Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 04. Mai 2017 - 17 A 7520/16

published on 04/05/2017 00:00
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 04. Mai 2017 - 17 A 7520/16
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Gericht

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Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Der Bescheid der Beklagten vom 30. November 2016 zum Az. … wird in den Nummern 3 bis 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 2/3 und die Kläger zu 1/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten.

2

Die im Jahr … geborene Klägerin zu 1) ist russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie war bis zum Jahr 2016 verheiratet mit dem … im Jahr … geborenen Herrn A, der ebenfalls russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit ist. Mit diesem hat sie drei Kinder, nämlich die in den Jahren …, … und … geborenen Kläger zu 2) bis 4).

3

Herr A reiste … in das Bundesgebiet ein und stellte dort am … … 2013 einen Asylantrag. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er in Tschetschenien Probleme mit den dortigen Behörden habe. …

4

Nach eigenen Angaben reisten die Kläger am ... in das Bundesgebiet ein. Am … … 2015 stellten sie Asylanträge.

5

In ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … gab die Klägerin zu 1) an: Ihr Ehemann habe in Tschetschenien Ärger mit bestimmten Leuten gehabt. Ihr Ehemann habe viele schlechte Angewohnheiten gehabt sowie sie und ihre Kinder auch geschlagen. Sie habe Angst gehabt, mit ihren Kindern das Haus zu verlassen und habe ihrem Ehemann nahe gelegt, zu fliehen. Als ihr Ehemann dann geflohen sei, habe sie ihn überlistet. Sie habe ihm erzählt, dass sie ihm folgen werde. Dies habe sie aber nicht getan, in der Hoffnung, dass sich die Probleme von alleine mit seiner Flucht lösen würden. Ihr eigener Bruder habe sie dann aber vor die Wahl gestellt: Entweder sie folge mit den Kindern ihrem Ehemann oder aber die Kinder würden zu der Familie ihres Ehemanns gehen, während sie zu ihrer Familie zurückkehren müsse. Sie habe eigentlich nicht fliehen wollen, sie habe ihre Kinder aber nicht verlieren wollen. Ihr Schwiegervater und ihr Bruder hätten ihr dann die Ausreise ermöglicht. Sie sei dann zu ihrem Ehemann nach Deutschland gekommen. Dort habe sie festgestellt, dass dieser mittlerweile eine neue Frau habe, mit der er auch ein Kind gezeugt habe. Sie habe große Angst, dass ihr bei einer Rückkehr nach Tschetschenien die Kinder weggenommen würden. …

6

Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Herrn A auf Asylanerkennung ab, erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung trug das Bundesamt vor, dass eine eigene individuelle Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden sei und zudem eine inländische Fluchtalternative bestehe. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist noch beim erkennenden Gericht anhängig.

7

Mit Bescheid vom 30. November 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Asylanerkennung ab, erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden unter Fristsetzung aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus: Die Befürchtung der Klägerin zu 1), ihr könnten die Kinder weggenommen werden, sei lediglich eine Vermutung der Klägerin zu 1) und könne nicht nachvollzogen werden. Ihr Ehemann habe sich mittlerweile eine neue Beziehung aufgebaut. Damit sei nicht zu erwarten, dass die Eltern ihres Ehemanns die Kinder herausverlangen würden. Seitens der Familie der Klägerin zu 1) sei hingegen eine positive Reaktion zu erwarten. Im Übrigen bestünde für die Klägerin zu 1) interner Schutz innerhalb der Russischen Föderation. Sie sei gut ausgebildet und habe die Möglichkeit, in anderen Regionen der Russischen Föderation den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu sichern. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 30. November 2016 verwiesen.

8

Am 8. Dezember 2016 haben die Kläger Klage erhoben. In Bezug auf die Angaben ihres Ehemanns in seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt trägt die Klägerin zu 1) vor: Die Behauptung ihres Ehemanns, ihr Bruder …, sei nicht richtig. Ihr Bruder …. Sie habe Angst vor ihm und davor, dass er ihr, wie er bereits angedroht habe, die Kinder wegnehmen und diese der Familie ihres Ehemanns übergeben werde.

9

Nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung ihre Klage in Bezug auf die ursprünglich begehrte Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen haben, beantragen sie,

10

den Bescheid vom 30. November 2016 zum Az. … aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass für sie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

11

Die Beklagte hat schriftsätzlich angekündigt, zu beantragen,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

14

Das Gericht hat die Asylakten der Kläger und des Herrn A beigezogen und diese sowie die in der Ladung zur mündlichen Verhandlung genannten Erkenntnisquellen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Klägerin zu 1) persönlich angehört und Herrn A als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO). Sie konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergehen, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Folge hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

1.

