Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16

bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Tatbestand

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Der 1986 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Am 13. Dezember 2013 reiste er – ebenfalls nach seinen Angaben - auf dem Luftweg aus dem Jemen, wo er 9 Tage zuvor mit einem Boot angekommen sein will, in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 13. Januar 2014 einen Asylantrag.

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Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 21. Mai 2015 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er wisse nicht genau, welchen Clan er eigentlich zugehöre. Sein Großvater sei ein Findelkind gewesen, der vom Stamm der {A.} aufgenommen worden sei. Daher würde auch er als Nachfahre seines Großvaters keinem Clan zugehören. Er sei deswegen sein ganzes Leben diskriminiert worden. Er habe im Ort {B.} gelebt. Dieser liege etwa 30 km von {C.} entfernt in der Region {D.}. Im Jahr 2010 habe man ihn umbringen wollen, vor allem aber auch deshalb, weil er seit einem Unfall in seiner Kindheit eine kreuzförmige Narbe am Oberkörper habe. Ältere Männer hätten diese Narbe gesehen, ihn als Ungläubigen stigmatisiert und versucht, die Narbe mit einem kreisförmigen heißen Eisen wegzubrennen. Er sei gefesselt gewesen. Nachdem Schüsse gefallen und die Männer geflohen seien, habe ihn eine Frau gerettet. Nach diesem Vorfall habe er ständig Todesdrohungen erhalten. Auch der Clan {E.}, dem seine Ehefrau zugehöre, hätte ihn mit dem Leben bedroht und ihn unter Waffengewalt gezwungen, sich von seiner Ehefrau und den Kindern zu trennen. Dies sei im Januar 2013 gewesen. Sein Onkel habe dann seine Ausreise organisiert und finanziert. Vorher sei dies aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel nicht möglich gewesen. Auch habe er seine Kinder nicht verlassen wollen. Erst als Mitglieder des Clans seiner Ehefrau auf ihn geschossen hätten, damit er sich von ihr trenne, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als zu fliehen.

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Nach einem Vermerk im Anhörungsprotokoll hat der Kläger eine kreuzförmige Narbe im Brustbereich der linken Seite, welche von einer kreisrunden Brandwunde umgeben ist.

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Mit Bescheid vom 15. März 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach {F.} oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

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Der Bescheid wurde dem Kläger am 23. März 2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

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Der Kläger hat am 07. April 2016 beim erkennenden Gericht Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen auf sein Vorbringen anlässlich der Anhörung vor dem Bundesamt verweist.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zu gewähren, hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG auszusprechen und die Beklagte zu verpflichten, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf null Monate ab dem Tag der Ausreise/Abschiebung zu befristen.

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Die Beklagte beantragt aus den Gründen ihrer Entscheidung,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer kann durch die Einzelrichterin entscheiden, weil der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG mit Beschluss der Kammer vom 9. Februar 2017 auf die bestellte Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurde.

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Das Gericht kann trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Sache entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen wurde, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

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Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.

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Zwar ist die Klage beim Verwaltungsgericht erst am 07. April 2017 und damit nicht innerhalb der hier nach § 74 Abs. 1 1. Hs. AsylG maßgeblichen Frist von zwei Wochen nach der Zustellung der Entscheidung des Bundesamts am 23. März 2016 eingegangen. Dies führt hier aber nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Denn die zweiwöchige Klagefrist ist nicht in Gang gesetzt worden. Es fehlt an der hierfür gemäß § 58 Abs. 1 VwGO erforderlichen ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung. Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung wurde unrichtig erteilt, so dass die Klageerhebung gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig ist. Diese Frist ist gewahrt.

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Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO, nach dem die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist (Satz 1), bei dem Verwaltungsgericht aber auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann (Satz 2), wird nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO nicht verlangt. Auch die vom Gesetz geforderte Belehrung „über den Rechtsbehelf“ schließt eine Belehrung über das mit § 81 Abs. 1 VwGO aufgestellte Formerfordernis nicht ein (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1978 - 6 C 77.78 -, juris).

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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1978, a.a.O., und Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 2.01 -, juris). Versieht die Behörde die Belehrung mit nicht zwingenden Elementen, birgt dies das Risiko von Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten, die die Rechtsbehelfsbelehrung insgesamt unrichtig machen können (vgl. Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Febr. 2016, § 58 Rn. 44).

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Die dem Bescheid des Bundesamts vom 15. März 2016 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung weist eine derartige Unrichtigkeit auf. Denn dort heißt es u.a., dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss. Mit der Formulierung „in deutscher Sprache abgefasst" wird dem Betroffenen unrichtiger Weise nahelegt, die Klage müsse schriftlich erhoben werden. Dem in diesem Satzteil verwendeten Verb „abfassen" kommt ganz überwiegend die Bedeutung einer schriftlichen Äußerung zu. Es ist gleichbedeutend mit anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen, niederlegen (vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 – 22 K 4119/15.A –, juris Rn. 54 f. unter Verweis auf den Duden, Das Synonymwörterbuch, 4. Aufl., zum Stichwort "abfassen", Ziff. 1). Äußert sich die Rechtsbehelfsbelehrung – wie hier – über die notwendigen Angaben nach § 58 Abs. 1 VwGO hinaus auch über die Form des Rechtsbehelfs, so sind alle Möglichkeiten der Erhebung des Rechtsbehelfs, insbesondere die Möglichkeit, Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, zu benennen. Dies ist unterblieben mit der Folge, dass ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. April 2017 – A 9 S 333/17 – juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2016 – 3a K 4187/15.A –, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 03. Dezember 2014 – Au 7 S 14.50321 –, juris).

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Demgegenüber äußert die Gegenauffassung (vgl. u.a. VG Berlin, Urteil vom 24. Januar 2017 – 21 K 346.16 A – juris m.w.N.) lediglich Zweifel an dem Wortverständnis von "abfassen" und stellt darauf ab, dass mit der Formulierung "in deutscher Sprache abgefasst sein" lediglich der Hinweis gewollt sei, dass der Rechtsbehelf in keiner anderen Sprache eingelegt werden könne – weil Deutsch nach § 184 Satz 1 GVG Gerichtssprache sei - und daher kein Hinweis auf die Schriftform habe erfolgen sollen. Abzustellen ist aber nicht auf das, was vielleicht gewollt gewesen ist, sondern darauf, wie ein Adressat den Inhalt nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) verstehen darf. "Abfassen" beinhaltet nach seiner Wortbedeutung unzweideutig eine Verschriftlichung. Wenn das Verwaltungsgericht Berlin auf die Verwendung der Formulierung von "schriftlich abfassen" in § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO und in § 41a Abs. 1 Satz 1 StPO sowie in § 84 Satz 1 ArbGG, in § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB und in § 311 Abs. 2 Satz 3 ZPO mit dem Argument verweist, dass angesichts der ausdrücklichen Angabe des "schriftlich" dies überflüssig wäre, wenn schon dem Wort "abfassen" diese Bedeutung zukomme, so mag die Dopplung der Bedeutung in diesen Vorschriften auch schlicht eine sprachliche Tautologie zu weiteren Verdeutlichung darstellen, ohne dass dem ein weiterer eigener Sinngehalt beizumessen ist. Auch das Argument, dass der Betroffene nicht selbst für die Schriftform zu sorgen habe, trägt nicht. Denn eben darüber, dass er die Rechtsbehelfseinlegung auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündlich vornehmen kann, wird er gerade nicht belehrt. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, ein Rechtsbehelf könne nur schriftlich eingelegt werden. Zudem verweist das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu Recht darauf, dass es für die Klageerhebung bei dem Urkundsbeamten ausreichend ist, wenn dieser erkennen kann, dass der Betroffene die Klage erheben will, etwa weil er sich mündlich in Fremdsprache auch nur rudimentär mit dem Betroffenen verständigen kann, und dann die erkennbar gewollte Klageerhebung in deutscher Sprache aufnimmt und von dem Betroffenen unterschreiben lässt. Es besteht kein Zweifel, dass eine solchermaßen erhobene Klage wirksam erhoben ist. Die Formulierung "in deutscher Sprache abgefasst sein" ist mithin generell geeignet bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. VG Halle, Beschluss vom 07. April 2017 – 3 B 245/17 -).

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Die Klage ist nur in dem tenorierten Umfang begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG (1.) oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG (2.). Soweit dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG verwehrt wurde, ist der streitbefangene Bescheid jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO (3.).

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1. Die Klage ist in ihrem Hauptantrag erfolglos. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Dies scheitert bereits an der Drittstaatenregelung in Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.

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Nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG und der Anlage I zu § 26 a AsylG alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg einreisender Asylbewerber von der Berufung auf Art. 16 a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im Einzelnen bekannt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 – juris). Daher kommt für Asylbewerber die Gewährung eines verfassungsrechtlichen Asyls im Wesentlichen nur noch dann in Betracht, wenn die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auf dem Luftweg direkt aus dem Verfolgerstaat oder mittelbar über einen von Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfassten Staat erfolgt.

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Die Nichterweislichkeit der Einreise auf dem Luftweg geht dabei zu Lasten des Asylbewerbers, ihn trifft hierfür die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999 – 9 C 36/98 – juris). Zwar trifft den Asylsuchenden keine Beweisführungspflicht hinsichtlich der Umstände seiner Einreise. Jedoch kann bei der Würdigung des Wahrheitsgehalts der behaupteten Einreise auf dem Luftweg berücksichtigt werden, dass sich der Kläger keine Beweismittel hierfür schafft, sondern im Gegenteil Beweismittel weggegeben hat. Auch kann zu seinen Lasten berücksichtigt werden, dass er Umstände seiner Einreise vorträgt, die offenkundig mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht vereinbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999, a.a.O.; VG Augsburg, Urteil vom 12. April 2011 – Au 3 K 10.30669 – juris).

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Vorliegend ist die Behauptung des Klägers, auf dem Luftweg eingereist zu sein, nicht glaubhaft. Der Kläger hat in seiner Befragung am 19. Mai 2015 vor dem Bundesamt angegeben, niemals Personalpapiere besessen zu haben. Eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland über einen deutschen Flughafen ohne im Besitz von Personalpapieren zu sein, erscheint unter diesen Umständen nicht glaubhaft; solche Fluggäste können in der Regel den Transitbereich nicht verlassen, sie werden hier registriert und können hier einen Asylantrag stellen. Vorliegend hat der Kläger jedoch nicht an einem deutschen Flughafen seinen Antrag gestellt, sondern in {G.}. Es erscheint daher völlig unrealistisch, dass der Kläger völlig unbehelligt die Einreisekontrolle an einem deutschen Flughaben (oder eines anderen Flughafens an der Schengengrenze) passieren konnte. Der Kläger kann darüber hinaus weder angeben, an welchen deutschen Flughafen er gelandet sein will, noch das Land benennen, in dem er umgestiegen sein will. Die Flugroute ist daher nicht bekannt und kann – etwa durch Überprüfung von Passagierlisten - nicht nachvollzogen werden.

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2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte feststellt, dass bei ihm die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.

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Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von Abs. 1 der Regelung ist und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Ausländer dann die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Dabei gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u.a. Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, sowie internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, § 3c Nr. 3 AsylG.

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Bei der Beurteilung, ob eine Verfolgung im dargelegten Sinne droht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 -, juris Rn. 20 ff.). Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU, sog. Qualifikationsrichtlinie). Widerlegt werden kann diese Vermutung nur, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften.

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Die Glaubhaftmachung der Asylgründe setzt – entsprechend der Mitwirkungspflicht des Schutzsuchenden im Asylverfahren eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Schutzsuchende muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Daher kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung besondere Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil v.om 8.Mai 1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11).

