Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 273/16 As HGW

bei uns veröffentlicht am16.02.2017

Tenor

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Ziffer 1 des Bescheides vom 15.09.2015 - 5763710 – 423 – verpflichtet, dem Kläger zu 1 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 sowie 1/3 ihrer außergerichtlichen Kosten. Die Klägerinnen zu 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst sowie jeweils 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige und stammen aus Kabul. Sie gehören der Volksgruppe der Hindu an und sind hinduistischen Glaubens. Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Klägerin zu 3. Sie reisten nach eigenen Angaben am 26.05.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 04.06.2014 Asylanträge. Für die Klägerin zu 3. wurden keine eigenständigen Asylgründe geltend gemacht.

2

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge traf gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 15.09.2015, zugestellt am 18.09.2015, folgende Entscheidung:

3

1. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt.
2. Die Anträge auf Asylanerkennung werden abgelehnt.
3. Der subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt.
4. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes liegt vor.

4

Die Kläger haben am 02.10.2015 Klage erhoben.

5

Zur Begründung tragen sie vor, dass ein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliege, da diese in der Öffentlichkeit durch staatliche Organe versagt werde. Es dürfe nicht auf eine eventuelle Gruppenverfolgung abgestellt werden, es reiche aus, wenn ein Flüchtling seine Religion in der Öffentlichkeit ausübe.

6

In der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017 erläuterten und ergänzten die Kläger ihre Verfolgungsgeschichte. Sie gaben an, in Afghanistan große Probleme gehabt zu haben, weil sie Hindus seien. Sie hätten keine Schule besuchen und die Frauen nicht rausgehen können. Sie seien belästigt und beschimpft worden. Die Kinder hätten keine Zukunft; sie sollten keine Analphabeten werden wie ihre Eltern. Die Kläger hätten ihre Religion nicht so ausüben können, wie es eigentlich sein sollte. Man habe ihnen gesagt, sie sollten ihre Religion wechseln. Aus Angst hätten der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 ihrer Tochter, der Klägerin zu 3, keinen hinduistischen, sondern einen muslimischen Namen gegeben. Kinder von Hindus seien entführt worden. Sie hätten in einem Tempel gelebt, da sie Angst vor Entführungen hätten. Der Kläger zu 1 gibt an, damals vor seinem Haus von Muslimen zusammengeschlagen worden zu sein, als er aus dem Tempel nach Hause gegangen sei. Er sei dabei als Hindu beschimpft worden. Ihm sei mit einem Metallteil auf die Brust und die Hand geschlagen worden; er habe eine große Narbe auf der Brust davongetragen. Dies sei der Anlass gewesen, in den Tempel zu ziehen. Im Tempel haben man lediglich Riten ausgeübt, nicht gefeiert, damit es niemand mitbekommt.

7

Die Kläger beantragen,

8

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15.09.2015 –5763710 – 423 - zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen.

9

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.

12

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.10.2016 zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

13

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, auf die mit der Ladung übersandte Erkenntnisquellenliste des Gerichts zum Herkunftsland Afghanistan sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

14

Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Darauf war sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).

II.

15

Die als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene Klage ist nur zum Teil begründet. Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich des Klägers zu 1 rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger zu 1 hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz (AsylG).

1.

16

Die Kläger haben nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG), keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG unter dem Gesichtspunkt einer Gruppenverfolgung.

17

Die Kläger sind unter diesem Aspekt keine Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) [Genfer Konvention], wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

18

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

19

Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (§ 3a Abs. 2 AsylG).

20

Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).

21

Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.

22

Bei der Prüfung der Bedrohung i.S.v. § 3 AsylG ist unabhängig von der Frage, ob der Schutz suchende Ausländer seinen Herkunftsstaat bereits vorverfolgt, also auf der Flucht vor eingetretener bzw. unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, oder ob er unverfolgt ausgereist ist, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dabei setzt die unmittelbar, also die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohende Verfolgung eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (VG Oldenburg, Urt. v. 16.02.2016 – 3 A 6563/13 – juris).

23

Nach Art. 4 Abs. 4 der Neufassung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. Nr. L 337 S. 9, sog. „EU-Flüchtlingsschutz-RL“) ist die Tatsache, dass der schutzsuchende Ausländer bereits verfolgt wurde oder er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

24

Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, Urt. v. 24.08.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt dies entsprechend.

25

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; VG Potsdam, Urt. v. 11.03.2016 – VG 4 K 1242/15.A – S. 8). Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 19; VG Potsdam, aaO.).

26

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt unter Berufung auf den Europäischen Gerichtshof ein Eingriff in die Religionsfreiheit vor, wenn auf die Entschließungsfreiheit des Schutzsuchenden, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohung mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt wird. Es muss eine schwerwiegende Rechtsverletzung vorliegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – InfAuslR 2013, 300; VG Schwerin, Urt. v. 06.05.2015 – 15 A 610/13 As S. 11).

27

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit nicht nur bei gravierenden Eingriffen in die Freiheit der Person, seinen Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, bejaht, sondern auch in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Es sei nicht vereinbar, die Beachtlichkeit einer Verletzungshandlung danach zu beurteilen, ob sie in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung (forum internum) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung (forum externum) eingreife. Folglich stellt das Bundesverwaltungsgericht bei der Bestimmung der Handlungen, die aufgrund ihrer Schwere verbunden mit der ihrer Folgen für den Betroffenen als Verfolgung gelten können, nicht darauf ab, in welche Komponente der Religionsfreiheit eingegriffen wird, sondern auf die Art der ausgeübten Repressionen und ihre Folgen für den Betroffenen. Es kommt also darauf an, ob der Kläger befürchten muss, dass ihm aufgrund seiner öffentlichen religiösen Betätigung, die zur Wahrung seiner religiösen Betätigung besonders wichtig ist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine schwere Rechtsverletzung droht, insbesondere die Gefahr, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, verfolgt oder unterworfen zu werden (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 24 ff.).

28

Das Auswärtige Amt geht in seinem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan (Stand November 2015) davon aus, dass es keine verlässlichen Angaben über die Anzahl von Hindus in Afghanistan gebe. Es gebe vier Hindu-Tempel landesweit, davon zwei in Kabul und je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellen. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt hat. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke wurden. Seit 2014 haben Hindus und Sikhs Anspruch auf einen (gemeinsamen) Sitz im Parlament; er wird zurzeit von einer Frau eingenommen (Lagebericht S. 12).

29

Auch das BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand: 21.01.2016, S. 145 ff.) berichtet, dass in den vergangenen Jahren Hindus und Sikhs angaben, dass es ihnen aufgrund von Anrainer/innen, die in der Nähe des Krematoriums wohnten, nicht möglich war, ihre Toten im Rahmen ihrer Traditionen zu verbrennen. Auch wenn Hindu sozialer Diskriminierung und Belästigungen ausgesetzt waren, war das Vorgehen jedoch nicht systematisch. USCIRF – US Commission on International Religious Freedom - gehe davon aus, dass sich die Situation der afghanischen Sikh- und Hindu-Gemeinschaft seit dem Sturz des Taliban-Regimes verbesserte: Es ist den Sikhs und Hindus erlaubt, ihren Glauben zu leben. Auch haben sie Orte, an denen sie öffentlich ihren Gottesdienst verrichten (USCIRF 30.4.2013). Jedoch ist die lokale Hindu- und Sikhpopulation, obwohl es ihr erlaubt ist, ihren Glauben öffentlich zu praktizieren, Belästigung und manchmal auch Gewalt ausgesetzt (USCIRF 30.4.2015) (BFA aaO., S. 150).

30

Der UNHCR stellt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender (Stand: 06.08.2013) fest, dass Hindus die öffentliche Ausübung ihrer Religion erlaubt ist. Sie können ihre Toten jedoch nicht nach ihren Bräuchen beerdigen, da sie von Anwohnern daran gehindert würden (S. 51).

31

Der UNHCR schreibt darüber hinaus in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.

32

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zusammenfassend konstatiert, dass seit 2006 keine Fälle von religiöser Verfolgung oder Diskriminierung bekannt geworden seien. Hindus wagen jedoch lediglich in den Hauptstädten der Provinzen Kabul und Nangahar (Jalalabad), ihren Glauben offen zu praktizieren (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 13 f.; s.a. Auswärtiges Amt, Auskunft an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 13 A B 12.30368 vom 19.11.2013).

33

Nach der Auswertung dieser Erkenntnisquellen konstatiert das Verwaltungsgericht Würzburg (VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 43) unter Berufung auf den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hierzu in zutreffender Weise Folgendes, dem sich das erkennende Gericht anschließt:

34

Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.9.2013 – A 11 S 689/13 – juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden – auch aktuellsten –Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.

2.

35

Eine individuelle Verfolgung aufgrund der Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3 b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, kann lediglich der Kläger zu 1 geltend machen. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3 weisen die geltend gemachten Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.

a)

36

Dem Kläger zu 1 ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil er als Hindu in Afghanistan wegen seiner Religion verfolgt worden war. Die Verfolgung war in Form der physischen Gewalt nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG gegen den Kläger zu 1 ausgeübt worden und aufgrund ihrer Art so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellte, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

37

Es liegt eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure nach § 3c Nr. 3 AsylG vor. Der Kläger ein individuelles Schicksal geschildert, das seine Vorverfolgung belegt. Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Vortrag des Klägers zu 1 der Wahrheit entspricht. Der Kläger zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, wie es zu dem Vorfall gekommen war. Er gab an, auf dem Weg nach Hause angesprochen worden zu sein und sodann zusammengeschlagen worden zu sein, wobei er aufgrund der massiven Gewalteinwirkung Narben davongetragen hatte. Diese großen Narben auf der Brust waren für das Gericht erkennbar, als der Kläger sein Hemd öffnete, um diese zu zeigen. Der Kläger gab an, die Angreifer hätten ihn ausdrücklich als Hindu beschimpft. Für die Glaubhaftigkeit dieser Aussage spricht, dass der Kläger angab, nicht zu wissen, ob die Täter gesehen hatten, wie er aus dem Tempel gekommen war. Der Kläger zu 1 versucht also nicht, das Geschehen für ihn günstiger zu gestalten, indem er einen fertigen Sachverhalt zu präsentieren versucht. Das Gericht hatte nicht den Eindruck, dass der Kläger das Geschehen erfunden hatte. Auch auf Nachfrage des Gerichts, auf welche Art und Weise im Einzelnen dem Kläger zu 1 die Verletzungen zugefügt worden waren, blieb er bei seiner Darstellung.

