Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Juli 2016 - 23 K 2594/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks H. Brauweiler, Flur 00, Flurstück 000 (vormals Teilstück aus Flurstück 00) mit der postalischen Anschrift C.----------straße 00; die Kläger zu 2) und zu 3) sind Eigentümer des Grundstücks H. C1. Flur 00, Flurstück 00 (vormals Teilstück aus Flurstück 00) mit der postalischen Anschrift C.----------straße 00. Die Grundstücke der Kläger sind mit Baugenehmigungen vom 30. Oktober 1967 (Kläger zu 1) und 10. Juli 1968 (Kläger zu 2 und zu 3) jeweils mit einem Wohnhaus innerhalb einer Hausgruppe bebaut worden. Auf den Grundstücken befinden sich keine Stellplätze. Unter dem 13. September 1967 übernahm der damalige Eigentümer des damaligen Flurstücks 00 (heute Flurstück 0000) zugunsten der Grundstücke der Kläger eine Baulast für einen Stellplatz mit einer Grundfläche von jeweils 13,75m². Die genaue Lage der Stellplätze ist in einem der Eintragung der Baulast beigefügten Plan gekennzeichnet. Derzeit ist die Stadt G. Eigentümerin des Flurstücks 0000. Tatsächlich sind auf der Fläche keine Stellplätze angelegt. Es finden sich nur eine befestigte Fläche, die aber von Grün überwuchert ist, und zwei Pfosten, die das Auffahren auf das Grundstück verhindern. Das Flurstück 0000 grenzt nicht unmittelbar an die Straße an; zwischen dem Grundstück und der Straße liegt noch das schmale Flurstück 000.
3Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans 40.3N, nach dessen textlichen Festsetzungen Nebenanlagen auf nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausgeschlossen sind. Die Baulastflächen liegen nicht innerhalb der durch den Bebauungsplan bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen. Vielmehr ist für die betreffende Fläche „Grünfläche“ festgesetzt. Darüber hinaus befinden sich auf dem Flurstück mehrere im Bebauungsplan als „erhaltenswert“ festgesetzte Bäume.
4Am 3. September 2013 stellten die Kläger jeweils einen Antrag auf Freistellung nach § 67 BauO NRW zur Errichtung einer Doppelgarage auf dem Flurstück 0000, grenzständig zum Flurstück 296 (postalisch C.----------straße 00). In einer E-Mail vom 13. September 2013 an den Architekten der Kläger führte die Sachbearbeiterin der Beklagten u.a. aus, eine Freistellung sei nicht möglich, da der Bebauungsplan 40.3N an der besagten Stelle keine überbaubare Grundstücksfläche ausweise. Weiter heißt es in der E-Mail „für die Genehmigung muß eine Befreiung erteilt werden, die ich hiermit in Aussicht stelle“. Ferner riet die Sachbearbeiterin den Klägern, einen gemeinsamen Bauantrag zu stellen, um Gebühren zu sparen, und führte in diesem Zusammenhang weiter aus „... bitte nächste Woche um Mitteilung, wie sich die Bauherren entschieden haben, damit die Genehmigung zeitnah erteilt werden kann“. Am 16. September 2016 stellten die Kläger den angeratenen einheitlichen Bauantrag. In einem Vermerk vom 18. Februar 2014 über ein an diesem Tag mit den Klägern und ihrer Prozessbevollmächtigen geführtes Gespräch heißt es u.a., die Stadt sei Eigentümerin des Grundstücks und es stelle sich die Frage, ob ein Verkauf des Grundstücks oder eine Nutzungsentschädigung in Frage komme.
5Nach Durchführung eines Ortstermins, in dessen Rahmen eine Ablehnung des Antrags angekündigt worden war, lehnte die Beklagte den Bauantrag mit Bescheid vom 1. April 2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes könne nicht erteilt werden, weil die Freifläche als prägendes Raumbild einen städtebaulichen Zweck erfülle. Zudem sei der geplante Abstand zur Straßenbegrenzungslinie zu gering und die erhaltenswerten Bäume stünden dem Vorhaben entgegen.
6Am 5. Mai 2014 haben die Kläger Klage erhoben. Sie machen geltend, sie hätten einen Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Mit den Voraussetzungen der Befreiung habe sich die Beklagte im Ablehnungsbescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Von einem „prägenden Raumbild“ der fraglichen Fläche könne nicht die Rede sein, vielmehr habe sich hier Wildwuchs breit gemacht. Zudem entspreche die Fläche längst nicht mehr dem Zustand im Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes; fast alle im Bebauungsplan gekennzeichneten Bäume seien nicht mehr vorhanden. Dieser Teil der Grünfläche sei nie als Parkanlage genutzt worden. Im Übrigen hätte die Fläche schon aufgrund der Baulast freigehalten werden müssen. Der Abstand zur Straßenbegrenzungslinie sei ausreichend, wenn man ein elektrisches Rolltor nutze. Mit der E-Mail vom 13. September 2013 sei die Befreiung vom Bebauungsplan schon zugesichert worden. Die Beklagte könne sich jetzt nach Treu und Glauben nicht mehr darauf stützen, dass sie als Eigentümerin eine Bebauung nicht zulasse, denn dies sei im ganzen Baugenehmigungsverfahren nie angesprochen worden.
