|
|
| Der Antrag des ... in der ... geborenen Antragstellers, |
|
| dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn ... abzuschieben, |
|
|
|
| Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Für den Anordnungsanspruch einer Sicherungsanordnung genügt dabei die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich zumindest ergibt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist (vgl. Hess VGH, Beschluss vom 05.09.1997 - 7 TG 3133/97 - NJW 1997, 2970; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 5. Auflage, § 123 Rn. 18; Schoch u. a. , VwGO, 27. Ergänzungslieferung 2014, § 123 Rn. 70). Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich ist. |
|
| Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Es besteht die Gefahr, dass die vom Antragsgegner konkret in Aussicht genommene Abschiebung des Antragstellers ... ohne eine vorherige Klärung durch ein psychologisch-psychotherapeutisches Gutachten der Frage, ob auf Grund einer Abschiebung des Antragstellers die Gefahr besteht, dass sich dessen Gesundheitszustand infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert, und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann, die Verwirklichung eines ihm in der Hauptsache möglicherweise zustehenden Anspruchs auf weitere Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereitelt. |
|
| Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. Beschlüsse vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, VBlBW 2008, 309, und vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 -, juris) kann eine bestehende (körperliche oder psychische) Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60 a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in zwei Fallgruppen begründen. Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ (der Ortsveränderung vom inländischen Abreiseort zum Ankunftsort im Zielstaat) wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom konkreten Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich (oder gar lebensbedrohlich) verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn, vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 -, VBlBW 2003, 482; siehe auch BVerwG, Urteil vom 21.9.1999 - 9 C 8.99 -, NVwZ 2000, 206). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig mit der Mitteilung der beabsichtigten Abschiebung an den Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehört der Zeitraum des Aufsuchens und Abholens in der Wohnung bzw. Unterkunft, des Verbringens zum Abschiebeort sowie die Zeit der Abschiebehaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur endgültigen Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. Insgesamt gilt, dass die mit dem Vollzug der Abschiebung während dieses Abschnitts betrauten deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten haben. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung der Abschiebung mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.02.1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, 241; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2001 - 11 S 389/01 -, VBlBW 2002, 32). |
|
| Macht ein Ausländer eine solche Reiseunfähigkeit geltend oder ergeben sich sonst konkrete Hinweise darauf, ist die für die Aussetzung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde verpflichtet, den aufgeworfenen Tatsachenfragen, zu deren Beantwortung im Regelfall medizinische Sachkunde erforderlich ist, im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht nach § 24 Abs. 1 LVwVfG nachzugehen, wobei der Ausländer zur Mitwirkung verpflichtet ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2008, a.a.O). Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte („Privatgutachten“) vor, sind diese zum Beweis für eine Reiseunfähigkeit nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose) sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft - als Folge einer Abschiebung - ergeben (prognostische Diagnose), wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegungen jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (insbesondere: Komplexität des Krankheitsbildes, Gewichtigkeit und Konsequenzen der Diagnose) richten (vgl. im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2003, a. a. O.). Sind diese Mindestanforderungen nicht oder nur teilweise erfüllt, kann die Reiseunfähigkeit allein aufgrund der vorgelegten ärztlichen Fachberichte zwar nicht als erwiesen angesehen werden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Vielmehr bleibt die Ausländerbehörde nach § 24 Abs. 1 LVwVfG verpflichtet, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären, wenn