38

Schließlich haben die erlittenen Maßnahmen auch zielgerichtet an der hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie des Klägers zu 1 angeknüpft. Die Handlungen waren - über die Motive der Täter im Einzelnen ist nichts bekannt – aufgrund der vorangegangenen Beschimpfung und der Nähe zum Tempel objektiv darauf gerichtet, in dem Sinne, dass die Übergriffe gerade aufgrund der Zugehörigkeit zu der Minderheit der Hindus erfolgten. Jedenfalls führte gerade die Religionszugehörigkeit zu einer besonderen Schutzlosigkeit, die den Kläger als Opfer prädestiniert hat. Denn insofern geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger kein hinreichender Schutz vor diesen Handlungen zur Verfügung gestanden hat. Zwar hat der Kläger dargelegt, dass er nicht versucht hat, (staatliche) Hilfe zu erlangen. Das Gericht geht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen davon aus, dass die Akteure, die nach § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung bieten könnten, diesen der Gruppe der Hindus jedenfalls zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse nicht wirksam gewähren konnten. So berichtet Danesch (Gutachten zur Lage der Hindu- und Sikh-Minderheit im heutigen Afghanistan, Stand 23.01.2006, S. 13), dass weder die afghanische Regierung noch die ausländischen Schutztruppen in der Lage sind, in Kabul, in anderen Großstädten oder auf dem Land für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die afghanischen Ordnungskräfte sind allgemein als durch und durch korrupt bekannt. Der Volksmund nennt sie „Einheiten der Diebe“. Die Führung und die mittleren Ränge der Polizei bestehen durchweg aus ehemaligen Mujahedin-Kommandanten, die sich jahrzehntelang in Raub und Plünderungen geübt haben. Durch die geringen Einkommen bei der Polizei sind Diebstahl und Korruption bei der Polizei weit verbreitet. Diese afghanische Polizei ist weder willens noch in der Lage, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Auch im Justizwesen ist Korruption weit verbreitet. Überall bekommt derjenige Recht, der die höchste Bestechungssumme zahlen kann. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet in ihrem Bericht Afghanistan: aktuelle Lage afghanischer Hindus, Stand: 13.09.2017, S. 11, dass es der afghanische Staat nicht schafft, Personen hinduistischer Religions- und Volkszugehörigkeit ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Insbesondere auch in Bezug auf durch Kommandierende konfiszierten Besitz wagen es die meisten Hindus nicht, diesen auf gesetzlichem Wege zurückzufordern, und haben in dieser Hinsicht resigniert. Hindus sind sozialer Diskriminierung, Einschüchterung bis hin zu gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt.

39

Vor diesem Hintergrund ist es ohne weitere Darlegung glaubhaft, dass der Kläger zu 1 als Hindu nach seiner Verletzung keinen staatlichen Schutz erlangen konnte und sich daher erfolglos oder von vornherein gar nicht schutzsuchend an die Behörden gewendet hatte.

40

Der Kläger zu 1 erfüllt damit die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling aufgrund der Vorverfolgung wegen seiner Religion und der daraus resultierenden Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung in seinem Herkunftsland. Die dem Kläger zu 1 aufgrund der Vorverfolgung zugutekommende tatsächliche Vermutung für eine erneute Verfolgung im Falle der Rückkehr kann nicht widerlegt werden. Auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Auskunftslage sprechen keine stichhaltigen Gründe gegen die Annahme, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung bedroht wird.

41

Eine Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG ist nicht ersichtlich. Eine Rückkehr gerade nach Kabul ist nicht zumutbar. Art. 4 Abs. 4 QRL privilegiert den Vorverfolgten dahingehend, dass für denjenigen, der bereits eine Vorverfolgung erlitten hat, die tatsächliche Vermutung besteht, dass sich frühere Handlungen bei einer Rückkehr wiederholen werden. Dadurch wird der Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei einer Rückkehr erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (VG Würzburg, Urt. v. 18.07.2016 – W 2 K 15.30591 – juris Rn. 33).

42

Nach alledem ist daher der Klage mit dem Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger zu 1 nach § 3 AsylG stattzugeben.

b)

43

Die Klägerin zu 2 und die Klägerin zu 3 haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund einer individuellen Verfolgung aufgrund ihrer Religion.

44

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 haben übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie in Afghanistan belästigt und als Ungläubige beschimpft worden seien. Sie, insbesondere die Frauen, hätten nicht nach draußen gehen und ihre Religion nur im Innern des Tempels ausüben können. Die Kinder hätten nicht zur Schule gehen können.

45

Diese Schilderungen decken sich mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Kläger Diskriminierungen ausgesetzt waren, sie in ihrer Lebensqualität eingeschränkt waren und sie sich daraufhin veranlasst sahen, den sicheren Schutz im Tempel nicht aufzugeben. Diese Einschränkungen sind jedoch als nicht so gravierend anzusehen, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen nicht tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Beschimpfungen und Belästigungen weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Kläger ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber den Klägern, denen dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Wenn die Kläger entschieden haben, den sicheren Schutz des Tempels nicht zu verlassen, so beruhte dies auf ihrer eigenen Einschätzung; eine Reaktion auf die Gefahr einer oben genannten Rechtsverletzung ist nicht erkennbar. Die Kläger wollten offenbar vielmehr den täglichen Anfeindungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit entgehen, nicht dagegen einer schwerwiegenden Verletzung im oben genannten Sinne, also Lebensgefahr, Gefahr vor Folter, Sklaverei oder rechtswidriger Bestrafung, vorbeugen. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin (vgl. hierzu VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 51).

46

Soweit die Kläger vortragen, dass sie nicht in die Schule gehen konnten, deckt sich dies nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Kläger die Schule nicht besucht haben, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Kläger keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen (vgl. hierzu VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 52).

47

Sind die Klägerinnen zu 2 und 3 nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.

c)

48

Die Klägerin zu 2 und die Klägerin zu 3 können einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht aus § 26 Abs. 1, Abs. 2 und 5 Satz 1 AsylG herleiten. Danach wird der Ehegatten oder der Lebenspartner und ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist; dies gilt auch bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Dem Anspruch steht im vorliegenden Fall entgegen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger zu 1 im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) noch nicht unanfechtbar ist. Die von Teilen der Rechtsprechung (vgl. etwa VG München, Urt. v. 17.03.2016 - M 22 K 15.30256 -, juris Rn. 50 sowie VG Schwerin, Urt. v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As -, juris Rn. 54 f.) bisweilen vertretene Auffassung, in Fällen, in denen mehrere Familienangehörige Beteiligte desselben Asyl- und Verwaltungsstreitverfahrens sind, könne die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes an Familienangehörige im Sinne von § 26 AsylG (Ehegatten und Kinder) unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den anderen Familienangehörigen (Ehegatte oder Eltern) gestellt werden, ist mit § 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG nicht vereinbar. Zum von Gesetzes wegen maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gewährung von internationalem Schutz für Familienangehörige schlicht nicht vor, so dass für eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten kein Raum bleibt. Zudem ist nicht ersichtlich, wie in derartigen Fällen damit umzugehen ist, wenn die aufschiebende Bedingung - Eintritt der Unanfechtbarkeit - nicht eintritt. In diesem Falle kommt den Familienangehörigen kein wirksamer Rechtschutz zu (VG Greifswald, Urt. v. 02.12.2016 – 3 A 1400/16 As -).

III.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylG.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung [ZPO].

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 273/16 As HGW

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 273/16 As HGW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 273/16 As HGW zitiert 21 §§.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

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(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26 Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige


(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn 1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Sta

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Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 273/16 As HGW zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 05. Juli 2016 - W 1 K 16.30615

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Tenor I. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und

Verwaltungsgericht München Urteil, 17. März 2016 - M 22 K 15.30256

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Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, den Klägern zu 3) bis 9) zum Zeitpunkt der Unanf

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 3. Januar 2012 gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie habe in Afghanistan nie eine Schule besucht und könne weder lesen noch schreiben, sie lerne dies gerade erst in Deutschland. Sie habe auch keinen Beruf erlernt oder gearbeitet, nur im Haushalt geholfen. Ihre wirtschaftliche Lage in Afghanistan sei durchschnittlich bzw. gut gewesen. Ihr Vater, der selbstständiger Fotograf gewesen sei, habe die Familie versorgt. In Ghazni hätten sie ein eigenes Haus gehabt, später in Kabul hätten sie ein Haus gemietet. In Afghanistan lebten keine weiteren Verwandten von ihr.

Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.

Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 lehnte das Bundesamt die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziffer 3) nicht vorliegen und forderte die Klägerin zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von einer Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan nicht ausgegangen werden könne. Zudem habe die Klägerin eine individuelle konkrete und asylerhebliche Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Ihr Vortrag könne ihr aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht abgenommen werden. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da davon auszugehen sei, dass bei einer gemeinsamen Rückkehr der Familie nach Afghanistan der Vater wiederum wie bereits vor der Ausreise den Lebensunterhalt der Familie sicherstellen könne. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

II.

Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2012 als Asylberechtigte anzuerkennen.

2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.

Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 6. Juni 2016 hat die Kammer nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2016 bewilligte das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe, soweit die Klage auf die Verpflichtung gerichtet ist, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).

A. I.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v. 4.6.1996 - NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f., juris). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch eines jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse drohenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 187).

1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG, B.v. 15.6.2016 - 13a ZB 16.30083 - juris Rn. 4, 6; BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 17 m. w. N.; B.v. 30.9.2015 - 13a ZB 15.30063 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 3.3.2016 - 13a A 1828/09 A - juris Rn. 73 m. w. N.; Sächs. OVG, B.v. 21.10.2015 - 1 A 144/15.A - juris; Nds. OVG, U.v. 20.7.2015 - 9 LB 320/14 - juris). Für eine Neubewertung der Lage in Afghanistan geben auch die jüngsten Berichte u. a. des UNHCR (Eligibility Guidelines vom 19. April 2016), des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 6. November 2015) sowie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 13. September 2015) derzeit keinen Anlass (vgl. etwa BayVGH, B.v. 15.6.2016 - 13a ZB 16.30083 - juris Rn. 6).

b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13.A - juris Rn. 40 m. w. N.; VG Augsburg, U.v. 13.3.2012 - Au 6 K 11.30402 - juris Rn. 28).

Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 6. November 2015 fest, dass die humanitäre Situation weiterhin schwierig bleibe. Neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen stelle vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen. Rückkehrer nach Afghanistan könnten auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehrten und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlten. Wie alle Afghanen sähen sie sich mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, die eine Wiedereingliederung erschweren könnten. Afghanistan sei nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belege Afghanistan in 2015 nur Platz 169 von 187 im Human Development Index. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen, gerieten dadurch zusätzlich unter Druck. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung für das Land. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß in verstärktem Maße gelte. Aktuell liege die Lebenserwartung in Afghanistan bei ca. 50 Jahren.

Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom 13. September 2015 mit, dass Afghanistan weiterhin eines der weltweit ärmsten Länder bleibe. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Weite Teile der Bevölkerung hätten aufgrund des Konflikts nur einen eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheit und Arbeit. Die Arbeitslosenrate betrage bis zu 50% und Unterbeschäftigung sei weit verbreitet. Jedes Jahr gelangten weitere ca. 500.000 junge Personen auf den Arbeitsmarkt. Die Mehrheit verfüge nur über eine unzureichende Qualifikation. Die Analphabetenrate sei nach wie vor sehr hoch. Vor allem in Kabul gehöre die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Die Situation für Rückkehrende bleibe weiterhin schwierig. Der Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und anderen Dienstleistungen sei teilweise erschwert. Aufgrund der fehlenden Netzwerke sei es äußerst schwierig, eine Verdienstmöglichkeit und eine Unterkunft zu finden. Die Unterstützung durch Hilfswerke mit Nahrungsmitteln oder Bargeld habe eher symbolischen Wert. Während der afghanische Staat kaum in der Lage sei, die Rückkehrenden wirksam zu unterstützen, könnten auch die humanitären Organisationen aufgrund der zurückgehenden finanziellen Mittel diese Rolle immer weniger erfüllen.

Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom 19. April 2016, dass sich infolge der wachsenden Gewalt und Unsicherheit über die Zukunft die wirtschaftliche Situation verschlechtert und das ökonomische Wachstum von 2014 auf 2015 verlangsamt habe. Die Arbeitslosigkeit liege inzwischen bei 40%. Beobachter erwarteten, dass die Zahl der Menschen, die humanitärer Unterstützung bedürften, in 2016 ansteigen werde. 8,1 Millionen Menschen - bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 27 Millionen - seien Ende 2015 von humanitärer Unterstützung abhängig gewesen. 35,8% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Nur 46% der Bevölkerung habe Zugang zu Trinkwasser. Afghanistan belege Platz 171 von 188 Staaten im UN Human Development Index. Der UNHCR stellt weiterhin fest, dass die einzige Gruppe von Rückkehrern, die nicht von externer Unterstützung abhängig sei, körperlich leistungsfähige Männer und Paare im arbeitsfähigen Alter ohne erkennbare sonstige Beeinträchtigungen sei. Diesem Personenkreis sei es unter bestimmten Umständen möglich, unabhängig von familiärer Unterstützung in Gebieten, die unter effektiver Kontrolle der Regierung stünden und die die notwendige Infrastruktur und Wohnmöglichkeiten aufwiesen, zu leben.

c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.

d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.

Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH vom 7.10.2010, S. 9). Die Klägerin wäre als Frau unter diesen Umständen keinesfalls in der Lage, in dem harten Verdrängungswettbewerb mit der enormen Zahl von jungen Männern, die alljährlich auf diesen Teil des afghanischen Arbeitsmarktes drängen, um die einfachen und körperlich anstrengenden Hilfsarbeiten zu konkurrieren.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.

Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:

Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH vom 7.10.2010, S. 9). Hierbei könnte auch der Vater der Klägerin im Wettbewerb mit der großen Zahl an jungen und körperlich weit überlegenen Männern, die alljährlich auf den afghanischen Arbeitsmarkt drängen, nicht mehr bestehen, so dass es für ihn keine Aussicht gäbe, auch nur eine derartige Hilfsarbeitsmöglichkeit zu erlangen. In seinem ursprünglichen Beruf als Fotograf hat der Vater zuletzt bereits in Afghanistan nicht mehr gearbeitet, nachdem die Familie von Ghazni nach Kabul verzogen war, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Das Gericht sieht keine Möglichkeit, dass er an diese Tätigkeit nach seiner Rückkehr - ganz abgesehen von seinem dem entgegenstehenden hohen Alter - noch einmal anknüpfen könnte, zumal er gänzlich vermögenslos ist und nicht mehr über eine entsprechende Ausrüstung verfügt, um diesbezüglich tätig zu werden. Der Vater der Klägerin verfügt nämlich weder hier in Deutschland noch in Afghanistan über Vermögen. Er hat insofern auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar vorgetragen, dass er insbesondere seinen Grundbesitz in der Stadt Ghazni seinerzeit verkauft habe, um die Flucht der Familie zu finanzieren, was sich insoweit auch mit seinen Angaben vor dem Bundesamt deckt.

Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.

Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.

II.

Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.

B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

III.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.

Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.

Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.

So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.

Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.

Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.

2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.

Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11 - BayVBl. 2013, 234, Rn. 57 ff.) sowie der deutschen Rechtsprechung (BVerwG v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 21 ff.; VGH BW v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 - juris Rn. 41 ff.; OVG NRW v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 23 ff.), der sich das erkennende Gericht anschließt, auch in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Rechtes auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (EuGH a. a. O. Rn. 59). Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht (BVerwG a. a. O. Rn. 21). Zur Qualifizierung eines Eingriffs in das Recht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta als „erheblich“ kommt es nicht auf die im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sowie § 51 Abs. 1 AuslG 1990 maßgebliche Unterscheidung an, ob in den Kernbereich der Religionsfreiheit, das „religiöse Existenzminimum“ (forum internum) eingegriffen wird oder ob die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit (forum externum) betroffen ist (vgl. BVerwG v. 20.1.2004 - 1 C 9/03 - BverwGE 120,16/20 f., juris Rn. 12 ff. m. w. N.). Vielmehr kann ein gravierender Eingriff in die Freiheit, den Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, ebenso zur Annahme einer Verfolgung führen wie ein Eingriff in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH a. a. O. Rn. 62 f; BVerwG a.a.O Rn. 24 ff.; VGH BW a. a. O. Rn. 43; OVG NRW a. a. O. Rn. 29 ff.). Für die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ist daher abzustellen auf die Art der Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (EuGH a. a. O. Rn. 65 ff.), mithin auf die Schwere der Maßnahmen und Sanktionen, die dem Ausländer drohen (BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).

Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).

Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).

Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG v. 9.12.2010 - 10 C 19.09 - BverwGE 138, 270 Rn. 43). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG v. 20.2.2013 a. a. O. Rn. 29). Dieser Maßstab setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste (BVerwG a. a. O. Rn. 30). Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedsstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben auszuüben oder hierauf zu verzichten (BVerwG a. a. O.; VGH BW a. a. O. Rn. 49).

Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.

Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.

Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.

Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.

Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.

3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.

Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.

Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.

Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.

Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.

Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.

Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.

Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.

All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.

IV.

Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.

Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.

Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07 - juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 22 ff. m. w. N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d. h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - ZAR 2011, 395, Rn. 220 m. w. N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 - Jalloh, 54810/00 - NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a. a. O.; Hailbronner a. a. O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z. B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a. a. O., Rn. 24, 25).

Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.

Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.

2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.

V.

Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.

VI.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Juli 2015 wird in Ziffern 1 und 3 bis 5 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der am … 1972 geborene Kläger zu 1 und die am ... 1975 geborene Klägerin zu 2 sind afghanische Staatsangehörige hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Sie sind verheiratet und stammen aus Jalalabad, wo sie sich nach eigenen Angaben bis zu ihrer Ausreise aufgehalten haben. Die am ... 2002 und am ... 2004 ebenfalls in Jalalabad geborenen Kläger zu 3 und 4 sind ihre Söhne.

Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge am 25. Oktober 2012 über Pakistan und Dubai auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 14. November 2012 einen Asylantrag.

Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 9. Oktober 2014 gab der Kläger zu 1 im Wesentlichen an, dass er keine Schule besucht habe, jedoch etwas Lesen und Schreiben könne. Er sei im Geschäft eines anderen Hindus angestellt gewesen und habe mit Kleidung gehandelt. Er habe in der Tempelanlage gewohnt, wo er auch sein Essen erhalten habe. Die Taliban hätten verlangt, dass sie zum Islam konvertierten, dass sie die heiligen Bücher vor ihnen lesen könnten, dass sie ihre Namen in islamische Namen änderten. Er sei auf dem Weg zur Arbeit immer wieder zusammengeschlagen worden. Unterwegs seien dann 3 bis 4 Leute von den Taliban gekommen und hätten nach seinem Namen und seiner Religion gefragt. Sie hätten dann gesagt, wenn er in Afghanistan bleiben wolle, müsse er seinen Namen und seine Religion ändern. Einer habe ihn dann mit seinen Händen geschlagen, die beiden übrigen hätten ihn mit dem Gewehr auf den Rücken bzw. auf den Kopf geschlagen. Als er auf dem Boden gelegen habe und am Kopf geblutet habe, hätten sie ihn liegen lassen und seien weggegangen. Das habe nicht lange gedauert, etwa 10 bis 15 Minuten. Er sei hier von einem Arzt untersucht worden. Es seien Röntgenaufnahmen gemacht worden. Die Schmerzen, die er noch von diesen Schlägen habe, vergingen allmählich. Er habe auch noch eine Narbe davon am Kopf. Die ersten beiden dieser Vorfälle hätten sich während der Regierung der Taliban ereignet. Der letzte Vorfall sei gewesen, als die Taliban eigentlich ausgesperrt gewesen seien. Sie seien aber immer wieder in die Stadt gekommen. In der Tempelanlage, in der sie gewohnt hätten, hätten etwa 4 bis 5 Hindu-Familien gewohnt. Jede Familie habe versucht wegzugehen. Als er ausgereist sei, seien nur noch zwei Familien da gewesen. Als er Afghanistan verlassen habe, hätten sie ihre Tempelanlage schließen wollen. Er kenne niemanden mehr in Afghanistan und wüsste nicht, wohin er gehen solle.

Die Klägerin zu 2 gab an, ihre Lage in Afghanistan sei nicht gut gewesen. Es seien mehrere Leute ausgereist. In Afghanistan habe man als Frau überhaupt keine Freiheiten. Sie habe ihre Kinder aus Angst nicht rausgelassen. Sie habe gesehen, dass Leute ihre Kinder angespuckt und ihnen gesagt hätten, dass sie keine Muslime seien. Sie hätten in ständiger Angst gelebt. Ihr Mann (der Kläger zu 1) habe gesagt, dass sie Muslime werden müssten, wenn sie weiter in Afghanistan bleiben wollten. Er sei immer wieder aufgefordert worden, zu konvertieren. Als die Taliban zurückgeschlagen worden seien, hätte sich die Situation für sie nicht wesentlich verändert. Sie hätte sehr viel Angst gehabt, nachdem ihr Mann zwei- bis dreimal zusammengeschlagen worden war. Einmal sei sie dabei gewesen und habe es selbst gesehen. Ihr Mann sei zur Arbeit gegangen, sie sei mitgegangen, um einkaufen zu gehen. Plötzlich seien 3 bis 4 Leute gekommen. Sie hätten sie aufgefordert, ihre Namen zu nennen. Sie hätten gesagt, dass sie keine Muslime seien, aber Muslime werden müssten. Sie hätten angefangen, ihren Mann zu schlagen, ins Gesicht, auf den Kopf und auf den Rücken. Sie hätten auch Angst gehabt, die Kinder in die Schule zu schicken. Sie seien im Tempel unterrichtet worden. Ihre Kinder hätten nicht alleine rausgehen dürfen, sondern nur, wenn ihr Mann dabei gewesen sei. Aus der Tempelanlage, in der sie gewohnt hätten, würden die Leute wegziehen.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2) ab. Der subsidiäre Schutz werde nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) lägen nicht vor (Ziffer 4). Es forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan auf, binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziffer 5). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen. Er wurde den Klägern am 12. August 2015 zugestellt

