a. a. O. = juris, Rn. 31 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2016
31- 16 E 977/15 -, m. w. N. für die obergerichtliche Rechtsprechung.
32Gesichtspunkte, die eine Abkehr von der bisherigen Auffassung des Senats rechtfertigen könnten, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Die vom Antragsteller insoweit genannten Entscheidungen, u. a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, bieten hierzu ebenso wenig Veranlassung,
33vgl. hierzu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O., = juris, Rn. 49 ff.,
34wie sein - erneuter - Hinweis auf die Abhandlung von Möller/Kauert/Tönnes/
35Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff. Soweit er in Bezug auf diesen Beitrag geltend macht, „Die medizinischen Untersuchungen (Möller, a. a. O.) belegen, dass die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Einwirkungen erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml T H C beweiskräftig festgestellt werden können.“, hat er schon nicht dargelegt, aus welchen konkreten Feststellungen in der genannten Abhandlung er diese Schlussfolgerung zieht. Soweit darin ausgeführt ist, dass bis zu fünf Stunden nach Rauchende eine signifikante (Hervorhebung durch den Senat) Beeinträchtigung der Feinmotorik feststellbar war, entsprechend einer THC-Konzentration von 2 bis 5 ng/ml Serum (vgl. Blutalkohol 43 <2006>,361, 372), steht diese Feststellung der Auffassung des Senats nicht entgegen. Denn diesseits wird davon ausgegangen, dass ein mangelndes Trennungsvermögen bereits dadurch belegt wird, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist insoweit nicht erforderlich.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013
37- 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 38 und 54.
38Allerdings lässt sich in diesem Verfahren aus anderen Gründen nicht abschließend beurteilen, ob der Senat an seiner bisherigen Auffassung festhalten kann. Dieser lag u. a. der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog: Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 - zugrunde, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1,0 ng/ml im Blutserum liegt.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, a. a. O. = juris, Rn. 36.
40Bei der Grenzwertkommission handelt es sich um eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie im Jahr 1994 gegründet wurde und - paritätisch - mit hoch qualifizierten Wissenschaftlern besetzt ist.
41Im September 2015 hat die Grenzwertkommission empfohlen, erst ab einem Grenzwert von 3,0 ng/ml im Blutserum von einem Verstoß gegen das Trennungsgebot auszugehen. In der entsprechenden Veröffentlichung in der Zeitschrift Blutalkohol 52 (2015), 322 heißt es u. a.:
42“Die Grenzwertkommission empfiehlt daher auf der Grundlage dieser Ausführungen bei Feststellungen einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV zu verneinen.“
43Ob und inwieweit dieser Stellungnahme im Ergebnis und speziell mit Blick auf die in der bisherigen Senatsrechtsprechung verwendeten Obersätze zu folgen ist, bedarf einer vertieften Prüfung, die - ebenfalls - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
44Lassen sich also nach alledem die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entziehungsverfügung vom 14. September 2015 nicht abschließend beurteilen, kann über den Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung nur anhand einer allgemeinen, d. h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängigen Interessenabwägung entschieden werden. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wieder hergestellt wird, sich die angefochtene Verfügung aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
45Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005
46- 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927 = juris, Rn. 23 ff.
47Diese Abwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz einer gegebenenfalls fehlenden Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung dieser widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wieder gutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
49Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
50Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.