und soweit sich aus den ihr vorliegenden ärztlichen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. Ist das der Fall, wird - so der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 06.02.2008 - „regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte“. Speziell im Fall substantiiert vorgetragener oder sonst bekannt gewordener Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr als Folge einer psychischen Erkrankung sei - wie bei anderen psychischen Erkrankungen - im Regelfall schon vor Beginn einer Abschiebung ein „(amts-)ärztliches - psychologisch-psychotherapeutisches - Gutachten“ einzuholen. Diese Verpflichtung leitet der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in erster Linie aus Nr. III. 2 des von der Bundesärztekammer am 26.11.2004 gebilligten Informations- und Kriterienkatalogs zu Fragen der ärztlichen Mitwirkung bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer (im Folgenden: Informations- und Kriterienkatalog; vgl. http://www.aekno.de/htmljava/a/kammerarchiv/ kriterienkatalog_nrw.pdf) ab. Dieser Katalog, dessen Anwendung in Baden-Württemberg anders als in Nordrhein-Westfalen nicht durch Verwaltungsvorschrift angeordnet ist, könne als sachverständige Konkretisierung dessen berücksichtigt werden, was vor Durchführung einer Abschiebung von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls als Vorkehrung zum Schutz des von der Abschiebung Betroffenen vorzusehen ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.05.2007 - 19 B 352/07 - juris). Zudem verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die nach der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes und zur Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber und sonstiger ausreisepflichtiger Ausländer durch die Landesbehörden vom 01.01.2004 - VwV Asyl/Rückführung, Stand 01.01.2005 - vorgesehene Verfahrensweise (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 06.02.2008, a.a.O.). |
|
| Gemessen an diesen Maßstäben erscheint es im vorliegenden Fall offen, ob der Antragsteller einen Anspruch auf weitere Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat. Denn insoweit wird in der Hauptsache – dem Verwaltungsverfahren über den mit Schriftsatz vom 12.03.2015 durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beim zuständigen Regierungspräsidium ... der Sache nach gestellten und von diesem bislang nicht beschiedenen Antrag auf weitere Duldung des Antragstellers – zunächst gemäß den oben dargelegten Grundsätzen zur Amtsaufklärungspflicht der Ausländerbehörde nach § 24 Abs. 1 LVwVfG ein (ergänzendes) psychologisch-psychotherapeutisches Gutachten darüber einzuholen sein, ob auf Grund einer Abschiebung die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert, und mit welchen Vorkehrungen gegebenenfalls eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann. |
|
| Anlass dazu besteht schon deshalb, weil sich - erstens - aus den vorliegenden ärztlichen Attesten und Berichten jedenfalls ausreichende Erkenntnisse für das weiterhin mögliche Vorliegen einer Suizidgefahr bei einer Abschiebung als Folge einer psychischen Erkrankung des Antragstellers ergeben und - zweitens - die am 10.03.2015 auf Anforderung des Regierungspräsidiums ... durchgeführte amtsärztliche Begutachtung des Antragstellers nicht ausreichend ist, die bestehende Amtsaufklärungspflicht der Ausländerbehörde zu erfüllen. |
|
| Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, dass in der Person des Antragstellers jedenfalls noch im Februar 2014 eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne vorlag. Den der Ausländerbehörde vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist zunächst zu entnehmen, dass bei dem Antragsteller aufgrund einer fachärztlichen Untersuchung am 18.07.2013 durch einen Arzt für Neurologie und Psychiatrie u.a. die Diagnose „schwere depressive Episode“ gestellt wurde (Arztbrief Dr. ... vom 22.07.2013). Nachdem in dem Klageverfahren des Antragstellers gegen die mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.05.2013 erfolgte Ablehnung seines letzten Asylfolgeantrags die mündliche Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 26.09.2013 stattgefunden und das ablehnende Urteil dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 02.10.2013 zugestellt worden war, wurde der Antragsteller ausweislich des Arztberichts der ...