Gegen den Bescheid ließen die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten am 14. August 2015 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Die Kläger hätten ihr Heimatland aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Sie hätten aus Afghanistan fliehen müssen, da sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Eine inländische Fluchtalternative bestehe nicht. Hierzu werde auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, die UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrergefährdung sowie diverse andere mögliche Erkenntnisquellen verwiesen. Die Kläger könnten in einem anderen Landesteil ihre wirtschaftliche Existenz nicht sichern. Vorsorglich wird unter Verweis auf ein Urteil des VG Regensburg vom 8. Januar 2015, RN 7 K 14.30016, vorgetragen, dass eine extrem schlechte Versorgungslage im Herkunftsland unter besonderen Umständen einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründe. Den Klägern drohe bei einer Rückkehr aufgrund der Sicherheitslage und der sozialen Bedingungen, maßgeblich verstärkt durch Gefahren erhöhende Umstände wie ihrer hinduistischen Religionszugehörigkeit, solche besonders schlechten humanitären Bedingungen. Dazu wird auf verschiedene Erkenntnisquellen verwiesen. Hilfsweise wird unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bay. VGH (U.v. 21.11.2014, 13a B 14.30285) vorgetragen, dass eine Abschiebung gegen Art. 3 EMRK verstoße, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Es sei in Afghanistan unmöglich das Existenzminimum für eine Familie zu erwirtschaften. Dies sei allenfalls für alleinstehende leistungsfähige Männer oder verheiratete Paare im berufstätigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf möglich.

Die Kläger lassen beantragen,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. Juli 2015 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

2. hilfsweise, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

3. hilfsweise, festzustellen, dass bei den Klägern Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2015, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Zu diesem Zeitpunkt ist die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) zulässig und begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Insoweit ist der Bescheid des Bundesamtes vom 14. Juli 2015 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gem. § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG.

Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Hierbei kann es sich auch um Organisationen ohne Gebietsgewalt, Gruppen oder auch Einzelpersonen handeln, von denen eine Verfolgung ausgeht. Nach Art. 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 -BayVBl. 2013, 234, Rn. 57 ff.) sowie der deutschen Rechtsprechung (BVerwG v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 21 ff.; VGH B.-W. vom 12.6.2013 - A 11 S 757/13 - juris Rn. 41 ff.; OVG NRW vom 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 23 ff.), auch in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Rechtes auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (EuGH a. a. O. Rn. 59). Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht (BVerwG a. a. O. Rn. 21). Zur Qualifizierung eines Eingriffs in das Recht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta als „erheblich“ kommt es nicht auf die im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sowie die beim früheren § 51 Abs. 1 AuslG 1990 maßgebliche Unterscheidung an, ob in den Kernbereich der Religionsfreiheit, das „religiöse Existenzminimum“ (forum internum) eingegriffen wird oder ob die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit (forum externum) betroffen ist (vgl. BVerwG vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 - BVerwGE 120, 16/20 f., juris Rn. 12 ff. m. w. N.). Vielmehr kann ein gravierender Eingriff in die Freiheit, den Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, ebenso zur Annahme einer Verfolgung führen wie ein Eingriff in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH a. a. O. Rn. 62 f.; BVerwG a. a. O. Rn. 24 ff.; VGH B.-W. a. a. O. Rn. 43; OVG NRW a. a. O. Rn. 29 ff.). Für die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ist daher abzustellen auf die Art der Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (EuGH a. a. O. Rn. 65 ff.), mithin auf die Schwere der Maßnahmen und Sanktionen, die dem Ausländer drohen (BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.; VGH B.-W. a. a. O.; OVG NRW a. a. O.).

Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).

Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O. Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O., Rn. 26).

Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH B.-W. a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG v. 9.12.2010 - 10 C 19.09 - BVerwGE 138, 270 Rn. 43; VGH B.-W. a. a. O.). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG v. 20.2.2013 a. a. O. Rn. 29). Dieser Maßstab setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste (BVerwG a. a. O. Rn. 30). Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Demgegenüber reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedsstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben auszuüben oder hierauf zu verzichten (BVerwG a. a. O.; VGH B.-W. a. a. O. Rn. 49).

Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass den Klägern bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG wegen ihrer Religion droht.

Zwar geht das Gericht nicht von einer Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan aus und folgt insoweit dem Bescheid des Bundesamts vom 14. Juli 2015, auf den zu diesem Aspekt Bezug genommen wird. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung jedoch eine individuelle Vorverfolgung in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit glaubhaft gemacht, so dass für sie die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL streitet.

Der Kläger zu 1 hat auf Nachfrage zu seiner Religionsausübung in Jalalabad in der mündlichen Verhandlung - in Übereinstimmung mit den vorliegenden Erkenntnisquellen - glaubhaft geschildert, dass es ihm beim Versterben seiner Mutter im Jahr 2006 aufgrund der gesellschaftlichen wie staatlichen Repressionen unmöglich war, diese entsprechend den - auch von ihm als zutiefst verbindlich empfundenen - hinduistischen religiösen Geboten zu kremieren. Er habe ihren Leichnam ohne die notwendige Feuerbestattung dem Fluss übergeben müssen. Seine diesbezügliche Schilderung zeugte von innerer Bewegung, ohne jedoch übertrieben oder aufgesetzt zu wirken. So schilderte er auch, dass sie auch nach dem Sturz der Taliban hinduistische Feierlichkeiten und Feiertage zwar im Tempel hätten feiern können, sie aber nicht zu Umzügen oder Prozessionen nach draußen hätten gehen können. Dies widerspricht nicht den aktuellen Erkenntnismitteln, nach denen die afghanische Regierung den Hindus neuerdings einen für Feuerbestattungen gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt hat (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6.11.2015). Auch heute noch werden nach Angaben des Auswärtigen Amtes Trauerzüge auf dem Weg dorthin belästigt und bedroht. Bei der Ausübung religiöser Zeremonien kommt es auch heute immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update v. 13.9.2015).

Die Schilderungen des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung war durchgängig nachvollziehbar. Sie wirkten beide glaubwürdig und authentisch. Ihr Vortrag war im Vergleich zu den Anhörungen beim Bundesamt weder gesteigert, noch wirkte er aufgesetzt oder zielgerichtet. Auf gezielte, beim Bundesamt nicht gestellte Fragen konnten beide spontan, konkret und detailliert antworten. So berichtete der Kläger zu 1, sie hätten erst im Jahr 2000 im Tempel als dauerhafter Wohnung Zuflucht gesucht. Ihr Haus sei zuvor von den Taliban zerstört worden. Der Angriff habe nicht ihnen allein gegolten. Es seien noch andere Häuser zerstört worden. Darunter vor allem Hindus und Sikhs, aber auch andere Moslems.

Auch sein Bericht, dass er auf dem Weg vom Tempel zur Arbeit regelmäßig von Fremden angesprochen und nach seinem Namen gefragt worden sei, war in sich schlüssig und glaubwürdig geschildert. Da sich aus seinem Namen seine hinduistische Religionszugehörigkeit erkennen ließe, sei er beschimpft worden. Sie hätten ihn immer wieder aufgefordert, zu konvertieren. Drei bis viermal sei er dabei auch zusammengeschlagen worden. Dies sei nicht nur ihm so passiert, sondern vielen Hindus auf dem Weg vom und zum Tempel. Denn auf dem Weg vor dem Tempel seien sie leicht als Hindus zu erkennen gewesen. Die Schläger hätten gezielt dort gewartet, dass jemand aus dem Tempel herauskäme. Sie hätten ihnen dann auch meistens Geld und Wertgegenstände abgenommen. Deswegen habe sein damaliger Chef ihn aus Sicherheitsgründen manchmal nach der Arbeit nach Hause gebracht. Auf Nachfrage des Gerichts konnte der Kläger zu 1 die Überfälle konkret und ohne Umschweife schildern. Auch bei Rückfragen wirkte sein Vortrag weder gesteigert noch stereotyp. Insbesondere den letzten Überfall, der sich schon nach dem Sturz der Taliban ereignet hatte, berichtete der Kläger plausibel und detailliert. Dabei stimmte er sowohl vom äußeren Ablauf als auch vom inneren Zusammenhang mit den Aussagen der ebenfalls befragten Klägerin zu 2 überein, die ebenfalls Opfer dieses Übergriffes war. Anders als bei der Bundesamtsbefragung gelang es dem Gericht durch Nachfrage, die Klägerin zu 2 zu einer ausführlicheren Schilderung zu motivieren und dabei herauszuarbeiten, dass die Klägerin zu 2 keineswegs nur Zeugin des Vorfalls war, sondern ebenfalls tätlich angegriffen und sexuell belästigt wurde. Sie sei zwar voll verschleiert und in Begleitung ihres Ehemannes gewesen, aber man habe sie aber durch das Verlassen des Tempels als Hindus identifizieren können. Die Männer, drei bis vier an der Zahl, hätten ihr die Kette heruntergerissen, aus der ersichtlich gewesen sei, dass sie eine verheiratete Frau sei. Sie hätten ihr und ihrem Mann das Geld abgenommen, dass sie bei sich gehabt hatten, weil sie auf dem Weg zum Einkauf war. Ihr Mann, der versucht habe, sie zu schützen, sei schwer verletzt worden. Er habe ein blutende Kopfwunde sowie eine gebrochenen Arm davon getragen. Sie beide hätten sich dem Übergriff und weiteren sexuellen Zudringlichkeiten nur mit knapper Not durch die Flucht zurück in den Tempel entziehen können. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass sich die Ereignisse so zugetragen haben, wie sie von der Klägerin zu 2 und dem Kläger zu 1 dargestellt wurden. Es hatte an keiner Stelle der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass die Klägerin zu 2 eine Geschichte erzählte, die sie nicht selbst erlebt hat. So konnte auch die Klägerin zu 2 auf gezielte Nachfragen des Gerichts konkret und ohne Ausflüchte antworten.