16

Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2.

17

Soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist, ist sie zulässig und begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (hierzu a)). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insoweit als rechtswidrig und war in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben (hierzu b)).

a)

18

Die Kläger haben einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes.

19

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c - e AsylG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, Urt. v. 27. April 2010, 10 C 5/09, juris, Rn. 20 ff.).

20

Die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen für die Kläger vor. Es besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass diese nach einer Wiedereinreise in die Russische Föderation einer unmenschlichen Behandlung im Sinne dieser Vorschrift ausgesetzt sind. Nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin zu 1) und dem jedenfalls insoweit glaubhaften Vortrag des als Zeugen vernommenen ehemaligen Ehemanns der Klägerin zu 1) sowie unter Berücksichtigung der herangezogenen Erkenntnisquellen ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr nach Tschetschenien von ihren Kindern, den Klägern zu 2) bis 4), dauerhaft getrennt wird (hierzu aa)). Dies stellt sowohl für die Klägerin zu 1) als auch für die Kläger zu 2) bis 4) eine unmenschliche Behandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dar (hierzu bb)). Diese Behandlung ist auch einem Akteur im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1, § 3c AsylG zuzurechnen (hierzu cc)). Für die Kläger besteht schließlich kein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG (hierzu dd)).

aa)

21

Es ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr nach Tschetschenien von ihren Kindern, den Klägern zu 2) bis 4), dauerhaft getrennt wird.

22

Die Klägerin zu 1) und der Zeuge A haben übereinstimmend vorgetragen, dass die Kinder der Klägerin zu 1), die Kläger zu 2) bis 4), bei einer Rückkehr der Kläger nach Tschetschenien beim Schwiegervater der Klägerin zu 1) leben würden bzw. müssten, während die Klägerin zu 1) zu ihrem Bruder ziehen müsste. Diesen Vortrag hält das Gericht für glaubhaft. Die Klägerin zu 1) hat sich im Jahr 2016 im Bundesgebiet vom Vater ihrer Kinder, dem Zeugen A, scheiden lassen. Nach dem tschetschenischen Gewohnheitsrecht, dem sog. Adat, sind Kinder das „Eigentum“ des Vaters und seiner Familie und sollen bei der Familie des Vaters leben. Dementsprechend ist nach einer Scheidung traditionsgemäß der Mann bzw. dessen Familie für die tägliche Betreuung der Kinder zuständig und leben die Kinder im Falle der Scheidung bei der Familie des Mannes (European Asylum Support Office [EASO], Tschetschenien: Frauen, Heirat, Scheidung und Sorgerecht für Kinder, September 2014, S. 29, Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation [ACCORD], Tschetschenien: Situation von alleinstehenden Frauen mit unehelichen Kindern (Unterstützung durch Familie nach Rückkehr; Verstoßung, Diskriminierung oder Tötung wegen des unehelichen Kindes; Sorgerecht für Kinder, auch von anderen Männern, für die Familie des Ex-Mannes). Von der Frau wird erwartet, dass sie sich (wieder) in die Obhut ihres Vaters bzw. ihres ältesten Bruders begibt (ACCORD, aaO).

