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Die Antragsteller, minderjährige türkischstämmige Schüler, begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen weiterhin Schulräumlichkeiten für die Durchführung muttersprachlichen Zusatzunterrichts zur Verfügung zu stellen.
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Auf der Grundlage der Richtlinie 77/486/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25.07.1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern (Amtsblatt Nr. L 199 vom 06.08.1977, S. 32 f.) sowie zuletzt der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg vom 24.11.2000 über den Unterricht für ausländische Schüler an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg (K.u.U. 2001, 1 ff.) wird im Land Baden-Württemberg seit Jahren flächendeckend muttersprachlicher Zusatzunterricht (Muttersprache, Geschichte und Landeskunde) zur Förderung ausländischer Schüler in Form sogenannten Konsulatsunterrichts in der alleinigen Verantwortung der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der jeweiligen Herkunftsstaaten organisiert und angeboten. Die entsprechenden Kurse im Umfang von in der Regel bis zu 5 Wochenstunden werden von der Landesschulverwaltung unterstützt. Die kommunalen Schulträger werden mit der Verwaltungsvorschrift gebeten, Schulräume für den muttersprachlichen Zusatzunterricht kostenlos zur Verfügung zu stellen (Abschnitt IV Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift). Auch an insgesamt neun Schulen in Trägerschaft der Antragsgegnerin wurde bislang dem entsprechender muttersprachlicher Unterricht in türkischer, italienischer, kroatischer, slowenischer und serbischer Sprache angeboten.
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In seiner Sitzung vom 27.11.2006 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin mehrheitlich folgenden Beschluss:
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Die Stadt Rastatt bittet die Landesregierung, Ziffer IV der Verwaltungsvorschrift „Unterricht für ausländische Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg“ vom 24. November 2000 ersatzlos zu streichen und stattdessen verstärkt Unterricht in deutscher Sprache anzubieten, um die Integration zu fördern.
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Die Stadt Rastatt als Schulträgerin wird bis zu einer entsprechenden Änderung der Verwaltungsvorschrift für den muttersprachlichen Unterricht keine Räume mehr zur Verfügung stellen.
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Hierauf teilte der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin der Landesregierung von Baden-Württemberg unter dem 07.12.2006 mit, der entsprechende Gemeinderatsbeschluss werde mit sofortiger Wirkung umgesetzt, die betroffenen Konsulate würden entsprechend benachrichtigt. Einer Antwort der Landesregierung auf die Resolution werde mit Interesse entgegengesehen.
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Der bislang den Antragstellern erteilte muttersprachliche Unterricht wurde sodann in Räumlichkeiten der Rastatter Moschee fortgesetzt.
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Mit Schreiben vom 22.01.2007 teilte das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg dem Oberbürgermeister der Antragsgegnerin mit, die Landesregierung sehe keine Veranlassung, die einschlägige Verwaltungsvorschrift zu ändern.
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Unter dem 23.02.2007 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 27.11.2006. Die Antragsgegnerin reagierte hierauf nicht.
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Die Antragsteller haben am 16.05.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klagen erhoben, mit welchen sie sich gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 27.11.2006 wenden. Über die Klagen (Az: 6 K 1646/07) ist noch nicht entschieden.
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Unter dem 15.06.2007 haben die Antragsteller zusätzlich beantragt,
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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zu verpflichten, ihnen für die Durchführung muttersprachlichen Zusatzunterrichts bis spätestens zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 wieder Schulräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
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Zur Begründung der Anträge verweisen die Antragsteller auf ihre Ausführungen zum Hauptsacheverfahren und lassen ergänzend ausführen, ohne die begehrte einstweilige Anordnung würden sie Nachteile erleiden, welche bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Insbesondere sei bereits versäumter Lernstoff kaum noch aufzuholen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Sie lässt vortragen, die Anträge seien bereits unzulässig, weil es den Antragstellern an der erforderlichen Antragsbefugnis mangele. Es sei keine Anspruchsgrundlage für die begehrte Verpflichtung ersichtlich. Die Anträge seien aber auch unbegründet, da weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch zu erkennen seien. Auf Anfrage des Gerichts hat die Antragsgegnerin noch mitteilen lassen, der Beschluss, bis zu einer Änderung der Verwaltungsvorschrift vom 24.11.2000 keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen, sei so zu verstehen, dass er auch nach der erfolgten Ablehnung einer Abänderung fortbestehe.
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Dem Gericht liegen 2 Aktenhefte der Antragsgegnerin sowie die von der Antragsgegnerin verfasste Informationsschrift „Integration auf Deutsch?!“ vor.