-Klinik) vom 12.12.2013 am 15.10.2013 „aufgrund akuter Suizidalität nach einem Suizidversuch“ zur dortigen stationären Behandlung aufgenommen. Die stationäre Behandlung mit den Diagnosen „schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2)“, „nicht näher bezeichnete essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise (I10.90)“, „Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1)“ und „insulinpflichtiger Diabetes mellitus o.n.A. (E 10.90)“ dauerte bis zum 12.12.2013. In seiner Stellungnahme gegenüber dem Regierungspräsidium ... vom 07.02.2014 bestätigte der behandelnde Facharzt Dr. ... sodann die in der ...-Klinik ... gestellten Diagnosen, verneinte die Frage nach der Flugreisetauglichkeit des Antragstellers und führte zur Frage, ob eine Flugreisetauglichkeit mit begleitenden Vorsorgemaßnahmen bejaht werden könne, aus, dass dies aus psychiatrischer Sicht nicht der Fall sei, da der Antragsteller unter massiven, für ihn und psychotherapeutisch/medikamentös nicht zu beeinflussenden Ängsten leide. Weitere schwere Suizidversuche seien mit Sicherheit die unausweichliche Folge, eine Repatriierung würde einem Todesurteil gleichkommen. Eine Besserung dieser Ängste sei seines Erachtens mit keinem therapeutischen Mittel zu erreichen. Auf dieser Grundlage teilte das Regierungspräsidium dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 14.02.2014 mit, dass aufgrund seines Gesundheitszustands zunächst keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller eingeleitet würden. |
|
| Das zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weitere Fortbestehen seiner Reiseunfähigkeit hat der Antragsteller demgegenüber - auch durch die Vorlage der nach dem 14.02.2014 erstellten ärztlichen Atteste - nicht glaubhaft gemacht. |
|
| Aus dem am 20.12.2014 erstellten fachärztlichen Attest von Dr. ... ergibt sich lediglich, dass bei dem Antragsteller weiterhin eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwer ausgeprägte depressive Episode bestehe, die trotz laufender medikamentöser und Gesprächstherapie „nicht besser geworden“ sei. Wegen des ausgesprochen chronischen und nicht remittierenden Verlaufs sei eine psychiatrisch- psychotherapeutisch und medikamentöse Langzeitbehandlung über mindestens noch 2 bis 3 Jahre mit hoher Konsulationsfrequenz (ein- bis zweimal im Monat) notwendig. Im Heimatland des Antragstellers seien, so der Facharzt, diese lebensnotwendigen Behandlungsmaßnahmen vermutlich nicht verfügbar oder würde nicht angeboten. In einer kurzen ärztlichen Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. ... vom 22.12.2014 wird u.a. zu der psychischen Erkrankung ausgeführt, der Antragsteller leide unter Angstzuständen, Schlafstörungen, Nervosität, Unruhe und Angst vor dem allein sein. Er sei regelmäßig „unter neurologischer Kontrolle“ und leide unter schwerer depressiver Verstimmung. Ohne Medikamente „könne er nicht sein“. Aussagen zur Reisefähigkeit des Antragstellers (im engeren oder weiteren Sinne) enthalten somit weder die fachärztliche Bescheinigung vom 20.12.2014 noch die ärztliche Bescheinigung der Hausärztin des Antragstellers vom 22.12.2014. |
|
| Eine weiterhin bestehende Reiseunfähigkeit ergibt sich auch nicht aus dem (jüngsten) fachärztlichen Schreiben von Dr. ... vom 30.04.2015, wonach der Antragsteller schon seit mehreren Wochen „wieder schwer depressiv“ sei und es bei vollzogener Abschiebung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Suizid kommen“ würde. Denn dieser als „ärztliches Attest“ bezeichneten Kurzmitteilung fehlt es an jeglicher Begründung. Die zum Beweis für eine Reiseunfähigkeit geforderte nachvollziehbare Angabe der Befundtatsachen, der Methode der Tatsachenerhebung sowie einer nachvollziehbaren Darlegung der fachlich-medizinischen Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose) sowie deren Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft - als Folge einer Abschiebung - ergeben (prognostische Diagnose), fehlen bei dieser Mitteilung vollständig. |
|
| Der Fortbestand der Reiseunfähigkeit ergibt sich schließlich, anders als der Antragsteller meint, auch nicht aus dem amtsärztlichen Gutachten zur Feststellung der Transportfähigkeit (Reisefähigkeit) vom 10.03.2015. Dabei kann offen bleiben, ob der mit der Begutachtung beauftragte Amtsarzt Dr. ...von einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ausgeht, wenn er ausführt, dass anzunehmen sei, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers wesentlich verschlechtern könne, sobald die Abschiebung drohe oder erfolgen solle bzw. ausführt, dass bei dem Antragsteller am ehesten eine reaktive Depression auf die Umstände und Hintergründe der Flucht aus der ... vorliege, die infolge entsprechender Situationen, wie z.B. einer drohenden Abschiebung, eskalieren und so stark werden könne, dass