Verwaltungsgericht Gera Urteil, 15. März 2024 - 5 K 704/23 Ge

bei uns veröffentlicht am13.07.2024

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Verwaltungsgericht Gera

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Amtliche Leitsätze

Ein in der Sphäre des Fördermittelantragstellers im Förderprogramm Neustarthilfe des Bundes liegender Abrechnungsfehler in der Endabrechnung, der zu einer niedrigeren Festsetzung der Neustarthilfe im Schlussbescheid führt, führt nur in Ausnahmefällen zu einem Anspruch auf Rücknahme des Schlussbescheides in Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entwickelten Fallgruppen. 

Verwaltungsgericht Gera

Urteil vom 15. März 2024 

Az.: 5 K 704/23 Ge

 

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Abänderung eines Schlussbescheides zur Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe als Betriebskostenpauschale für Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe („Neustarthilfe“).

Aufgrund eines elektronischen Antrages ihres Steuerberaters bewilligte die Thüringer Aufbaubank (TAB) der Klägerin aus dem Förderprogramm Corona-Überbrückungshilfe Dritte Phase (Förderzeitraum Januar bis Juni 2021) auf Grundlage der zugehörigen Richtlinie des Freistaates Thüringen über die Gewährung von Soforthilfen als Billigkeitsleistungen für „Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen“ (im Folgenden: Förder-RL) mit Bescheid vom 9. Juni 2021 eine Betriebskostenpauschale in Höhe von 4.493,25 Euro. Diese Neustarthilfe wurde als Vorschuss-Einmalzahlung unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung nach einer Endabrechnung in einem Schlussbescheid bewilligt und ausgezahlt. Ausweislich der Nebenbestimmungen zu dem Bewilligungsbescheid war die Endabrechnung bis zum 31. Dezember 2021 über eine Online-Plattform einzureichen und sollte den im Förderzeitraum realisierten Umsatz der Klägerin in den Blick nehmen. Weiter heißt es in den Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheides, dass im Rahmen der Endabrechnung Korrekturen erfolgen können, die sowohl eine Rückzahlung als auch eine Nachzahlung zur Folge haben können. Im Hinblick auf die Einzelheiten des Bewilligungsbescheides wird auf die in der Verwaltungsakte der TAB (im Folgenden: VA [für die Verwaltungsakte]) niedergelegte Ausfertigung (Bl. 1 ff.) verwiesen.

Die Klägerin nahm über ihren Steuerberater fristgerecht über das entsprechende Online-Abrechnungsprogramm die Endabrechnung zur Neustarthilfe für den Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 vor. Dabei gab der Steuerberater in die dafür vorgesehene Maske zu den tatsächlichen Umsätzen im Förderzeitraum den Euro-Wert „4.493,25“ an. Für den 6-monatigen Referenzumsatz wurden 8.686,50 Euro ausgewiesen. Das elektronische Abrechnungsprogramm wies sodann einen Umsatzrückgang von 48,27 Prozent und einen zu erwartenden Rückzahlungsbetrag in Höhe von 1.018,65 Euro aus. Der bearbeitende Steuerberater erklärte überdies formularmäßig, die Angaben der Antragstellerin zu den Referenzumsätzen und Umsätzen im Förderzeitraum überprüft zu haben und deren Plausibilität zu bestätigen. Für die Einzelheiten der Endabrechnung wird auf Blatt 24 ff. VA verwiesen.

Mit Schlussbescheid vom 19. Juni 2023 wurde die Bewilligung der Neustarthilfe für die Klägerin für den Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 auf 3.474,60 Euro festgesetzt und in einer Höhe von 1.018,65 Euro abgelehnt und zurückgefordert. Zu der Teilablehnung ist in den Gründen des Schlussbescheides angegeben, in der Endabrechnung sei der tatsächliche Umsatzrückgang nur in einer Höhe von 48 Prozent im Vergleich zum sechsmonatigen Referenzumsatz im Jahr 2019 erklärt worden. Dies ergebe eine Anpassung und Rückforderung der Neustarthilfe auf Grundlage der entsprechenden Richtlinien.

Der Schlussbescheid wurde am Tag seiner Ausfertigung über das elektronische Abrechnungsportal dem Steuerberater der Klägerin zum Abruf bereitgestellt und dieser darüber per E-Mail informiert. Für die Einzelheiten wird auf Blatt 79 ff. VA verwiesen.

Am 18. Juli 2023 erhob die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigte gegen den Schlussbescheid Klage zum Verwaltungsgericht Gera. Sie trägt vor, die Klage sei ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung im Schlussbescheid das richtige Rechtsmittel zur Korrektur von Fehlern in der Endabrechnung. Der Schlussbescheid sei rechtswidrig, denn bei der Endabrechnung sei es zu einem Fehler in der Erklärung der im Förderzeitraum erzielten tatsächlichen Umsätze gekommen. Dort sei in der Eingabemaske im elektronischen Abrechnungsprogramm versehentlich die ausgezahlte Neustarthilfe aus dem Bewilligungsbescheid als Umsatz im Förderzeitraum angegeben worden, obgleich der tatsächliche Umsatz faktisch Null Euro betragen habe. Der Förderbetrag der ausgezahlten Neustarthilfe selbst zähle nicht zu den tatsächlichen Umsätzen im Förderzeitraum. Den offenkundigen Fehler habe die Beklagte bei der Überprüfung der Endabrechnung nicht bemerkt und sei er auch von der Klägerin erst nach Ergehen des Schlussbescheides bemerkt worden.