Das Gericht führt den Angriff auf die Kläger auf ihre Religionszugehörigkeit zurück. Die Kläger wurden in unmittelbarer Umgebung ihres Tempels angegriffen. Zwar ist die Ernsthaftigkeit der mit den Tätlichkeiten verbundenen Aufforderungen, zu konvertieren, letztlich nicht aufklärbar. Denn das Motiv der Täter dürfte nicht ausschließlich religiös gewesen sein. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn Anknüpfungspunkt für die Übergriffe war jedenfalls die Religionszugehörigkeit der Kläger. Als Angehörige der religiösen Minderheit der Hindus waren die Kläger auch für Kriminelle jeder Art leichte Beute, denen man unter dem Deckmantel religiöser Mission ungestraft Geld und Wertsachen entwenden, sowie sexuell belästigen konnte. Die Anwendung erheblicher physischer Gewalt gegen die Kläger stellt in Verbindung mit den vorherigen Übergriffen auf den Kläger zu 1 sowie den Einschränkungen bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien eine Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG dar. In die wertende Gesamtbetrachtung, die im Rahmen von § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG fließt zudem gem. § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG die Handlungen ein, die gegen die Kläger zu 3 und 4, als Kinder der Kläger zu 1 und 2 gerichtete waren. Anders als im Bundesamtsbescheid vom 14. Juli 2015 dargestellt, wurde der Schulbesuch der Kläger zu 3 und 4 sehr wohl von anderen Akteuren aktiv verhindert. Denn im Einklang mit seinen Eltern, den Klägern zu 1 und 2, schilderte der Kläger zu 3, als inzwischen fast Vierzehnjähriger mit klaren und persönlichen Worten, wie er nicht nur von den Mitschülern, sondern auch von den Lehrkräften beschimpft und geschmäht worden sei. Die Lehrer hätten die anderen Mitschüler in ihren Ausschreitungen gegen ihn sogar noch bestärkt. Sie hätten ihn - von Beschimpfungen und Tätlichkeiten abgesehen - ignoriert und nicht am Unterricht teilhaben lassen. Das Gericht hegt keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Klägers zu 3, der für sein Alter einen reifen und überlegten Eindruck machte. Auch er wirkte in seiner persönlichen Schilderung authentisch, ohne dass das Gericht dabei verkennt, dass es sich um die Wiedergabe von Erinnerungen eines zum Erlebniszeitpunkt noch jungen Kindes handelt. Wegen des jugendlichen Alters des elfjährigen Klägers zu 4 verzichtete das Gericht auf dessen gesonderte Befragung. Es geht jedoch aufgrund der Aussagen der Kläger zu 1 bis 3 davon aus, dass ihm die gleiche Behandlung wie seinem Bruder, dem Kläger zu 3, widerfuhr. Zur Überzeugung des Gerichtes steht fest, dass die Schikanen, die die Kläger zu 3 und 4 in der Schule sowie auf dem Schulweg erleiden mussten, in der Gesamtschau, einer Verhinderung des Schulbesuchs gleich kommt. Denn den Klägern zu 1 und 2 blieb kaum eine andere Möglichkeit, als die Kläger zu 3 und 4 nicht mehr in die öffentliche Schule zu schicken, um sie vor einer weiteren Zuspitzung der Ausschreitungen zu bewahren. Der Unterricht, den die Kläger zu 3 und 4 ersatzweise bis zur Ausreise im Tempel durch den Sohn des Tempelvorstehers erfahren haben, kann - anders als vom Bundesamt im Bescheid vom 14. Juli 2014 bewertet - nicht als adäquater Ersatz für den Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen gesehen werden.

Die geschilderten Verfolgungshandlungen ging alle von nichtstaatlichen Akteuren i. S.v. § 3c Nr. 3 AsylVfG aus. Der afghanische Staat ist nach der Erkenntnismittellage auch heute noch nicht in der Lage, derartige Übergriffe auszuschließen. Insbesondere der massive Übergriff auf die Kläger zu 1 und 2 hat zur Überzeugung des Gerichts dazu geführt, dass die Klägerin zu 2 aus Angst vor Übergriffen wegen ihrer Religionszugehörigkeit ein Leben im Verborgenen im Tempel geführt habe und sich nicht mehr auf die Straße getraut haben. Auch die Kläger zu 3 und 4 durfte den Tempel nicht verlassen. Die damit verbundenen Einschränkungen und massiven psychischen Belastungen hat die Klägerin zu 2 beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung deutlich zum Ausdruck gebracht. Das von der Klägerin zu 2 beschriebene individuelle Verfolgungsschicksal ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittellage plausibel. Denn das Gericht geht unter Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel davon aus, dass Hindus in Afghanistan nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt sind. Die afghanische Regierung ist nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen (Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update v. 13.9.2015). Auch nach Angaben des UNHCR (UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 19. April 2016) werden nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert. Nicht-muslimische Minderheitengruppen leiden unter gesellschaftlicher Schikanierung und in manchen Fällen unter Gewalt; Berichten zufolge schützt die Regierung religiöse Minderheiten nicht gegen derartige Misshandlungen. Sikhs und Hindus sind - obwohl ihnen die öffentliche Ausübung ihrer Religion offiziell erlaubt ist - Berichten zufolge weiterhin Diskriminierungen ausgesetzt. Die Rechtsauslegung ist zudem der sunnitischen Rechtsschule unterworfen. Es wird zudem von Einschüchterungen und Schikanierungen von Sikhs und Hindus an ihren wichtigsten religiösen Feiertagen berichtet. Beide Religionsgemeinschaften können Berichten zufolge ihre Toten nicht nach ihren Bräuchen beerdigen, da sie von Personen, die in der Nähe der Kremationsstätten wohnen, daran gehindert werden. Berichten zufolge sind Sikhs und Hindus zu Opfern illegaler Enteignung und Beschlagnahme ihrer Grundstücke geworden und es ist berichtet worden, dass es ihnen nicht möglich ist, Eigentum zurückzuerhalten, das sie während der Zeit des Mudschaheddin-Regimes verloren haben. Das Recht auf Bildung von Kindern der Hindus und Sikhs wird Berichten zufolge selbst im ansonsten für Minderheiten noch relativ sicheren Kabul aufgrund von Schikanierung und Drangsalierung durch andere Schüler schwerwiegend beeinträchtigt. Zuverlässige Daten zur Größe der Gemeinschaften der Sikhs und Hindus in Afghanistan sind nicht verfügbar. Jedoch ist davon auszugehen, dass zahlreiche Sikhs und Hindus Afghanistan aufgrund schwerwiegender Probleme, denen sie ausgesetzt gewesen sind, verlassen haben. Die geringe Anzahl der in Afghanistan verbliebenen Sikhs und Hindus ist Berichten zufolge umso anfälliger für Misshandlungen (vgl. UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 19. April 2016). Etwas positiver wird die Lage der Hindus in Afghanistan vom Auswärtigen Amt bewertet (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6.11.2015). Demzufolge gebe es keine staatliche Diskriminierung, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus uns Sikhs schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus und Sikhs würden jedoch von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen.

Den aufgeführten Berichten lässt sich zumindest eine starke gesellschaftliche Diskriminierung der Hindus entnehmen. Diese war nach der Erkenntnismittellage auch im Zeitpunkt der Übergriffe auf die Kläger vor ca. vier Jahren gegeben, so dass der geschilderte Übergriff und das von ihnen geschilderte andauernde Klima der Angst problemlos in den gesellschaftlichen Kontext eingeordnet werden können.

Art. 4 Abs. 4 QRL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten dahingehend, dass für denjenigen, der bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, die tatsächliche Vermutung streitet, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, U.v. 7.9.2010 - 10 C 11/09 - juris Rn. 15; VG München, U.v. 27.6.2013 - M 1 K 13.30257 - juris Rn. 15). Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (VG München, U.v. 27.6.2013 - M 1 K 13.30257 - juris Rn. 15). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, U.v. 7.9.2010 - 10 C 11/09 - juris Rn. 15; VG München, U.v. 27.6.2013 - M 1 K 13.30257 - juris Rn. 15). Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Auch wenn den letzten Lageberichten des Auswärtigen Amtes tendenziell eine Verbesserung der Situation der Hindus in Afghanistan zu entnehmen ist, geht das Gericht auf der Basis der herangezogenen Erkenntnismittel, insbesondere der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 19. April 2016, von einem gesellschaftlichen Klima der Diskriminierung von Hindus aus, das es plausibel erscheinen lässt, dass sich Vorfälle wie der geschilderte wiederholen könnten. So hat auch der Kläger zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass sein ehemaliger Chef, ein Textilhändler und ebenfalls Hindu, im Mai 2016 auf offener Straße überfallen und getötet worden sei. Die näheren Umstände kenne der Kläger zu 1 nicht. Er wüsste nicht, wer die Täter gewesen seien. Es liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch nahe, dass auch dieser Überfall einen Anknüpfungspunkt in der hinduistischen Religionszugehörigkeit des Opfers hatte. Es ist für das Gericht naheliegend, dass hinter den früheren Angriff auf die Kläger, wie den aktuellen Überfall auf den, den Kläger nahestehenden Chef des Klägers zu 1 neben der persönlichen Absicht der Täter, sich zu bereichern, auch das Bestreben stand, den Angehörigen einer religiösen Minderheit zu beseitigen. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann deshalb auch durch die aktuelle Erkenntnislage nicht entkräftet werden.

Sollte man den Anknüpfungspunkt für die Verfolgung des Klägers zu 1 anders als das Gericht nicht in der Religion sehen, ist zumindest von einer individuellen Verfolgung auszugehen, die an die Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich der der Hindus anknüpft, die in der afghanischen Gesellschaft besonders verletzlich sind und sich daher als Opfer von Überfällen besonders anbieten.

Das Gericht geht davon aus, dass eine Verfolgungshandlung von hinreichender Intensität i. S. d. § 3a AsylVfG zumindest im Zusammenhang mit den vom Kläger geltend gemachten Einschränkungen bei der religiösen Betätigung und den Beschränkungen des Zugangs zu Bildung der Kläger zu 3 und 4 besteht. Denn in der Kumulation der unterschiedlichen Maßnahmen, denen die Kläger jeweils einzeln wie im Familienverband ausgesetzt waren, erscheinen sie so gravierend, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegen.

Der Kläger zu 1 hat glaubhaft geschildert, dass es ihm und seiner Gemeinde unmöglich gewesen sei, seine Mutter entsprechend den hinduistischen Bestattungsgeboten zu verbrennen. Im Gegensatz zum aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes gehen der aktuelle Report on International Religious Freedom des US-Außenministeriums und die neusten Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und des UNHCR nach wie vor davon aus, dass die Hindus Probleme bei der Totenbestattung beklagen, so dass die detaillierten und flüssigen Schilderungen des Klägers zu 1, die das Gericht als erlebnisbasiert einstuft, nicht einfach unter Hinweis auf eine entgegenstehende aktuellere Erkenntnismittellage von der Hand gewiesen werden können. Nach den Ausführungen von Dr. D. ist die korrekte Durchführung der Verbrennung und auch der anderen Trauerrituale wichtig für die weiteren Wiedergeburten des Verstorbenen und laden Angehörige schwere Schuld auf sich, wenn sie die vorgegebenen Regeln verletzen oder nicht vollständig ausführen (vgl. Dr. M. D., Gutachterliche Stellungnahmen vom 9. Mai 2007 an VG Oldenburg, S. 5). Das Gericht ist aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die fehlende Feuerbestattung der Mutter schwer auf dem Kläger zu 1 lastet und ihn bis heute emotional zutiefst bewegt.