sich der Antragsteller durch einen Selbstmordversuch in „medizinische Institutionen rette“. Denn jedenfalls geht der Gutachter, wie aus seiner Beantwortung der Frage 6 zu ersehen ist, zugleich davon aus, dass eine etwaig bestehende Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne durch begleitende Maßnahmen bei der Abschiebung beseitigt werden kann. Dass er dabei nicht nur die Flugreise als solche, sondern den gesamten Abschiebevorgang im Blick hat und insofern von einer Herstellung der Reisefähigkeit im weiteren Sinne ausgeht, ist jedenfalls daraus ersichtlich, dass der Gutachter empfiehlt, dass darauf hingewirkt werden solle, dass der Antragsteller „nicht vor Annahme einer Abschiebung die Medikamente absetzt“, und auch darauf hinweist, dass, sofern vor der Abschiebung eine stationäre Einweisung erfolgen solle, die Abschiebung unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme erfolgen solle (vgl. amtsärztliches Gutachten vom 10.03.2015, S. 7). |
|
| Aufgrund der konkreten Vorgeschichte - der jedenfalls seit Juli 2013 durchgeführten fachärztlichen Behandlung des Antragstellers aufgrund psychischer Erkrankungen, dem im Oktober 2013 erfolgten Suizidversuch und der anschließenden zweimonatigen stationären Behandlung sowie des Umstandes, dass der Antragsgegner zunächst aufgrund der gesundheitlichen Situation des Antragstellers von einer Abschiebung abgesehen hatte - bestand jedenfalls nach Vorlage der hinsichtlich der Frage der aktuellen Reisefähigkeit unergiebigen ärztlichen Atteste vom 20.12.2014 (Dr. ...) und vom 22.12.2014 (Dr. ... zunächst eine weitere Aufklärungspflicht der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde. Davon ist auch das Regierungspräsidium ... ausgegangen und hat daher mit Schreiben vom 11.02.2015 das Gesundheitsamt ... mit der amtsärztlichen Begutachtung des Antragstellers beauftragt und um Beantwortung einzelner Fragen gebeten, um dessen Reise- und Transportfähigkeit beurteilen zu können. |
|
| Allerdings ist das Regierungspräsidium ... durch die Einholung des vorliegenden amtsärztlichen Gutachtens vom 10.03.2015 seiner Aufklärungspflicht noch nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Denn die Frage, ob auf Grund einer Abschiebung eines Ausländers die Gefahr besteht, dass sich dessen Gesundheitszustand infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert, und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann, kann nur durch ein psychologisch-psychotherapeutisches Gutachten geklärt werden; eine bloße ärztliche Begutachtung ist dafür nicht ausreichend. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Diagnose psychischer Erkrankungen und die Frage, inwiefern aus einer solchen psychischen Erkrankung eine Suizidgefahr resultiert, spezifischen Sachverstand erfordert. Der als sachverständige Konkretisierung dessen, was vor Durchführung einer Abschiebung von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls als Vorkehrung zum Schutz des von der Abschiebung Betroffenen vorzusehen ist, zu berücksichtigende Informations- und Kriterienkatalog verlangt nämlich generell beim Vorliegen psychischer Erkrankungen sowie speziell bei Hinweisen auf Eigen- oder Fremdgefährdung als Folge einer psychischen Erkrankung die Einholung eines psychologisch-psychotherapeutischen Gutachtens (S 8). Dass ein solches von einem psychologischen Psychotherapeuten als Sachverständigem anzufertigendes Gutachten von einem ärztlichen Gutachten zu unterscheiden ist, wird zudem durch die Begriffserklärungen dieses Informations- und Kriterienkatalogs (S. 10) bestätigt, wo es ausdrücklich heißt: „Ein Gutachten ist die umfassende und mit Gründen versehene Beurteilung einer oder mehrerer konkreter Fragestellungen durch einen medizinischen Sachverständigen. Im Rahmen der Mitwirkung von Ärzten bei Rückführungsmaßnahmen, sowie von psychologischen Psychotherapeuten, soweit diese in die Begutachtung einbezogen werden, sind gesundheitliche Abschiebungshindernisse in Bezug auf den von der konkreten Maßnahme Betroffenen zu prüfen. Dabei ist das ärztliche von dem psychologisch psychotherapeutischen Gutachten zu unterschieden.“ |
|
