Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 28. Apr. 2014 - 20 L 816/14
Gericht
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Durchführung der von den Antragstellern am 02.04.2014 für den 29.04.2014 angemeldeten Versammlung zu gewährleisten und die Versammlung gegen Störungen zu schützen.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
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Gründe
2Der Antrag der Antragsteller,
3festzustellen, dass die von den Antragstellern am 02.04.2014 für den 29.04.2014 im Eingangsbereich des Eingangs Nord der L. N. angemeldete Versammlung vom Antragsgegner zu schützen und ihre Durchführung in der angemeldeten Form, insbesondere bezüglich des Ortes, zu gewährleisten ist,
4hilfsweise,
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von den Antragstellern am 02.04.2014 für den 29.04.2014 im Eingangsbereich des Eingangs Nord der L. N. angemeldete Versammlung vom Antragsgegner zu schützen und ihre Durchführung in der angemeldeten Form, insbesondere bezüglich des Ortes, zu gewährleisten ist,
6hat – wie aus dem Tenor ersichtlich - Erfolg.
7Die Antragsteller begehren – und zwar sowohl mit ihrem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag, die nicht in einem Plus-Minus-Verhältnis zueinander stehen - ein versammlungsbehördliches Tätigwerden des Antragsgegners als zuständige Versammlungsbehörde anlässlich einer von ihnen ordnungsgemäß angemeldeten (vom Antragsgegner indes nicht bestätigten) Versammlung, insbesondere diese gegen Störungen durch Dritte zu schützen.
8Dabei kann dahinstehen, ob sie dieses Begehren in einem Hauptsacheverfahren im Wege einer Feststellungsklage oder aber einer Leistungsklage geltend machen können, denn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist jedenfalls das Verfahren nach § 123 VwGO die richtige Verfahrensart.
9Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis kann getroffen werden, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden, § 123 Abs. 1 VwGO. Der für eine solche Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 1 und 2 ZPO). Dies ist vorliegend in hinreichender Weise geschehen.
10Die Antragsteller können die Gewährleistung der angemeldeten Kundgebung seitens des Antragsgegners beanspruchen, denn diese fällt – entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung - unter die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG. Die in Art. 8 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit schließt das Recht ein, - u.a. - über den Ort der Veranstaltung selbst zu bestimmen. Zwar verschafft die Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten, aber sie gewährleistet die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies gilt nicht nur für den Straßenraum, der nach straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen förmlich zum öffentlichen Gebrauch gewidmet ist. Der grundrechtliche Schutz für Versammlungen gilt vielmehr auch für Stätten, an denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Dort wo öffentliche Kommunikationsräume eröffnet werden, kann der unmittelbar grundrechtsverpflichtete Staat nicht unter Rückgriff auf frei gesetzte Zweckbestimmungen oder Widmungsentscheidungen den Gebrauch der Kommunikationsfreiheiten aus den zulässigen Nutzungen ausnehmen,
11vgl. BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 -,BVerfGE 128,226; juris (sog. Fraport-Entscheidung); OVG NRW, Beschluss vom 27.02.2014 – 5 B 243/14, juris.
12Vorliegend handelt es sich bei der in Rede stehenden Örtlichkeit („Messeplatz“) vor dem Messeeingang Nord um einen – im Eigentum der L. GmbH, deren Anteile sich vollständig in Händen der Stadt Köln befinden, stehenden – öffentlichen Straßenraum, der für die Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich ist. Soweit die L. GmbH Nutzung und Betrieb ihres Privatgeländes der L1. GmbH überlassen hat, befinden sich deren Anteile ebenfalls in den Händen der Stadt Köln. Auch diese Gesellschaft unterliegt somit der Grundrechtsbindung. Soweit die L1. GmbH ihrerseits zusätzlich zur Messehalle für den 29.04.2014 auch noch die in Rede stehende Außenfläche an die C. AG vermietet haben sollte (und zugleich auch insoweit „das Hausrecht übertragen“ haben sollte), hat sie – offensichtlich nachträglich - in das Versammlungsrecht der Antragsteller eingegriffen. Es kann bei der der Kammer im Rahmen der wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht festgestellt werden, dass die Versammlung der Antragsteller hierdurch den Schutz des Art. 8 GG verloren hätte.
13Auch der erforderliche Anordnungsgrund ist durch die Darlegungen zu den befürchteten Störungen der angemeldeten Versammlung und im Hinblick auf die von der Versammlungsbehörde zur Frage des Schutzbereichs des Art. 8 GG vertretenen Position in hinreichender Weise glaubhaft gemacht.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.