Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 12. Jan. 2017 - A 6 K 2344/15

published on 12/01/2017 00:00
Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 12. Jan. 2017 - A 6 K 2344/15
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Tenor

Die Nr. 1 sowie die Nrn. 3 bis 6 des Bundesamtsbescheids vom 28.09.2015 werden aufgehoben. Die Beklagte - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein im Jahr ... geborener Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste nach seinen Angaben Mitte Februar 2015 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Am 18.02.2015 stellte er einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung am 23.02.2015 durch das Bundesamt gab der Kläger an, Mutter und Bruder sowie alle weiteren Verwandten lebten noch im Kosovo. Sein Vater lebe seit 24 Jahren in ... und habe mittlerweile auch die ... Staatsbürgerschaft, gleichwohl seien die Eltern noch zusammen. Nach ... zum Vater habe er nicht gehen wollen, da er wegen seiner Transsexualität dort Probleme befürchtet habe. Er sei zwar ein Mann, fühle sich aber als Frau. Nach der Schule habe er lange versucht, eine Arbeit zu finden, sei aber nicht eingestellt worden. ... Am 01.04.2014 habe er dann angefangen, bei ..., einer Organisation für LGBT-Menschen, zu arbeiten. Bis eine Woche vor seiner Ausreise habe er dort gearbeitet, das Büro sei in der Hauptstadt Pristina gewesen. Er sei im Außendienst tätig gewesen, sei herumgefahren, habe Schwule und Lesben aufgeklärt, dass sie Kondome verwenden sollten, und habe über Gesundheit und Beratungsmöglichkeiten informiert. Er habe ein festes Gehalt (etwa 350,-- EUR monatlich) gezahlt bekommen. Seit August 2014 wisse er, dass er HIV-positiv sei. Im Oktober 2014 sei er in einem Krankenhaus in ... gewesen, einer Privatklinik, die auf Infektionskrankheiten spezialisiert sei. Eine spezifische Behandlung habe er jedoch nicht erfahren, lediglich normale Hygieneartikel seien an ihn ausgeteilt worden. Ein Termin bei einem Psychologen sei versprochen, aber nie durchgeführt worden. Den Status seiner Krankheit habe er ebenfalls nicht erfahren. Von wem er die Krankheit habe, wisse er nicht. Außer dem Direktor der Organisation und Ärzten wisse keiner von seiner Infektion. Seiner Familie könne er das nicht sagen, die würden das nicht verstehen und sich von ihm distanzieren, da sie strenggläubig seien und auch die kosovarische Gesellschaft so etwas nicht akzeptiere. Bereits seit seiner Kindheit habe er sich als Mädchen gefühlt, so verhalten und versucht, sich so anzuziehen. Sein Bruder habe immer wieder auf ihn eingeredet, er solle sich ändern, da die Leute auf der Straße schon über ihn redeten. Physisch habe man ihn nie angegriffen, er sei ausschließlich verbalen Attacken ausgesetzt gewesen, beleidigt und beschimpft worden. Einmal sei er sogar von der Polizei beleidigt worden, als er mit seinem aktuellen Lebensgefährten, angezogen als Frau, außerhalb des Heimatortes unterwegs gewesen sei. Die Organisation, für die er gearbeitet habe, könne ihren Mitgliedern keinerlei Schutz oder medizinische Versorgung bieten. Verlassen habe er den Kosovo, da er sterben könne, wenn die Krankheit nicht richtig behandelt werde. In der Privatklinik habe man ihm gesagt, dass die Behandlung gegebenenfalls unterbrochen werden müsse, mangels Medikamenten. Außerdem sei er aufgrund seiner sexuellen Orientierung immer wieder diskriminiert worden. Seine Familie habe er erst an der serbischen Grenze kontaktiert und gesagt, die schlechte wirtschaftliche Situation habe ihn zur Ausreise bewogen. Damit habe er sie angelogen, vermutlich glaubten sie ihm aber, weil die wirtschaftliche Situation im Kosovo tatsächlich schlecht sei. Er glaube, dass er sich, wäre er nicht ausgereist, aufgrund der Depressionen wegen seines Gesundheitszustandes und auch wegen der Diskriminierung aufgrund seiner sexuellen Orientierung möglicherweise irgendwann umgebracht hätte.