| Dies gilt auch, wenn die Ausländerbehörde einen Amtsarzt mit der Begutachtung beauftragt. Die Eigenschaft als Amtsarzt als solche führt nicht dazu, dass die aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Sachkunde eines Gutachters bestehende Differenzierung zwischen einer ärztlichen und einer psychologisch psychotherapeutischen Begutachtung unbeachtlich wäre. Zwar kommt einem amtsärztlichen Gutachten aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes eine besondere Bedeutung zu; jedoch besitzen amtsärztliche Gutachten als solche keine Gewähr für eine ausreichende Sachkunde des Gutachters für den konkreten Fall (vgl. zum Verhältnis zwischen amtsärztlichen und privatärztlichen Stellungnahmen zur Frage der Dienstunfähigkeit bei Beamten BVerwG, Beschluss vom 28.12.2012 - 2 B 105.11 -, juris). Insbesondere qualifiziert auch eine Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen, die u.a. auch eine sechsmonatige Weiterbildung in Psychiatrie und Psychotherapie beinhaltet (vgl. Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg, abrufbar unter https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/30weiterbildung/09/ gebiete/wbo22.pdf), nicht zur sachkundigen Erstellung psychologisch psychotherapeutischen Gutachtens, sondern ermöglicht es dem Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen lediglich, die Notwendigkeit spezifischer sachkundiger Begutachtung zu erkennen und ggf. fachkundige Mediziner bzw. psychologische Psychotherapeuten mit der Begutachtung zu beauftragen. Dies schließt insbesondere nicht aus, dass ein für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens qualifizierter Amtsarzt die von ihm in eigener Sachkunde zu beurteilenden Fragen (etwa der gesundheitlichen Auswirkungen einer Abschiebung für eine bestehende Diabetes- oder eine Bluthochdruckerkrankung des abzuschiebenden Ausländers) im Rahmen seines Gutachtens beantwortet und sodann - ergänzend - den Sachverstand eines psychologischen Psychotherapeuten zu Rate zieht, um die Fragen nach einer etwaig bestehenden Suizidgefahr zu beantworten. |
|
| Nichts anderes folgt auch aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in dem o.g. Beschluss vom 06.02.2008. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof im Tenor dieses Beschlusses den dortigen Antragsgegner bei einer vergleichbaren Sachlage lediglich dazu verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu unterlassen, solange er „kein (amts-) ärztliches Gutachten“ darüber eingeholt habe, ob einer Abschiebung des Antragstellers die Gefahr bestehe, dass sich sein Gesundheitszustand infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtere, und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden könne. Aus der Begründung dieses Beschlusses ist jedoch ersichtlich, dass der für die jeweilige medizinische Sachfrage qualifizierte Gutachter - unabhängig von seiner Tätigkeit als Amtsarzt - beauftragt werden muss. Denn bei substantiiert vorgetragenen oder sonst bekannt gewordenen Anhaltspunkten für eine Suizidgefahr als Folge einer psychischen Erkrankung sei - wie bei anderen psychischen Erkrankungen - im Regelfall schon vor Beginn einer Abschiebung ein „(amts-)ärztliches - psychologisch-psychotherapeutisches - Gutachten“ einzuholen (Beschluss vom 06.02.2008, juris, Rdnr. 9). Durch den mit Parenthese eingeschobenen Zusatz „psychologisch-psychotherapeutisches“ macht der Verwaltungsgerichtshof deutlich, dass unabhängig davon, ob es sich um ein amtsärztliches oder ein sonstiges Gutachten handelt, jedenfalls die erforderliche Qualifikation des Gutachters zu Erstellung eines solchen psychologisch-psychotherapeutischen Gutachtens unerlässlich ist. |
|
| Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das am 10.03.2015 angefertigte amtsärztliche Gutachten nicht ausreichend, um das Vorliegen einer Suizidgefahr beurteilen zu bzw. absehen zu können, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um eine solche Gefahr abzuwenden oder zu mindern. |
|
| Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass der begutachtende Amtsarzt Dr. ... nicht die erforderliche fachliche Qualifikation aufweist, um ein psychologisch-psychotherapeutisches Gutachten anfertigen zu können. Es handelt sich bei Dr. ... weder um einen psychologischen Psychotherapeuten, noch sind besondere Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter gleichwohl über die notwendige Sachkunde für die Erstellung eines psychologisch-psychotherapeutischen Gutachtens verfügen würde, dargetan oder ersichtlich. Auch von der Möglichkeit, für die Frage der Suizidgefahr einen fachkundigen Kollegen hinzuziehen, hat der Amtsarzt keinen Gebrauch gemacht. |
|