Die Klägerin beantragt in der mündlichen Verhandlung:

Der Schlussbescheid der Thüringer Aufbaubank vom 19. Juni 2023 zur Fördernummer RAT1R-EA-535718 wird im Umfang der Teilablehnung aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die Neustarthilfe für die Klägerin für den Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 schlussendlich auf 4.493,25 Euro festzusetzen,

hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, über den mit Klageerhebung konkludent gestellten Antrag auf teilweise Rücknahme des Schlussbescheides und Neuberechnung der Endabrechnung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also zum Zeitpunkt des Erlasses des Schlussbescheides, gemäß seiner ständigen Bewilligungspraxis unter Heranziehung der als geprüft bestätigten Angaben in der Endabrechnung entschieden zu haben. Die Verwaltungspraxis des Beklagten sehe in der Bearbeitung sowohl der ursprünglichen Anträge als auch der Endabrechnungen eine risikobasierte Prüfung vor. Dies bedeutet, dass nach Antragseinreichung bzw. Einreichung der Endabrechnung automatisch durch das System ein Datenabgleich mit dem Finanzamt erfolge. Im Ergebnis dieser automatischen Datenüberprüfung würden bei abweichenden Informationen zwischen Antrag und dem Finanzamt gemeldeten Daten durch das Portal Prüfindexe erstellt. Werde im Rahmen dieses Datenabgleichs keine Abweichung festgestellt und somit kein Prüfindex erstellt, würden die Anträge automatisch durch das System und werden die Endabrechnungen im Vier-Augen-Prinzip bewilligt. Weder im ursprünglichen Antrag noch in der Endabrechnung der Klägerin habe der Abgleich mit dem Finanzamt zu Prüfindexen und somit auch nicht zur Notwendigkeit einer Überprüfung von Angaben im Antrag bzw. der Endabrechnung geführt. Der Beklagte habe daher keinen Anlass gehabt, Angaben in der Endabrechnung zu hinterfragen. Die schlussendliche Festsetzung der Neustarthilfe sei im Fall der Klägerin aufgrund ihrer Angaben unter Beachtung der Ziffer 4. Nummer 2 der Vollzugshinweise zum hier maßgeblichen Förderprogramm erfolgt. Soweit die Klägerin nunmehr nach Ergehen des Schlussbescheides eine Korrektur einer fehlerhaften Angabe erwirken möchte, sei auf Ziffer I. 6 Abs. 2 der benannten Vollzugshinweise hinzuweisen. Hiernach seien die Angaben zur Antragsberechtigung durch den mit der Durchführung der Antragstellung beauftragten Steuerberater anhand geeigneter Unterlagen zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung hätte dem Steuerberater der Fehler auffallen müssen, zumal der Rückforderungsbetrag schon bei Eingabe der Daten zur Endabrechnung angezeigt werde.

Im Zusammenhang mit einem am 13. März 2024 gegebenen richterlichen Hinweis hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus seiner Sicht sei der Schlussbescheid nicht objektiv rechtswidrig. Der Schlussbescheid sei die endgültige Berechnung einer Betriebskostenpauschale, die auf den Angaben des Steuerberaters in der Schlussabrechnung beruhe. Die angefochtene Teilablehnung sei daher rechnerisch richtig. Es sei kein Unterschied zu den Fällen zu erkennen, in denen nach einer Ablehnung noch neue Unterlagen eingereicht werden, die aufgrund der Neuberechnung zu einer Aufhebung des Bescheides führen würden. Auch in diesen Fällen würde seitens der Thüringer Aufbaubank aufgrund des Massenverfahrens keine Korrektur erfolgen. Ungeachtet dessen komme eine Rücknahme des Schlussbescheides auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht in Betracht. Bei der Thüringer Aufbaubank seien noch etwa 3.200 Fälle vergleichbarer Art zur Schlussbearbeitung anhängig. Würde man der Klägerin zugestehen, nach Ergehen des Schlussbescheides weiteren Änderungsbedarf anzeigen zu dürfen, seien auch die noch offenen Abrechnungsfälle so zu behandeln. Dies würde eine erheblichen Bearbeitungsmehraufwand für die bei der Aufbaubank dafür nur wenigen zur Verfügung stehenden Mitarbeitenden bedeuten. Das Überbrückungshilfe- und Neustarthilfeprogramm sei als Massenverfahren mit einer entsprechend verantwortlichen Einbindung fachkundiger Dritter (Steuerberaterinnen und Steuerberater) aufseiten der antragstellenden Personen und Unternehmen ausgestaltet. Auf die von diesen sachkundigen Dritten erklärtermaßen geprüften Angaben dürfe und müsse die Aufbaubank vertrauen. Den Mitarbeitenden der Aufbaubank seien in Fällen, in denen bei sachkundigen Dritten wegen offener Fragen Rücksprache gehalten worden sei, von dieser Seite auch schon verärgerte Reaktionen zugegangen. Letztlich sei die Klägerin hier aufgrund eines Fehlers in eigener Sphäre auf die Haftpflicht ihres Steuerberaters zu verweisen.