Unter dem 17.09.2015 ließ der Kläger schriftlich vortragen, wegen erhöhter Sympathien seiner Umgebung für den IS sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, das Haus zu verlassen, um zu seiner damaligen Arbeit zu gelangen, da mehrere Personen auf ihn gewartet hätten, um Gewalt an ihm auszuüben. Bekannt sei er dadurch geworden, dass er für die LGBT-Leute auf der Straße unterwegs gewesen sei und eine öffentliche Rolle übernommen habe. Die Polizei habe ihm selbst dann nicht helfen können, als der IS sein Leben bedroht habe, er sei vielmehr auf Unverständnis und Intoleranz seitens der Polizei gestoßen. Mutter und Bruder, mit denen er zusammengelebt habe, hätten seine Sexualität nicht akzeptiert und eine Zwangsheirat für ihn geplant. Er habe des Öfteren versucht, sich das Leben zu nehmen, da er keinen Ausweg mehr gesehen habe. Die Behandlung einer HIV-Erkrankung finde im Kosovo nur für einen kurzen Zeitraum von rund 3-6 Monaten statt. Die notwendige jahrelange und ständige ärztliche Behandlung gebe es nicht. Auch die enormen Kosten der Therapie könne er selbst nicht decken. Er sei lange auf der Suche nach einem Arzt gewesen, der überhaupt bereit gewesen sei, ihn zu behandeln. Man habe ihm eigenes Verschulden an seiner Erkrankung vorgeworfen sowie, dass er ein Mensch sei, der es nicht verdiene, behandelt zu werden. Seit 31.07.2015 habe er eine HIV-Therapie begonnen. Ein von ihm vorgelegtes fachärztliches Attest vom 15.09.2015 diagnostizierte die HIV-CDC-Kategorie C2 und das Erfordernis einer lebenslangen HIV-Therapie.
Mit Bescheid vom 28.09.2015, eingeschrieben zur Post am 02.10.2015, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Ferner wurden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint (Nr. 4) und dem Kläger binnen Wochenfrist die Abschiebung in den Kosovo angedroht (Nr. 5) sowie schließlich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Der Kläger hat am 08.10.2015 Klage erhoben. Auf einen gleichzeitig mit der Klage gestellten Eilantrag hin ist deren aufschiebende Wirkung mit Beschluss des Einzelrichters vom 23.11.2015 (A 6 K 2345/15) angeordnet worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Nr. 1 und die Nrn. 3 bis 6 des Bundesamtsbescheids vom 28.09.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise, zu verpflichten im subsidiären Schutz zuzuerkennen;
weiter hilfsweise, zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach– und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (ein Heft des Bundesamts sowie ein Heft Gerichtsakten des Eilverfahrens 6 K 2345/15) verwiesen. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden; wegen des Inhalts seiner Angaben wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
13 
Die zulässige Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf internationalen Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft hat, § 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO.
14 
1.) Der Kläger ist Flüchtling, da er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet und dessen Schutz nicht in Anspruch nehmen kann bzw. wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 AsylG). Seine Furcht, wegen seiner sexuellen Orientierung (zum Verfolgungsgrund unter a.) im Kosovo menschenrechtswidrigen Bedrohungen ausgesetzt zu sein, ist begründet, da ihm diese aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände und in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (zu Verfolgungshandlung und Prognose unter b.).
15 
a.) In der Person des Klägers liegt ein Verfolgungsgrund i.S.v. §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG vor. Der Kläger ist transsexuell. Entgegen dem ihm bei Geburt „zugewiesenen“ männlichen Geschlecht besitzt er den Wunsch, als Angehöriger des weiblichen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden. Er sucht - und lebt dies auch tatsächlich so - die sexuelle Befriedigung mit männlichen Partnern, seine sexuelle Orientierung ist folglich homosexuell und wird von seiner Umgebung, die den Kläger dem männlichen Geschlecht zuordnet, auch so aufgefasst. Angesichts des gesamten Vortrags des Klägers im Asylverfahren, der insoweit umfangreiche Details über Erlebnisse aus dem privaten und öffentlichen Bereich im Zusammenhang mit seiner sexuellen Neigung enthielt, sowie ferner aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass dies die sexuelle Ausrichtung des Klägers ist. Besonders in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht einen nachhaltigen Eindruck dahin gewonnen, dass der Kläger unter den Reaktionen seiner Umgebung (Familie und Dritte) auf seine von dieser so begriffenen (und zum Anlass von Repressionen genommenen - dazu unten) „Andersartigkeit“ sehr gelitten hatte. Nicht zuletzt seine immer wieder einsetzenden Weinkrämpfe belegten dies nachhaltig. Von Übertreibung oder gar Simulation konnte keine Rede sein. Dieser überaus labile Zustand des Klägers in der mündlichen Verhandlung hing auch erkennbar nicht (nur) mit seiner HIV-Erkrankung zusammen, da diese aufgrund der klaren medizinischen Faktenlage in der informatorischen Anhörung erst am Ende zur Sprache kam (vgl. Sitzungsprotokoll-Seite 3/4) und dort nur eine untergeordnete Rolle spielte.