23

Aufgrund der Beweisaufnahme steht für das Gericht zwar fest, dass weder der Zeuge A noch sein Vater, d.h. der Schwiegervater der Klägerin zu 1), Einwände dagegen haben, dass die Kläger zu 2) bis 4) im Falle einer Rückkehr der Kläger nach Tschetschenien bei der Klägerin zu 1) leben. Während nämlich die Klägerin zu 1) glaubhaft vorgetragen hat, dass ihr von seiner Ehefrau getrennt und unweit von Tschetschenien in … lebender Schwiegervater ihr vor ihrer Ausreise gesagt habe, dass er keine Einwände dagegen habe, dass sie mit ihren Kindern weiterhin allein in … lebe, hat der Zeuge A – insoweit glaubhaft – vorgetragen, dass er ebenfalls keine Einwände dagegen habe, dass seine Kinder bei der Klägerin zu 1) lebten. Auch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen gibt es (vereinzelt) Fälle, in denen die Familie des Mannes erlaubt, dass die Kinder nach der Scheidung bei der Mutter leben (EASO, aaO, S. 29). Entscheidend ist vorliegend indes, dass die Klägerin zu 1) und der Zeuge A glaubhaft vorgetragen haben, dass der Bruder der Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr der Kläger nach Tschetschenien verlangen wird, dass die Kläger zu 2) bis 4) beim Schwiegervater der Klägerin zu 1) leben. Ein solches Verlangen entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten in Tschetschenien. In Tschetschenien gelten die Kinder der Söhne als leibliche Kinder der Familie, die Kinder der Töchter hingegen als fremde Kinder (ACCORD, aaO). Dementsprechend muss eine geschiedene Frau in Tschetschenien, wenn sie – was in vielen Fällen die einzige Möglichkeit für sie darstellt – zu ihrer Familie zurückkehrt, ihre Kinder häufig beim Mann bzw. dessen Familie zurücklassen, weil die eigenen Eltern oder Brüder keine „fremden“ Kinder im Haus haben wollen (ACCORD, aaO). Mithin kann es ohne weiteres vorkommen, dass die Familie des Mannes der Frau erlaubt, die Kinder mitzunehmen, die eigenen Eltern oder Brüder dies aber ablehnen (ACCORD, aaO). Vor diesem Hintergrund ist es nicht abwegig, sondern vielmehr wahrscheinlich, dass der Bruder der Klägerin zu 1) verlangen wird, dass die Kinder der Klägerin zu 1) zum Schwiegervater der Klägerin zu 1) ziehen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass der Bruder der Klägerin zu 1) nach deren glaubhaften Vortrag bereits angekündigt hat, dass die Klägerin zu 1), da sie noch jung sei, erneut heiraten müsse (vgl. insoweit auch ACCORD, aaO, wonach Frauen im Falle einer Scheidung von ihrer Familie unter Druck gesetzt werden, erneut zu heiraten, und zwar auch dann, wenn sie bereits Kinder haben). Heiratet eine geschiedene Frau erneut, dann darf sie ihre Kinder nach Adatrecht jedoch keinesfalls in die neue Ehe mitnehmen (ACCORD, aaO). Die Zahl der Fälle, in denen Frauen ihre Kinder in eine neue Ehe mitnehmen können, ist sehr gering. Dagegen stellen sich sowohl die Familie des Mannes als auch die der Frau (ACCORD, aaO).

24

Das Gericht ist auch überzeugt davon, dass der Schwiegervater der Klägerin zu 1) es nicht ablehnen kann, die Kläger zu 2) bis 4) bei sich aufzunehmen, wenn der Bruder der Klägerin zu 1) dies verlangt. Nach dem Adatrecht sind die Kläger zu 2) bis 4) das „Eigentum“ seiner Familie. Seine Familie und damit faktisch er als nächster in der Russischen Föderation lebender männlicher Verwandter trägt die Hauptverantwortung für die Kläger zu 2) bis 4) (EASO, aaO, S. 29). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Bruder der Klägerin zu 1) nach dem übereinstimmenden und glaubhaften Vortrag der Klägerin zu 1) und des Zeugen A …. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Schwiegervater der Klägerin zu 1) es vor diesem Hintergrund nicht wagen wird, dem Bruder der Klägerin zu 1) zu widersprechen. ...

25

Der vorliegenden, durch das Gericht vorgenommenen Bewertung kann nicht entgegengehalten werden, dass auch in Tschetschenien das russische föderale Recht gilt, welches formell gesehen Vorrang vor dem Adatrecht hat und Frauen im Falle einer Scheidung einklagbare Sorge- und Umgangsrechte einräumt (vgl. EASO, aaO, S. 9). Faktisch ist nämlich das Adatrecht (ebenso wie die Scharia) in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen föderalen Rechtsvorschriften. Die Menschen richten sich faktisch nach dem Adatrecht, das vorschreibt, dass Kinder bei ihrem Vater und dessen Familie leben sollen (EASO, S. 29; ACCORD, aaO). Es kann von der Klägerin zu 1) auch nicht erwartet werden, vor Gericht unter Berufung auf das russische föderale Recht ein Sorge- und Umgangsrecht einzuklagen. Unabhängig davon, ob ein solches Vorgehen überhaupt Aussicht auf Erfolg hätte, gilt dies schon deshalb, weil das Gericht davon überzeugt ist, dass der Bruder der Klägerin zu 1) dies nicht zulassen wird. Als engster männlicher Verwandter wird dieser seine Vorstellungen gegenüber der Klägerin zu 1) – notfalls unter Zuhilfenahme von Gewalt und Zwang – durchsetzen können. Denn die tschetschenische Gesellschaft ist stark patriarchalisch, die Ungleichbehandlung und Unterdrückung von Frauen ist massiv und sozial legitimiert (Gesellschaft für bedrohte Völker, Die aktuelle Menschenrechtslage in Tschetschenien, 23. Mai 2016, S. 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, 13. Mai 2016, S. 13). Gewalt gegen weibliche Familienangehörige ist umgeben von einer Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit (Gesellschaft für bedrohte Völker, aaO). Von der Klägerin zu 1) kann daher vernünftigerweise schon nicht erwartet werden, sich ihrem Bruder zu widersetzen. Sie würde dann nämlich nicht nur trotzdem ihre Kinder verlieren, sondern zugleich auch noch damit rechnen müssen, für ihren Widerstand von ihrem Bruder körperlich misshandelt bzw. „gezüchtigt“ zu werden.

