Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Feb. 2014 - 20 K 2681/13.A
Gericht
Tenor
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2013 verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Kläger zu je 1/2.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger zu 1) und seine am 00.00.0000 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Am 10.10.2012 stellten sie – gemeinsam mit ihrem am 00.00.0000 geborenen Sohn K. - in der Bundesrepublik einen Asylantrag.
3Mit Schreiben vom 12.10.2012 gaben die Bevollmächtigten an, der Kläger zu 1) habe bereits seinen 2 1/ 2 jährigen Militärdienst abgeleistet. Im Rahmen der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Syrien habe er wiederum zum Militärdienst verpflichtet werden sollen, was er aus Überzeugungsgründen abgelehnt habe. Der Kläger zu 1) habe schon früher politische Probleme gehabt aufgrund seiner Tätigkeit in einer Theatergruppe. Die Familie sei über die Türkei und Kasachstan, wo sie inhaftiert worden sei, geflohen. Die Klägerin zu 2) sei im 8. Monat schwanger.
4Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 31.10.2012 gab der Kläger zu 1) zum Reiseweg an, sie seien von Syrien über die Türkei zunächst nach Kasachstan gereist und von dort wieder zurück in die Türkei. Am 10.09.2012 seien sie dann nach Italien geflogen und direkt am Flughafen festgenommen worden. Sie hätten dort einen Tag lang auf Stühlen gesessen und weder Kleidung noch Lebensmittel erhalten. Es sei ihnen schlecht gegangen, der Sohn sei krank gewesen. Man habe sie erkennungsdienstlich behandelt, einen Asylantrag hätten sie nicht gestellt. Man habe sie als Algerier behandelt, da man ihnen die syrische Staatsangehörigkeit nicht geglaubt habe. Am 12.09.2012 seien sie in die Türkei zurückgeschickt worden. Von dort seien sie schließlich erneut mit dem Auto bis nach Deutschland gefahren, wo sie am 26.09.2012 angekommen seien. Zu den Gründen der Ausreise erklärte der Kläger zu 1), dass man ihn zum Militärdienst habe einziehen wollen. Sicherheitskräfte seien bei ihm zu Hause gewesen, um ihn mitzunehmen. Zu der Zeit sei er aber auswärts zur Arbeit gewesen. Sein Vater habe ihn gewarnt. Ferner gab der Kläger zu 1) an, sein Bruder K. , der jetzt in Frankreich lebe, habe im Jahre 2008 Probleme mit der Regierung gehabt. Sie seien in einer fokloristischen Gruppe aktiv gewesen und in dem Zusammenhang sei sein Bruder festgenommen worden. Sein Bruder sei während der Haft schwer misshandelt worden. Er sei später auch festgenommen und nach den Hintermännern befragt worden. Ihm sei während der Haft die Nase gebrochen worden. Er sei mit Hilfe von Bestechungsgeld frei gekommen. Bis ins Jahr 2009 habe er sich dann einmal im Monat auf der Wache melden müssen. Seit Beginn der Revolution seien Leute, die vorher bereits in Haft gewesen seien, im Visier der Regierung. Er sei deshalb untergetaucht, d.h. er habe sich bei Bekannten und Verwandten in Damaskus aufgehalten. Außer dem genannten Bruder in Frankreich habe er noch einen Bruder in Wien, eine Schwester in Toulose sowie Verwandte in Deutschland.
5Am 14.12.2012 ersuchte das Bundesamt Italien nach der Dublin II-VO um Wiederaufnahme der Kläger und ihres Sohnes. Mit Schreiben vom 27.12.2012 stimmte Italien dem Wiederaufnahmersuchen zu.
6Mit Bescheid vom 04.03.2013 lehnte die Beklagte die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger und des Sohnes K. nach Italien an. Der Bescheid wurde mit Schreiben vom 17.04.2013 zwecks Zustellung an die Prozess-bevollmächtigte der Kläger übersandt.
