Verwaltungsgericht Halle Urteil, 13. Jan. 2017 - 1 A 19/15
Gericht
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausgleichszahlungen für Beschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung
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Unter dem 14. Mai 2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung eines Ausgleichs für Beschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung gemäß der Richtlinie Natura 2000 – Ausgleich für die Landwirtschaft vom 30. 01. 2008 (MBl. LSA S. 240)(Bezugszeitraum 01.10.2012 bis 30.09.2013) für in dem Gebiet liegende 348,7857 ha Grünland und verpflichtete sich zugleich, die Bewirtschaftungsbeschränkungen nach der Richtlinie für den Verpflichtungszeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 einzuhalten.
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Unter dem 15. Mai 2013 beantragte sie die Auszahlung der Zuwendungen für das Verpflichtungsjahr 01. 07. 2012 bis 30. 06. 2013.
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Am 10. Juni 2013 kam es in Sachsen-Anhalt zu einem Hochwasser, das auch die Flächen der Klägerin überschwemmte. Aufgrund der Vernässung wurden die geförderten Flächen bis zum 30. September 2013 durch die Klägerin nicht gemäht
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Das MLU bestimmte mit Erlass vom 6. November 2013, dass Natura 2000-Ausgleich und Entschädigung nach der Richtlinie Hochwasserschäden 2013 wegen derselben Zielstellung nicht gleichzeitig für dieselbe Fläche gewährt werden könnten und stellte mit Erlass vom 14. November 2014 klar, dass eine landwirtschaftliche Nutzung Voraussetzung für die Gewährung des Natura 2000-Ausgleichs sei.
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Mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 lehnte der Beklagte die Ausgleichszahlung mit der Begründung ab, die Flächen der Klägerin seien im Bezugszeitraum nicht bewirtschaftet worden. Die Klägerin habe vermerkt, dass eine Nutzung der Flächen nach dem Hochwasser nicht möglich gewesen sei. Dies wäre aber erforderlich gewesen.
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Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 18. Januar 2014, den sie damit begründete, dass es ihr aufgrund des Vorliegens höherer Gewalt unmöglich gewesen sei, im Zeitraum vom 15. Juni bis zum 30. September 2013 eine Mahd auf den Flächen vorzunehmen, wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014 zurück. Zur Begründung führte es aus, ein Anspruch auf Auszahlung der Fördermittel bestehe nicht, weil die Klägerin die Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Sie habe die beantragten Flächen im Bezugszeitraum nicht aktiv bewirtschaftet. Das bloße Unterlassen von Bewirtschaftungsmaßnahmen genüge zur Erfüllung der Voraussetzungen nicht. Sie habe aber auch aufgrund der Gewährung des Hochwasserschadensausgleichs 2013 tatsächlich keine Natura 2000-ausgleichsfähigen Kosten und Einkommensverluste durch die Einhaltung der umweltspezifischen Bewirtschaftungsbeschränkungen gehabt.
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Am 20. Januar 2015 hat die Klägerin beim erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Sie ist der Ansicht, ihr stehe die Bewilligung der beantragten Ausgleichszahlungen auf Grund der Einhaltung der Beschränkungen zu. Die aufgrund des Elbehochwassers 2013 nicht erfolgte Mahd berechtige nicht zur Versagung der beantragten Ausgleichszahlungen. Dies entspreche auch Ziffer 6.6 der Richtlinie, wonach der Zuwendungsanspruch erhalten bleibe, wenn der Antragsteller infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände seinen Verpflichtungen nicht nachkommen könne. Eine schwere Naturkatastrophe in Form eines Hochwassers sei höhere Gewalt im Sinne dieser Regelung. Dies habe die Klägerin dem Beklagten auch innerhalb der Frist angezeigt.
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Die Klägerin habe auch darauf vertrauen dürfen, die beantragten Ausgleichszahlungen zu erhalten.