Mit Beschluss der Kammer vom 5. Januar 2024 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags und des Gangs des behördlichen und des gerichtlichen Verfahrens wird auf die jeweils in elektronischer Form vorliegende Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann weder zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Ergehens des Schlussbescheides erfolgreich einen Anspruch auf schlussendliche Neufestsetzung der Neustarthilfe für den Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 in einer Gesamthöhe von 4.493,25 Euro vom Beklagten verlangen, noch besteht ein Anspruch auf Rücknahme des Schlussbescheides vom 19. Juni 2023 und Neufestsetzung der Förderleistung in vorgenannter Höhe nach Maßgabe einer ermessensgerechten Entscheidung auf Grundlage des § 48 Abs. 1 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes (ThürVwVfG) im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 114 VwGO).

1. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig.

Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Klägerin in statthafter Form im Wege der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), ihr unter entsprechender Aufhebung der Teilablehnung der beantragten, bereits vorläufig bzw. vorbehaltlich bewilligten und ausgezahlten Neustarthilfe in einer Gesamthöhe von 4.493,25 Euro im Wege eines Schlussbescheides festzusetzen. Streitgegenständlich ist dabei nur die Teilablehnung in Höhe von 1.018,65 Euro, wobei die endgültige Festsetzung bzw. Bewilligung der Neustarthilfe aber einheitlich in einem Schlussbescheid der Thüringer Aufbaubank erfolgt. Aus diesem Grund erwiese sich eine reine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) auch nicht als statthaft, da eine erfolgreiche Klage dann nur bewirken würde, dass über die bereits eingereichte Endabrechnung der Klägerin zur Neustarthilfe nochmals ein Schlussbescheid ergehen müsste, der ohne das beachtliche Hinzutreten neuer Abrechnungsgesichtspunkte genauso ausfiele, wie der beklagte Schlussbescheid. Folglich geht das rechtliche Interesse der Klägerin bei sachgerechter Würdigung unter Beachtung eines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) dahin, die bereits in Höhe von 4.493,25 Euro vorbehaltlich bewilligte und ausgezahlte Neustarthilfe im rechtlichen Sinne behalten zu dürfen. Hierzu bedarf es der entsprechenden Festsetzung in dieser Höhe in einem Schlussbescheid, was die Klägerin im Wege der Verpflichtungsklage geltend machen muss. Der nach Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin so gefasste Klageantrag wird dem gerecht.

Auch der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag auf ermessensgerechte Entscheidung über den in der Klageerhebung konkludent enthaltenen Antrag auf Rücknahme des beklagten Schlussbescheides und Neuentscheidung über die schlussendliche Festsetzung der Neustarthilfe unter Berücksichtigung der im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Umstände (Abrechnungsfehler) erweist sich als statthaft. Dass die Klägerin mit ihrer Klageerhebung bei sachgerechter Auslegung ihres Klagebegehrens (§ 88 VwGO, § 133 BGB entsprechend) einen solchen Antrag gestellt hat, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien unstreitig. Es entspricht aufgrund der Ausgestaltung des spezifischen Verwaltungsverfahrens im Rahmen der Corona-Beihilfen im Freistaat Thüringen dem Rechtsinteresse der Klägerin, dass ein solcher Antrag mit der Behauptung, die letzte Behördenentscheidung der Thüringer Aufbaubank beruhe auf einem unrichtigen Sachverhalt, über die Klageerhebung gegen den Schlussbescheid erstmals geltend gemacht wird. Zwar kann der Beklagte zu einem solchen, eigenständigen Antrag denklogisch dann noch keine Entscheidung getroffen haben, so dass zu erwägen ist, die Klägerin diesbezüglich auf den Eintritt der Bestandskraft des beklagten Schlussbescheides und ein sich hieran anschließendes eigenständiges Verwaltungsverfahren zu verweisen. Ein solches Vorgehen ist im Bereich des hier maßgeblichen Förderprogramms auch nicht ausgeschlossen, da die entscheidungserhebliche Förder-RL des Freistaates Thüringen die Regelungen des ThürVwVfG, insbesondere die Vorschriften der §§ 48, 49, 49a ThürVwVfG als Rechtsgrundlagen des Förderverfahrens mit einbezieht. Es ist der Klägerin daher grundsätzlich nicht verwehrt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage eines Anspruchs des Bürgers auf ermessensgerechte Entscheidung über die Rücknahme eines bestandskräftigen, rechtswidrigen Verwaltungsaktes entwickelten Fallgruppen (vgl. umfassend: Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 4. EL Nov. 2023, VwVfG § 48 Rn. 280 ff.) zur Erzielung materieller Gerechtigkeit für sich fruchtbar zu machen und einen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten anzubringen. Aus Gründen der Prozessökonomie und der Effektivität des Rechtsschutzes muss die Klägerin sich jedoch zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts auf einen solchen prozessualen Weg nicht verweisen lassen, sondern kann den entsprechenden Antrag bereits zum Gegenstand der Klage gegen den noch nicht bestandskräftigen Schlussbescheid machen. Dafür spricht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 – 6 C 3/11 – NVwZ 2012, 1547 [1555 Rn. 56]). Zudem wäre im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens zur Frage der Rücknahme des bestandskräftigen Schlussbescheides bei ablehnender Entscheidung der Behörde das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, da die Thüringer Aufbaubank im Hinblick auf das konkrete Förderprogramm wie eine oberste Landesbehörde handelt (vgl. dazu: ThürOVG, Urteil vom 23. Juli 2002 – 2 KO 591/01 – BeckRS 2002, 24362 Rn. 47) und die Förder-RL und die weiteren Fördervorgaben als das insoweit maßgebliche Fachrecht die Durchführung eines Vorverfahrens grundsätzlich nicht vorsehen. Letztlich hat der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung auch darauf eingelassen, zur Frage der Rücknahme des Schlussbescheides eine eigenständige Entscheidung im laufenden Klageverfahren zu treffen und diese sodann zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts im bereits rechtshängigen Verfahren zu stellen. Der Beklagte hat die Rücknahme verbindlich abgelehnt und seine Entscheidung dazu in der mündlichen Verhandlung begründet. Gegen die konkrete Fassung der Klageanträge nach Hinweis des Gerichts, die sich jedenfalls als sachdienliche Klageerweiterung (§ 91 VwGO) darstellt, wurden beklagtenseits keine Bedenken erhoben.