7Am 23.04.2013 haben die Kläger – und ihr Sohn K. - die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung beziehen sie sich auf ihre Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt. Die Beklagte sei auch zur Durchführung des Asylverfahrens verpflichtet, da das Asylverfahren in Italien nicht den einschlägigen EU-Normen enspreche. Im konkreten Fall seien die Kläger bei ihrer Ankunft in Italien so schlecht behandelt worden, dass sie traumatisiert seien. Hinsichtlich des Klägers zu 1) wird insoweit eine fachärztliche Bescheinigung der Rheinischen Kliniken Bonn vom 08.08.2013 vorgelegt.
8Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war erfolgreich (Beschluss vom 07.05.2013 – 20 L 613/13.A).
9Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigte zurückgenommen. Hinsichtlich des gemeinsamen Sohnes K. ist das Verfahren abgetrennt worden (20 K 1017/14.A).
10Im Übrigen beantragen die Kläger,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2013 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
12hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und vertieft die Ausführungen zur Aufnahmesituation in Italien.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren 20 L 613/13.A und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
19Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
20Der auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise Zuerkennung subsidiären Schutzes, gerichtete Klageantrag ist als Verpflichtungsantrag gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Das Verpflichtungsbegehren entspricht nicht nur dem ausdrücklich gestellten Klageantrag, sondern auch dem eigentlichen Klageziel der Kläger, das bei sachdienlicher Auslegung nicht lediglich auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auf die Gewährung internationalen Schutzes durch die Bundesrepublik gerichtet ist.
21Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes aus, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dabei hat das Gericht die Streitsache in vollem Umfang spruchreif zu machen. Es ist daher grundsätzlich nicht zulässig, bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsaktes lediglich die Ablehnung aufzuheben und die Sache zur Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen an die Behörde gewissermaßen zurückzuverweisen. Dieser grundsätzliche Vorrang der Verpflichtungsklage entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade auch in Asylverfahren,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 – 9 C 28/97 – E 106, 171-177,
23und es sind zur Überzeugung des Gerichts in sog. Dublin-Fällen keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine Abweichung hiervon rechtfertigen könnten. Nicht zuletzt unter dem Aspekt der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime gilt vielmehr auch hier, dass Zurückverweisungen an das Bundesamt zu vermeiden und Spruchreife herzustellen ist.
24Vgl. zuletzt Urteil der Kammer vom 23.05.2013 – 20 K 5506/12.A -; s. auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.06.2012 – A 2 S 1355/11 -; VG Braunschweig, Urteil vom 21.02.2013 – 2 A 126/11 -; VG Göttingen, Urteil vom 25.07.2013 – 2 A 652/12 -.
25Die Klage ist auch begründet.
26Der Asylantrag ist zunächst zulässig. Der Zulässigkeit steht § 27 a AsylVfG nicht entgegen. Denn die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der hier noch gemäß Art. 49 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) anwendbaren Verordnung Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) Gebrauch macht. Das der Beklagten insoweit zustehende Ermessen ist vorliegend auf Null reduziert.
27Als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht bildet die Dublin-II-VO eine geeignete Grundlage für die Begründung subjektiver Rechte. Dies gilt hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO für Ausländer jedenfalls dann, wenn die Entscheidung – wie hier im Hinblick auf den unzureichenden Zugang zum Asylverfahren und die mangelhafte Sicherstellung des Lebensunterhaltes einschließlich der gesundheitlichen Versorgung im nach der Dublin-II-VO zuständigen Mitgliedstaat – durch nationales Verfassungsrecht, namentlich durch die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflichten, geprägt wird. Diese Auslegung steht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in Einklang, wonach es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. Erforderlichenfalls muss der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, den Antrag selbst prüfen.
28Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C 411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. – Juris; s. hierzu auch: Reinhard Marx, Juristische Bewertung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011, 06.02.2012 - http://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/redaktion/Dokumente/Stellungnahmen/2012-02-06-Marx-EuGH.pdf.
29Eine derartige Situation, die die Bundesrepublik zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts verpflichtet, liegt zur Überzeugung des Gerichts gegenwärtig in Bezug auf Italien vor. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer reichen die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Italien nicht an die zu fordernden und bei Einfügung des § 27 a AsylVfG vorausgesetzten unions- bzw. völkerrechtlichen Standards heran. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des Gerichts vom 07.05.2013 im Verfahren 20 L 613/13.A verwiesen.