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2014 zu verpflichten, entsprechend dem Bauantrag vom 16. September 2013 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Doppelgarage zu erteilen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie trägt vor, die fragliche Fläche sei nicht „heruntergekommen“, vielmehr sei die Parkanlage von einem Landschaftsarchitekten geplant worden und sei Gegenstand eines Pflegevertrages. Die hier in Rede stehende Kastanie sei gewiss schon vor Eintragung der Baulast gepflanzt worden, so dass sie als erhaltenswerter Baum zu beachten sei. Die E-Mail vom 13. September 2013 habe keine Bedeutung, weil es jedenfalls an einem Rechtsbindungswillen fehle. Im Übrigen beabsichtige sie nicht, das Grundstück zu verkaufen oder eine Bebauung mit einer Doppelgarage als Eigentümerin zu dulden. Sie könne sich lediglich eine Bebauung mit einem Carport vorstellen.
12Der Berichterstatter hat am 5. April 2016 einen Ortstermin durchgeführt; wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die zulässige Klage ist nicht begründet; den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Doppelgarage nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
15Nach § 75 Abs. 3 BauO NRW ergeht die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter. Dies hat zur Folge, dass zivilrechtliche Rechtspositionen, die der Verwirklichung des Bauvorhabens entgegen stehen könnten, im Baugenehmigungsverfahren im Grundsatz nicht geprüft werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein zivilrechtliches Hindernis für die Verwirklichung des Vorhabens rechtskräftig festgestellt oder offensichtlich ist. In diesem Fall fehlt das Sachbescheidungsinteresse für den Bauantrag.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2015 – 7 A 1237/13 –, Johlen in Gädtke/Czepuk/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, § 75, Rdn. 166f.
17Gemessen hieran besteht kein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, weil jedenfalls inzwischen offensichtlich ist, dass die Stadt Frechen als Eigentümerin des Flurstücks 1554 zivilrechtlich eine Bebauung des Grundstücks mit einer Doppelgarage nicht gestattet. Dies hat die Beklagte mit dem zur Akte gereichten Schreiben vom 18. April 2016 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Da bei der – hier gegebenen – Verpflichtungsklage im Grundsatz die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, musste die Kammer diese eindeutige Erklärung der Beklagten berücksichtigen.
18Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die zivilrechtliche Erklärung der Beklagten auch nicht gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die Beklagte hat im Baugenehmigungsverfahren zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie mit einer Bebauung des Grundstücks mit einer Doppelgarage einverstanden ist. Auch hat sie keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt. Aus dem Umstand, dass sich die Beklagte zunächst mit den bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Fragen der Zulässigkeit des Vorhabens befasst hat, folgt nicht, dass sie zivilrechtlich mit der Bebauung einverstanden war. Aus der grundsätzlichen Beschränkung des „Prüfungsprogramms“ im Baugenehmigungsverfahren auf die baurechtliche Zulässigkeit des zur Genehmigung gestellten Vorhabens folgt vielmehr, dass die für die Bearbeitung des Bauantrags zuständige untere Bauaufsichtsbehörde die Eigentumsverhältnisse am Baugrundstück nicht klären muß, sondern grundsätzlich ausklammern kann. Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch der E-Mail der Sachbearbeiterin vom 13. September 2013 an den Entwurfsverfasser nicht entnommen werden kann, dass die Nutzung des Grundstücks zivilrechtlich unproblematisch ist. Denn auch diese befasst sich – mit Blick auf den Aufgabenbereich der Sachbearbeiterin gut nachvollziehbar – alleine mit den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Fragestellungen. Soweit die Frage der Eigentumsverhältnisse und der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens thematisiert worden ist, haben die Mitarbeiter der Beklagten jedenfalls keine – im Sinne der Kläger - positive Erklärung abgegeben. Aus dem Vermerk über die Besprechung vom 18. Februar 2014 ergibt sich, dass dort angesprochen wurde, dass die Stadt G. Eigentümerin des Grundstücks ist und dass über die Nutzung des Grundstücks durch die Kläger eine privatrechtliche Regelung getroffen werden müsste. Von einem Einvernehmen über die Nutzung ist jedoch nicht die Rede; dies behaupten die Kläger auch nicht.
19Aus den Baulasterklärungen und der Baulasteintragung folgt schon deshalb keine Verpflichtung der Beklagten, die Nutzung des Grundstücks für das Vorhaben zu gestatten, weil die Baulastfläche weder hinsichtlich der Lage noch hinsichtlich der Größe der Fläche (27m²) mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben (Fläche von 57,5m²) übereinstimmt.
20Im Übrigen wäre das Vorhaben der Kläger auch bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn man die E-Mail vom 13. September 2013 als Zusicherung der Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung des maßgeblichen Bebauungsplanes über Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Fläche versteht. Denn dann würde es zum einen an einer weiter notwendigen Befreiung für die Beseitigung festgesetzter Bäume fehlen. Zum andern ist das Vorhabengrundstück nicht erschlossen, weil es nicht an die öffentliche Verkehrsfläche grenzt. Denn zwischen dem Baugrundstück und dem Straßenraum befindet sich noch das weitere (schmale) Flurstück 000. Dies bedarf mit Blick auf das zivilrechtliche Hindernis jedoch keiner Vertiefung.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.