Das Gericht ist nach der informatorischen Befragung der Kläger davon überzeugt, dass der hinduistische Glauben das Leben der Kläger prägt und sie diesen intensiv leben.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht den Klägern nicht zur Verfügung. Als Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern, ohne jedes familiäre Netzwerk und ohne Bezug zu Kabul oder einer anderen Stadt mit hinduistischer Gemeinde, hätten die Kläger als besonders verwundbare Angehörige einer religiösen Minderheit keinen Ort, an dem es ihnen möglich wäre, auch nur das Existenzminimum zu erwirtschaften.

Ausschlussgründe gem. § 3 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich, so dass die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben.

Nach alledem hat die Klage im Hauptantrag Erfolg, so dass über die Hilfsanträge nicht mehr zu entscheiden war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von 1 Monat nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,

Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,

zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Beschluss:

Den Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch., Sch1, Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen, wird gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt, wenn die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Kläger haben ihre finanzielle Bedürftigkeit dargetan. Zu den Erfolgsaussichten der Hauptsache wird auf das Urteil vom heutigen Tag verwiesen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

I.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 3. Januar 2012 gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie habe in Afghanistan nie eine Schule besucht und könne weder lesen noch schreiben, sie lerne dies gerade erst in Deutschland. Sie habe auch keinen Beruf erlernt oder gearbeitet, nur im Haushalt geholfen. Ihre wirtschaftliche Lage in Afghanistan sei durchschnittlich bzw. gut gewesen. Ihr Vater, der selbstständiger Fotograf gewesen sei, habe die Familie versorgt. In Ghazni hätten sie ein eigenes Haus gehabt, später in Kabul hätten sie ein Haus gemietet. In Afghanistan lebten keine weiteren Verwandten von ihr.

Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.

Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 lehnte das Bundesamt die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziffer 3) nicht vorliegen und forderte die Klägerin zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von einer Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan nicht ausgegangen werden könne. Zudem habe die Klägerin eine individuelle konkrete und asylerhebliche Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Ihr Vortrag könne ihr aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht abgenommen werden. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da davon auszugehen sei, dass bei einer gemeinsamen Rückkehr der Familie nach Afghanistan der Vater wiederum wie bereits vor der Ausreise den Lebensunterhalt der Familie sicherstellen könne. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

II.

Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2012 als Asylberechtigte anzuerkennen.

2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.

Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 6. Juni 2016 hat die Kammer nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2016 bewilligte das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe, soweit die Klage auf die Verpflichtung gerichtet ist, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).

A. I.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v. 4.6.1996 - NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f., juris). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch eines jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse drohenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 187).

1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG, B.v. 15.6.2016 - 13a ZB 16.30083 - juris Rn. 4, 6; BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 17 m. w. N.; B.v. 30.9.2015 - 13a ZB 15.30063 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 3.3.2016 - 13a A 1828/09 A - juris Rn. 73 m. w. N.; Sächs. OVG, B.v. 21.10.2015 - 1 A 144/15.A - juris; Nds. OVG, U.v. 20.7.2015 - 9 LB 320/14 - juris). Für eine Neubewertung der Lage in Afghanistan geben auch die jüngsten Berichte u. a. des UNHCR (Eligibility Guidelines vom 19. April 2016), des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 6. November 2015) sowie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 13. September 2015) derzeit keinen Anlass (vgl. etwa BayVGH, B.v. 15.6.2016 - 13a ZB 16.30083 - juris Rn. 6).

b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13.A - juris Rn. 40 m. w. N.; VG Augsburg, U.v. 13.3.2012 - Au 6 K 11.30402 - juris Rn. 28).

Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 6. November 2015 fest, dass die humanitäre Situation weiterhin schwierig bleibe. Neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen stelle vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen. Rückkehrer nach Afghanistan könnten auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehrten und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlten. Wie alle Afghanen sähen sie sich mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, die eine Wiedereingliederung erschweren könnten. Afghanistan sei nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belege Afghanistan in 2015 nur Platz 169 von 187 im Human Development Index. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen, gerieten dadurch zusätzlich unter Druck. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung für das Land. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß in verstärktem Maße gelte. Aktuell liege die Lebenserwartung in Afghanistan bei ca. 50 Jahren.

Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom 13. September 2015 mit, dass Afghanistan weiterhin eines der weltweit ärmsten Länder bleibe. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Weite Teile der Bevölkerung hätten aufgrund des Konflikts nur einen eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheit und Arbeit. Die Arbeitslosenrate betrage bis zu 50% und Unterbeschäftigung sei weit verbreitet. Jedes Jahr gelangten weitere ca. 500.000 junge Personen auf den Arbeitsmarkt. Die Mehrheit verfüge nur über eine unzureichende Qualifikation. Die Analphabetenrate sei nach wie vor sehr hoch. Vor allem in Kabul gehöre die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Die Situation für Rückkehrende bleibe weiterhin schwierig. Der Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und anderen Dienstleistungen sei teilweise erschwert. Aufgrund der fehlenden Netzwerke sei es äußerst schwierig, eine Verdienstmöglichkeit und eine Unterkunft zu finden. Die Unterstützung durch Hilfswerke mit Nahrungsmitteln oder Bargeld habe eher symbolischen Wert. Während der afghanische Staat kaum in der Lage sei, die Rückkehrenden wirksam zu unterstützen, könnten auch die humanitären Organisationen aufgrund der zurückgehenden finanziellen Mittel diese Rolle immer weniger erfüllen.

Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom 19. April 2016, dass sich infolge der wachsenden Gewalt und Unsicherheit über die Zukunft die wirtschaftliche Situation verschlechtert und das ökonomische Wachstum von 2014 auf 2015 verlangsamt habe. Die Arbeitslosigkeit liege inzwischen bei 40%. Beobachter erwarteten, dass die Zahl der Menschen, die humanitärer Unterstützung bedürften, in 2016 ansteigen werde. 8,1 Millionen Menschen - bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 27 Millionen - seien Ende 2015 von humanitärer Unterstützung abhängig gewesen. 35,8% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Nur 46% der Bevölkerung habe Zugang zu Trinkwasser. Afghanistan belege Platz 171 von 188 Staaten im UN Human Development Index. Der UNHCR stellt weiterhin fest, dass die einzige Gruppe von Rückkehrern, die nicht von externer Unterstützung abhängig sei, körperlich leistungsfähige Männer und Paare im arbeitsfähigen Alter ohne erkennbare sonstige Beeinträchtigungen sei. Diesem Personenkreis sei es unter bestimmten Umständen möglich, unabhängig von familiärer Unterstützung in Gebieten, die unter effektiver Kontrolle der Regierung stünden und die die notwendige Infrastruktur und Wohnmöglichkeiten aufwiesen, zu leben.

c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.

d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.

Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH vom 7.10.2010, S. 9). Die Klägerin wäre als Frau unter diesen Umständen keinesfalls in der Lage, in dem harten Verdrängungswettbewerb mit der enormen Zahl von jungen Männern, die alljährlich auf diesen Teil des afghanischen Arbeitsmarktes drängen, um die einfachen und körperlich anstrengenden Hilfsarbeiten zu konkurrieren.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.

Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:

Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH vom 7.10.2010, S. 9). Hierbei könnte auch der Vater der Klägerin im Wettbewerb mit der großen Zahl an jungen und körperlich weit überlegenen Männern, die alljährlich auf den afghanischen Arbeitsmarkt drängen, nicht mehr bestehen, so dass es für ihn keine Aussicht gäbe, auch nur eine derartige Hilfsarbeitsmöglichkeit zu erlangen. In seinem ursprünglichen Beruf als Fotograf hat der Vater zuletzt bereits in Afghanistan nicht mehr gearbeitet, nachdem die Familie von Ghazni nach Kabul verzogen war, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Das Gericht sieht keine Möglichkeit, dass er an diese Tätigkeit nach seiner Rückkehr - ganz abgesehen von seinem dem entgegenstehenden hohen Alter - noch einmal anknüpfen könnte, zumal er gänzlich vermögenslos ist und nicht mehr über eine entsprechende Ausrüstung verfügt, um diesbezüglich tätig zu werden. Der Vater der Klägerin verfügt nämlich weder hier in Deutschland noch in Afghanistan über Vermögen. Er hat insofern auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar vorgetragen, dass er insbesondere seinen Grundbesitz in der Stadt Ghazni seinerzeit verkauft habe, um die Flucht der Familie zu finanzieren, was sich insoweit auch mit seinen Angaben vor dem Bundesamt deckt.

Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.

Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.

II.

Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.

B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

III.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.

Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.

Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.

So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.

Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.

Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.

2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.

Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11 - BayVBl. 2013, 234, Rn. 57 ff.) sowie der deutschen Rechtsprechung (BVerwG v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 21 ff.; VGH BW v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 - juris Rn. 41 ff.; OVG NRW v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 23 ff.), der sich das erkennende Gericht anschließt, auch in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Rechtes auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (EuGH a. a. O. Rn. 59). Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht (BVerwG a. a. O. Rn. 21). Zur Qualifizierung eines Eingriffs in das Recht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta als „erheblich“ kommt es nicht auf die im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sowie § 51 Abs. 1 AuslG 1990 maßgebliche Unterscheidung an, ob in den Kernbereich der Religionsfreiheit, das „religiöse Existenzminimum“ (forum internum) eingegriffen wird oder ob die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit (forum externum) betroffen ist (vgl. BVerwG v. 20.1.2004 - 1 C 9/03 - BverwGE 120,16/20 f., juris Rn. 12 ff. m. w. N.). Vielmehr kann ein gravierender Eingriff in die Freiheit, den Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, ebenso zur Annahme einer Verfolgung führen wie ein Eingriff in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH a. a. O. Rn. 62 f; BVerwG a.a.O Rn. 24 ff.; VGH BW a. a. O. Rn. 43; OVG NRW a. a. O. Rn. 29 ff.). Für die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ist daher abzustellen auf die Art der Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (EuGH a. a. O. Rn. 65 ff.), mithin auf die Schwere der Maßnahmen und Sanktionen, die dem Ausländer drohen (BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).

Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).

Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).

Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG v. 9.12.2010 - 10 C 19.09 - BverwGE 138, 270 Rn. 43). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG v. 20.2.2013 a. a. O. Rn. 29). Dieser Maßstab setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste (BVerwG a. a. O. Rn. 30). Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedsstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben auszuüben oder hierauf zu verzichten (BVerwG a. a. O.; VGH BW a. a. O. Rn. 49).

Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.

Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.

Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.

Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.

Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.

3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.

Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.

Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.

Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.

Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.

Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.

Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.

Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.

All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.

IV.

Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.

Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.

Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07 - juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 22 ff. m. w. N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d. h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - ZAR 2011, 395, Rn. 220 m. w. N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 - Jalloh, 54810/00 - NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a. a. O.; Hailbronner a. a. O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z. B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a. a. O., Rn. 24, 25).

Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.

Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.

2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.

V.

Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.

VI.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, den Klägern zu 3) bis 9) zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Zuerkennung gegenüber den Klägern zu 1) und 2).