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Bei Anwendung dieser Maßgaben auf den vorliegenden Fall steht zur Überzeugung des Gerichts nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger vor seiner Ausreise (hier) durch nicht staatliche Akteure (religiöse Eiferer) aus asylrelevanten Gründen verfolgt worden ist. Das Gericht folgt den Gründen des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:

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Allein aus den Protokollen der Anhörungen heraus hat das Gericht Zweifel am Wahrheitsgehalt der vom dem Kläger geschilderten Umstände seiner Flucht. Die Schilderungen des Klägers sind in einem wesentlichen Punkt widersprüchlich. So erklärte er im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 15. Januar 2014, er habe {F.} ohne Grund verlassen, er "habe einfach aus {F.} raus und nach Europa kommen" wollen. Erst in seiner Anhörung am 19. Mai 2015 hat er sich dann darauf berufen, dass religiöse Eiferer ihn hätten töten wollen. Zwar wurde in der Anhörung im Januar 2014 nicht nach Asylgründen gefragt und der Kläger hat auf die Frage, warum er aus "diesem Staat" – damit war wohl der {H.} gemeint - weiter nach Deutschland gereist sei, geantwortet, dass er einfach aus {F.} raus und nach Europa kommen wolle. Die Befragungen unter Punkt 8, 9 und 10 der Anhörung sind aber in sich widersprüchlich bzw. missverständlich. So wird unter Punkt 8 gefragt, wie der Kläger sein Heimatland verlassen hat (mit dem Boot Richtung {H.}). Unter Punkt 9 wird gefragt, wo der Kläger sich seit dem Verlassen des Heimatlandes aufgehalten hat ({H.}) und unter Punkt 10 möchte der Entscheider wissen, wie der Kläger vom Heimatland nach Deutschland gereist ist (mit dem Flugzeug, siehe Antwort zu Punkt 8 und 10). Die Frage ist nach den Fragen 8 und 9 unlogisch, da der Kläger nach seinen bisherigen Antworten nicht vom Heimatland {F.} nach Deutschland gereist ist, sondern sich zwischenzeitlich im {H.} aufgehalten hat. Richtigerweise hätte danach gefragt werden müssen, wie er vom {H.} nach Deutschland weiter gereist sei. Nur bei einer solchen Fragstellung passt die vom Kläger gegebene Antwort. Unter 10.1 wird dann gefragt, warum der Kläger diesen Staat weiter nach Deutschland verlassen hat. Seine Antwort bezieht sich nun aber wiederum auf sein Heimatland Somalia. Fragen und Antworten passen hier nicht überein. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Missverständnisse oder Übersetzungsfehler vorliegen könnten. Diese hätte der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausräumen können und die Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussagen vor dem Bundesamt beseitigen können. Da der Kläger aber zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, entscheidet das Gericht nach Aktenlage. Den Ausführungen des Bundesamtes im streitgegenständlichen Bescheid zu diesem Punkt ist daher nichts mehr hinzuzufügen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

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Der geschilderte Angriff auf seine Person durch den Clan seiner Ehefrau betrifft einen privaten Konflikt ohne Bezug zur Flüchtlingseigenschaft. Allein dass die Angreifer einem anderen Clan als der Kläger angehören, begründet noch keine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Dieser Clan hat lediglich die in {F.} bestehende Rechtsstaatslosigkeit ausgenutzt.

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2. Dem Kläger steht jedoch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung zu, dass die Voraussetzungen des § 4 AsylVfG hinsichtlich Somalias vorliegen. Es liegen stichhaltige Gründe für die Annahme vor, dass ihm im Falle einer Abschiebung in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG auch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

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Die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist dabei an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zu orientieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Daher kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch durch die Abschiebung in einen Staat begründet sein, in dem schlechte humanitäre Verhältnisse herrschen. Dies ist grundsätzlich aber nur in ganz außergewöhnlichen Fällen möglich, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung zwingend ("compelling") sind. Soweit die schlechte humanitäre Lage nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen, sondern auch auf direkte oder indirekte Aktionen von Konfliktparteien zurückzuführen ist, ist allerdings zudem die Fähigkeit der betroffenen Person zu berücksichtigen, für ihre Grundbedürfnisse – Nahrung, Hygiene, Unterkunft – zu sorgen, sowie ihre Anfälligkeit für Misshandlungen und ihre Aussicht, dass sich ihre Lage in angemessener Zeit bessert (vgl. EGMR, Urteile vom 27. Mai 2008 – 26565/05 N. v. The United Kingdom –, NVwZ 2008, 1334, Rn. 42 ff., und Urteil vom 28. Juni 2011 – 8319/07 u.a. Sulfi and Elmi v. the United Kingdom – NVwZ 2012, 681, Rn. 278 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 10 C 15.12 – Juris Rn. 25).

34

Nach diesen Vorgaben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor. Dies ergibt sich sowohl mit Blick auf die Sicherheitssituation in {C.} wie insgesamt in Süd- und {I.} als auch mit Blick auf die dortige humanitäre Lage, die (auch) auf die instabile Lage zurückzuführen ist (dazu unter a). Das Gericht ist davon überzeugt, dass es dem Kläger nicht gelingen wird, für seine Grundbedürfnisse Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu sorgen (unter b).

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a) Die allgemeine Situation in {F.} sowie die Sicherheitslage in {C.} sowie in Süd- und {I.} stellen sich wie folgt dar:

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Nach Beginn des Bürgerkriegs im Jahre 1988 und dem Sturz des Präsidenten {J.} im Jahre 1991 ist {F.} ohne einheitliche Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird insbesondere von der nach Unabhängigkeit strebenden Republik {K.} im Nordwesten sowie von der die Regierung bekämpfenden radikal-islamistischen {L.} in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich die Unabhängigkeit beanspruchende Republik {K.} im Nordwesten, die autonome Region {M.} im Nordosten und Süd- und {I.}. Während sich in {K.} und {M.} vergleichsweise stabile staatliche Strukturen etabliert haben, herrscht in Süd- und {I.} in vielen Gebieten noch immer Bürgerkrieg. Dort kämpfen somalische Sicherheitskräfte mit Unterstützung der AMISOM-Truppen gegen Kämpfer der {N.} Neben diesen Hauptkonfliktparteien sind noch einige weitere Gruppierungen - wie z.B. die religiös orientierte Ahlu Sunna Wal Jama´a (ASWJ), die im Norden Zentralsomalias operierenden Truppen der {O.}{P.}) oder die im Süden Somalias operierenden Truppen der {Q.} I{R.} - sowie Clanmilizen an den bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt (vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik {F.}, 1. Januar 2017, S. 5 f.; EASO, {F.}: Security Situation, Februar 2016, S. 17 und 23; BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation {F.}, Stand: 19. Januar 2017, S. 17 ff.).

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Dementsprechend stehen Süd- und {I.} nicht unter einheitlicher Kontrolle. Die meisten größeren Städte sind in der Hand der Regierung und der mit ihr verbündeten {S.}-Truppen. Diese liegen jedoch häufig wie Inseln in von {T.} kontrollierten Gebieten, weil weite ländliche Gebiete weiterhin unter Kontrolle der {U.}stehen. Weitere Gebiete, insbesondere an den Grenzen zu {V.} im Süden und {W.} im Westen, stehen unter der Kontrolle weiterer am Konflikt beteiligter Gruppen (vgl. die Karte "{F.} - Areas of Influence as of December 2015 - abgedruckt in: EASO, {F.}: Security Situation, Februar 2016, S. 23).

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Auch nach dem Bericht des UNHCR an das Verwaltungsgericht {X.} (dortiges Az.: 5 A 288/14 MD), den dieses unter dem 28. Juli 2016 an das Bundesamt übersandt hat, bleibt die generelle Sicherheitslage in {Y.} und den Regionen in Süd- und {Z.} prekär. Es spielen sich verschiedene Konfliktsituationen ab, in die sowohl die {AA.}, die Clanmilizen als auch interne Clanstreitigkeiten einbezogen sind. Kämpfe zwischen den Clanmilizen und andere Gewalt zwischen den Bevölkerungstruppen gelten als wesentlich destabilisierender Faktor (vgl. auch EASO. {F.}: Security Situation, Februar 2016, S. 51-53). Diese Gewalt wird oft noch zusätzlich durch Auseinandersetzungen über Gebietsansprüche und politische Kontrolle geschürt. Zivilisten sind weiterhin vom Konflikt betroffen, was Berichte über getötete und verletzte Zivilisten, weitverbreitete sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Kinder, Zwangsrekrutierung von Kindern und großflächige Vertreibung bestätigen (vgl. o.g. Bericht UNHCR an VG Magdeburg, S. 4 f.).

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Diese Konflikte haben einen nachhaltigen negativen Einfluss auf die humanitäre Situation, wobei sich die Versorgungslage in Somalia auch so schon als dramatisch darstellt.

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Periodisch wiederkehrende Dürreperioden (wie aktuell wieder) mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberen Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen {F.} seit Jahrzenten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe. Schätzungsweise 4,7 Millionen Personen, d.h. fast 40 % der Bevölkerung Somalias einschließlich {K.} und {M.} sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter etwa 950.000, die von Nahrungsmittelknappheit bedroht sind. Anfang 2016 waren etwa 300.000 Kinder unter fünf Jahren unterernährt, davon mehr als 58.000 schwer. Zudem gibt es keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation {F.}, Stand: 19. Januar 2017, S. 84 ff.; AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik {F.}, 1. Januar 2017 S. 16; UNHCR, Position on Returns to Southern and Central {F.} (Update I), Mai 2016, S. 2 und 7).

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Besonders prekär ist die Lage der etwa 1,1 Millionen Binnenvertriebenen, von denen etwa 370.000 - das sind etwa 20 % der dortigen Bevölkerung - im Raum {C.} leben. Etwa 70 bis 80 % der Binnenvertriebenen sind Frauen und Kinder. Die Bedingungen in Siedlungen für Binnenvertriebene sind erbärmlich, zudem sind viele ihrer Bewohner dem Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ihre ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet; viele Binnenvertriebene leben nur knapp über der Grenze zur Unterernährung, zudem droht ihnen die Vertreibung von dem Land, auf dem sie wohnen. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2015 sollen mehr als 116.000 Personen gegen ihren Willen vertrieben worden sein. In {C.} müssen viele Betroffene in die vergleichsweise unsicheren Außenbezirke ausweichen (vgl. EASO, Süd- und Zentralsomalia: Länderüberblick, August 2014, S. 39 und 125; UNHCR, Position on Returns to Southern and Central Somalia (Update I), Mai 2016, S. 8 ff.).

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Die Gesamtschau der vorliegenden Informationen gibt hinsichtlich der Erwerbsmög-lichkeiten in {C.} ein differenziertes Bild. Einerseits profitiert gerade {C.} vom Wiederaufbau und den Versorgungsleistungen durch die internationale Gemeinschaft, andererseits steht die Stadt durch die enorm hohe Anzahl von intern Vertriebenen und auch Rückkehrern vor dem Problem der adäquaten Versorgung. Während ein Teil der Rückkehrer die Möglichkeit hat, etwa im aufstrebenden Bausektor oder durch selbständige Arbeit ein Auskommen zu finden, sind andere auf ein Leben ohne gesicherte Einkommensquelle am Rande des Existenzminimums in behelfs-mäßigen Flüchtlingslagern oder informellen Siedlungen angewiesen (vgl. BFA Länder-informationsblatt Stand: 19. Januar 2017, S. 84 ff).

43

Hilfsprojekte der Vereinten Nationen oder nichtstaatlicher Hilfsorganisationen erreichen in der Regel diese Bevölkerungsgruppen bzw. die Lager der Binnenvertriebenen nicht, da lebensnotwendige humanitäre Hilfe durch bewaffnete Gruppen abgefangen und für eigene Zwecke konfisziert wird. Im Zusammenhang mit der chronischen Ernährungsunsicherheit und dem Fehlen einer ausreichenden Gesundheitsfürsorge macht es die ungewisse Sicherheitslage immer schwieriger, einen humanitären Zugang und Hilfslieferungen an vulnerable Bevölkerungsgruppen aufrechtzuerhalten. Zudem haben viele internationale Hilfsorganisationen sich aus Gebieten, die durch die {AA.} kontrolliert werden, zurückgezogen oder ihre Aktivitäten eingestellt (vgl. Bericht UNHCR an VG Magdeburg, S. 6 f.; UNHCR, Position on Returns to Southern and Central Somalia (Update I), Mai 2016, S. 7 f.).

44

Für {AB.} ist es daher heute nach dem oben Dargestellten fast unmöglich, ohne ein familiäres Netzwerk ihre Grundbedürfnisse zu sichern. Dies gilt insbesondere für unfreiwillige Rückkehrer.

45

Zwar zählen Unterstützung durch (Groß-) Familie und Clan weiterhin zu den wichtigsten Faktoren für Akzeptanz in der Gemeinschaft, Sicherheit und Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Unterkunft und Nahrung. Dabei gilt als allgemeine Regel, dass {AB.} auch entfernte Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen unterstützen. Soweit Unterkunft und Nahrung betroffen sind, ist jedoch nicht der Clan, sondern die Familie der erste Ansprechpartner. Allerdings leistet die Groß- oder Kernfamilie in der Regel nur für einige Tage Unterstützung und kann nicht als langfristige Lösung für Lebensunterhalt oder Unterkunft angesehen werden. Nur wenn eine Person in einem Gebiet weder über enge Familienangehörige noch über andere Verwandte verfügt, kann der Clan um Hilfe gebeten werden. Allerdings wurde das Konzept der Clansolidarität in Zentral- und Südsomalia angesichts der Dauer des dort herrschenden Konflikts überdehnt. Dementsprechend sehen sich viele Familien- und Clannetzwerke heute nicht mehr in der Lage, vertriebenen Verwandten zu helfen. Ohne familiäre Unterstützung laufen Rückkehrer daher Gefahr, sich in einem Lager für Binnenvertriebene wiederzufinden (vgl. EASO, Süd- und {I.}: Länderüberblick, August 2014, S. 126; BFA, Länderinformationsblatt {F.}, 19. Januar 2017, S. 89; UNHCR, Position on Returns to Southern and Central {F.} (Update I), Mai 2016, S. 9).