| Darüber hinaus hat das Regierungspräsidium ... mit der vorgenommenen amtsärztlichen Begutachtung - selbst wenn man die fehlende Qualifikation des hier tätig gewordenen Amtsarztes außer Acht ließe - seiner Amtsaufklärungspflicht auch deshalb nicht Genüge getan, weil die Untersuchung am 10.03.2015 ohne Dolmetscher durchgeführt wurde. Die „im Haus angeforderte türkische Kollegin“ habe den Termin aus Angst vor kurdischen Repressionen abgesagt, weshalb sich - so der Amtsarzt - bei der Befragung des Antragstellers „gewisse Schwierigkeiten“ ergeben hätten, da dieser trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur über rudimentäre deutsche Sprachkenntnisse verfüge und als Übersetzer ein den Antragsteller zu dem Termin begleitender Freund fungiert habe. Zur Feststellung körperlicher Erkrankungen und Beschwerden mag eine solche Übersetzung durch eine mitgebrachte Begleitperson ausreichend sein. Für eine sachgerechte Begutachtung eines Antragstellers, bei dem das Vorliegen und die konkrete Ausprägung psychischer Erkrankungen sowie speziell die Frage, ob im Falle einer Abschiebung eine Suizidgefahr besteht, zu beurteilen sind, erscheint eine Untersuchung ohne qualifizierten Dolmetscher jedoch ungeeignet. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Untersuchung nur unter Berücksichtigung der tatsächlichen Äußerungen des zu Begutachtenden erfolgen kann und das Risiko die Äußerungen verändernder Angaben durch übersetzende Dritte nicht kalkulierbar ist. Dass auf der Grundlage einer solchen lediglich mit Hilfe der Übersetzung eines Bekannten erfolgten Untersuchung keine tragfähigen Schlussfolgerungen gezogen werden können, folgt aus den gleichen Einwänden, die der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 06.02.2008 gegen eine zeitlich stark beschränkte ad-hoc-Untersuchung durch einen Arzt am Tage der Abschiebung erhoben hat: die erforderliche Intensität der Exploration und eine hinreichende Fundierung, um Hinweise auf eine Suizidgefährdung als Folge einer psychischen Erkrankung so abzuklären, dass eine Abschiebung mit dem möglichen Risiko lebensbedrohlicher Folgen verantwortet werden kann. Beides kann nur mit einem unabhängigen und qualifizierten Dolmetscher sichergestellt werden. Dementsprechend sieht auch die Verwaltungsvorschrift Asyl/Rückführung in Nr. 3.5.2.1.2, der in Fällen der in Rede stehenden Suizidgefahr entsprechend Anwendung findet (vgl. Nr. 3.5.2.1.3), explizit vor, dass die zuständige Behörde dem Gesundheitsamt insbesondere auch die Dolmetscherkosten erstattet, sofern diese nicht unmittelbar der ersuchenden Behörde in Rechnung gestellt wurden. |
|
| Bei dieser Sachlage kann daher über das Vorliegen des geltend gemachten Duldungsanspruchs ohne (ergänzende) psychologisch-psychotherapeutische Begutachtung - sei es durch einen anderen insoweit qualifizierten Amtsarzt, durch einen niedergelassenen oder in einer Universitätsklinik oder einem Zentrum für Psychiatrie (vgl. dazu auch die Regelung in Nr. 3.5.2.1.2 VwV Asyl/Rückführung) beschäftigten psychologischen Psychotherapeuten - zu der Frage, ob aufgrund einer Abschiebung des Antragstellers die Gefahr besteht, dass sich sein Gesundheitszustand infolge ernsthafter suizidaler Handlungen wesentlich verschlechtert und mit welchen Vorkehrungen eine solche Gefahr abgewendet oder gemindert werden kann, nicht entschieden werden. |
|
| Die Erforderlichkeit einer solchen Begutachtung wird auch nicht durch den Vortrag des Antragsgegners, den vorgetragenen gesundheitlichen Bedenken werde im Rahmen einer ärztlichen Begleitung sowie der Sicherheitsbegleitung Rechnung getragen, entbehrlich. Denn die Geeignetheit derartiger Vorkehrungen lässt sich erst dann - in einem zweiten Schritt - sachgerecht beurteilen, wenn das gemäß Nr. 3.5.2.1.3 Absätze 1 und 4 VwV Asyl/Rückführung einzuholende Gutachten vorliegt. Denn gerade auch zur Beantwortung dieser Frage ist bei einer Suizidgefahr auf Grund einer psychischen Erkrankung die besondere Sachkunde eines Mediziners, im speziellen Fall eines psychologischen Psychotherapeuten, nötig (ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2008, a.a.O.). |
|
| Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsgegner beabsichtigt, den Antragsteller ohne vorherige Einholung eines (ergänzenden) psychologisch-psychotherapeutischen Gutachtens zur Suizidgefahr in die ... abzuschieben. Die vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten Duldungsanspruchs ist daher zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich. Denn der Duldungsanspruch erlischt ebenso wie die Aussetzung selbst (vgl. § 60 a Abs. 5 Satz 1 AufenthG) mit der Ausreise. Er würde durch die Abschiebung daher vereitelt. Zudem ist eine Abschiebung ohne vorherige psychologisch-psychotherapeutische Begutachtung der damit nach den vorliegenden Erkenntnissen möglicherweise einhergehenden gesundheitlichen Risiken bei dem Antragsteller mit der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2008, a.a.O.). |
|
|
|
|
|