16 
Homosexuelle - wie auch transsexuelle - Menschen gehören im Kosovo zu einer sozialen Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Die sexuelle Ausrichtung einer Person stellt ein Merkmal dar, das im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylG so bedeutsam für die Identität ist, dass sie nicht gezwungen werden darf, auf sie zu verzichten. Von einem Asylbewerber kann - abgesehen von (hier nicht im Raum stehenden) Handlungen, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten – nicht erwartet werden, dass er seine Sexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden. Daher muss dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn nachgewiesen ist, dass nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland seine Homosexualität ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Dass er die Gefahr dadurch vermeiden könnte, dass er beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung größere Zurückhaltung übt als eine heterosexuelle Person, ist insoweit unbeachtlich (vgl. zu Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG, der durch § 3b AsylG in nationales Recht umgesetzt wurde: EuGH, Urt. v. 07.11.2013 – C-199/12 u.a. -, Rn. 46 und 67 ff., juris).
17 
Diese Personengruppe besitzt im Kosovo ferner eine deutlich abgegrenzte Identität, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 b) AsylG). Homosexualität wie auch sonst die Zugehörigkeit zur sexuellen Minderheit der LGBTI-Personen ist in der kosovarischen Gesellschaft vor allem außerhalb der Hauptstadt ein Tabuthema. Personen, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, müssen damit rechnen, sozial ausgegrenzt zu werden. Betroffene berichten, unter permanentem psychischem Druck zu stehen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 07.12.2016, Seite 14). Einer liberalen Gesetzgebung zu Gunsten sexueller Minderheiten stehen in der Gesellschaft und in der eigenen Familie immer noch Stigmatisierung, Diskriminierung und gewalttätige Übergriffe gegenüber (vgl. für den Zeitraum seit 2008: UNHCR-Richtlinien vom 09.11.2009 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem Kosovo, Seite 19/20; Schweizerische Flüchtlingshilfe, 21.12.2011, Kosovo: Homosexualität; Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 17.06.2012 [Seite 19/20], vom 12.06.2013 [Seite 19], vom 25.11.2014 [Seite 15/16] und vom 09.12.2015 [Seite 16]; EASO, Kosovo Report November 2016, Seite 36; EU-Kosovo-Report 2016 vom 09.11.2016, Seite 27/28; Schwedische Einwanderungsbehörde vom 29.09.2016, Seite 4/5 [English Summary]; Bundesasylamt Österreich, Länderinformationsblatt Kosovo, 12.07.2016, Seite 29; US Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2015 vom 13.04.2016 [unter: Acts of Violence, Discrimination, and Other Abuses Based on Sexual Orientation and Gender Identity]; das Merkmal der sozialen Gruppe ebenfalls - für homosexuelle Frauen - bejahend: OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.10.2013 – 8 LA 221/12 –, Rn. 20, juris). Der Vortrag des Klägers über Beschimpfungen im Alltag sowie heftige Ablehnung innerhalb der eigenen Familie reiht sich ohne weiteres in die in den genannten Erkenntnisquellen geschilderte Situation ein. Die LGBTI-Organisation ..., für die der Kläger gearbeitet hat, bestätigt in ihrem Schreiben vom 09.02.2015 (BAMF-AS. 45) nicht nur die Mitgliedschaft bzw. die Aktivitäten des Klägers für diese Organisation, sondern führt ferner aus, dass sexuelle Minderheiten im Kosovo erheblich stigmatisiert sind und deshalb ihre Orientierung verbergen müssen. Da es keinen staatlichen Schutz gebe, könne auch die Organisation nicht für die Sicherheit dieser Menschen garantieren (zu den Aktivitäten von ... vgl. ILGA-Europe, Jahresbericht 2015 über die Menschenrechtssituation der LGBTI-Menschen, Mai 2015, , Seite, und ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., Seiten 5 und 8).