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Es liegt auch keine Doppelförderung vor. Die Entschädigungszahlungen nach der RL Hochwasserschäden 2013 habe eine andere Zielsetzung als die Ausgleichsleistungen. Während diese die durch die Beschränkungen entstehenden Ernteverluste ausgleichen soll, sollen die Zahlungen nach der RL Hochwasserschäden der Wiederherstellung der durch das Hochwasser geschädigten Flächen dienen bzw. die Schäden kompensiert werden. Hier hat die Klägerin ihren Grünlandschnitt bzw. eine Futterente verloren und einen pauschalen Betrag pro Hektar als Ersatz für den Ernteausfall erhalten.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17. Dezember 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2014 nach der Richtlinie über die Gewährung von Ausgleichsleistungen für Beschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in Natura-2000-Gebieten die mit Antrag vom 14. Mai 2012 beantragte Ausgleichsleistung für die Landwirtschaft für den Bezugszeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 für eine Gesamtfläche von 348,7857 ha Grünland zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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Er verteidigt die angegriffenen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die darin befindlichen Lichtbildern beider Beteiligter verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Diese hat einen Anspruch auf Auszahlung der beantragten Ausgleichsleistung (§ 113 Abs. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Auszahlung der begehrten Ausgleichsleistung ist die Richtlinie Natura 2000 – Ausgleich für die Landwirtschaft vom 30. 01. 2008 (MBl. LSA S. 240)(Bezugszeitraum 01.10.2012 bis 30.09.2013). Deren Voraussetzungen liegen grundsätzlich vor. Sie hat unter dem 15. Mai 2013 einen wirksamen Auszahlungsantrag für das Verpflichtungsjahr gestellt. Die Ausgleichsleistung ist dabei nach ihrem Zweck eine "Gegenleistung" für das im öffentlichen Interesse liegende Verhalten des Betriebsinhabers, bestimmte Grundanforderungen für die Erzeugung einzuhalten. Die gewährten Subventionen nach dieser Richtlinie stellen damit in erster Linie ein Marktlenkungsinstrument dar. Der Landwirt erhält die Ausgleichszahlung dafür, dass er die Fläche nicht so intensiv wie möglich nutzt, sondern quasi stilllegt. Ausgeglichen wird damit das sich aufgrund der Beschränkungen im Vergleich zu einer landwirtschaftlich möglichen optimalen Nutzung ergebende Mindereinkommen.
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Der Anspruch ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin hier wegen des Hochwassers im Jahr 2013 die Grünflächen nicht entsprechend der Richtlinie bewirtschaftet, weil sie aufgrund des Hochwassers im Juni 2013 und der Vernässung des Bodens die vorgesehene Mahd nicht im vorgegebenen Zeitraum zwischen Juni und September vornehmen konnte. Die Klägerin kann sich aber insoweit auf "höhere Gewalt" berufen, durch die sie an der Mahd gehindert war. Unter "höherer Gewalt" sind in diesem Zusammenhang ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die der betroffene Wirtschaftsteilnehmer keinen Einfluss hatte und deren Folgen trotz Anwendung gebotener Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – Rs. C-210/00 -, Tz. 79). Dies ist bei dem Hochwasser von 2013 der Fall. In diesem Fall bleibt der Zahlungsanspruch in der Weise bestehen, dass bei einem von höherer Gewalt betroffenen Betriebsinhaber die Zahlungsansprüche auf der Grundlage des letzten Jahres bestimmt werden, in dem keine höhere Gewalt aufgetreten ist (vgl. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, die die Verordnung (EG) Nr. 73/2009 abgelöst hat).
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Die Klägerin hat damit einen Anspruch auf die begehrte Ausgleichsleistung. Dieser ist auch nicht wegen des Schadensausgleichs nach der Hochwasserrichtlinie ausgeglichen. Während dieser Schadensausgleich den wirtschaftlichen Verlust der tatsächlichen Ernte ausgleicht, zielt die Ausgleichsleistung – wie oben ausgeführt – auf die Entschädigung des Landwirtes dafür, dass er die betroffenen Flächen nur eingeschränkt nutzt. Den Verlust der dadurch zu erzielenden geringere Ernte - die er wirtschaftlich verwerten darf, da er sie trotz der Natura 2000-Förderung nutzen darf – wird hingegen durch den Schadensausgleich nach der Hochwasserrichtlinie ausgeglichen. Da diese somit einen völlig anderen – zusätzlichen - Vermögensschaden betrifft, kann sie nicht auf die Ausgleichsleistung angerechnet werden. Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn die Berechnung des Schadensausgleichs nach der Hochwasserrichtlinie fehlerhaft war. Dann ist gegebenenfalls eine Berichtigung beim Schadensausgleich vorzunehmen. Zu einem Wegfall des Anspruchs auf die beantragte Ausgleichsleistung führt dies aber nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.