Der Klägerin kommt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für beide Klageanträge zu. Die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten ist unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags evident.

Die Klage wurde form- und fristgerecht nach Bekanntgabe des Schlussbescheides erhoben.

2. Die Klage ist im Haupt- (dazu 2.1) und Hilfsantrag (dazu 2.2) unbegründet.

2.1 Die Klage hat im Hauptantrag keinen Erfolg.

Der Schlussbescheid vom 19. Juni 2023 ist formell rechtmäßig. Fehler im Verfahren oder der Zuständigkeit des Erlasses des Schlussbescheides sind von der Klägerin nicht gerügt worden und drängen sich solche Fehler dem Gericht auch nicht auf.

Die Teilablehnung der schlussendlichen Festsetzung der Neustarthilfe über einen Teilbetrag in Höhe von 1.018,65 Euro auf Grundlage der Angaben des Steuerberaters der Klägerin in der Endabrechnung vom 31. März 2023 ist auch materiell-rechtlich - jedenfalls im Ergebnis - nicht zu beanstanden.

Ob der Schlussbescheid der Thüringer Aufbaubank sich nun als objektiv rechtswidrig erweist oder lediglich als „nicht in Übereinstimmung mit den materiellen Fördervoraussetzungen der maßgeblichen Förder-RL“, lässt der Einzelrichter dahingestellt.

Zwar kann eine objektive Rechtswidrigkeit insbesondere auch dann vorliegen, wenn die Behörde ihrer Entscheidung einen (objektiv) falschen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (Decker, in: BeckOK MigR, 17. Ed. 15.10.2023, VwVfG § 48 Rn. 14; Kastner, in: HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 48 Rn. 27). Das entscheidende Gericht ist hier davon überzeugt, dass ein falscher Sachverhalt im Rahmen der Schlussabrechnung und des Schlussbescheides zum Tragen kam, weil die Klägerin plausibel und nachvollziehbar angegeben hatte, ihr Steuerberater habe in der Eingabemaske des elektronischen Abrechnungsprogramms bei den erzielten Umsätzen im Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 versehentlich den Betrag der ausgezahlten Neustarthilfe, die als Vorschussleistung erfolgt war, eingetragen. Dafür spricht ganz evident die Deckungsgleichheit des angegebenen Umsatzes mit dem Betrag der ausgezahlten Neustarthilfe. Auch ist nachvollziehbar, dass der Steuerberater der Klägerin hier möglicherweise aufgrund einer Überlastung in der Bearbeitung seiner Mandate unbewusst falsche Angaben gemacht hatte. Für eine entsprechende Überlastung, die die Klägerin vorträgt, spricht vor allem auch der Umstand, dass der Steuerberater der Klägerin sich auf mehrmalige Anfrage der Thüringer Aufbaubank zum konkreten Fall der Klägerin nicht zurückmeldete. Im Übrigen waren weitere Umsatzzahlen im maßgeblichen Förderzeitraum klägerseits nicht aufgeführt und belegt worden. Das Gericht schließt es bei Anwendung praktischer Vernunft daher aus, dass die Klägerin zufällig doch einen Umsatz im Förderzeitraum Januar bis Juni 2021 generiert hatte, der exakt dem Betrag der ausgezahlten Neustarthilfe entsprach. Dass aber die ausgezahlte Neustarthilfe selbst nicht als förderrelevanter Umsatz in der Endabrechnung anzugeben war, hat auch der Beklagte nicht behauptet und ist dies unter Zugrundelegung des Förderzwecks und auch aufgrund des Hinweises in Ziffer 3.5 der FAQ zur Neustarthilfe, wonach auch Zuschüsse aus anderen Corona-Hilfsprogrammen nicht als Umsatz anzugeben sind, zutreffend.