18 
b.) Der Kläger hat wegen seiner Homosexualität bei Rückkehr in den Kosovo Verfolgung in Gestalt physischer und psychischer Gewalt begründet zu befürchten (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 AsylG). Diese Verfolgung droht ihm durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der kosovarische Staat wirksamen Schutz hiervor bietet (§§ 3c, 3d AsylG), und ohne dass ihm interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG).
19 
Der Kläger ist bereits vor seiner Ausreise wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt worden:
20 
Sein Bruder bedrohte ihn mit dem Messer und forderte dabei, sich entweder „wie ein Mann“ zu verhalten (und die ihm von der Familie ausgesuchte Frau gegen seinen Willen zu heiraten), oder sonst von ihm umgebracht zu werden. Unabhängig davon, ob diese Drohung mit dem Tode ernst gemeint war – was allerdings mit Blick auf die traditionell bedeutsame Familienehre ernsthaft in Betracht gezogen werden muss (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., Seite 2) -, verletzte dies den Kläger ganz erheblich in seiner psychischen Verfassung, da hierdurch das innerfamiliäre Sicherheitsgefühl des Klägers erheblich beeinträchtigt wurde. Auch hier hat die mündliche Verhandlung eindrucksvoll gezeigt, wie schwer der Kläger hiervon betroffen war, fing er doch bei Schilderung dieses Vorfalls erneut heftig an zu weinen.
21 
Eine weitere akute Bedrohung seiner körperlichen und psychischen Integrität widerfuhr dem Kläger bei seiner im April 2014 begonnenen Arbeit für ... Für die Organisation war er, wie er nachvollziehbar schilderte (und was diese im Schreiben vom 09.02.2015 auch bestätigte, vgl. BAMF-AS. 45), im Kosovo unterwegs, um in Parks, den geheimen bzw. versteckten Treffpunkten Homosexueller, diese über HIV aufzuklären und Kondome zu verteilen. Hierbei wurde er im Park von ... von 3 jungen Männern auf Motorrädern zunächst angerufen bzw. beschimpft („Ihr Schwulen“). Diese fuhren sodann, bewaffnet mit einer Kette und Messern, auf die Gruppe, bei der sich der Kläger gerade aufhielt, zu. Die Gruppe konnte sich mit dem Auto retten und wurde kurz von den Angreifern verfolgt, die Gegenstände hinterher warfen, durch die das Rückfenster des PKW kaputt ging.
22 
Auch der berichtete Vorfall während der Zugfahrt zwischen ... und ... schließlich ist verfolgungsrelevant gewesen. Die Kläger wurde hier erneut beschimpft („Peder“ [Anm.: wohl Abkürzung für „Pederast“]) und sollte seinen Sitzplatz frei machen. Auf seine Weigerung hin, wurde ihm eindeutig mit Gewalt gedroht („Wir sind ja bald in ... und steigen dann aus und sehen uns wieder.“). Dass dies Wirkung zeigte, ergibt sich daraus, dass der Kläger aus Angst anfing zu weinen, den Platz frei machte und sich sofort an die Zugtür stellte, um beim Anhalten sofort aussteigen und weglaufen zu können.
