Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 11. Juni 2015 - 3 B 324/15 HGW

published on 11/06/2015 00:00
Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 11. Juni 2015 - 3 B 324/15 HGW
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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 26. Juli 2012 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2015 wird angeordnet, soweit die Festsetzung den Betrag von 6.535,65 EUR übersteigt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Antragsteller zu 60 v.H. und der Antragsgegner zu 40 v.H.

3. Der Streitwert beträgt 2.684,28 EUR.

Gründe

1

Der zulässige Antrag,

2

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 26. Juli 2012 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2015 anzuordnen,

3

ist nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet.Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides bestehen nur, soweit die Festsetzung den im Tenor zu 1. genannten Betrag übersteigt. Im Übrigen ist der Bescheid im Prüfungsumfang des Eilverfahrens dagegen nicht zu beanstanden.

4

Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und Kostenersatz für weitere Grundstücksanschlüsse der Stadt A-Stadt (Abwasserbeitragssatzung – AwBS) vom 9. November 2009. Die Satzung ist nach gegenwärtiger Erkenntnis wirksam (VG Greifswald, Urt. v. 02.10.2014 – 3 A 115/13 –, juris). Soweit der Antragsteller einwendet, die Abwasserbeitragssatzung sei unvollständig mit der Folge ihrer Nichtigkeit, weil sie den Begriff des Vollgeschosses nicht definiere, trifft dies ersichtlich nicht zu. Denn § 6 Abs. 8 Satz 1 AwBS enthält eine an § 87 Abs. 2 Landesbauordnung (LBauO M-V) angelehnte Definition des Vollgeschosses. Auch die nach § 6 Abs. 8 Satz 2 AwBS für Altbauten geltende Ausnahmeregelung ist nicht zu beanstanden (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 58 ff.).

5

Ernstliche Zweifel bestehen aber, soweit der Antragsgegner im Rahmen der Beitragsermittlung für den historischen Wasserturm von mehr als vier Vollgeschossen ausgeht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

6

Nach der nicht zu beanstandenden Definition des Vollgeschosses in § 6 Abs. 8 Satz 1 AwBS – und erst recht nach der für vor dem 30. April 1994 legal errichteten Gebäuden geltenden Ausnahmeregel in § 6 Abs. 8 Satz 2 AwBS – handelt es sich bei den vom Antragsgegner als Vollgeschosse eingestuften Geschossen (Erdgeschoss und 1. bis 6. Obergeschoss) tatsächlich um Vollgeschosse. Da dies vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen wird, kann insoweit von weiteren Darlegungen abgesehen werden. Diese Definition ist aber nicht abschließend, sondern unterliegt einem weiteren eingrenzenden Kriterium. Obwohl sich die Definition erkennbar an die baurechtliche Vollgeschossdefinition anlehnt, können (und müssen) beitragsrechtliche Kriterien bei der Vollgeschossdefinition berücksichtigt werden. Für die Annahme eines Vollgeschosses im beitragsrechtlichen Sinne ist daher eine bestimmte Nutzbarkeit erforderlich. Sie fehlt z.B. bei aus technisch-konstruktiven Gründen erforderlichen Zwischendecken eines Kirchturms (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 07.06.2011 – AN 18 K 10.02231 –, juris Rn. 42 unter Hinweis auf § 20 Abs. 3 BauNVO). Im Anschlussbeitragsrecht gilt, dass nur Geschosse, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, Vollgeschosse im beitragsrechtlichen Sinne sein können. Nur wenn ein Geschoss dem Aufenthalt von Menschen dient, erlaubt sein Vorhandensein nämlich Rückschlüsse auf den Anfall von Abwasser. Diesem Ansatz folgt auch die Abwasserbeitragssatzung des Antragsgegners, denn anderenfalls wäre die in § 6 Abs. 7 AwBS erfolgte Einstufung von Kirchengebäuden trotz in der Regel vorhandener Kirchtürme mit Zwischendecken als eingeschossig vorteilswidrig.

7

Gemessen an diesen Kriterien können nur das ausweislich des Bauantrages gewerblich genutzte Erdgeschoss und die zu Wohnzwecken genutzten Obergeschosse 4 bis 6 als Vollgeschosse i.S.d. § 6 Abs. 8 Satz 1 bzw. Satz 2 AwBS angesehen werden. Die Obergeschosse 1 bis 3 dienen demgegenüber nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen. Sie bilden das Treppenhaus, zudem führt der Fahrstuhl durch diese Geschosse. Dabei ist es unschädlich, dass auch diese Geschosse nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgebaut sind, über eine Dielung verfügen und teilweise mit Heizkörpern ausgestattet sind. Denn dadurch werden sie nicht zu Aufenthaltsräumen in dem dargestellten Sinne.

8

Damit errechnet sich ein Beitrag von 6.535,65 EUR (1.432 m² x 2,8 x 1,63 EUR/m²). Soweit die Festsetzung diesen Betrag übersteigt, ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der streitige Abgabenbetrag für das Eilverfahren zu vierteln ist.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili
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published on 02/10/2014 00:00

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
published on 14/09/2010 00:00

Tenor Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 2
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.