Andererseits wird vertreten, dass ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften, wie sie insbesondere im Subventionsrecht der Billigkeitsleistungen des Staates - und so auch hier im Zuge des Förderprogramms Corona-Überbrückungs- und Neustarthilfe des Bundes - als materielles Recht des entsprechenden Förderprogramms zugrunde zu legen sind, die Rechtswidrigkeit des Förderverwaltungsaktes nicht begründen kann. Vielmehr beurteilt sich die Rechtswidrigkeit eines solchen Verwaltungsaktes nur am Maßstab eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unter Missachtung der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis der mittelbewilligenden Behörde (Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 4. EL November 2023, VwVfG § 48 Rn. 83; Kastner, a. a. O. Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 23. April 2003 – 3 C 25/02 – NVwZ 2003, 1384).

In jedem Fall kann die Klage aber so oder so keinen Erfolg im Hauptantrag haben, weil sich der Schlussbescheid vom 19. Juni 2023 entweder bereits nicht als objektiv rechtswidrig darstellt - wie der Beklagte dies vertritt - oder zumindest keine Rechtsverletzung der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Schlussbescheides begründet, was gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO weitere Voraussetzung für den Ausspruch der begehrten Verpflichtung ist.

Der Schlussbescheid verletzt die Klägerin nämlich unter Berücksichtigung der Verfahrensgrundsätze im Verfahren über die Billigkeitsleistung des Staates „Neustarthilfe“ nicht in eigenen Rechten. Das Recht der Klägerin besteht nicht in einem unmittelbaren, gesetzlichen Anspruch auf Erhalt der Billigkeitsleistung „Neustarthilfe“ in der zunächst vorläufig bewilligten Höhe (vgl.: Bay. VGH, Beschluss vom 22. Mai 2023 – 22 ZB 22.2661 – BeckRS 2023, 12077 Rn. 21). Vielmehr geht der ihr zukommende Anspruch im Rahmen dieses Förderprogramms nur dahin, unter Berücksichtigung der allgemeinen Gleichbehandlung aller Fördermittelantragsteller im Freistaat Thüringen und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Ergehens des Schlussbescheides maßgeblichen ständigen Förderpraxis des Beklagten aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung auch eine Förderung zu erhalten und über den diesbezüglichen Antrag der Klägerin willkürfrei zu entscheiden (vgl. VG Halle, Urteil vom 21. Juli 2022 – 4 A 43/22 HAL – BeckRS 2022, 42980 Rn. 15, 16; VG Gera, Urteil vom 6. November 2023 – 5 K 67/23 Ge - nicht veröffentlicht). Dies stellt sich als Ermessensentscheidung des Beklagten dar, so dass es maßgeblich nur auf die Umstände ankommen kann, die der Beklagte zum Zeitpunkt seiner letzten Behördenentscheidung verwerten konnte. Die vorgenannte Förderpraxis sieht dem Vortrag des Beklagten folgend und gerichtsbekannt vor, dass der Schlussbescheid in einfach gelagerten Fällen ohne tiefergehende Prüfung der durch einen sachkundigen Dritten (Steuerberater) erklärtermaßen geprüften Angaben in der Endabrechnung unter Zugrundelegung dieser Angaben ergehen durfte (vgl. auch: Ziffer 4.8 der FAQ zur Neustarthilfe: „Zur Überprüfung der Angaben finden stichprobenhaft Nachprüfungen statt.“ und Ziffer 4.9: „Neben verdachtsabhängigen Prüfungen werden die Anträge auf Neustarthilfe im Rahmen der Antragsbearbeitung und Endabrechnung stichprobenartig im Detail geprüft. Dies beinhaltet alle Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Hilfe, einschließlich aller maßgeblichen Versicherungen und Erklärungen des Antragstellenden.“ i. V. m. Ziffer 2. der hier maßgeblichen Förder-RL sowie auch Buchstabe G. Ziffer 6. Abs. 5a und Ziffer 8. Abs. 1 der Vollzugshinweise für die Gewährung von Überbrückungshilfe III inklusive Neustarthilfe). So hat der Beklagte nach unbestrittener Darstellung in der mündlichen Verhandlung auch im Fall der Klägerin verfahren, was das Gericht anhand der aktenkundigen Umstände nachvollziehen kann. Der Fall der Klägerin war nicht von besonderer Schwierigkeit in tatsächlicher Hinsicht geprägt. Der Steuerberater der Klägerin hatte alle notwendigen Versicherungen, dass er die Angaben der Klägerin geprüft habe, mit der Endabrechnung abgegeben. Der Fördergegenstand war überschaubar und die Fördermittelhöhe sowie der anhand der Angaben des Steuerberaters der Klägerin maschinell ausgerechnete zu erwartende Rückzahlungsbetrag angesichts der Gesamtförderleistung moderat. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Beklagte bei der Erstellung des Schlussbescheides im Fall der Klägerin an seine vollzugsinternen Vorgaben in den Vollzugshinweisen und der Förder-RL und insbesondere an seine ständige Vollzugspraxis zu ähnlich einfach gelagerten Fällen gehalten hat. Der Beklagte hatte keine Veranlassung, die Angabe der Klägerin zu den tatsächlich im Förderzeitraum erzielten Umsätzen begründet in Zweifel zu ziehen. Er durfte auf die entsprechende Angabe des (sachverständigen) Steuerberaters der Klägerin insbesondere auch deshalb vertrauen, weil diesem vor der rechtsgültigen Einreichung der Endabrechnung im elektronischen Abrechnungsprogramm mitgeteilt worden war, dass die getätigten Angaben voraussichtlich zu einer teilweisen Rückzahlung der Neustarthilfe führen werden. Dass dies für den Steuerberater ersichtlich war, hat die Klägerin nicht bestritten. Es liegt daher bei Erlass des Schlussbescheides offenkundig kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz zu Lasten der Klägerin vor. Insoweit fehlt es jedenfalls an der Rechtsverletzung im Subventionsverhältnis zum Beklagten.