23 
Das Gericht erachtet diesen gesamten Vortrag des Klägers für glaubhaft. Die emotionale Betroffenheit, die er in der mündlichen Verhandlung insbesondere gezeigt hat, als er von der Bedrohung durch seinen Bruder berichtete, spricht hierfür. Auch die spontane und erneut mit heftigem Weinen verknüpfte Schilderung des Ereignisses auf der Zugfahrt fügt sich hier nahtlos ein. Entsprechend lebhaft und realistisch schilderte der Kläger schließlich den Vorfall im Park von ... Diese Angaben decken sich ferner mit denjenigen, die der Kläger in 3-stündigen Untersuchungsgesprächen gegenüber der Gutachterin Dr. C. des ... (vgl. deren ausführliches Attest vom 30.08.2016) gemacht hat. Wenn demgegenüber bei der Anhörung beim Bundesamt am 23.02.2015 und auch noch in der schriftlichen Stellungnahme des Klägers vom 17.09.2015 nur sehr allgemein von verbalen Attacken sowie sonst schwerpunktmäßig nur von seiner HIV-Erkrankung die Rede war, steht dies zur Überzeugung des Gerichts der Glaubhaftigkeit des aktuellen Vortrags nicht entgegen. Es lässt sich vielmehr recht deutlich daraus erklären, dass der Kläger in den ersten Monaten nach seiner Einreise mit der kurz zuvor im Kosovo gestellten HIV-Diagnose innerlich ausschließlich beschäftigt war. Wie er schon damals wiederholt ausführte, war er trotz dieser Diagnose im Kosovo nur sehr kurz untersucht und behandelt worden, so dass eine endgültige Gewissheit im Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland immer noch nicht bestand. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich hierbei um eine lebensgefährliche Erkrankung handelt, ist es für das Gericht deshalb nachvollziehbar, dass der Kläger sich die verfolgungsrelevanten Details erst nach und nach - nachdem nämlich die medizinische Erkenntnislage hier in Deutschland gefestigt war - bewusst machen und vortragen konnte.
24 
Wirksamer staatlicher Schutz stand dem Kläger damals nicht zur Verfügung. Gemäß § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG ist generell ein Schutz gewährleistet, wenn der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Für diese Nachprüfung haben die zuständigen Behörden insbesondere die Funktionsweise der Institutionen, Behörden und Sicherheitskräfte einerseits und aller Gruppen oder Einheiten des Drittlandes, die durch ihr Tun oder Unterlassen für Verfolgungshandlungen gegen die betreffende Person im Fall ihrer Rückkehr in dieses Land ursächlich werden können, andererseits zu beurteilen. Nach Art. 4 Abs. 3 der (mangels Umsetzung in nationales Recht hier unmittelbar anwendbaren) Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungs- oder Qualifikationsrichtlinie), der sich auf die Prüfung der Ereignisse und Umstände bezieht, können die zuständigen Behörden insbesondere die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslandes und die Weise, in der sie angewandt werden, sowie den Umfang, in dem in diesem Land die Achtung der grundlegenden Menschenrechte gewährleistet ist, berücksichtigen. Das Fortbestehen vereinzelter Verfolgungshandlungen und damit gewisse Schutzlücken schließen die Wirksamkeit des Schutzes nicht aus, soweit diese Handlungen gleichwohl effektiv geahndet werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, Rn. 127, juris).
25 
Von in diesem Sinne wirksamen Sanktionen staatlicher Seite auf Verfolgungshandlungen, die sich gegen sexuelle Minderheiten richten, kann indessen nicht ausgegangen werden. Einmal mehr eindrücklich – und auch insoweit glaubhaft – schilderte der Kläger, wie sie nach dem Vorfall im Park von ... direkt zur Polizei gefahren und alle Details geschildert hätten. Die einzige Reaktion der Polizisten hierauf sei jedoch nur gewesen, dass man ihnen sagte, sie würden ihre Verhältnisse genau kennen, müssten einfach vorsichtig sein und dürften nicht in den Park gehen. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass es sich hierbei auch nicht ansatzweise um einen ausreichenden Schutz bzw. Schutzwillen handelte. Der konkrete Bericht des Klägers deckt sich mit den Feststellungen des US Department of State in den Reporten betreffend die Jahre 2014 und 2015, wonach die Polizei nicht zugänglich für Anliegen und Bedürfnisse der LGBTI-Personen sei und darüber hinaus Hassverbrechen, die nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2008 begangen worden seien, auch nicht konsequent verfolgt worden seien. In diesen Reporten sowie den weiter oben genannten Erkenntnisquellen (vgl. ferner: BAMF, Kosovo Länderreport, Band 3 vom Mai 2015, Seite 32) findet sich wiederholt auch die Feststellung, dass sich von menschenrechtswidrigen Übergriffen durch Dritte betroffene Angehörige sexueller Minderheiten nur ganz selten an öffentliche Institutionen wendeten, sowohl aus Angst, sich dann erkennen geben zu müssen, als auch aus Furcht vor der Reaktion der Polizisten. Wie der Kläger selbst beim Bundesamt schilderte, sind er und sein damaliger Partner selbst einmal von der Polizei beleidigt worden, als sie in Frauenkleidern angetroffen wurden.