46

b) Angesichts der vorstehend beschriebenen Umstände ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach {B.} bzw. {C.} nicht in der Lage sein wird, selbst für seine Grundbedürfnisse zu sorgen. Er ist zwar mittleren Alters und arbeitsfähig sowie mit den Verhältnissen im Großraum von {C.} vertraut. Jedoch kann er bei seiner Rückkehr nicht auf die Unterstützung von Familienangehörigen (Eltern, Onkel oder Bruder) wie vor seiner Ausreise zurückgreifen, da diese allesamt verstorben oder verschollen sind. Auch hat der Kläger noch eine Schwester und eine Tante in {F.}. Aber diese Verwandten waren schon vor der Ausreise des Klägers nicht in der Lage, ihn zu unterstützen. Seinen Lebensunterhalt habe er sich damals zusammen mit seiner Mutter nur durch das Halten einer Ziegenherde sichern können. Da seine Mutter aber verstorben ist, ist davon auszugehen, dass auch die Ziegenherde nicht mehr vorhanden ist. Auf eine familiäre Unterstützung durch seine drei Kinder kann der Kläger nicht verwiesen werden, da diese allesamt noch minderjährig sind (10 bis 13 Jahre) und davon auszugehen ist, dass diese Kinder selbst noch auf Unterstützung angewiesen sind. Zudem hat der Kläger weder eine Schule besucht noch einen erlernten Beruf, der seine Existenz sichern könnte. Weil freie Arbeitsplätze oft nicht beworben werden und die Arbeitgeber den Clan oder die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen, Witwen und Migranten ohne Familien schlechte Chancen. Auch arbeitsuchende Hilfsarbeiter müssen auf private Netzwerke zurückgreifen, die der Kläger jedoch nicht besitzt (BFA, Länderinformationsblatt Somalia, 19. Januar 2017, S. 87 ff.). Ohne familiären Rückhalt mit entsprechenden Ressourcen oder die Möglichkeit des Rückgriffs auf Rimessen hat der Kläger keine Chance sich eine das Existenzminimum sichernde Lebensgrundlage selbst erwirtschaften zu können. Er wird in absehbarer Zeit somit seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen können.

47

Mit Aufhebung von Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 16. Juni 2016 und der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen (§ 35 i. V. m. § 34 AsylG) für den Erlass der Abschiebungs-androhung in Ziff. 5, die daher ebenfalls aufzuheben ist. Entsprechendes gilt für Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids. Darüber hinaus ist auch kein Raum für den Erlass der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, da diese an die Abschiebungs-anordnung nach § 34a AsylG geknüpft ist (§ 75 Nr. 12 AufenthG).

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16 zitiert 31 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 58


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende F

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 81


(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden. (2) Der Klage und allen Schriftsätzen sollen vorbehaltlich des § 55a Absatz 5 S

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 184


Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 311 Form der Urteilsverkündung


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. (2) Das Urteil wird durch Vorlesung der Urteilsformel verkündet. Die Vorlesung der Urteilsformel kann durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung von den Parteien

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 84 Beschluß


Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluß ist schriftlich abzufassen. § 60 ist entsprechend anzuwenden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 129 Öffentliche Beglaubigung


(1) Ist für eine Erklärung durch Gesetz öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung1.in schriftlicher Form abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden oder2.in elektronischer Form abgefasst und

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Halle Urteil, 20. Juli 2017 - 4 A 103/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 18. Apr. 2017 - A 9 S 333/17

bei uns veröffentlicht am 18.04.2017

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. September 2016 - A 5 K 5074/16 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Der

Verwaltungsgericht Düsseldorf Gerichtsbescheid, 28. Juni 2016 - 22 K 4119/15.A

bei uns veröffentlicht am 28.06.2016

Tenor Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 201527. März 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden gegenein

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 24. Juni 2016 - 3a K 4187/15.A

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Tenor Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Tatbestand: 2Der am 11. Mai 1985 in W.     /Mazedonien geborene Kläger zu 1., die am 2. Februa

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2010 - 10 C 5/09

bei uns veröffentlicht am 27.04.2010

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden.

(2) Der Klage und allen Schriftsätzen sollen vorbehaltlich des § 55a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden.