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger - die Kläger zu 1) und zu 2) sind die Eltern der Kläger zu 3) bis 9) - sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten über die sog. Balkanroute in das Bundesgebiet ein und stellten am 20. März 2014 Asylanträge. Anträge auf internationalen Schutz hatten die Kläger zuvor bereits in Bulgarien gestellt, woraufhin ihnen mit Bescheiden vom 4. Dezember 2013 dort der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger zu 1) u. a. an, er und einer seiner Söhne seien von Regierungssoldaten verhaftet worden. Sein Sohn sei erheblich verletzt worden. Am nächsten Tag seien sie zwar wieder freigekommen. Der Kläger zu 1) habe im Folgenden aber die Information erhalten, dass sein Leben in Gefahr sei, weil er Rebellen Geld gegeben habe. Ihm sei empfohlen worden, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.

Mit Bescheid vom 12. März 2015 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab, forderte die Kläger zum Verlassen der Bundesrepublik auf und drohte diesen für den Fall, dass sie der Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen, die Abschiebung nach Bulgarien an. Weiter wurde festgestellt, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen.

In den Bescheidsgründen wurde unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - ausgeführt, die Asylanträge seien unzulässig, was aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat Bulgarien folge (§ 26a AsylVfG - jetzt: AsylG).

Am .... März 2015 ließen die Kläger durch ihren seinerzeitigen Bevollmächtigten gegen den (am 16.03.2015 zugestellten) Bescheid Klage erheben. Sie haben zuletzt beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2015 die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise hinsichtlich der Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen, beim klägerischen Antrag handle es sich um einen Zweitantrag nach § 71a AsylG, mit dem die Kläger auch die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft begehren würden. Mangels Übernahmezusage durch Bulgarien vor Ergehen der Entscheidung stehe nach den Regelungen der Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens fest. Weiter sei davon auszugehen, dass sich seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes die Lage in Syrien erheblich geändert habe. Der Klägerseite drohe nunmehr auch Verfolgung durch die ISIS. Hinreichender staatlicher Schutz stehe nicht zur Verfügung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Bescheidsgründe Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und im Hauptantrag begründet, da die Kläger wie tenoriert Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Dabei geht das Gericht davon aus, dass mit Blick auf den von der Klagepartei formulierten Antrag kein teilweises Unterliegen gegeben ist, es sich vielmehr in Bezug auf den Ausspruch im Urteil zur Zuerkennung gegenüber den Klägern zu 3) bis 9) in Abhängigkeit von der Unanfechtbarkeit der Zuerkennung gegenüber den Klägern zu 1) und 2) der Sache nach nur um ein Klarstellung handelt.

1. Vorab ist weiter darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung des Gerichts bei der hier gegebenen Konstellation der Ablehnung ohne Sachprüfung als unzulässig grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer sog. isolierten Anfechtungsklage besteht, mit Blick auf die Besonderheiten des Falles, weil die Beklagte den Antrag als Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylG hätte sachlich prüfen müssen, daneben aber auch von der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage auszugehen ist, wobei der Klagepartei, weil ihr bei einem „Durchentscheiden“ eine Klageinstanz verloren ginge, ein Wahlrecht hinsichtlich des Vorgehens einzuräumen ist (allgemein zu dieser Problematik Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 18 ff.; siehe hierzu auch BVerwG, U.v. 7.3.1995 - 9 C 264/94 - und, zum Durchentscheiden bei Asylfolgeanträgen, BVerwG, U.v. 10.2.1998 - 9 C 28/97 - beide in juris). Gegen die Umstellung des Klageantrags bestehen daher keine Bedenken (zur Beurteilung des Übergangs von einer isolierten Anfechtungsklage auf die Verpflichtungsklage als bloße Klageerweiterung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2008 - 11 C 08.889 - juris).

2. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Unrecht unter Berufung auf § 26a AsylG abgelehnt. Des Weiteren scheidet eine Umdeutung in eine Ablehnung nach § 27a AsylG aus (3.). Der Antrag wäre vielmehr, wie schon erwähnt, als Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylG zu behandeln gewesen, allerdings mit Modifikationen als Folge der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Unter Berücksichtigung der daraus folgenden Anforderungen ist festzustellen, dass den Klägern ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht (4).

3. Die Ablehnung eines Asylantrags unter Berufung auf die Drittstaatenregelung (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG), wie hier geschehen, kommt u. a. dann nicht in Betracht, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG). Das ist vorliegend der Fall.

3.1 § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG bezieht sich auf die Zuständigkeitsbestimmungen in den sog. Dublin-Verordnungen. Derzeit gilt die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-VO -, mit der die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 - Dublin II-VO - abgelöst wurde.

Wenn und soweit die Dublin-Regelungen anwendbar sind, bestimmt sich die Zuständigkeit allein nach deren Vorgaben. Ist danach davon auszugehen, dass ein anderer Dublinstaat für die Durchführung des Asylverfahrens bzw. nach Abschluss des dortigen Verfahrens für die Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen zuständig ist, erfolgt eine Verbescheidung eines in Deutschland gestellten Asylantrags ohne materielle Prüfung nach § 27a AsylG. Ist nach diesen Bestimmungen dagegen von einer Zuständigkeit Deutschlands auszugehen, hat das Bundesamt den Asylantrag sachlich zu prüfen. Ein Rückgriff auf die Regelung des § 26a AsylG scheidet in einem solchen Fall unabhängig von der Einreise des Asylbewerbers aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aus.

Die primäre Zielsetzung der Dublin-Regelungen ist darin zu sehen, dass es innerhalb der Mitgliedsstaaten nur einen zuständigen Staat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz geben soll (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO) und dieser für den Fall des negativen Verfahrensausgangs auch dafür zu sorgen hat, dass der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedsstaaten wieder verlässt, wenn ihm nicht aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird. Die Verordnung regelt daher neben der Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens auf internationalen Schutz weiter auch die Modalitäten der Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den zuständigen Mitgliedsstaat (Art. 20 ff. Dublin III-VO), und zwar auch für den Fall, dass der Drittstaatsangehörige nach Ablehnung seines Antrags in dem zuständigen Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat weiterreist und dort ggf. einen weiteren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stellt (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO, bisher Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO).

Die Dublin-Regelungen sind folglich anwendbar, wenn über einen (Erst-)Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes im zuständigen Mitgliedsstaat noch nicht abschließend entschieden wurde oder aber - mit Blick auf eine Wiederaufnahmeverpflichtung - der Antrag bestandskräftig abgelehnt wurde. Im letzteren Falle kann allerdings bei erneuter Antragstellung je nach den Umständen auch eine Verpflichtung zur sachlichen Prüfung des weiteren Antrags durch den Mitgliedsstaat, in den der Antragsteller weitergereist ist, entstehen, wenn die für ein Wiederaufnahmeverfahren zu beachtenden Fristen nicht eingehalten wurden (vgl. Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Stand: 1.2.2014, Art. 23 K 6).

Zum Begriff des Antrags auf internationalen Schutz verweist die Dublin III-VO in Art. 2 Buchst. b auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie/Neufassung), wonach ein solcher Antrag vorliegt, wenn der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt. Die Dublin II-VO bezog sich dagegen nur auf Anträge, die als Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedsstaates im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden konnten (vgl. Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO), erfasste also nicht auch einen Antrag auf subsidiären Schutz.

Nach Maßgabe der Dublin II-VO galten daher Antragsteller, deren Antrag auf Flüchtlingsanerkennung abgelehnt und denen lediglich der subsidiäre Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat zuerkannt wurde, als abgelehnte Asylbewerber mit der Folge, dass diese weiterhin dem Dublinregime unterfielen und sich auch deren Rückführung in den betreffenden Mitgliedsstaat nach den Regelungen der Verordnung richtete (vgl. Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO). Da die Dublin III-VO dagegen auch den subsidiären Schutz einbezieht, dürfte nunmehr in Fällen, bei denen dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat dieser Status zuerkannt wurde, der dort also zwar nicht als Flüchtling, aber als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt ist, auch soweit es um die Frage einer Rückführung in den betroffenen Mitgliedsstaat geht, die Verordnung nicht (mehr) anzuwenden sein (a.A. - die Zuerkennung subsidiären Schutzes hindert die Anwendung der Dublin III-VO nicht - wohl Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, 148/150; siehe hierzu auch VGH BW, U.v. 29.4.2015 - A 11 S 57/15 - juris Rn. 37 a.E. - und noch weitergehend Bergmann, ZAR 2015, 81/83).

Nach der hier vertretenen Auffassung sind aber jedenfalls für die Konstellation, dass die Zuerkennung des subsidiären Schutzes noch aufgrund eines Antrags erfolgte, auf den die Dublin II-VO anwendbar war (Übergangsfälle), die Dublin-Regelungen in Bezug auf eine Rückführung in den Schutz gewährenden Staat weiter anzuwenden.

Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO bestimmt, dass die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (das ist der 01.01.2014) gestellt werden - gemeint sind damit nur Erstanträge (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, a. a. O., Art. 49 K 3) - und ab diesem Zeitpunkt, ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung, für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern gilt. Die Dublin III-VO ist danach bei Antragstellern, die ihren maßgeblichen Erstantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt haben, zwar in Bezug auf die Verfahrensregelungen zu Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, im Übrigen aber nicht anwendbar. Die Festlegung der Zuständigkeit und damit der Pflicht des betroffenen Staates zur Aufnahme oder Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen bestimmt sich in diesen Übergangsfällen allein nach den Vorschriften der Dublin II-VO.

Hinsichtlich subsidiär Schutzberechtigter, deren Antrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, verhält es sich nach Auffassung des Gerichts folglich so, dass auf diese - weil die Betroffenen nach der Dublin II-VO als abgelehnte Asylbewerber gelten - weiterhin die Dublin-Regelungen bezüglich der Bestimmung des zuständigen Staates entsprechend den Vorgaben der Dublin II-VO anwendbar sind (so auch Marx, InfAuslR 2014, 227 und Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71a Rn. 31). Die Wiederaufnahmeverpflichtung folgt insoweit aus Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO. Das Verfahren zur Wiederaufnahme bestimmt sich dagegen nach den Regelungen der Dublin III-VO.

3.2 Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor, da die Kläger ihren Erstantrag noch unter Geltung der Dublin II-VO gestellt haben und ihnen in Bulgarien lediglich subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Für eine Überstellung der Kläger nach Bulgarien wären also die Dublin-Regelungen einschlägig gewesen, weshalb eine Ablehnung des Asylantrags unter Berufung auf § 26a AsylG nicht zulässig war.

3.3 Eine Umdeutung der Ablehnung nach § 26a AsylG in eine solche nach § 27a AsylG kommt gleichfalls nicht in Betracht, weil die Zuständigkeit für die Durchführung des (weiteren) Verfahrens auf die Bundesrepublik übergegangen ist (vgl. Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO). Die Fristen zur Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs waren zum Zeitpunkt der Verbescheidung der Anträge längst abgelaufen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass Bulgarien weiterhin bereit wäre, die Kläger im Vollzug der Dublin-Regelungen wieder aufzunehmen.