26 
Zwar ist der Kläger nicht noch während, sondern erst zeitlich nach den oben genannten Verfolgungshandlungen ausgereist. Zwischen dem letzten Vorfall, der sich nach Beginn der Aktivität für ... (April 2014) ereignete, und der Ausreise im Februar 2015 lagen vielmehr sogar einige Monate. Gleichwohl ist von einer bis zur Ausreise andauernden beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit auszugehen. Referenzfälle politischer Verfolgung sowie ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung sind gewichtige Indizien für eine weiterhin gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.03.2013, a.a.O., Rn. 133/134). Die in den oben beschriebenen drei Vorfällen erkennbare Reaktionsbereitschaft der Umgebung des Klägers auf ihn – sowohl in der Familie als auch im weiteren Umkreis – war auch nach April 2014 keine andere geworden. Jederzeit hätten sich vielmehr erneut Repressionen gegen den Kläger wenden können. Ein Beleg hierfür ist etwa – was der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführte –, dass er in der Klinik in Pristina, an die er sich wegen seiner HIV-Infektion wendete, nicht höflich behandelt, sondern wegen seiner „Fraulichkeit“ ausgelacht wurde. Die (scheinbare) Ruhe bis Februar 2015 war letztlich nur dem Umstand geschuldet, dass im August 2014 ein positiver HIV-Test gemacht worden und damit eine zusätzliche bzw. neue Situation entstanden war, die den Kläger offensichtlich so stark in Anspruch nahm, dass er zunächst damit fertig werden musste. Diese Umstände sprechen damit nicht für eine beendete Verfolgungssituation. An der Bereitschaft Dritter, dem Kläger gegenüber jederzeit erneut gewalttätig zu werden, hatte sich nichts geändert. Ebenso ergab sich in diesem Zeitraum keine wesentliche Änderung, was die mangelnde Fähigkeit des Staates betraf, wirksamen Schutz gegen Übergriffe privater Akteure zu gewähren.
27 
Der Kläger war somit, als er den Kosovo im Februar 2015 verließ, verfolgt worden und weiterhin unmittelbar hiervon bedroht. Dies stellt nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU einen ernsthaften Hinweis darauf dar, dass seine Furcht vor Verfolgung auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über seinen Antrag (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG sowie Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie 2011/95/EU) weiterhin begründet ist. Diese Beweiserleichterung knüpft nur an den Umstand einer erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung, nicht aber an weitere Voraussetzungen - wie etwa Schutzmöglichkeiten in anderen Landesteilen - an. Sie soll beweisrechtlich diejenigen privilegieren, die in ihrem Heimatland tatsächlich bereits persönlich Verfolgung erfahren haben (BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 – 10 C 52.07 –, Rn. 29, juris). Sie enthält eine Vermutung für eine zukünftig drohende Verfolgung. Sie kann allerdings widerlegt werden. Maßgeblich ist dafür, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (BVerwG, Beschl. v. 23.11.2011 – 10 B 32.11 –, Rn. 7, juris).
28 
Stichhaltige Gründe, die gegen ein erneute Verfolgung des Klägers bei Rückkehr sprechen, gibt es indessen nicht. Die oben (Seite 7) für die Einordnung von LGBTI-Personen als soziale Gruppe angeführten Erkenntnisquellen, die bis in die jüngste Zeit reichen, belegen dies. Der auf Gesetzesebene sowie bei öffentlichen Aktionen und Bekundungen dokumentierten liberalen Haltung des Staates und seiner obersten Vertreter entspricht in der Praxis keine wirksame Umsetzung bei der Akzeptanz und beim Schutz dieses Personenkreises. Auch in individueller Hinsicht gibt es beim Kläger keine wesentliche Änderung. Dass seine Familie – seine Mutter und vor allem sein Bruder – nunmehr eine andere Einstellung gewonnen hätten, ist nicht ersichtlich. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch noch einmal im Zusammenhang mit den telefonischen Kontakten, die er noch ins Heimatland hat, belegen können. Dass sein Bruder, der anlässlich eines solchen Telefonats auch einmal mit ihm sprechen wollte (was dem Kläger dann aber aus psychischen Gründen unmöglich war), dies aus Gründen der Läuterung oder besseren Einsicht hätte tun wollen, kann nahezu sicher ausgeschlossen werden.