(2) Der Klage und allen Schriftsätzen sollen vorbehaltlich des § 55a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 201527. März 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. September 2016 - A 5 K 5074/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt in erster Linie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein im Jahr 1982 geborener togoischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge am 07.06.2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 14.06.2016 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 21.06.2016 gab er an:
Bis zur Ausreise habe er in seinem eigenen Betrieb in der Tierzucht gearbeitet. Die Tierzucht habe er mit Hilfe einer Bekannten angefangen, die ihm auf der Grundlage eines Darlehensvertrags Geld geliehen habe. Die Kredite seien nur klein gewesen, damit die Rückzahlung für ihn einfacher gewesen sei. In der letzten Zeit habe er einen großen Betrag in Höhe von umgerechnet etwa 7400,-- EUR geliehen. Diesen Betrag habe er nicht zurückzahlen können und dies der Kreditgeberin auch mitgeteilt. Sie habe die Rückgabefrist verlängert. Aber auch diese Frist habe er nicht einhalten können. Beim zweiten Mal habe die Kreditgeberin nur noch das Kapital verlangt und auf die Zinsen verzichtet, wenn er das Geld innerhalb der nächsten Frist zurückgezahlt hätte. Aber auch dazu sei er nicht in der Lage gewesen. Sie habe ihn in der Zeit oft angerufen, um ihn an die Frist zu erinnern. Zehn Tage vor Fristablauf habe er Togo verlassen. Er wisse, dass es für ihn Gefängnis bedeutet hätte, wenn er den Kredit nicht fristgerecht zurückgezahlt hätte. Er vermute, dass die Kreditgeberin zu dem nächsten Treffen die Polizei hinzugerufen hätte. Er habe gehört, dass dies bei zwei anderen Kunden so passiert sei. Er leide an chronischer Diabetes. Im Gefängnis wäre er an seiner Krankheit gestorben.
Die Erkrankung sei vor vier Jahren festgestellt worden. Der Arzt in Togo habe ihm gesagt, dass die Diabetes seine Sehprobleme auslöse. Der Allgemeinarzt habe ihn zu einem Diabetologen geschickt. Dieser habe Blutuntersuchungen gemacht. Als Behandlungen habe er Tabletten und Insulin zum Spritzen bekommen. Seine Mutter und Großmutter litten ebenfalls an Diabetes. Sie seien beim gleichen Arzt in Behandlung. Die Medikamente habe er mit nach Deutschland gebracht. Der Arzt auf dem Gelände des PHV [Patrick-Henry-Village, Ankunftszentrum Heidelberg] habe die Medikation umgestellt. Er habe ihm anderes Insulin gegeben, andere Anweisungen zum Spritzen. Er, der Kläger, gehe davon aus, dass er in Togo nicht mehr lange gelebt hätte.
Mit Bescheid vom 23.06.2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab, lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, und drohte für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Togo an. Zudem befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.07.2016 durch Postzustellungsurkunde zugestellt.
Am 23.08.2016 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.06.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Wegen der Versäumung der Klagefrist hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Gleichzeitig hat er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO und wegen der Versäumung der Antragsfrist ebenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen, isoliert in einer Asylbewerberunterkunft weit entfernt von jedem Betreuer und jedem Dolmetscher zu leben und den Bescheid nicht verstanden zu haben. Die Rechtsmittelbelehrung sei fehlerhaft, weil er nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er Klage und Antragstellung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts vornehmen dürfe. Durch einen solchen Hinweis könnte die Schwelle für eine Klageerhebung erheblich gesenkt werden. Als Sprachunkundiger sei er nicht in der Lage, Briefe in deutscher Sprache an das Gericht zu übersenden.
Mit Beschluss vom 05.09.2016 hat das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen Versäumung der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG abgelehnt. Die Rechtsmittelbelehrung des Bundesamts sei weder unterblieben noch unrichtig erteilt, insbesondere müsse sie nicht den Hinweis enthalten, dass die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Dass der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Asylbewerber sei es zuzumuten, dass er sich bei Eingang eines erkennbar amtlichen Schreibens umgehend und intensiv um eine rasche Aufklärung des Inhalts dieses Schreibens und gegebenenfalls um die Erhebung eines Rechtsbehelfs bemühe.
Mit Urteil vom 08.09.2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da sie nicht innerhalb der Wochenfrist des § 74 Abs. 1 AsylG erhoben worden sei. Es sei auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die genannte Frist einzuhalten. Zur Begründung wurde auf den im Eilverfahren ergangenen Beschluss verwiesen.
10 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 08.02.2017 - A 9 S 1940/16 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
11 
Mit Schriftsatz vom 16.02.2017 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht die Abänderung des Beschlusses vom 05.09.2016 nach § 80 Abs. 7 VwGO beantragt. Mit Beschluss vom 24.02.2017 hat sich das Verwaltungsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof verwiesen.
12 
Der Kläger hat die Berufung rechtzeitig unter Bezugnahme auf sein Zulassungsvorbringen begründet und in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens auf das ärztliche Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 16.01.2017 verwiesen. Dort heißt es, dass beim Kläger anamnestisch vor vier Jahren ein Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 1 diagnostiziert worden sei. Die Therapie bisher in seinem Heimatland sei unzureichend gewesen. Die Versorgung mit Insulin könne dort nicht regelmäßig und ausreichend sichergestellt werden. Insulin müsse gekühlt gelagert werden, einen Kühlschrank besitze der Patient nicht, auch stehe ihm eine Kühlmöglichkeit im Umfeld nicht zur Verfügung. Im Universitätsklinikum Heidelberg sei festgestellt worden, dass die bisherige Therapie in Togo absolut wirkungslos gewesen und eine neue Therapie begonnen worden sei. Der Kläger habe bei seiner Ankunft in Deutschland ein HbA1c von 15 % gehabt, nach Umstellung der Therapie liege der Wert erfreulicherweise bei 8 %. Nach wie vor bestehe die medizinische Indikation zur Therapie mit Insulin und diese müsse auch dauerhaft durchgeführt werden. Ohne die Therapie liege die Lebenserwartung des Klägers bei max. 5 Jahren. Deswegen werde es für medizinisch indiziert gehalten, dass der Kläger in Deutschland bleibe.
13 
Der Kläger regt an, eine ergänzende Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Togo zu der Frage einzuholen, wieso es trotz der bisherigen Berichterstattung der Botschaft über die funktionierende Gesundheitsfürsorge in Togo dazu habe kommen können, dass die frühere Therapie in seinem Heimatland „unzureichend“ gewesen sei.
14 
Der Kläger beantragt sachdienlich,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. September 2016 - A 5 K 5074/16 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.06.2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,
16 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren,
17 
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Zur Begründung trägt sie vor: Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO. Sie enthalte keinen Hinweis auf die Erforderlichkeit einer schriftlichen Klageerhebung; dies könne auch der Formulierung „abfassen“ nicht entnommen werden. Das Verwaltungsgericht Berlin habe in seinem Beschluss vom 15.12.2016 unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Beschluss vom 20.10.2016) zutreffend festgestellt, selbst wenn die Bedeutung des Abfassens einer schriftlichen Niederlegung entspreche, sei der Rechtsbehelfsbelehrung jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Betreffende selbst für die Schriftform zu sorgen habe. Denn auch eine mündlich zur Niederschrift erhobene Klage werde von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (in deutscher Sprache) schriftlich abgefasst. Daraus ergebe sich, dass der Passus zur Abfassung in deutscher Sprache nicht auf die Schriftlichkeit oder Mündlichkeit der Klagerhebung abziele, sondern lediglich verdeutliche, dass die Klageerhebung (wie von § 55 VwGO i.V.m. § 184 GVG gefordert) in deutscher Sprache zu erfolgen habe. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Klageerhebung in deutscher Sprache werde auch nicht dadurch unrichtig, dass Eingaben in anderer Sprache ausnahmsweise dann fristwahrende Wirkung entfalten könnten, wenn sie einen noch verständlichen Hinweis in deutscher Sprache enthielten, es werde ein Rechtsbehelf eingelegt. Denn für die Wirksamkeit der Klageerhebung komme es auch in dieser Konstellation darauf an, ob einer deutschen Formulierung die Einlegung des Rechtsbehelfs zu entnehmen sei. Die Anforderungen, die die Rechtsordnung hinsichtlich der wirksamen Einlegung von Rechtsbehelfen an Antragsteller stelle, seien nicht überspannt. Ausweislich der Niederschrift zu Anhörung vom 20.06.2016 verfüge der Kläger zumal über Deutschkenntnisse.
21 
Dem Senat liegen die Akte des Bundesamts sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (A 5 K 5074/16 und A 5 K 5102/16) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist indes nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zu Unrecht hat es allerdings angenommen, dass die Klage bereits wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist. Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (II.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (III.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (IV.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (V.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (VI.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist nicht zu beanstanden (VII.).
I.
24 
Die Zulässigkeit der Klage begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden.
25 
Zwar ist die Klage beim Verwaltungsgericht erst am 23.08.2006 und damit nicht innerhalb der hier nach § 74 Abs. 1 2. Hs., § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG maßgeblichen Frist von einer Woche nach der Zustellung der Entscheidung des Bundesamts am 18.07.2016 eingegangen. Dies führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Denn die einwöchige Klagefrist ist nicht in Gang gesetzt worden. Es fehlt an der hierfür gemäß § 58 Abs. 1 VwGO erforderlichen ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung. Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung wurde unrichtig erteilt, so dass die Klageerhebung gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig war. Diese Frist ist gewahrt.
26 
Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO, nach dem die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist (Satz 1), bei dem Verwaltungsgericht aber auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann (Satz 2), wird nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO nicht verlangt. Auch die vom Gesetz geforderte Belehrung „über den Rechtsbehelf“ schließt eine Belehrung über das mit § 81 Abs. 1 VwGO aufgestellte Formerfordernis nicht ein (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.1978 - 6 C 77.78 -, BVerwGE 57, 188, zum Formerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sowie vom 27.02.1976 - IV 74.74 -, NJW 1976, 1332).
27 
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, Urteile vom 13.12.1978, a.a.O., und vom 21.03.2002 - 4 C 2.01 -, juris, jeweils m.w.N.; vgl. auch die Beschlüsse vom 03.03.2016 - 3 PKH 5.15 -, vom 31.08.2015 - 2 B 61.14 - und vom 16. 11.2012 - 1 WB 3.12 -, jeweils juris und m.w.N.). Versieht die Behörde die Belehrung mit nicht zwingenden Elementen, birgt dies das Risiko von Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten, die die Rechtsbehelfsbelehrung insgesamt unrichtig machen können (vgl. Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 58 Rn. 64; Kimmel, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 58 Rn. 20; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 58 Rn. 44).
28 
Die dem Bescheid des Bundesamts vom 23.06.2016 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung weist eine derartige Unrichtigkeit auf. Denn dort heißt es u.a., dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss. Mit dieser Formulierung ist die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet, bei dem Betroffenen den - im Widerspruch zum Gesetz stehenden - Eindruck zu erwecken, dass die Klage gegen den Bundesamtsbescheid bei dem Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden muss und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen hat (für Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung auch VG Augsburg, Beschluss vom 03.12.2014 - Au 7 S 14.50321 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.06.2016 - 3a K 4187/15.A -, juris; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A, juris; VG Hannover, Beschluss vom 15.09.2016 - 3 B 4870/16 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 E 21517/16 Me -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.01.2017 - 15a L 3029/16.A -, juris; gegen Unrichtigkeit: VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.11.2016 - 14a L 2496/16.A -, juris; VG Berlin, Beschlüsse vom 24.01.2017 - 21 K 346.16 A -, juris, und vom 16.11.2016 - 6 L 1249.16A -, juris; VG Saarland, Urteil vom 19.12.2016 - 3 K 2501/16 -, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2017 - 4 AE 94/17 -, juris; der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.1990 - 9 B 506.89 -, juris, verhält sich zu dieser Frage nicht).
29 
Dabei geht der Senat davon aus, dass das - in der maßgeblichen deutschen Rechtsbehelfsbelehrung verwendete - Verb „abfassen“ jedenfalls nach dem überwiegenden Sprachgebrauch in dem Sinne verstanden wird, dass einer Erklärung eine schriftliche Form gegeben wird (vgl. jeweils zum Stichwort „abfassen“: http://www.duden.de/rechtschreibung/abfassen; Duden, Das Synonymwörterbuch, 6. Aufl. 2014; https://www.openthesaurus.de/synonyme/abfassen). Dies belegen insbesondere die (dort) angegebenen Synonyme anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, ausarbeiten, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen. In vergleichbarer Weise gilt dies für das Verb „rédiger“, das in der dem streitgegenständlichen Bescheid zusätzlich beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung in französischer Sprache verwendet wird. Dieses wird allgemein als Synonym für „schreiben in oder nach einer bestimmten Form“, „schriftlich niederlegen“ o.Ä. verwendet (vgl. jeweils zum Stichwort „rédiger“: Pons, Le Petit Robert, 2015/2016; http://www.le-dictionnaire.com; http://www.larousse.fr/diction-naires/francais“).
30 
Teilweise wird allerdings eingewandt, dass der Rechtsbehelfsbelehrung selbst bei einer Lesart des Begriffs „abfassen“ im Sinne eines schriftlichen Niederlegens nicht entnommen werden könne, dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen hätte (vgl. VG Berlin, Urteil vom 24.01.2017 - 21 K 346.16 A -, juris). Dies trifft insofern zu, als die Rechtsbehelfsbelehrung angesichts der passivischen Verwendung des Verbs in der Form des Partizips Perfekt bzw. Partizips 2 in Verbindung mit dem Hilfsverb „müssen“ („…muss…abgefasst sein.“) jedenfalls ihrem Wortlaut nach offen lässt, wer es ist, der die Klage in deutscher Sprache abzufassen hat. Wenn indes daraus gefolgert wird, damit sei die - gesetzlich vorgesehene - Möglichkeit einer mündlich zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts erhobenen Klage eingeschlossen, da auch diese von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgefasst, nämlich zu Protokoll genommen werde (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16 -, juris; VG Berlin, a.a.O.), greift dies nach Auffassung des Senats zu kurz. Dass der passivische Gebrauch des Verbs „abfassen“ formal logisch die Möglichkeit einer Klagerhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, reicht für die Annahme der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, welche Vorstellungen die gegenständliche Formulierung bei lebensnaher Betrachtungsweise bei dem Adressaten eines Asylbescheids auslösen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung nach ihrem Zweck und ihrem gesamten Inhalt ausschließlich an den Adressaten des Bescheides richtet und dass sie deshalb - trotz der insgesamt passivischen Formulierung - erkennbar beschreibt, was dieser - in der kurzen Frist von einer Woche - zu tun bzw. zu veranlassen hat, um wirksam Klage zu erheben. Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltungsgerichtsordnung dem Adressaten das Recht einräumt, zur Erfüllung der beschriebenen Anforderungen die Unterstützung einer staatlichen Stelle in Anspruch zu nehmen, lassen sich der Rechtsbehelfsbelehrung nicht entnehmen. Damit liegt die Annahme fern, dass ein Bescheidempfänger trotz des Wortlauts der Rechtsbehelfsbelehrung ernsthaft damit rechnen könnte, dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klage dadurch Genüge zu tun, dass er persönlich beim Verwaltungsgericht vorspricht und sein mündlich formuliertes Rechtsschutzbegehren vom dortigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle protokollieren lässt. Jedenfalls ist die gegenständliche Formulierung geeignet, bei dem Adressaten einen Irrtum über die Voraussetzungen einer wirksamen Klageerhebung hervorzurufen und ihn dadurch von einer Klagerhebung überhaupt oder von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten. Es ist durchaus naheliegend, dass der Adressat davon ausgeht, dass er selbst für die Schriftform zu sorgen habe. Dies steht indes in Widerspruch zu § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die Klage beim Verwaltungsgericht auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann. Mit der Regelung soll dem Kläger der Rechtsschutz erleichtert werden, wenn er aus in seiner Person liegenden Gründen, etwa auch mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache, den Weg zum Gericht vorzieht (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 81 Rn. 10). Die vom Bundesamt gewählte Formulierung erschwert dem Betroffenen demgegenüber die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Denn es liegt nicht fern, dass sich der Betroffene selbst dem Erfordernis der schriftlichen Abfassung nicht gewachsen fühlt, er aber auch den Aufwand und die Kosten scheut, die mit einer Inanspruchnahme der Hilfe durch Rechtskundige verbunden sind, und deshalb von der Klagerhebung absieht (vgl. zu einer Rechtsbehelfsbelehrung, die den Eindruck erweckt, der Widerspruch könne nur schriftlich eingelegt werden BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 - 6 C 77.78 -, BVerwGE 78, 57).
31 
Da es für die Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO auf den „Empfängerhorizont“ ankommt, führt es auch zu keiner anderen Beurteilung, dass die Beklagte mit der gewählten Formulierung möglicherweise den Zweck verfolgt hat zu vermeiden, dass mit einer - entgegen § 55 VwGO in Verbindung mit § 184 Satz 1 GVG - nicht in deutscher Sprache erhobenen Klage Fristen versäumt werden.
32 
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Hinweis auf die Notwendigkeit der Abfassung in deutscher Sprache zusätzlich deshalb irreführend ist, weil es bei der Erklärung der Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle regelmäßig genügt, wenn der Rechtsschutzsuchende diesem gegenüber - etwa durch konkludentes Verhalten mit Bezug auf vorgelegte Schriftstücke und die bruchstückhafte Verwendung deutschsprachiger Begriffe - noch hinreichend verständlich zu erkennen gibt, er wolle einen Rechtsbehelf einlegen (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A -, juris Rn. 64).
33 