Dass die Berechnung und Festsetzung der Höhe der Neustarthilfe schließlich in Abhängigkeit vom im Förderzeitraum realisierten Umsatz in Relation zu den entsprechenden Umsätzen des Jahres 2019 erfolgt und in Abhängigkeit zu einer in einer Prozentgröße ausgedrückten Höhe des danach festgestellten Umsatzrückganges steht, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus den von der Klägerin rechtlich nicht angegriffenen Förderbestimmungen in den Vollzugshinweisen zur Überbrückungs- und Neustarthilfe, die über Ziffer 2. der Förder-RL materiell-rechtliche Grundlage für die Verwaltungspraxis des Beklagten sind (vgl. Buchstabe G. Ziffer 3. Abs. 1 UAbs. 5 und Ziffer 4. Abs. 2 der Vollzugshinweise für die Gewährung von Überbrückungshilfe III inklusive Neustarthilfe). Anwendungsfehler des Beklagten hierbei wurden von der Klägerin nicht gerügt.

Der Hauptantrag im Klageverfahren bleibt deswegen ohne Erfolg.

2.2 Auch der Hilfsantrag ist unbegründet.

Ein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des Schlussbescheides der TAB vom 19. Juni 2023 nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 ThürVwVfG, den die Förder-RL des Freistaates Thüringen über ihre Ziffer 1. (b) für anwendbar erklärt, setzt die objektive Rechtswidrigkeit des Schlussbescheides voraus. Die Rechtswidrigkeit muss also zum Zeitpunkt des Ergehens des Schlussbescheides vorgelegen haben (Kastner, a. a. O. Rn. 25). Dafür sprechen hier gute Argumente, wie der Einzelrichter in den vorstehenden Gründen dieses Urteils bereits angemerkt hat. Letztlich kann diese Frage aber unbeantwortet bleiben, weil jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Verdichtung des Ermessens des Beklagten auf Null bezüglich der Rücknahme seines Schlussbescheides nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vorliegen und die Klägerin beachtliche Ermessensfehler hinsichtlich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung getroffenen ablehnenden Entscheidung über die Rücknahme nicht aufgezeigt hat.

Gemäß § 48 Abs. 1 ThürVwVfG kann die zuständige Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurücknehmen. Die Erklärung der Rücknahme steht im Ermessen der Behörde, das diese gemäß § 40 ThürVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Eine allgemeine Regel, wonach bei belastenden Verwaltungsakten die Rücknahme intendiert und nur bei besonderen Gründen ein Absehen zulässig ist, gibt es nicht. Auch gibt es grundsätzlich keinen Anspruch auf die Rücknahme eines rechtswidrigen, belastenden Verwaltungsaktes (Kastner, a. a. O. Rn. 35; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 C 50/09 – NVwZ 2011, 888 [889 Rn. 14]).

In Ausgleich der gegenläufigen Interessen der Rechtssicherheit bei (bestandskräftigen) Verwaltungsentscheidungen einerseits und der materiellen Gerechtigkeit des von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffenen andererseits macht das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Ermessensbetätigung der Behörde dahingehend eine Ausnahme, dass die Rücknahme auszusprechen ist, wenn die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsakts „schlechthin unerträglich“ sei, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (Schoch, a. a. O. Rn. 280; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 – 6 C 32/06 – NVwZ 2007, 709 [710 Rn. 13]; Urteil vom 9. Mai 2012 – 6 C 3/11 – NVwZ 2012, 1547 [1554 Rn. 50 f.]). Hierzu hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wesentlichen drei Fallgruppen entwickelt, die - abgesehen von besonderen Anforderungen des einschlägigen Fach- und EU-Rechts - zu einer Ermessensreduktion auf Null in Bezug auf die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes führen können. Die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist danach „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch eine unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen oder wenn sich der Verwaltungsakt, um dessen Rechtswidrigkeit es geht, als offensichtlich rechtswidrig darstellt (für das Vorstehende: Schoch, ebda. mit weiteren Nachweisen). Im Hinblick auf die letztgenannte Fallvariante der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist dabei festzustellen, ob an dem Verstoß des streitigen Verwaltungsakts gegen formelles oder materielles Recht im Zeitpunkt seines Erlasses vernünftigerweise kein Zweifel bestand und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängen musste (Bay. VGH, Urteil vom 15. Juni 2023 – 20 B 23.63 – BeckRS 2023, 19022 Rn. 33 zum inhaltsgleichen § 130 AO und unter Verweis auf die Rspr. d. BVerwG).