29 
Für den Kläger gibt es schließlich auch keinen internen Schutz. Dem Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes wird gemäß § 3e AsylG durch eine Verweisung auf eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung bestehende interne Schutzalternative Rechnung getragen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2009, a.a.O., Rn. 29). Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft danach nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dem im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vorverfolgten Asylantragsteller kommt die Beweiserleichterung nach dieser Bestimmung auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht. Bei der Prüfung internen Schutzes kann kein strengerer Maßstab zugrunde gelegt werden als bei der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose (BVerwG, Urt. v. 05.05.2009 – 10 C 21.08 –, Rn. 22 ff., juris).
30 
Dass der Kläger möglicherweise vor seinem Bruder sicher sein könnte, indem er nicht mehr nach ... zurückkehrte, sondern in eine größere und anonymere Stadt, etwa die Hauptstadt Pristina, ginge (in diesem Sinne für internen Schutz bei Verfolgung durch Familienangehörige: OVG NRW, Beschl. v. 25.05.2016 – 13 A 871/16.A –, Rn. 10 und 13, juris; VG München, Beschl. v. 21.03.2016 – M 16 S 16.30448 –, Rn. 15, juris), ist unerheblich. Denn die gemäß § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 4 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten und persönlichen Umstände des Klägers ergeben, dass vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass er sich woanders im Kosovo niederlässt. Das folgt nicht nur aus der Homosexualität des Klägers, die nach dem oben ausführlich Dargelegten bereits in der Vergangenheit auch Übergriffe Dritter, nicht zur Familie gehörender Personen, ausgelöst hat. Vor allem aber ergibt es sich daraus, dass der Kläger mittlerweile erheblich erkrankt ist. Bereits die HIV-Infektion steht einer Rückkehr in den Kosovo bzw. einer Niederlassung dort, egal in welchem Landesteil, entgegen. Denn die wegen des erreichten Krankheitsstadiums (CDC C2) begonnene und lebenslang erforderliche antiretrovirale Therapie (ART) ist in der erforderlichen Lückenlosigkeit - eine einmal begonnene ART sollte nicht mehr abgesetzt werden, um Resistenzbildung zu verhindern; aus demselben Grund ist eine regelmäßige Tabletteneinnahme unumgänglich - im Kosovo nicht gewährleistet (vgl. WHO, Review of the HIV programme in Kosovo, 2015, Seite 1 [Executive Summary, am Ende], vgl. dazu, dass Medikamente oft nicht vorrätig und in öffentlichen Kliniken nicht verfügbar sind, auch: IOM, Country Fact Sheet Kosovo, Mai 2016, Seite 3; ZIRF-Counselling-Anfragebeantwortung vom 19.09.2016, Az. ZC218).
31 
Angesichts des bereits aufgrund der HIV-Infektion geschwächten physischen und psychischen Zustandes des Klägers sowie aufgrund der bei ihm diagnostizierten PTBS und Depression sowie Angstneurose (vgl. fachärztliches Attest vom 19.12.2016; ferner die Ausführungen der Gutachterin Frau Dr. C. des ... vom 30.08.2016) bestehen schließlich auch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass an irgendeinem Ort im Kosovo die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu seinen Gunsten dergestalt wären, dass sein Existenzminimum gewährleistet wäre (zu diesem Erfordernis im Rahmen des internen Schutzes vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.11.2012 – 10 B 22.12 –, Rn. 9, juris).
32 
2.) Über die Hilfsanträge ist nicht mehr zu entscheiden. Aufzuheben sind gleichwohl die Nrn. 3 und 4 Bundesamtsbescheids. Da dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, bleibt für die negative Feststellung zu subsidiärem Schutz und nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten kein Raum mehr (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Auch die Abschiebungsandrohung und die (nur) für den Fall einer Abschiebung an ein dann entstehendes gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot anknüpfende Befristung (Nrn. 5 und 6 des Bescheids) sind schließlich rechtswidrig, da die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 11 Abs. 2 AufenthG im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegen.
II.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Gründe

 
I.
13 
Die zulässige Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf internationalen Schutz in Gestalt der Flüchtlingseigenschaft hat, § 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO.