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist schließlich auch unerheblich, ob bzw. inwieweit der Kläger über Deutschkenntnisse verfügt und ob er tatsächlich wegen der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes nicht fristgerecht erhoben hat. Nach der angeführten Rechtsprechung genügt es, wenn der unrichtige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung generell geeignet ist, die Einlegung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs zu erschweren. Das Ob und das Wie der Belehrung sind nach § 58 VwGO streng formalisiert. Die Vorschrift macht den Lauf der Fristen in allen Fällen von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig, ohne Rücksicht darauf, ob den Betroffenen die Möglichkeit und die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe tatsächlich unbekannt waren und ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung kausal für das Unterbleiben oder die Verspätung des Rechtsbehelfs war. Das dient der Rechtsmittelklarheit; indem § 58 VwGO seine Rechtsfolgen allein an die objektiv feststellbare Tatsache des Fehlens oder der Unrichtigkeit der Belehrung knüpft, gibt die Vorschrift sämtlichen Verfahrensbeteiligten gleiche und zudem sichere Kriterien für das Bestimmen der formellen Rechtskraft an die Hand (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.04.2009 - 3 C 23.08 -, BVerwGE 134, 41, vom 13.12.1978, a.a.O., und vom 13.01.1971 - V C 53.70 -, BVerwGE 37, 85).
II.
34 
Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, ist für die Beurteilung des Begehrens des Klägers auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 04.11.2016 (BGBl. I S. 2460) geänderte Asylgesetz.
III.
35 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
36 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
37 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. Senatsurteil vom 03.11.2016 - A 9 S 303/15 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.; BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55).
38 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
39 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 26 m.w.N.).
40 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (Senatsurteil vom 03.11.2016, a.a.O.).
41 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
42 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
43 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen (Senatsurteil vom 03.11.2016, a.a.O.).
44 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes.
45 
Dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Togo einer als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG eingestuften Handlung nach § 3a Abs. 1 AsylG ausgesetzt war, hat er nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
46 
Der Kläger war aber auch nicht von einer solchen Verfolgung ernsthaft bedroht. Die von ihm geltend gemachte Befürchtung, in Haft genommen zu werden, knüpft bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht an einen flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG an, sondern vielmehr allein an den Umstand, dass er sich seinen zivilrechtlichen Verpflichtungen aus einem Darlehnsvertrag entzogen hatte. Es fehlt an jedem Hinweis, dass die Auseinandersetzung mit der Darlehensgläubigerin ihren Grund in unverfügbaren Merkmalen des Klägers gehabt haben könnte. Auch nach deutschem Recht kommt im Rahmen des zivilprozessualen Vollstreckungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen der Erlass einer Haftanordnung gegen den Schuldner in Betracht (vgl. § 802g ZPO). Damit fehlt es schon an der notwendigen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.2009, a.a.O.)
47 
Unabhängig davon hat der Senat auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausreise im Kontext der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Inhaftierung durch die Polizei bzw. mit „Gefängnis“ zu rechnen hatte. Seine diesbezüglichen Angaben, er „vermute“, dass die Kreditgeberin zu dem nächsten Treffen die Polizei hinzu gerufen hätte, er „habe gehört“, dass dies bei zwei anderen Kunden so passiert sei, erweisen sich insoweit als zu vage und zu unbestimmt, als dass ihnen Glauben geschenkt werden könnte. Hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen durch die Gläubigerin tatsächlich bevorstand, sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Kreditgeberin, die der Kläger im Übrigen als „Bekannte“ bezeichnet hat, sich zunächst durchaus kulant gezeigt hatte, indem sie ihm, nachdem er das Darlehen nicht fristgerecht zurückgezahlt hatte, das Kapital stundete und die Zinsen sogar erließ. Der Senat vermag insbesondere angesichts der aus der Schilderung des Klägers deutlich werdenden Kompromissbereitschaft der Gläubigerin auch nicht nachzuvollziehen, weshalb sich der Kläger in dieser Situation nicht um eine weitere Stundung oder eine einvernehmliche Klärung der Angelegenheit bemühte, sondern es vorzog, noch vor Ablauf der ihm von der Gläubigerin eingeräumten weiteren Frist das Land zu verlassen. Zudem hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid - zu Recht und ohne dass sich der Kläger im gerichtlichen Verfahren hierzu eingelassen hätte - darauf verwiesen, dass der Kläger bis dahin ein zuverlässiger Schuldner gewesen sei und die Gläubigerin im Falle einer Inhaftierung des Klägers ohnehin keine Aussicht auf eine (wenigstens teilweise) Rückzahlung des Darlehens gehabt hätte.
48 
Der Kläger muss bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch nicht deswegen politische Verfolgung befürchten, weil er im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt hat. Bereits in der Vergangenheit hatte der Senat festgestellt, dass die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland und ein Auslandsaufenthalt für togoische Staatsangehörige keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung in ihrem Heimatland begründen (vgl. Senatsurteile vom 25.03.2003 - A 9 S 1089/01 -, juris, und vom 20.04.2004 - A 9 S 849/03 -, juris). Daran hält der Senat auf der Grundlage der aktuellen und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel fest. Danach löst ein Asylantrag allein keine staatlichen Repressionen aus. Die Behörden sind in aller Regel um korrekte Behandlung der Rückkehrer bemüht, um weder deutschen Behörden noch togoischen Exilorganisationen Anlass zur Kritik zu geben (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Togo“, 20.07.2015; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Togo vom 16.08.2011 sowie Auskunft vom 28.09.2011 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen). Dem Auswärtigen Amt sind nicht einmal Fälle bekannt, in denen die Mitgliedschaft in einer togoischen Exilorganisation für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Togoer nachteilige Folgen gehabt hätte. Es gibt in Togo zahlreiche, zum Teil sehr regierungskritische Menschenrechtsorganisationen, die hier unbehelligt tätig werden und die die Regierung, z.B. der für Menschenrechtsfragen zuständige Minister, als Gesprächspartner betrachtet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 20.01.2015 an das Verwaltungsgericht Stuttgart). Diese Einschätzung wird durch die jüngere Rechtsprechung anderer Gerichte bestätigt (vgl. nur BayVGH, Beschluss vom 05.07.2013 - 9 B 12.30352 -, juris, und Urteil vom 16.05.2013 - 9 B 12.30382 -, juris, m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.06.2008 - 4 L 338/05 -, juris).
IV.
49 
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil er nach seinen eigenen Angaben über Italien auf dem Landweg mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist. Ungeachtet dessen liegen - wie unter III. dargelegt - die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Asylberechtigung aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
V.
50 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
VI.
51 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
52 
Der Kläger, der an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist, hat insbesondere keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (BVerwG, Beschluss vom 23.07.2007 - 10 B 85.07 -, juris ; Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris , vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 - juris , vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, juris und vom 09.09.1997 - 9 C 48.96 -, juris ). Ein strengerer Maßstab gilt in Krankheitsfällen ausnahmsweise dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, a.a.O. [bei HIV und Aids]). In solchen Fällen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht zu erlangenden medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, a.a.O.).
53 
Ob die Zahl der in Togo an Diabetes mellitus Typ 1 leidenden Personen so groß ist, dass dies die Qualifizierung als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG rechtfertigt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls lassen sich im vorliegenden Fall auch die weniger strengen Voraussetzungen der „erheblichen konkreten Gefahr“ im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung nicht feststellen.
54 
Danach muss die Gesundheitsgefahr erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.07.1999, a.a.O.). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17.03.2016 geänderten Fassung nachgezeichnet. Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
55 
Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
56 
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).
57 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben des Klägers im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht feststellen.
58 
Nach den Angaben des Klägers sowie dem im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 16.01.2017 leidet der Kläger an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1. Nach wie vor bestehe die medizinische Indikation zur Therapie mit Insulin und diese müsse auch dauerhaft durchgeführt werden.
59 
Nach den dem Senat vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Qualität der medizinischen Versorgung in der Republik Togo eingeschränkt. Jeder Arztbesuch muss sofort bezahlt werden, größere Eingriffe werden nur gegen Vorauskasse durchgeführt. Da weniger als 5 % der Bevölkerung krankenversichert sind, müssen die Kosten in der Regel privat getragen werden; das ist mangels ausreichender finanzieller Mittel für einen großen Teil der Bevölkerung sehr schwierig (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.08.2011).
60 
In der Hauptstadt existieren mehrere private sowie staatliche Kliniken. Im Landesinneren gibt es für jede Region ein Regionalkrankenhaus sowie einige gute private Kliniken, die von Kirchen finanziert werden. Dort können überlebensnotwendige Eingriffe durchgeführt werden. Zahlreiche Gesundheitsvorsorgestellen, so genannte „Dispensaires“ (auch Medikamentenverkauf), bilden die erste Anlaufstelle auf dem Lande (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.).
61 
Die Versorgung mit Medikamenten ist in der Hauptstadt gewährleistet. Die Medikamente werden importiert und sind oft billiger als in Deutschland bzw. Frankreich. Prinzipiell können alle Medikamente innerhalb weniger Tage besorgt werden; in entlegenen Regionen kann es länger dauern. Der Erwerb hängt jedoch von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Patienten ab und bedeutet für sie in der Regel eine hohe Belastung. Insbesondere in den nördlichen Landesteilen ist außerhalb der Städte eine Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten nicht immer gegeben (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.). Weiter einschränkend wird berichtet, dass es oft zu Engpässen bei der Medikamentenversorgung kommt und es sehr lange dauern kann, bis die Medikamente geliefert werden. Auch ihre Lagerung entspricht oft nicht den Standards, und es kommt vor, dass abgelaufene Medikamente verkauft werden. Die WHO stellt zudem große Mängel bei der Qualitätskontrolle und der Bekämpfung des illegalen Verkaufs von Medikamenten fest (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Togo: Medizinische Versorgung, 16.07.2012).
62 
Obwohl es in Togo Ausbildungsstätten für medizinisches Personal gibt (Fakultät für Medizin und Arzneikunde, Schule für Krankenpflegerinnen und Hebammenschule), existieren große Personalengpässe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.).
63 
Allgemein kann gesagt werden, dass nahezu alle Medikamente und medizinischen Dienstleistungen in Togo erhältlich sind, wenn der/die Patientin in der Lage ist, die oft hohen Preise selber zu bezahlen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Togo“, 20.07.2015).
64 
Die konkreten Erkenntnisse zur medizinischen Versorgung von Personen, die an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus leiden, stellen sich wie folgt dar:
65 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.08.2011 kann Diabetes mellitus prinzipiell behandelt werden. Entsprechende Medikamente sind erhältlich, die erforderlichen Messgeräte vorhanden. Auch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Lomé führt aus, dass insulinpflichtiger Diabetes mellitus in Togo gut behandelbar ist, eine Behandlung allerdings nur stattfindet, wenn der Patient die Kosten tragen kann (Auskunft vom 14.10.2015 an das Verwaltungsgericht Schwerin). In der oben genannten Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.07.2012 heißt es, dass die Behandlung von Diabetes mellitus in Togo generell möglich sei. Problematisch seien jedoch die hohen Behandlungskosten, was dazu führe, dass ein großer Teil der Diabetiker in Togo einen ungenügenden Zugang zu Insulin habe. Zu den Behandlungskosten wird ausgeführt, ein Bericht der WHO und der Organisation Health Action International stellte fest, dass der tiefste Preis für 10 ml Insulin im Jahr 2008 in Togo 7.70 US-Dollar betrug. Pro Monat muss ein Diabetiker, der 10 ml Insulin, sechs Spritzen und einen Blut-Teststreifen braucht, mit Ausgaben von mindestens zehn US-Dollar rechnen. Das nationale Pro-Kopf-Bruttoeinkommen betrug im Jahr 2010 490 US-Dollar. Das bedeutet, dass ein Togolese im Durchschnitt mindestens 24,5 % seines Jahreseinkommens für die Behandlung von Diabetes aufwenden muss. Die sehr hohen Kosten für die Diabetes-Behandlung erklären auch den ungenügenden Zugang zu Insulin für Diabetiker in Togo. Der Bericht der International Diabetes Federation hebt hervor, dass in Togo 50 bis 75 % aller Diabetiker keinen Zugang zu Insulin haben, weil es zu teuer ist.
66 
Angesichts dieser Erkenntnislage verkennt der Senat nicht, dass ein großer Teil der Diabetiker in Togo aus finanziellen Gründen nur einen unzureichenden Zugang zu Insulin und damit zu einer ausreichenden medizinischen Behandlung ihrer Erkrankung haben (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.12.2013 - 7a K 5347/12.A -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 24.06.2008 - 7 A 1830/06 -, juris). Auf der Grundlage der Angaben des Klägers bei seiner Anhörung durch das Bundesamt geht der Senat indes davon aus, dass der Kläger dieser Gruppe aufgrund in seinem Falle bestehender Besonderheiten nicht angehört. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass für den Kläger eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG deshalb besteht, weil ihm individuell aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen die notwendige Behandlung oder Medikation nicht zugänglich ist.
67 
Nach seinen Angaben beim Bundesamt war der Kläger, der seinen Wohnsitz vor der Ausreise in der Hauptstadt Lomé hatte, seit der Feststellung der Erkrankung im Jahr 2012 bis zur Ausreise im Jahr 2016 in Behandlung eines Diabetologen. Von diesem sei er auch mit Tabletten und Insulin zum Spritzen versorgt worden. Seine Mutter und Großmutter, die ebenfalls an Diabetes litten, seien beim gleichen Arzt in Behandlung gewesen. Angesichts dieser Darstellung sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihm die vor der Ausreise aus Togo zugute gekommene fachärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten nach der Rückkehr aus finanziellen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen sollte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger dies weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat.
68 
Unabhängig davon kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der 34jährige arbeitsfähige Kläger, der seine wirtschaftliche Lage in Togo als „durchschnittlich“ bezeichnet hat, in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt - wie auch in der Vergangenheit - eigenständig sicherzustellen. Darüber hinaus verfügt er in Lomé über ein familiäres Umfeld: Seinen Angaben zufolge wohnen dort jedenfalls seine Mutter, seine Großmutter sowie seine Partnerin mit den gemeinsamen Kindern. Mit Blick auf die Erkenntnislage, wonach in Togo an die Stelle des Sozialstaats die Solidarität innerhalb der Großfamilie tritt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.10.2015 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen), kann der Kläger insoweit auch mit finanzieller Unterstützung rechnen (zur Einbeziehung einer möglichen Unterstützung durch Angehörige in die gerichtliche Gefahrenprognose vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 06.02.2012 - 10 B 3.12 -, juris, und vom 01.10.2001 - 1 B 185.01 -, juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.08.2003 - 2 BvR 1064/03 -, juris). Mit in den Blick zu nehmen sein dürfte auch der Vater des Klägers. Auch wenn der Kläger bekundet hat, dass die Eltern seit langem getrennt leben und der Vater „zur Zeit“ nicht in Togo, sondern im Senegal lebt, hat er doch auch erklärt, mit diesem (wie auch mit seiner Mutter) von Zeit zu Zeit in telefonischem und in E-Mail-Kontakt zu stehen. Diesem Umstand kommt im vorliegenden Zusammenhang Bedeutung zu, weil der Vater nach den Bekundungen des Klägers in Togo als Arzt tätig war. Insoweit spricht einiges dafür, dass er in Togo jedenfalls über einschlägige Kontakte verfügt, was dem Kläger bei der Therapie seiner Diabetes-Erkrankung zugute kommen kann. Überdies kommt auch eine wirtschaftliche Unterstützung durch den Vater in Betracht, zumal der Kläger diesen nach seinen Angaben beim Bundesamt offenbar bislang nicht mit seiner wirtschaftlichen Situation konfrontiert hatte. Die pauschale Angabe des Klägers, er habe ihn „nicht gefragt, weil ich weiß, dass er daran nichts machen könnte“, vermag der Senat jedenfalls nicht nachzuvollziehen.
69 
Im Übrigen ist es dem Kläger unbenommen, vorbeugend für einen Insulinvorrat noch in Deutschland bzw. (über seine Familie) in Lomé zu sorgen, welcher geeignet ist, die Versorgung in der Phase nach der Ankunft im Heimatland sicherzustellen bzw. zu erleichtern.
70 
Vor diesem Hintergrund wird auch mit dem Vortrag des Klägers, zur Rückzahlung eines für die von ihm betriebene Viehzucht aufgenommenen Darlehens nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass dem Kläger die notwendige Behandlung oder Medikation zugänglich ist.
71 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger allerdings unter Vorlage des ärztlichen Attests des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 16.01.2017 geltend gemacht, die Therapie bisher in seinem Heimatland sei unzureichend gewesen. Die Versorgung mit Insulin könne dort nicht regelmäßig und ausreichend sichergestellt werden. Im Universitätsklinikum Heidelberg sei festgestellt worden, dass die bisherige Therapie in Togo absolut wirkungslos gewesen und eine neue Therapie begonnen worden sei. Der Kläger habe bei seiner Ankunft in Deutschland ein HbA1c von 15 % gehabt, nach Umstellung der Therapie liege der Wert erfreulicherweise bei 8 %. Ohne die Therapie liege die Lebenserwartung des Klägers bei max. 5 Jahren.
72 
Indes werden mit dem Attest jedenfalls keine hinreichend aussagekräftigen Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die in Togo durchgeführte fachärztliche Behandlung der Diabetes-Erkrankung des Klägers einschließlich der verordneten Medikamente tatsachlich in einem Maße unzureichend war, dass dies die Prognose rechtfertigen könnte, dem Kläger drohe alsbald nach seiner Rückkehr nach Togo eine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung.
73 
Die Ausführungen im Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. sind nicht geeignet, die oben beschriebene Erkenntnislage zur grundsätzlichen Verfügbarkeit der für eine zureichende Behandlung von Diabetes mellitus 1 erforderlichen Medikamente in Togo ernsthaft in Frage zu stellen. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil Dr. T. die Quellen seiner Informationen über die Verhältnisse in Togo nicht offen legt. Dessen ungeachtet stimmen die oben aufgezeigten Erkenntnismittel im Kern darin überein, dass die Behandlung von Diabetes mellitus in Togo generell möglich (nach der Auskunft der deutschen Botschaft in Lomé ist die Erkrankung sogar „gut behandelbar“) ist und entsprechende Medikamente - zumal in der Hauptstadt Lomé - erhältlich sind. Vor diesem Hintergrund zeigt das Attest hinreichend substantiierte und greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die von einem Diabetologen in der Hauptstadt Lomé durchgeführte Behandlung des Klägers einschließlich der verordneten Medikamente wirkungslos bzw. unzureichend gewesen sein soll, nicht auf. Solche Anhaltspunkte sind gerade auch auf der Grundlage der Bekundungen des Klägers beim Bundesamt zu der in Togo erfahrenen Behandlung nicht ersichtlich. Insbesondere hat er dort keinerlei Angaben gemacht, die darauf hindeuten, dass die - sich immerhin über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckende - fachärztliche Behandlung und Medikation in Togo seiner Beurteilung nach wirkungslos bzw. unzureichend, etwa zur Beseitigung bzw. Eindämmung der mit der Erkrankung einhergehenden Symptome nicht geeignet war. Auch hinsichtlich der Behandlung seiner Mutter und Großmutter hat er Entsprechendes nicht vorgetragen.