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Die Anträge der Antragsteller auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO haben in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der jeweilige Antragsteller hat hierzu die Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) sowie das Bestehen eines subjektiven Rechts (Anordnungsanspruchs) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Daneben darf eine stattgebende Entscheidung die Hauptsache - auch teilweise - grundsätzlich nicht vorwegnehmen, es sei denn, dass dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG unerlässlich wäre.
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Die Antragsteller erstreben mit ihren Anträgen, „ihnen für die Durchführung muttersprachlichen Zusatzunterrichts bis spätestens zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 wieder Schulräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen“. Das Rechtsschutzziel der Antragsteller in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach mit ihrem im Hauptsacheverfahren verfolgten Rechtsschutzziel identisch, weshalb eine stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren die von den Antragstellern erstrebte Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen würde, zumal eine - auch nur vorläufige - Überlassung von Räumlichkeiten im Falle eines Unterliegens der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.
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Die sonach begehrte Vorwegnahme der Hauptsache steht indes dem Erlass der erstrebten einstweiligen Anordnung nach der Auffassung des Gerichts entgegen, ohne dass bei der gegebenen Sachlage hiervon eine Ausnahme zugelassen werden kann.
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Nach der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entspricht es dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs 1 S. 2 VwGO, dass das Verwaltungsgericht bei deren Erlass grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen kann, um dem jeweiligen Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit, das zu gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig wäre, d.h., wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den jeweiligen Antragsteller unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 21.01.1999, NVwZ 1999, 650 und Beschl. v. 13.08.1999, DVBl. 2000, 487; kritisch: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 141 f., Funke-Kaiser in Bader, VwGO, Komm., 3. A., § 123 Rdnr. 58f.). Eine Vorwegnahme der Hauptsache durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insbesondere dann angezeigt, wenn ohne ihren Erlass der Antragsteller in seinen ihm zukommenden Grundrechten verletzt werden würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.07.1996, NVwZ 1997, 479; s.a. Kopp/Schenke, VwGO, Komm. 14. Aufl., § 123 Rdnr. 14 f. und Eyermann/Happ, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 123 Rdnr. 63 f., jeweils mit weiteren Nachweisen aus der verwaltungsgerichtlichen Rspr.)
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Vor diesem Hintergrund kann aber nach der Auffassung der Kammer die geänderte Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin, keine eigenen Räumlichkeiten für den muttersprachlichen Unterricht in der Regie der Konsulate mehr zur Verfügung zu stellen, den Antragstellern gegenüber nicht als schlechterdings unzumutbar angesehen werden, was allein eine Vorwegnahme der Hauptsache in dem zu entscheidenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen würde. Insbesondere kann in der Vorgehensweise der Antragsgegnerin keine offensichtliche Verletzung elementarer Grundrechte der Antragsteller erkannt werden.
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Es bestehen für das Gericht nach Aktenlage insbesondere keine Zweifel daran, dass den Antragstellern - entgegen ihrer nicht näher substantiierten Einlassung - bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache der sog. Konsulatsunterricht jedenfalls ohne größere praktische Schwierigkeiten und auch ohne erhebliche inhaltliche Unzulänglichkeiten auch außerhalb der Räume der Antragsgegnerin erteilt werden kann, was augenscheinlich gegenwärtig auch geschieht. Selbst wenn, wie es von den Antragstellern zur Darlegung eines Anordnungsanspruchs geltend gemacht wird, diesen ein eigener Anspruch auf Gewährung des muttersprachlichen Unterrichts zukommen würde, lässt sich für die Kammer nicht erkennen, dass - in tatsächlicher Hinsicht - hierzu zwingend Räume der Antragsgegnerin in Anspruch genommen werden müssten. Eine entsprechende Unterrichtung der Antragsteller kann nach der Auffassung der Kammer ebenso in anderen mit der erforderlichen technischen Ausstattung versehenen Räumen stattfinden. Sind aber die Antragsteller im Hinblick auf den von ihnen geltend gemachten Bildungsanspruch nicht auf die Überlassung von Räumlichkeiten gerade der Antragsgegnerin angewiesen, kann ihnen mangels einer unzumutbaren Benachteiligung und wegen des grundsätzlich bestehenden Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung kein Anspruch auf Erlass der von ihnen erstrebten einstweiligen Anordnung zukommen. Dieses gilt unabhängig von der sich allein im Hauptsacheverfahren stellenden Frage, ob die Antragsteller in rechtlicher Hinsicht von der Antragsgegnerin die Überlassung gerade von städtischen Räumlichkeiten beanspruchen können.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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