Eine Ermessensreduktion auf Null für den Beklagten im hier gegenständlichen Einzelfall kann der Einzelrichter nicht erkennen. Die vorgenannten Fallgruppen sind streng zu handhaben (Schoch, a. a. O. Rn. 281).

Für ein Agieren des Beklagten wider Treu und Glauben fehlt es bereits an jeglichen Anhaltspunkten. Insbesondere stellt sich die konkrete Ausformung des Verwaltungsverfahrens mit einer Schwerpunktverlagerung hin zu den Mitwirkungsobliegenheiten der Fördermittelantragsteller unter Einbeziehung von sachkundigen Dritten nicht als sach- oder gar treuwidrig dar. Die Ausgestaltung als sog. „Massenverfahren“ war den besonderen Herausforderungen der Leistungsverwaltung im Angesicht einer schnellen Mittelgewährung für eine große Anzahl betroffener Klein- und Mittelstandsunternehmer aufgrund der Auswirkungen der einschränkenden Maßnahmen in der Corona-Pandemie geschuldet. Ohnehin steht dem Fördermittelgeber im Bereich der staatlichen Billigkeitsleistungen auch bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens ein breiter Gestaltungsspielraum zu (ständige und allgemein anerkannte Verwaltungsrechtsprechung, etwa: VG Würzburg, Urteil vom 1. Dezember 2023 – W 8 K 23.611 – BeckRS 2023, 37706 Rn. 28, 29; VG Saarlouis, Urteil vom 6. Dezember 2023 – 1 K 467/23 – BeckRS 2023, 36364 Rn. 54 f. jeweils mit weiteren Nachweisen), der hier nicht offenkundig dazu geführt hatte, dass an die Fördermittelantragsteller objektiv nicht mehr zu bewältigende Anforderungen gestellt wurden, die die Förderzwecke ad absurdum geführt hätten. Dass der Beklagte daher bei der Ausgestaltung der Modalitäten für die Gewährung der Neustarthilfe jedenfalls dann, wenn der jeweilige Antragsteller einen sachkundigen Dritten zur Antragstellung zwischengeschaltet hatte - wozu keine Pflicht nach den Förderbestimmungen bestand - auf die schlüssigen Angaben des sachkundigen Dritten vertraute und dessen Versicherung, die vom jeweiligen Fördermittelantragsteller abgegebenen Erklärungen und vorgelegten Unterlagen seien geprüft worden, zur Grundlage einer nur stichpunktartigen Tiefenprüfung machte, ist sachgerecht und willkürfrei. Nachvollziehbar hat der Beklagten in der vorliegenden Verwaltungsstreitsache auch dargelegt, dass im konkreten Fall kein Anlass bestand, hinsichtlich der Endabrechnung des Steuerberaters der Klägerin in eine solche Tiefenprüfung einzusteigen.

Auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Handhabung der Fördermittelbestimmungen, die sich hier zu Lasten der Klägerin in Gegenüberstellung zu anderen, vergleichbaren Fördermittelnehmern auswirkte, ist weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen worden. Diesbezüglich wird auf die vorstehenden Ausführungen des Gerichts unter Ziffer 2.1 dieser Entscheidungsgründe verwiesen. Entscheidend kommt es dabei im Rahmen der Prüfung des hilfsweise gestellten Klageantrages nicht auf die Verwaltungspraxis des Beklagten bezüglich der Rücknahme von Schlussbescheiden, sondern auf die Verwaltungspraxis bei der Handhabung der Endabrechnung und der hierzu ergangenen Schlussentscheidung an. In diesem Punkt müsste ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben sein, um zu einer Rücknahmepflicht aufseiten des Beklagten kommen zu können. Das ist aber, wie dargelegt, nicht ersichtlich oder substantiiert geltend gemacht.