bb)

26

Werden die Kläger bei einer Rückkehr nach Tschetschenien gegen ihren Willen voneinander getrennt, stellt dies eine unmenschliche Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dar.

27

Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt nach der insoweit vor allem maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 4 Rn. 10 m.w.N.). Eine solche Schlechtbehandlung liegt hier vor. Die zwangsweise Trennung der Kläger voneinander stellt einen schwerwiegenden Eingriff in ihr grundlegendes Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK dar. Dieses garantiert nämlich das Recht, mit seinen Kindern bzw. seinen Eltern zusammenzuleben. In dieses Recht wird besonders schwerwiegend eingegriffen, indem die Klägerin zu 1) auf der einen und die Kläger zu 2) bis 4) auf der anderen Seite gegen ihren Willen und ohne Berücksichtigung ihrer Belange und Interessen voneinander getrennt werden. Sowohl die Klägerin zu 1) als auch die Kläger zu 2) bis 4) werden letztlich zum bloßen Objekt herabgewürdigt und somit einer unmenschlichen, ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) widersprechenden Behandlung unterzogen (vgl. auch VG Karlsruhe, Urt. v. 23. März 2016, A 2 K 5534/15, juris, Rn. 20).

cc)

28

Die drohende Trennung der Klägerin zu 1) von den Klägern zu 2) bis 4) ist auch einem Akteur im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG zuzurechnen. Es kann dabei offen bleiben, ob das Adatrecht als faktischer Bestandteil der tschetschenischen Rechtsordnung angesehen und aus diesem Grund dem russischen Staat im Sinne von 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr. 1 AsylG zugerechnet werden muss. Denn jedenfalls ist der Bruder der Klägerin zu 1) ein Akteur im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG kann die Gefahr eines ernsthaften Schadens auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, wenn der Staat erwiesenermaßen nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Dies ist vorliegend der Fall. Der Bruder der Klägerin zu 1) ist, soweit er als nächster männlicher Verwandter der Klägerin zu 1) verlangt, dass diese sich in seine Obhut begibt und ihre Kinder, die Kläger zu 2) bis 4), an ihren Schwiegervater abgibt, ein nichtstaatlicher Akteur (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 3c Rn. 4). Die Staatsgewalt in Tschetschenien bzw. der Russischen Föderation ist zudem nicht willens, den Klägern Schutz zu gewähren. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen unter aa) zur Bedeutung des Adatrechts in Tschetschenien verwiesen werden.

dd)

29

Für die Kläger besteht schließlich auch kein interner Schutz i.S.v. § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AsylG. Nach diesen Vorschriften wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes kein ernsthafter Schaden droht oder er dort Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

30

Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. ….

b)

31

Nach alledem war der Klage auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes und Aufhebung der entgegenstehenden Nummer 3 der angefochtenen Entscheidung stattzugeben. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes lässt die negative Feststellung des Bundesamts in der Nummer 4 (Abschiebungsverbote) der angefochtenen Entscheidung angesichts des Eventualverhältnisses (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997, 9 C 19/96, juris, Rn. 11) gegenstandslos werden, so dass der ablehnende Bescheid auch insoweit aufzuheben ist. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5) sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 6).

III.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
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published on 23/03/2016 00:00

Tenor 1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16.11.2015 in den Ziffern 3 – 6 (Az. 5617276-423) verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.2. Die Beklagte trägt die Kosten des
published on 27/04/2010 00:00

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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published on 06/02/2018 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.