74 
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Angabe im Attest, der Kläger habe bei seiner Ankunft in Deutschland ein HbA1c von 15 % gehabt, nach Umstellung der Therapie - nach den Angaben des Klägers beim Bundesamt hat der Arzt auf dem Gelände des Ankunftszentrums die Medikation umgestellt, ihm anderes Insulin gegeben, andere Anweisungen zum Spritzen - liege der Wert erfreulicherweise bei 8 %. Ein Untersuchungsbericht, anhand dessen diese Angaben nachvollzogen werden können, ist indes nicht vorgelegt worden. Unabhängig davon stellt allein der Umstand, dass beim Kläger bei seiner Ankunft in Deutschland (einmalig) ein Wert von 15 % HbA1c gemessen worden sein soll, keinen ausreichenden Beleg dafür dar, dass die fachärztliche Behandlung und Medikation in Togo tatsächlich in einem rechtlich relevanten Ausmaß unzureichend war. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger während seiner fachärztlichen Behandlung in Togo vergleichbar hohe Blutzuckerwerte aufgewiesen hat wie bei seiner Ankunft in Deutschland. Deutlich gegen diese Möglichkeit sprechen - wie dargelegt - die Angaben des Klägers zur fachärztlichen Behandlung durch einen Diabetologen in Lomé und fehlende Angaben zu Anhaltspunkten für eine etwaige Wirkungslosigkeit der über mehrere Jahre erfolgten fachärztlichen Behandlung und Medikation. Im Übrigen liegen keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, ob der Kläger im Zeitraum vor und auf der Reise nach Deutschland überhaupt ausreichend mit Medikamenten versorgt war bzw. er die Vorgaben zur regelmäßigen Einnahme der Medikamente bzw. zum regelmäßigen Spritzen einhielt bzw. einhalten konnte. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf die vorhandenen, im Kern übereinstimmenden Erkenntnismittel sieht der Senat keinen Anlass, auf die Anregung des Kläger-Vertreters eine ergänzende Auskunft der deutschen Botschaft in Lomé einzuholen.
75 
Es ist danach nicht ersichtlich, dass Kläger sich nach der Rückkehr nicht wieder in die Behandlung seines Diabetologen begeben und dort mit diesem - auch unter Einbeziehung der dem Kläger in Deutschland ärztlicherseits vermittelten Informationen - die hinreichend wirksame Therapie seiner Erkrankung fortführen kann. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass davon auszugehen ist, dass er auf die Unterstützung seines früher in Togo als Arzt tätigen Vaters zurückgreifen kann.
76 
Bei einer Gesamtschau sämtlicher Umstände des Einzelfalls kann der Senat jedenfalls nicht mit der insoweit erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, juris) feststellen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die Diabetes-Erkrankung des Klägers in Togo wegen des geringeren Versorgungsstandards nicht verfügbar ist und dies zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben des Klägers führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach seiner Rückkehr nach Togo droht. Der Senat schließt zwar - gerade auch mit Blick auf den Umstand, dass nach seiner Ankunft in Deutschland die Medikation umgestellt wurde - nicht aus, dass die dem Kläger in Togo für seine Erkrankung zur Verfügung stehende Behandlung und Medikation nicht den heute in Deutschland geltenden und praktizierten Standards entspricht. Indes ist der Umstand, dass die medizinische Versorgung in Togo möglicherweise mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleichwertig ist, für sich genommen nicht geeignet, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
VII.
77 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung - mit der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerten Ausreisefrist - ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VIII.
78 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
79 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
22 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist indes nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zu Unrecht hat es allerdings angenommen, dass die Klage bereits wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist. Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (II.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (III.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (IV.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (V.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (VI.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist nicht zu beanstanden (VII.).
I.
24 
Die Zulässigkeit der Klage begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden.
25 
Zwar ist die Klage beim Verwaltungsgericht erst am 23.08.2006 und damit nicht innerhalb der hier nach § 74 Abs. 1 2. Hs., § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG maßgeblichen Frist von einer Woche nach der Zustellung der Entscheidung des Bundesamts am 18.07.2016 eingegangen. Dies führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Denn die einwöchige Klagefrist ist nicht in Gang gesetzt worden. Es fehlt an der hierfür gemäß § 58 Abs. 1 VwGO erforderlichen ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung. Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung wurde unrichtig erteilt, so dass die Klageerhebung gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig war. Diese Frist ist gewahrt.
26 
Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO, nach dem die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist (Satz 1), bei dem Verwaltungsgericht aber auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann (Satz 2), wird nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO nicht verlangt. Auch die vom Gesetz geforderte Belehrung „über den Rechtsbehelf“ schließt eine Belehrung über das mit § 81 Abs. 1 VwGO aufgestellte Formerfordernis nicht ein (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.1978 - 6 C 77.78 -, BVerwGE 57, 188, zum Formerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sowie vom 27.02.1976 - IV 74.74 -, NJW 1976, 1332).
27 
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, Urteile vom 13.12.1978, a.a.O., und vom 21.03.2002 - 4 C 2.01 -, juris, jeweils m.w.N.; vgl. auch die Beschlüsse vom 03.03.2016 - 3 PKH 5.15 -, vom 31.08.2015 - 2 B 61.14 - und vom 16. 11.2012 - 1 WB 3.12 -, jeweils juris und m.w.N.). Versieht die Behörde die Belehrung mit nicht zwingenden Elementen, birgt dies das Risiko von Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten, die die Rechtsbehelfsbelehrung insgesamt unrichtig machen können (vgl. Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 58 Rn. 64; Kimmel, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 58 Rn. 20; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 58 Rn. 44).
28 
Die dem Bescheid des Bundesamts vom 23.06.2016 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung weist eine derartige Unrichtigkeit auf. Denn dort heißt es u.a., dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss. Mit dieser Formulierung ist die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet, bei dem Betroffenen den - im Widerspruch zum Gesetz stehenden - Eindruck zu erwecken, dass die Klage gegen den Bundesamtsbescheid bei dem Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden muss und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen hat (für Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung auch VG Augsburg, Beschluss vom 03.12.2014 - Au 7 S 14.50321 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.06.2016 - 3a K 4187/15.A -, juris; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A, juris; VG Hannover, Beschluss vom 15.09.2016 - 3 B 4870/16 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 E 21517/16 Me -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.01.2017 - 15a L 3029/16.A -, juris; gegen Unrichtigkeit: VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.11.2016 - 14a L 2496/16.A -, juris; VG Berlin, Beschlüsse vom 24.01.2017 - 21 K 346.16 A -, juris, und vom 16.11.2016 - 6 L 1249.16A -, juris; VG Saarland, Urteil vom 19.12.2016 - 3 K 2501/16 -, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2017 - 4 AE 94/17 -, juris; der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.1990 - 9 B 506.89 -, juris, verhält sich zu dieser Frage nicht).
29 
Dabei geht der Senat davon aus, dass das - in der maßgeblichen deutschen Rechtsbehelfsbelehrung verwendete - Verb „abfassen“ jedenfalls nach dem überwiegenden Sprachgebrauch in dem Sinne verstanden wird, dass einer Erklärung eine schriftliche Form gegeben wird (vgl. jeweils zum Stichwort „abfassen“: http://www.duden.de/rechtschreibung/abfassen; Duden, Das Synonymwörterbuch, 6. Aufl. 2014; https://www.openthesaurus.de/synonyme/abfassen). Dies belegen insbesondere die (dort) angegebenen Synonyme anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, ausarbeiten, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen. In vergleichbarer Weise gilt dies für das Verb „rédiger“, das in der dem streitgegenständlichen Bescheid zusätzlich beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung in französischer Sprache verwendet wird. Dieses wird allgemein als Synonym für „schreiben in oder nach einer bestimmten Form“, „schriftlich niederlegen“ o.Ä. verwendet (vgl. jeweils zum Stichwort „rédiger“: Pons, Le Petit Robert, 2015/2016; http://www.le-dictionnaire.com; http://www.larousse.fr/diction-naires/francais“).
30 
Teilweise wird allerdings eingewandt, dass der Rechtsbehelfsbelehrung selbst bei einer Lesart des Begriffs „abfassen“ im Sinne eines schriftlichen Niederlegens nicht entnommen werden könne, dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen hätte (vgl. VG Berlin, Urteil vom 24.01.2017 - 21 K 346.16 A -, juris). Dies trifft insofern zu, als die Rechtsbehelfsbelehrung angesichts der passivischen Verwendung des Verbs in der Form des Partizips Perfekt bzw. Partizips 2 in Verbindung mit dem Hilfsverb „müssen“ („…muss…abgefasst sein.“) jedenfalls ihrem Wortlaut nach offen lässt, wer es ist, der die Klage in deutscher Sprache abzufassen hat. Wenn indes daraus gefolgert wird, damit sei die - gesetzlich vorgesehene - Möglichkeit einer mündlich zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts erhobenen Klage eingeschlossen, da auch diese von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgefasst, nämlich zu Protokoll genommen werde (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16 -, juris; VG Berlin, a.a.O.), greift dies nach Auffassung des Senats zu kurz. Dass der passivische Gebrauch des Verbs „abfassen“ formal logisch die Möglichkeit einer Klagerhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, reicht für die Annahme der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, welche Vorstellungen die gegenständliche Formulierung bei lebensnaher Betrachtungsweise bei dem Adressaten eines Asylbescheids auslösen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung nach ihrem Zweck und ihrem gesamten Inhalt ausschließlich an den Adressaten des Bescheides richtet und dass sie deshalb - trotz der insgesamt passivischen Formulierung - erkennbar beschreibt, was dieser - in der kurzen Frist von einer Woche - zu tun bzw. zu veranlassen hat, um wirksam Klage zu erheben. Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltungsgerichtsordnung dem Adressaten das Recht einräumt, zur Erfüllung der beschriebenen Anforderungen die Unterstützung einer staatlichen Stelle in Anspruch zu nehmen, lassen sich der Rechtsbehelfsbelehrung nicht entnehmen. Damit liegt die Annahme fern, dass ein Bescheidempfänger trotz des Wortlauts der Rechtsbehelfsbelehrung ernsthaft damit rechnen könnte, dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klage dadurch Genüge zu tun, dass er persönlich beim Verwaltungsgericht vorspricht und sein mündlich formuliertes Rechtsschutzbegehren vom dortigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle protokollieren lässt. Jedenfalls ist die gegenständliche Formulierung geeignet, bei dem Adressaten einen Irrtum über die Voraussetzungen einer wirksamen Klageerhebung hervorzurufen und ihn dadurch von einer Klagerhebung überhaupt oder von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten. Es ist durchaus naheliegend, dass der Adressat davon ausgeht, dass er selbst für die Schriftform zu sorgen habe. Dies steht indes in Widerspruch zu § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die Klage beim Verwaltungsgericht auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann. Mit der Regelung soll dem Kläger der Rechtsschutz erleichtert werden, wenn er aus in seiner Person liegenden Gründen, etwa auch mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache, den Weg zum Gericht vorzieht (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 81 Rn. 10). Die vom Bundesamt gewählte Formulierung erschwert dem Betroffenen demgegenüber die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Denn es liegt nicht fern, dass sich der Betroffene selbst dem Erfordernis der schriftlichen Abfassung nicht gewachsen fühlt, er aber auch den Aufwand und die Kosten scheut, die mit einer Inanspruchnahme der Hilfe durch Rechtskundige verbunden sind, und deshalb von der Klagerhebung absieht (vgl. zu einer Rechtsbehelfsbelehrung, die den Eindruck erweckt, der Widerspruch könne nur schriftlich eingelegt werden BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 - 6 C 77.78 -, BVerwGE 78, 57).
31 
Da es für die Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO auf den „Empfängerhorizont“ ankommt, führt es auch zu keiner anderen Beurteilung, dass die Beklagte mit der gewählten Formulierung möglicherweise den Zweck verfolgt hat zu vermeiden, dass mit einer - entgegen § 55 VwGO in Verbindung mit § 184 Satz 1 GVG - nicht in deutscher Sprache erhobenen Klage Fristen versäumt werden.
32 
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Hinweis auf die Notwendigkeit der Abfassung in deutscher Sprache zusätzlich deshalb irreführend ist, weil es bei der Erklärung der Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle regelmäßig genügt, wenn der Rechtsschutzsuchende diesem gegenüber - etwa durch konkludentes Verhalten mit Bezug auf vorgelegte Schriftstücke und die bruchstückhafte Verwendung deutschsprachiger Begriffe - noch hinreichend verständlich zu erkennen gibt, er wolle einen Rechtsbehelf einlegen (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A -, juris Rn. 64).
33 
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist schließlich auch unerheblich, ob bzw. inwieweit der Kläger über Deutschkenntnisse verfügt und ob er tatsächlich wegen der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes nicht fristgerecht erhoben hat. Nach der angeführten Rechtsprechung genügt es, wenn der unrichtige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung generell geeignet ist, die Einlegung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs zu erschweren. Das Ob und das Wie der Belehrung sind nach § 58 VwGO streng formalisiert. Die Vorschrift macht den Lauf der Fristen in allen Fällen von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig, ohne Rücksicht darauf, ob den Betroffenen die Möglichkeit und die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe tatsächlich unbekannt waren und ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung kausal für das Unterbleiben oder die Verspätung des Rechtsbehelfs war. Das dient der Rechtsmittelklarheit; indem § 58 VwGO seine Rechtsfolgen allein an die objektiv feststellbare Tatsache des Fehlens oder der Unrichtigkeit der Belehrung knüpft, gibt die Vorschrift sämtlichen Verfahrensbeteiligten gleiche und zudem sichere Kriterien für das Bestimmen der formellen Rechtskraft an die Hand (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.04.2009 - 3 C 23.08 -, BVerwGE 134, 41, vom 13.12.1978, a.a.O., und vom 13.01.1971 - V C 53.70 -, BVerwGE 37, 85).
II.
34 
Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, ist für die Beurteilung des Begehrens des Klägers auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 04.11.2016 (BGBl. I S. 2460) geänderte Asylgesetz.
III.
35 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
36 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
37 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. Senatsurteil vom 03.11.2016 - A 9 S 303/15 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.; BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, BVerwGE 133, 55).
38 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
39 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 26 m.w.N.).
40 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (Senatsurteil vom 03.11.2016, a.a.O.).
41 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
42 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
43 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen (Senatsurteil vom 03.11.2016, a.a.O.).
44 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes.
45 
Dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Togo einer als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG eingestuften Handlung nach § 3a Abs. 1 AsylG ausgesetzt war, hat er nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
46 
Der Kläger war aber auch nicht von einer solchen Verfolgung ernsthaft bedroht. Die von ihm geltend gemachte Befürchtung, in Haft genommen zu werden, knüpft bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht an einen flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG an, sondern vielmehr allein an den Umstand, dass er sich seinen zivilrechtlichen Verpflichtungen aus einem Darlehnsvertrag entzogen hatte. Es fehlt an jedem Hinweis, dass die Auseinandersetzung mit der Darlehensgläubigerin ihren Grund in unverfügbaren Merkmalen des Klägers gehabt haben könnte. Auch nach deutschem Recht kommt im Rahmen des zivilprozessualen Vollstreckungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen der Erlass einer Haftanordnung gegen den Schuldner in Betracht (vgl. § 802g ZPO). Damit fehlt es schon an der notwendigen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.2009, a.a.O.)
47 
Unabhängig davon hat der Senat auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausreise im Kontext der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Inhaftierung durch die Polizei bzw. mit „Gefängnis“ zu rechnen hatte. Seine diesbezüglichen Angaben, er „vermute“, dass die Kreditgeberin zu dem nächsten Treffen die Polizei hinzu gerufen hätte, er „habe gehört“, dass dies bei zwei anderen Kunden so passiert sei, erweisen sich insoweit als zu vage und zu unbestimmt, als dass ihnen Glauben geschenkt werden könnte. Hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen durch die Gläubigerin tatsächlich bevorstand, sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Kreditgeberin, die der Kläger im Übrigen als „Bekannte“ bezeichnet hat, sich zunächst durchaus kulant gezeigt hatte, indem sie ihm, nachdem er das Darlehen nicht fristgerecht zurückgezahlt hatte, das Kapital stundete und die Zinsen sogar erließ. Der Senat vermag insbesondere angesichts der aus der Schilderung des Klägers deutlich werdenden Kompromissbereitschaft der Gläubigerin auch nicht nachzuvollziehen, weshalb sich der Kläger in dieser Situation nicht um eine weitere Stundung oder eine einvernehmliche Klärung der Angelegenheit bemühte, sondern es vorzog, noch vor Ablauf der ihm von der Gläubigerin eingeräumten weiteren Frist das Land zu verlassen. Zudem hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid - zu Recht und ohne dass sich der Kläger im gerichtlichen Verfahren hierzu eingelassen hätte - darauf verwiesen, dass der Kläger bis dahin ein zuverlässiger Schuldner gewesen sei und die Gläubigerin im Falle einer Inhaftierung des Klägers ohnehin keine Aussicht auf eine (wenigstens teilweise) Rückzahlung des Darlehens gehabt hätte.