30An der dortigen Einschätzung der Situation von Asylsuchenden in Italien insbesondere im Hinblick auf die materiellen Aufnahmebedingungen hält des Gericht auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisquellen fest.
31Insbesondere ist die Aufnahmekapazität in Italien unverändert völlig unzureichend, so dass zahlreichen Asylsuchenden Obdachlosigkeit droht oder sie auf prekäre Notunterkünfte in besetzten Häusern angewiesen sind.
32Vgl. borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V., Gutachten vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig im Verfahren 2 A 126/11; s. hierzu auch VG Braunschweig, Urteil vom 21.02.2013 – 2 A 126/11 -; UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen - Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013.
33Nach der Veröffentlichung der vorgenannten Berichte hat sich zudem die Zahl der in Italien ankommenden Flüchtlinge weiter dramatisch erhöht. So sind nach Angaben von UNHCR alleine im Zeitraum von August 2013 bis 30.09.2013 über 6.000 Schutzsuchende nach Italien gekommen, darunter überwiegend syrische Flüchtlinge,
34vgl. UNHCR, Artikel vom 13.09.2013 „Tausende Syrer über Seeweg in Italien angekommen“ und vom 18.10.2013 „UNHCR mahnt Länder Grenzen für Syrer offen zu halten“,
35wodurch alleine das Aufnahmesystem bereits nahezu ausgelastet wäre. Insgesamt hat sich die Zahl neu angekommener Flüchtlinge in Italien 2013 mit ca. 43.000 im Vergleich zu 2012 etwa verdreifacht. Dieser zunehmende Druck auf das italienische Aufnahmesystem manifestiert sich in zahlreichen Medienberichten über skandalöse Praktiken in Aufnahmelagern und Aufnahmezentren.
36Vgl. etwa Tagesschau-Bericht „Das ist Italien“ vom 19.12.2013, http:// www.tagesschau.de/ausland/lampedusa-video108.html, „Mehr als 1.000 Flüchtlinge gerettet“ vom 4.01.2014, https://www.tagesschau.de/ausland/mittelmeer-fluechtlinge100.html ; VG Köln, Beschluss vom 17.02.2014 – 8 L 212/14.A – m.w.N.
37Die Entscheidung des EGMR vom 02.04.2013 betreffend das Verfahren S. Mohammed Hussein a.O./Niederlande – Nr. 27725/10 –führt zu keiner anderen Bewertung der Aufnahmesituation in Italien. Der EGMR hat in seiner Entscheidung zwar die Rückschiebung der dortigen Antragstellerin und ihrer zwei minderjährigen Kinder nach Italien für zulässig erachtet, allerdings unterschied sich der Fall insoweit von dem hier zu entscheidenden Fall erheblich, da der dortigen Antragstellerin, die tatsächlich Aufnahme in einem CARA gefunden hatte, kurz nach ihrer Einreise im Jahr 2008 in Italien subsidiärer Schutz gewährt und eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis sowie eine Arbeitserlaubnis erteilt worden war. Soweit der EGMR über diesen Einzelfall hinaus den Nachweis für systemische Mängel hinsichtlich der materiellen Aufnahmebedingungen, die den Grad einer Verletzung von Art. 3 der EMRK erreichen, nicht als erbracht angesehen hat, lagen ihm bei seiner Entscheidung weder die oben zitierten neueren Gutachten und Stellungnahmen vor noch die aktuellen Zahlen über die dramatische Zunahme des Flüchtlingsstroms.