Schließlich - und hierauf hatte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sinngemäß hauptsächlich abgestellt - haftet dem Schlussbescheid vom 19. Juni 2023 auch keine offensichtliche Rechtswidrigkeit an, die für Jedermann ohne Weiteres klar erkennbar zu Tage trat. Es ist denklogisch möglich, dass die Klägerin im relevanten Förderzeitraum tatsächlich Umsätze erzielte, die betragsmäßig exakt der ausgezahlten Neustarthilfe entsprachen. Dies zu prüfen war gerade Gegenstand des Mandats des Steuerberaters der Klägerin, der gegenüber dem Beklagten auch die dahingehende Erklärung abgab, die Prüfung vorgenommen zu haben. Obgleich die Klägerin nach Einreichung der Endabrechnung und vor Ergehen des Schlussbescheides aufgrund einer Mitwirkungsaufforderung der Aufbaubank den Abrechnungsvorgang selbst noch einmal in der Hand gehabt hatte, um eine fehlende Unterschrift nachzutragen, war auch ihr der Fehler in den Umsatzangaben nicht aufgefallen. Es erschließt sich nicht, dass vor diesem Hintergrund es Jedermann ohne Weiteres aufgefallen wäre, dass der Schlussbescheid sich als rechtswidrig erweist. Der erst nachträglich bemerkte Fehler war dem Beklagten folglich auch bei Erlass des Schlussbescheides nicht bekannt und musste ihm auch nicht bekannt sein.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch keine substantiierten Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Beklagten bezüglich der Versagung der Rücknahme aufgezeigt. Die Entscheidung, den Schlussbescheid nicht zurückzunehmen, wurde von den Beklagtenvertreterinnen aufgrund eines erst zwei Tage zuvor ergangenen gerichtlichen Hinweises zur Rechtserheblichkeit der Fragen, die dem hilfsweisen Klageantrag zugrunde liegen, in der mündlichen Verhandlung getroffen und begründet. Es kommt insoweit bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung an. Danach hat der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in seine Entscheidung eingestellt, dass eine gefestigte Verwaltungspraxis zur Rücknahme von Schlussbescheiden bei erst nachträglich erkannten Fehlern noch nicht existiert, die Fälle aber grundsätzlich so behandelt werden wie das erst nachträgliche, im gerichtlichen Verfahren praktizierte Vorlegen von Dokumenten, die im Zusammenhang mit den Corona-Beihilfen eine Anspruchsberechtigung belegen sollen. Derartiges Nachreichen von Dokumenten lässt der Beklagte gerichtsbekannt nicht genügen, um seine abschließenden Entscheidungen noch einmal zu revidieren. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass anderenfalls der Arbeitsanfall bei der Thüringer Aufbaubank als die zuständige Stelle aufgrund der Vielzahl an Verfahren nicht mehr zeitnah und sachgerecht bewältigt werden könnte. So hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung widerspruchslos angegeben, dass bei der Aufbaubank noch etwa 3.200 vergleichbare Fälle zu bearbeiten wären, bei denen es auch denkbar erscheint, dass - obwohl prüfende Dritte zwischengeschaltet sind - Erklärungsfehler im Nachhinein festgestellt und geltend gemacht werden. Eine doppelte Bearbeitung derselben Verwaltungsvorgänge erachtet der Beklagte auch vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des Förderverfahrens und gerade auch des Umstandes, dass die sachkundigen Steuerberater/innen einen konkreten Prüfauftrag haben und verbindliche Erklärungen darüber abgeben, als unzumutbar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Steuerberater unterschiedlich reagieren und es durchaus bereits Fälle gab, in denen sich Steuerberater nach einer Rückfrage der Aufbaubank dort erbost gemeldet hatten, um zu rügen, dass man die Erklärungen der prüfenden Dritten in Frage stelle. All dies führe zu einem nicht kalkulierbaren Arbeitsmehraufwand, weswegen eine Gleichbehandlung der Antragsteller dahingehend praktiziert werde, dass Klärungsmöglichkeiten vor Erlass des abschließenden Bescheides bestünden, dieser aber nachgängig bei Fehlern oder Mitwirkungsdefiziten in der Sphäre der Antragstellenden in seinem Bestand nicht angerührt werde. Auch im Fall der Klägerin sei noch vor Erlass des Schlussbescheides wegen offener Fragen die Rücksprache gesucht worden, allerdings ohne dortige Rückmeldung des Steuerberaters. Letztlich erweise sich die Betrachtung des vorliegenden Einzelfalles als Haftungsfrage für den Steuerberater. Die Klägerin sei auf eine entsprechende Rückgriffsmöglichkeit zu verweisen.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nach Maßgabe des § 114 VwGO Stand. Die Beklagtenvertreterinnen haben keine sachfremden Gründe angeführt. Sie haben zutreffend berücksichtigt, dass der Fehler bereits vor der rechtsgültigen Einreichung der Endabrechnung aufgrund der Ausgestaltung des Abrechnungsprogramms erkennbar war und die Klägerin sich zur Herstellung materieller Gerechtigkeit auf einen Haftungsanspruch gegenüber ihrem Steuerberater verweisen lassen muss. Die Reduzierung des Arbeitsanfalls für die lediglich wenigen zur Verfügung stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Thüringer Aufbaubank bei der Bewältigung der Massenverfahren betreffs die Corona-Beihilfen ist unter Berücksichtigung der transparenten Regelungen zur Ausgestaltung dieser Verfahren (veröffentlichte FAQ, Vollzugshinweise, Homepage der Thüringer Aufbaubank) ein beachtlicher Belang, der auch - anders als etwa bei Fragen des zureichenden Personaleinsatzes bei Behörden und Gerichten zur Gewährleistung gesetzlicher und verfassungsrechtlich verbürgter Garantien und Ansprüche der Bürger - vorrangig von dem Beklagten bei Verfahren über Billigkeitsleistungen des Staates zur ablehnenden Begründung der erneuten inhaltlichen Beschäftigung mit einer endgültig getroffenen Entscheidung der Behörde herangezogen werden darf. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn das Verfahren unter Mitwirkung besonders sachkundiger Personen auf Seiten der Antragstellenden durchgeführt wird. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Erwägungen des Beklagten auch für die Fälle der Schlussbescheide über Neustarthilfen zutreffend sind, die in Form der Direktantragstellung ohne Zwischenschaltung von Steuerberaterinnen und Steuerberatern bearbeitet wurden.

Der Hilfsantrag ist somit ebenfalls abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung dieses Urteils beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gera Urteil, 15. März 2024 - 5 K 704/23 Ge

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Gera Urteil, 15. März 2024 - 5 K 704/23 Ge