48 
Der Kläger muss bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch nicht deswegen politische Verfolgung befürchten, weil er im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt hat. Bereits in der Vergangenheit hatte der Senat festgestellt, dass die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland und ein Auslandsaufenthalt für togoische Staatsangehörige keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung in ihrem Heimatland begründen (vgl. Senatsurteile vom 25.03.2003 - A 9 S 1089/01 -, juris, und vom 20.04.2004 - A 9 S 849/03 -, juris). Daran hält der Senat auf der Grundlage der aktuellen und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel fest. Danach löst ein Asylantrag allein keine staatlichen Repressionen aus. Die Behörden sind in aller Regel um korrekte Behandlung der Rückkehrer bemüht, um weder deutschen Behörden noch togoischen Exilorganisationen Anlass zur Kritik zu geben (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Togo“, 20.07.2015; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Togo vom 16.08.2011 sowie Auskunft vom 28.09.2011 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen). Dem Auswärtigen Amt sind nicht einmal Fälle bekannt, in denen die Mitgliedschaft in einer togoischen Exilorganisation für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Togoer nachteilige Folgen gehabt hätte. Es gibt in Togo zahlreiche, zum Teil sehr regierungskritische Menschenrechtsorganisationen, die hier unbehelligt tätig werden und die die Regierung, z.B. der für Menschenrechtsfragen zuständige Minister, als Gesprächspartner betrachtet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 20.01.2015 an das Verwaltungsgericht Stuttgart). Diese Einschätzung wird durch die jüngere Rechtsprechung anderer Gerichte bestätigt (vgl. nur BayVGH, Beschluss vom 05.07.2013 - 9 B 12.30352 -, juris, und Urteil vom 16.05.2013 - 9 B 12.30382 -, juris, m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.06.2008 - 4 L 338/05 -, juris).
IV.
49 
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil er nach seinen eigenen Angaben über Italien auf dem Landweg mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist. Ungeachtet dessen liegen - wie unter III. dargelegt - die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Asylberechtigung aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
V.
50 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
VI.
51 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
52 
Der Kläger, der an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist, hat insbesondere keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (BVerwG, Beschluss vom 23.07.2007 - 10 B 85.07 -, juris ; Urteile vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris , vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 - juris , vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, juris und vom 09.09.1997 - 9 C 48.96 -, juris ). Ein strengerer Maßstab gilt in Krankheitsfällen ausnahmsweise dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, a.a.O. [bei HIV und Aids]). In solchen Fällen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht zu erlangenden medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, a.a.O.).
53 
Ob die Zahl der in Togo an Diabetes mellitus Typ 1 leidenden Personen so groß ist, dass dies die Qualifizierung als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG rechtfertigt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls lassen sich im vorliegenden Fall auch die weniger strengen Voraussetzungen der „erheblichen konkreten Gefahr“ im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung nicht feststellen.
54 
Danach muss die Gesundheitsgefahr erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.07.1999, a.a.O.). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17.03.2016 geänderten Fassung nachgezeichnet. Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
55 
Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
56 
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).
57 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben des Klägers im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht feststellen.
58 
Nach den Angaben des Klägers sowie dem im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 16.01.2017 leidet der Kläger an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1. Nach wie vor bestehe die medizinische Indikation zur Therapie mit Insulin und diese müsse auch dauerhaft durchgeführt werden.
59 
Nach den dem Senat vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist die Qualität der medizinischen Versorgung in der Republik Togo eingeschränkt. Jeder Arztbesuch muss sofort bezahlt werden, größere Eingriffe werden nur gegen Vorauskasse durchgeführt. Da weniger als 5 % der Bevölkerung krankenversichert sind, müssen die Kosten in der Regel privat getragen werden; das ist mangels ausreichender finanzieller Mittel für einen großen Teil der Bevölkerung sehr schwierig (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.08.2011).
60 
In der Hauptstadt existieren mehrere private sowie staatliche Kliniken. Im Landesinneren gibt es für jede Region ein Regionalkrankenhaus sowie einige gute private Kliniken, die von Kirchen finanziert werden. Dort können überlebensnotwendige Eingriffe durchgeführt werden. Zahlreiche Gesundheitsvorsorgestellen, so genannte „Dispensaires“ (auch Medikamentenverkauf), bilden die erste Anlaufstelle auf dem Lande (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.).
61 
Die Versorgung mit Medikamenten ist in der Hauptstadt gewährleistet. Die Medikamente werden importiert und sind oft billiger als in Deutschland bzw. Frankreich. Prinzipiell können alle Medikamente innerhalb weniger Tage besorgt werden; in entlegenen Regionen kann es länger dauern. Der Erwerb hängt jedoch von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Patienten ab und bedeutet für sie in der Regel eine hohe Belastung. Insbesondere in den nördlichen Landesteilen ist außerhalb der Städte eine Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten nicht immer gegeben (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.). Weiter einschränkend wird berichtet, dass es oft zu Engpässen bei der Medikamentenversorgung kommt und es sehr lange dauern kann, bis die Medikamente geliefert werden. Auch ihre Lagerung entspricht oft nicht den Standards, und es kommt vor, dass abgelaufene Medikamente verkauft werden. Die WHO stellt zudem große Mängel bei der Qualitätskontrolle und der Bekämpfung des illegalen Verkaufs von Medikamenten fest (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Togo: Medizinische Versorgung, 16.07.2012).
62 
Obwohl es in Togo Ausbildungsstätten für medizinisches Personal gibt (Fakultät für Medizin und Arzneikunde, Schule für Krankenpflegerinnen und Hebammenschule), existieren große Personalengpässe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.).
63 
Allgemein kann gesagt werden, dass nahezu alle Medikamente und medizinischen Dienstleistungen in Togo erhältlich sind, wenn der/die Patientin in der Lage ist, die oft hohen Preise selber zu bezahlen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Togo“, 20.07.2015).
64 
Die konkreten Erkenntnisse zur medizinischen Versorgung von Personen, die an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus leiden, stellen sich wie folgt dar:
65 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.08.2011 kann Diabetes mellitus prinzipiell behandelt werden. Entsprechende Medikamente sind erhältlich, die erforderlichen Messgeräte vorhanden. Auch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Lomé führt aus, dass insulinpflichtiger Diabetes mellitus in Togo gut behandelbar ist, eine Behandlung allerdings nur stattfindet, wenn der Patient die Kosten tragen kann (Auskunft vom 14.10.2015 an das Verwaltungsgericht Schwerin). In der oben genannten Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.07.2012 heißt es, dass die Behandlung von Diabetes mellitus in Togo generell möglich sei. Problematisch seien jedoch die hohen Behandlungskosten, was dazu führe, dass ein großer Teil der Diabetiker in Togo einen ungenügenden Zugang zu Insulin habe. Zu den Behandlungskosten wird ausgeführt, ein Bericht der WHO und der Organisation Health Action International stellte fest, dass der tiefste Preis für 10 ml Insulin im Jahr 2008 in Togo 7.70 US-Dollar betrug. Pro Monat muss ein Diabetiker, der 10 ml Insulin, sechs Spritzen und einen Blut-Teststreifen braucht, mit Ausgaben von mindestens zehn US-Dollar rechnen. Das nationale Pro-Kopf-Bruttoeinkommen betrug im Jahr 2010 490 US-Dollar. Das bedeutet, dass ein Togolese im Durchschnitt mindestens 24,5 % seines Jahreseinkommens für die Behandlung von Diabetes aufwenden muss. Die sehr hohen Kosten für die Diabetes-Behandlung erklären auch den ungenügenden Zugang zu Insulin für Diabetiker in Togo. Der Bericht der International Diabetes Federation hebt hervor, dass in Togo 50 bis 75 % aller Diabetiker keinen Zugang zu Insulin haben, weil es zu teuer ist.
66 
Angesichts dieser Erkenntnislage verkennt der Senat nicht, dass ein großer Teil der Diabetiker in Togo aus finanziellen Gründen nur einen unzureichenden Zugang zu Insulin und damit zu einer ausreichenden medizinischen Behandlung ihrer Erkrankung haben (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.12.2013 - 7a K 5347/12.A -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 24.06.2008 - 7 A 1830/06 -, juris). Auf der Grundlage der Angaben des Klägers bei seiner Anhörung durch das Bundesamt geht der Senat indes davon aus, dass der Kläger dieser Gruppe aufgrund in seinem Falle bestehender Besonderheiten nicht angehört. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass für den Kläger eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG deshalb besteht, weil ihm individuell aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen die notwendige Behandlung oder Medikation nicht zugänglich ist.
67 
Nach seinen Angaben beim Bundesamt war der Kläger, der seinen Wohnsitz vor der Ausreise in der Hauptstadt Lomé hatte, seit der Feststellung der Erkrankung im Jahr 2012 bis zur Ausreise im Jahr 2016 in Behandlung eines Diabetologen. Von diesem sei er auch mit Tabletten und Insulin zum Spritzen versorgt worden. Seine Mutter und Großmutter, die ebenfalls an Diabetes litten, seien beim gleichen Arzt in Behandlung gewesen. Angesichts dieser Darstellung sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihm die vor der Ausreise aus Togo zugute gekommene fachärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten nach der Rückkehr aus finanziellen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen sollte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger dies weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat.
68 
Unabhängig davon kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der 34jährige arbeitsfähige Kläger, der seine wirtschaftliche Lage in Togo als „durchschnittlich“ bezeichnet hat, in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt - wie auch in der Vergangenheit - eigenständig sicherzustellen. Darüber hinaus verfügt er in Lomé über ein familiäres Umfeld: Seinen Angaben zufolge wohnen dort jedenfalls seine Mutter, seine Großmutter sowie seine Partnerin mit den gemeinsamen Kindern. Mit Blick auf die Erkenntnislage, wonach in Togo an die Stelle des Sozialstaats die Solidarität innerhalb der Großfamilie tritt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.10.2015 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen), kann der Kläger insoweit auch mit finanzieller Unterstützung rechnen (zur Einbeziehung einer möglichen Unterstützung durch Angehörige in die gerichtliche Gefahrenprognose vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 06.02.2012 - 10 B 3.12 -, juris, und vom 01.10.2001 - 1 B 185.01 -, juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.08.2003 - 2 BvR 1064/03 -, juris). Mit in den Blick zu nehmen sein dürfte auch der Vater des Klägers. Auch wenn der Kläger bekundet hat, dass die Eltern seit langem getrennt leben und der Vater „zur Zeit“ nicht in Togo, sondern im Senegal lebt, hat er doch auch erklärt, mit diesem (wie auch mit seiner Mutter) von Zeit zu Zeit in telefonischem und in E-Mail-Kontakt zu stehen. Diesem Umstand kommt im vorliegenden Zusammenhang Bedeutung zu, weil der Vater nach den Bekundungen des Klägers in Togo als Arzt tätig war. Insoweit spricht einiges dafür, dass er in Togo jedenfalls über einschlägige Kontakte verfügt, was dem Kläger bei der Therapie seiner Diabetes-Erkrankung zugute kommen kann. Überdies kommt auch eine wirtschaftliche Unterstützung durch den Vater in Betracht, zumal der Kläger diesen nach seinen Angaben beim Bundesamt offenbar bislang nicht mit seiner wirtschaftlichen Situation konfrontiert hatte. Die pauschale Angabe des Klägers, er habe ihn „nicht gefragt, weil ich weiß, dass er daran nichts machen könnte“, vermag der Senat jedenfalls nicht nachzuvollziehen.
69 
Im Übrigen ist es dem Kläger unbenommen, vorbeugend für einen Insulinvorrat noch in Deutschland bzw. (über seine Familie) in Lomé zu sorgen, welcher geeignet ist, die Versorgung in der Phase nach der Ankunft im Heimatland sicherzustellen bzw. zu erleichtern.
70 
Vor diesem Hintergrund wird auch mit dem Vortrag des Klägers, zur Rückzahlung eines für die von ihm betriebene Viehzucht aufgenommenen Darlehens nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass dem Kläger die notwendige Behandlung oder Medikation zugänglich ist.
71 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger allerdings unter Vorlage des ärztlichen Attests des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 16.01.2017 geltend gemacht, die Therapie bisher in seinem Heimatland sei unzureichend gewesen. Die Versorgung mit Insulin könne dort nicht regelmäßig und ausreichend sichergestellt werden. Im Universitätsklinikum Heidelberg sei festgestellt worden, dass die bisherige Therapie in Togo absolut wirkungslos gewesen und eine neue Therapie begonnen worden sei. Der Kläger habe bei seiner Ankunft in Deutschland ein HbA1c von 15 % gehabt, nach Umstellung der Therapie liege der Wert erfreulicherweise bei 8 %. Ohne die Therapie liege die Lebenserwartung des Klägers bei max. 5 Jahren.
72 
Indes werden mit dem Attest jedenfalls keine hinreichend aussagekräftigen Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die in Togo durchgeführte fachärztliche Behandlung der Diabetes-Erkrankung des Klägers einschließlich der verordneten Medikamente tatsachlich in einem Maße unzureichend war, dass dies die Prognose rechtfertigen könnte, dem Kläger drohe alsbald nach seiner Rückkehr nach Togo eine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung.
73 
Die Ausführungen im Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. sind nicht geeignet, die oben beschriebene Erkenntnislage zur grundsätzlichen Verfügbarkeit der für eine zureichende Behandlung von Diabetes mellitus 1 erforderlichen Medikamente in Togo ernsthaft in Frage zu stellen. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil Dr. T. die Quellen seiner Informationen über die Verhältnisse in Togo nicht offen legt. Dessen ungeachtet stimmen die oben aufgezeigten Erkenntnismittel im Kern darin überein, dass die Behandlung von Diabetes mellitus in Togo generell möglich (nach der Auskunft der deutschen Botschaft in Lomé ist die Erkrankung sogar „gut behandelbar“) ist und entsprechende Medikamente - zumal in der Hauptstadt Lomé - erhältlich sind. Vor diesem Hintergrund zeigt das Attest hinreichend substantiierte und greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die von einem Diabetologen in der Hauptstadt Lomé durchgeführte Behandlung des Klägers einschließlich der verordneten Medikamente wirkungslos bzw. unzureichend gewesen sein soll, nicht auf. Solche Anhaltspunkte sind gerade auch auf der Grundlage der Bekundungen des Klägers beim Bundesamt zu der in Togo erfahrenen Behandlung nicht ersichtlich. Insbesondere hat er dort keinerlei Angaben gemacht, die darauf hindeuten, dass die - sich immerhin über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckende - fachärztliche Behandlung und Medikation in Togo seiner Beurteilung nach wirkungslos bzw. unzureichend, etwa zur Beseitigung bzw. Eindämmung der mit der Erkrankung einhergehenden Symptome nicht geeignet war. Auch hinsichtlich der Behandlung seiner Mutter und Großmutter hat er Entsprechendes nicht vorgetragen.
74 
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Angabe im Attest, der Kläger habe bei seiner Ankunft in Deutschland ein HbA1c von 15 % gehabt, nach Umstellung der Therapie - nach den Angaben des Klägers beim Bundesamt hat der Arzt auf dem Gelände des Ankunftszentrums die Medikation umgestellt, ihm anderes Insulin gegeben, andere Anweisungen zum Spritzen - liege der Wert erfreulicherweise bei 8 %. Ein Untersuchungsbericht, anhand dessen diese Angaben nachvollzogen werden können, ist indes nicht vorgelegt worden. Unabhängig davon stellt allein der Umstand, dass beim Kläger bei seiner Ankunft in Deutschland (einmalig) ein Wert von 15 % HbA1c gemessen worden sein soll, keinen ausreichenden Beleg dafür dar, dass die fachärztliche Behandlung und Medikation in Togo tatsächlich in einem rechtlich relevanten Ausmaß unzureichend war. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger während seiner fachärztlichen Behandlung in Togo vergleichbar hohe Blutzuckerwerte aufgewiesen hat wie bei seiner Ankunft in Deutschland. Deutlich gegen diese Möglichkeit sprechen - wie dargelegt - die Angaben des Klägers zur fachärztlichen Behandlung durch einen Diabetologen in Lomé und fehlende Angaben zu Anhaltspunkten für eine etwaige Wirkungslosigkeit der über mehrere Jahre erfolgten fachärztlichen Behandlung und Medikation. Im Übrigen liegen keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, ob der Kläger im Zeitraum vor und auf der Reise nach Deutschland überhaupt ausreichend mit Medikamenten versorgt war bzw. er die Vorgaben zur regelmäßigen Einnahme der Medikamente bzw. zum regelmäßigen Spritzen einhielt bzw. einhalten konnte. Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf die vorhandenen, im Kern übereinstimmenden Erkenntnismittel sieht der Senat keinen Anlass, auf die Anregung des Kläger-Vertreters eine ergänzende Auskunft der deutschen Botschaft in Lomé einzuholen.
75 
Es ist danach nicht ersichtlich, dass Kläger sich nach der Rückkehr nicht wieder in die Behandlung seines Diabetologen begeben und dort mit diesem - auch unter Einbeziehung der dem Kläger in Deutschland ärztlicherseits vermittelten Informationen - die hinreichend wirksame Therapie seiner Erkrankung fortführen kann. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass davon auszugehen ist, dass er auf die Unterstützung seines früher in Togo als Arzt tätigen Vaters zurückgreifen kann.
76 
Bei einer Gesamtschau sämtlicher Umstände des Einzelfalls kann der Senat jedenfalls nicht mit der insoweit erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, juris) feststellen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die Diabetes-Erkrankung des Klägers in Togo wegen des geringeren Versorgungsstandards nicht verfügbar ist und dies zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben des Klägers führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach seiner Rückkehr nach Togo droht. Der Senat schließt zwar - gerade auch mit Blick auf den Umstand, dass nach seiner Ankunft in Deutschland die Medikation umgestellt wurde - nicht aus, dass die dem Kläger in Togo für seine Erkrankung zur Verfügung stehende Behandlung und Medikation nicht den heute in Deutschland geltenden und praktizierten Standards entspricht. Indes ist der Umstand, dass die medizinische Versorgung in Togo möglicherweise mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleichwertig ist, für sich genommen nicht geeignet, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
VII.
77 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung - mit der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerten Ausreisefrist - ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VIII.
78 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
79 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluß ist schriftlich abzufassen. § 60 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ist für eine Erklärung durch Gesetz öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung

1.
in schriftlicher Form abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden oder
2.
in elektronischer Form abgefasst und die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden.
In dem Gesetz kann vorgesehen werden, dass eine Erklärung nur nach Satz 1 Nummer 1 oder nach Satz 1 Nummer 2 öffentlich beglaubigt werden kann.

(2) Wurde eine Erklärung in schriftlicher Form von dem Erklärenden mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet, so erfüllt die Erklärung auch die Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1.

(3) Die öffentliche Beglaubigung wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.

(2) Das Urteil wird durch Vorlesung der Urteilsformel verkündet. Die Vorlesung der Urteilsformel kann durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung von den Parteien niemand erschienen ist. Versäumnisurteile, Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses erlassen werden, sowie Urteile, welche die Folge der Zurücknahme der Klage oder des Verzichts auf den Klageanspruch aussprechen, können verkündet werden, auch wenn die Urteilsformel noch nicht schriftlich abgefasst ist.

(3) Die Entscheidungsgründe werden, wenn es für angemessen erachtet wird, durch Vorlesung der Gründe oder durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts verkündet.

(4) Wird das Urteil nicht in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, so kann es der Vorsitzende in Abwesenheit der anderen Mitglieder des Prozessgerichts verkünden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

2

Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.

3

Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.

4

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

5

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.

6

Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.

7

Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.

8

Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.

9

Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.

13

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 ). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).

14

Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.

15

3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).

16

Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.

17

Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

20

Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.

21

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).

22

Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).

23

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).

24

b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

25

Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183 ; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.

26

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.

27

4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

28

5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.

29

Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan - ) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.