38Bereits im Eilverfahren 20 L 613/13.A wurde zudem darauf hingewiesen, dass sich die prekären Aufnahmebedingungen in Italien und die erheblichen Probleme beim Zugang zum Asylverfahren nach den glaubhaften Angaben der Kläger im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung im Falle der Kläger auch realisiert haben. Denn entsprechend ihren Angaben sind sie nach der Einreise in Italien am Flughafen festgenommen und ohne zureichende Versorgung mit Kleidung, Lebensmitteln und Medikamenten drei Tage dort festgehalten worden, obwohl die Klägerin zu 2) hochschwanger war und der seinerzeit erst zwei Jahre alte Sohn K. an einer akuten Bronchitis mit Atemnot litt. Am dritten Tag sind die Kläger sodann von Italien in die Türkei zurückgeführt worden und haben von dort aus ca. zwei Wochen später einen erneuten Einreiseversuch in die Bundesrepublik unternommen. Vorliegend ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) ausweislich der fachärztlichen Bescheinigung der Rheinischen Kliniken Bonn, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 08.08.2013 an einer schweren depressiven Episode und Posttraumatischen Belastungsstörung leidet und deswegen dort durch Medikamente und psychotherapeutische Verfahren behandelt wird und weiterhin dauerhaft behandelt werden muss. An der Richtigkeit dieser fachärztlichen Bescheinigung bestehen zur Überzeugung des Gerichts angesichts der gerichtsbekannten Fachkunde und Seriösität der Rheinischen Kliniken keine Zweifel. Der Kläger zu 1) gehört damit – ebenso wie die beiden 2011 bzw. 2012 geborenen minderjährigen Söhne - zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie, für die nach übereinstimmenden Stellungnahmen die Versorgung in Italien generell unzureichend ist.
39Der Asylantrag der Kläger ist auch materiell begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
40Nach § 3 AsylVfG idF der Änderung vom 28.08.2013 (BGBl v. 28.08.2013) ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2) außerhalb des Landes befindet a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln nunmehr die §§ 3 a – d AsylVfG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337. Vom 20.12.2011, S. 9-26).
41Gemessen an diesen Kriterien liegen hinsichtlich der Kläger die Voraussetzungen des
42§ 3 AsylVfG vor.
43Die Kläger sind zur Überzeugung des Gerichts bereits vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Denn der Kläger zu 1) ist aufgrund seiner kulturell-politischen Aktivitäten in einer kurdischen Theatergruppe bereits im Jahre 2008 festgenommen worden und befand sich anschließend ca. zwei Monate in Haft, während der er gefoltert und misshandelt wurde. Im Anschluss an die Haft musste er sich regelmäßig über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr bei der Sicherheitsbehörde melden. Der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung eindringlich und glaubhaft geschildert. Diese Schilderungen stehen auch in Einklang mit den Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt, geringfügige aufgetretene Widersprüche konnte er spontan und nachvollziehbar auflösen. Das Gericht teilt die Einschätzung des Klägers zu 1), dass die Gefahr bestand, dass er sich infolge dieser Inhaftierung und anschließender Meldeauflagen mit zunehmender Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien besonders im Visier der Sicherheitskräfte befand. Die Furcht des Klägers, dass sich diese Gefährdungslage auch aus Anlass der versuchten Einberufung zum Militärdienst erneut konkretisieren würde, war daher zur Überzeugung des Gerichts begründet. Einer steigenden Gefährdung waren die Kläger zudem unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft ausgesetzt. Dies gilt für die Klägerin zu 2) schon unter Berücksichtigung der Verfolgungsgeschichte ihres Ehemannes. Für beide Kläger gilt dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zahlreiche Geschwister u.a. in der Bundesrepublik als anerkannte Flüchtlinge leben.
44Gemäߠ § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG besteht daher eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien erneut schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in Anknüpfung an ihre – jedenfalls vermutete - politische Überzeugung sowie die illegale Ausreise und Asylantragstellung ausgesetzt sein werden, so dass ihre Verfolgungsfurcht begründet und eine Rückkehr unzumutbar ist. Stichhaltige Gründe dafür, dass dies nicht der Fall sein könnte, liegen nicht vor.
45Im Gegenteil entspricht es unter Berücksichtigung der verschärften politischen Situation in Syrien seit langem der ständigen Entscheidungspraxis der Beklagten, dass Rückkehrer im Falle einer Abschiebung nach Syrien eine obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten haben und davon auszugehen ist, dass bereits diese Befragung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöst.
46Vgl. hierzu auch: OVG NRW, Urteil vom 14.02.2012, 14 A 2708/10.A – Juris; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Syrien – Asylrelevante Informationen, Rückübernahmeabkommen, Identitätspapiere, Asyl-Like-Minded-Group und aktuelle Situation, April 2011.
47Die Abschiebungsanordnung nach Italien (Nr. 2 des Bescheides) war nach alledem aufzuheben.
48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.