4. Nach Gemeinschaftsrecht ist mithin von einer Zuständigkeit der Bundesrepublik für die Durchführung des weiteren Asylverfahrens auszugehen. Der Antrag ist aber nicht als Erstantrag zu behandeln, denn es liegt auf der Hand, dass die von den Klägern in Bulgarien gestellten Anträge teilweise - hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - abgelehnt wurden. Das Bundesamt hätte den in der Bundesrepublik gestellten weiteren Asylantrag folglich als Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylG einstufen und entsprechend verbescheiden müssen.

4.1 Dazu ist zunächst festzustellen, dass der Umstand, dass den Klägern in Bulgarien subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, der Geltendmachung eines Anspruchs jedenfalls auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Rahmen eines Zweitantragsverfahrens nicht entgegensteht.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - (BVerwGE 150, 29), auf das sich die Beklagte insoweit ausweislich der Bescheidsbegründung beruft, betraf eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Fallgestaltung, da der Kläger in dem dortigen Verfahren in einem anderen Mitgliedsstaat als Flüchtling anerkannt worden war. Eine solche ausländische Flüchtlingsanerkennung hat zur Folge, dass der Betroffene nach § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG kraft nationalen Rechts nicht in den Herkunftsstaat abgeschoben werden darf. Einen Anspruch auf eine erneute Statusanerkennung durch das Bundesamt hat er nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber nicht. Dies gilt über § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch in Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Im hier zu entscheidenden Fall geht es dagegen um die Konsequenzen, die sich aus der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei vorheriger Gewährung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedsstaat für einen erneuten Asylantrag im Bundesgebiet ergeben.

Was diese hier vorliegende Konstellation angeht, dass eine Aufstockung des Schutzes begehrt wird, ist festzustellen, dass ungeachtet einer fehlenden nationalen Regelung, die eine Ablehnung als unzulässig rechtfertigen könnte, auch das maßgebliche Gemeinschaftsrecht einer solchen Vorgehensweise entgegensteht (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2015 - 1 B 41/15 - juris). Der Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Asylverfahrensrichtlinie/Neufassung) ist zu entnehmen, dass für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 gelten. Für vor dem Stichtag gestellte Anträge - wie im Fall der Kläger - bestimmt sich gemeinschaftsrechtlich die Frage der Ablehnung als unzulässig daher nach Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG. Nach Abs. 2 Buchst. a dieser Bestimmung können die Mitgliedsstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedsstaat aber nur als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Das war hier aber gerade nicht der Fall.

4.2 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung des Gerichts aufgrund des Anwendungsvorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen die sachliche Prüfung vorliegend entgegen § 71a Abs. 1 AsylG nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG abhängig gemacht werden darf, vielmehr der Antrag wie ein Erstantrag zu prüfen gewesen wäre. Die wie bereits erwähnt aufgrund der Antragstellung vor dem 20. Juli 2015 weiter anwendbare Richtlinie 2005/85/EG sah in Art. 32 Abs. 2 bis 6 eine Zulässigkeitsprüfung hinsichtlich neuer Elemente und Erkenntnisse sowie das Unterbleiben einer weiteren Prüfung, wenn diese aufgrund Verschuldens des Antragstellers im früheren Verfahren nicht vorgebracht wurden, nur vor, wenn ein Folgeantrag im selben Mitgliedsstaat gestellt wurde (Art. 32 Abs. 1 Satz 1). Auf die Stellung eines weiteren Asylantrags in einem anderen Mitgliedsstaat (im Gemeinschaftsrecht werden auch solche Anträge als Folgeantrag bezeichnet) sind diese Einschränkungen nicht übertragbar. Die inhaltliche Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem Mitgliedsstaat entfaltet auch keine sog. Tatbestandswirkung in Bezug auf ein weiteres in einem anderen Mitgliedsstaat durchzuführendes Verfahren. Insoweit verbleibt es also bei einer Prüfung nach den allgemeinen Kriterien (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71a Rn. 2 ff. m. w. N. zur Gegenmeinung; zur im Wesentlichen unveränderten Rechtslage unter Geltung der Richtlinie 2013/32/EU siehe dort Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 40).

4.3 Die Kläger können danach die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen.

4.3.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich

1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe,

2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,

a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder

b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Absätze 2 und 3 der Bestimmung beinhalten Exklusionsklauseln u. a. für den Fall des Verdachts der Begehung bestimmter schwerer Straftaten (Abs. 2) sowie bei anderweitiger Schutzgewährung durch eine Organisation oder Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR (Abs. 3).

Einzelheiten zum Begriff der Verfolgungshandlung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen, den Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren sowie zur Frage eines etwaigen internen Schutz regeln die §§ 3a bis e und 28 Abs. 1a und Abs. 2 AsylG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU.

Einem Ausländer, der Flüchtling nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 ist, wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG (weitere Ausschlussklausel bei Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bzw. bei Vorliegen einer Gefahr für die Allgemeinheit).

4.3.2 Die einschlägigen Voraussetzungen für die Annahme der Flüchtlingseigenschaft und deren förmliche Zuerkennung liegen jedenfalls bei den Klägern zu 1) und zu 2) vor.

Nicht entscheidungserheblich ist dabei, ob die Kläger zu 1) und 2) vor verfolgt aus Syrien ausgereist sind, denn eine begründete Furcht vor Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Schutzsuchende das Herkunftsland verlassen hat (§ 28 Abs. 1a AsylVfG). Ein solcher beachtlicher Nachfluchttatbestand ist vorliegend gegeben.

Das erkennende Gericht geht wie auch eine Vielzahl anderer Gerichte (vgl. hierzu etwa VGH BW, B.v. 19.6.2013 - A 11 S 927/13 - und B.v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 -; OVG LSA, U.v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -; VG Köln, U.v. 26.6.2014 - 20 K 4130/13.A -; VG Frankfurt, U.v. 26.9.2014 - 3 K 1489/13.A -; VG Augsburg, U.v. 25.11.2014 - Au 2 K 14.30422 - alle in juris) auf der Grundlage einer Gesamtschau der Verhältnisse in Syrien davon aus, dass Rückkehrer, die im westlichen Ausland gelebt und dort ggf. einen Asylantrag gestellt haben, im Falle einer Abschiebung eine obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte unter anderem zur Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten hätten und bereits diese Befragung eine Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslösen würde (Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylG; zur Situation in Syrien siehe Auswärtiges Amt - AA -, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 17.02.2012: zu Repressionsmaßnahmen gegen echte und vermeintliche Oppositionelle allgemein siehe S. 7 f.; zur Menschenrechtslage - Foltergefahr, Haftbedingungen - siehe S. 10 ff.; zur Beobachtung exilpolitischer Aktivitäten durch syrische Geheimdienste siehe S. 10; zu Rückkehrbefragungen und damit zusammenhängend der Gefahr, verhaftet bzw. Opfer von Misshandlungen zu werden, vgl. AA, Lagebericht vom 27.09.2010, S. 19 f., AA, Ad hoc-Ergänzungsbericht vom 07.04.2010 und Amnesty International - AI -, Bericht vom 14.03.2012, „Menschenrechtskrise in Syrien erfordert Abschiebungsstopp und Aussetzung des Deutsch-Syrischen Rückübernahmeabkommens“; siehe zur aktuellen Situation weiter auch die AI-Jahresberichte 2012 bis 2014 und Bundesamt, Syrien - Situation in den Provinzen, April 2014; dazu, dass das Fehlen von „Referenzfällen“ einer prognostischen Wertung in diesem Sinne nicht entgegensteht, vgl. OVG NRW, U.v. 14.2.2012 - 14 A 2708/10.A - juris; zu § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.).

Die vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen auch die Bejahung des mit dem Kriterium der begründeten Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) der Sache nach vorgegebenen bzw. geforderten Gefährdungsgrades hinsichtlich einer entsprechenden Rechtsgutsverletzung nach dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - BVerwGE 140, 22; juris Rn. 23 zum Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Insoweit die subjektive Seite in den Blick nehmend („begründete Verfolgungsfurcht“) ist nach Auffassung des Gerichts offenkundig, dass aufgrund der realen und ernst zu nehmenden Gefahr, selbst ohne Kenntnisse von der hiesigen Exilszene auf die bloße Möglichkeit von Kenntnissen hin einem Verhör unter Folter unterzogen zu werden, es einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen nicht zuzumuten wäre, jetzt als ehemaliger Asylbewerber nach Syrien zurückzukehren.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung wegen der Entwicklungen in jüngerer Zeit nicht mehr gerechtfertigt wäre, liegen nicht vor. Tatsächlich dürfte sogar von einer Verschärfung der Gefährdungslage für Rückkehrer auszugehen sein, weil sich die Gewinnung von Erkenntnissen über exilpolitische Aktivitäten aus Sicht des syrischen Staates gerade auch vor dem Hintergrund der Parteinahme einer Vielzahl westlicher Staaten für Teile der Opposition (der syrische Bürgerkrieg weist auch Elemente eines Stellvertreterkrieges auf) als bedeutsamer als zu Beginn der Unruhen darstellen dürfte.

Die (für den Fall einer Rückkehr mit Kontakt zu den syrischen Behörden anzunehmende) Gefährdung der Kläger zu 1) und zu 2) (Foltergefahr bei Rückkehrbefragung) würde des Weiteren zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls auch an eine zumindest vermutete politische Gesinnung und damit an eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgeführten Konventionsmerkmale anknüpfen (vgl. § 3b Abs. 2 AsylG zur Zuschreibung relevanter Merkmale durch den Verfolger; siehe hierzu auch VGH BW, B.v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 -; Hess VGH, B.v. 27.1.2014 - 3 A 917/13.Z.A -; OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.1.2014 - 3 N 91.13 -; a.A. OVG NRW, U.v. 14.2.2012 - 14 A 2708/10.A - alle in juris).

Eine (zumutbare) inländische Fluchtalternative für Rückkehrer (vgl. § 3e AsylG) besteht derzeit in Syrien nicht (siehe dazu die oben genannten die aktuelle Situation darstellenden Erkenntnismittel).

Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich, dass der Annahme bzw. (förmlichen) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einer der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs. 2 und 3 bzw. des § 3 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG entgegenstehen könnte.

Im Ergebnis ist danach festzustellen, dass die Kläger zu 1) und zu 2) Flüchtlinge im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sind und sie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylVfG beanspruchen können.

4.3.3 Den Klägern zu 3) bis 9) als minderjährigen Kindern der Kläger zu 1) und 2) ist die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i. V. m. Abs. 2 AsylG zu dem Zeitpunkt zuzuerkennen, in dem die Zuerkennung gegenüber den Klägern zu 1) und 2) unanfechtbar wird.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.