14 
1.) Der Kläger ist Flüchtling, da er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet und dessen Schutz nicht in Anspruch nehmen kann bzw. wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 AsylG). Seine Furcht, wegen seiner sexuellen Orientierung (zum Verfolgungsgrund unter a.) im Kosovo menschenrechtswidrigen Bedrohungen ausgesetzt zu sein, ist begründet, da ihm diese aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände und in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (zu Verfolgungshandlung und Prognose unter b.).
15 
a.) In der Person des Klägers liegt ein Verfolgungsgrund i.S.v. §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG vor. Der Kläger ist transsexuell. Entgegen dem ihm bei Geburt „zugewiesenen“ männlichen Geschlecht besitzt er den Wunsch, als Angehöriger des weiblichen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden. Er sucht - und lebt dies auch tatsächlich so - die sexuelle Befriedigung mit männlichen Partnern, seine sexuelle Orientierung ist folglich homosexuell und wird von seiner Umgebung, die den Kläger dem männlichen Geschlecht zuordnet, auch so aufgefasst. Angesichts des gesamten Vortrags des Klägers im Asylverfahren, der insoweit umfangreiche Details über Erlebnisse aus dem privaten und öffentlichen Bereich im Zusammenhang mit seiner sexuellen Neigung enthielt, sowie ferner aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass dies die sexuelle Ausrichtung des Klägers ist. Besonders in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht einen nachhaltigen Eindruck dahin gewonnen, dass der Kläger unter den Reaktionen seiner Umgebung (Familie und Dritte) auf seine von dieser so begriffenen (und zum Anlass von Repressionen genommenen - dazu unten) „Andersartigkeit“ sehr gelitten hatte. Nicht zuletzt seine immer wieder einsetzenden Weinkrämpfe belegten dies nachhaltig. Von Übertreibung oder gar Simulation konnte keine Rede sein. Dieser überaus labile Zustand des Klägers in der mündlichen Verhandlung hing auch erkennbar nicht (nur) mit seiner HIV-Erkrankung zusammen, da diese aufgrund der klaren medizinischen Faktenlage in der informatorischen Anhörung erst am Ende zur Sprache kam (vgl. Sitzungsprotokoll-Seite 3/4) und dort nur eine untergeordnete Rolle spielte.
16 
Homosexuelle - wie auch transsexuelle - Menschen gehören im Kosovo zu einer sozialen Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Die sexuelle Ausrichtung einer Person stellt ein Merkmal dar, das im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylG so bedeutsam für die Identität ist, dass sie nicht gezwungen werden darf, auf sie zu verzichten. Von einem Asylbewerber kann - abgesehen von (hier nicht im Raum stehenden) Handlungen, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten – nicht erwartet werden, dass er seine Sexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden. Daher muss dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn nachgewiesen ist, dass nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland seine Homosexualität ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Dass er die Gefahr dadurch vermeiden könnte, dass er beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung größere Zurückhaltung übt als eine heterosexuelle Person, ist insoweit unbeachtlich (vgl. zu Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG, der durch § 3b AsylG in nationales Recht umgesetzt wurde: EuGH, Urt. v. 07.11.2013 – C-199/12 u.a. -, Rn. 46 und 67 ff., juris).
17 
Diese Personengruppe besitzt im Kosovo ferner eine deutlich abgegrenzte Identität, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 b) AsylG). Homosexualität wie auch sonst die Zugehörigkeit zur sexuellen Minderheit der LGBTI-Personen ist in der kosovarischen Gesellschaft vor allem außerhalb der Hauptstadt ein Tabuthema. Personen, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, müssen damit rechnen, sozial ausgegrenzt zu werden. Betroffene berichten, unter permanentem psychischem Druck zu stehen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 07.12.2016, Seite 14). Einer liberalen Gesetzgebung zu Gunsten sexueller Minderheiten stehen in der Gesellschaft und in der eigenen Familie immer noch Stigmatisierung, Diskriminierung und gewalttätige Übergriffe gegenüber (vgl. für den Zeitraum seit 2008: UNHCR-Richtlinien vom 09.11.2009 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem Kosovo, Seite 19/20; Schweizerische Flüchtlingshilfe, 21.12.2011, Kosovo: Homosexualität; Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 17.06.2012 [Seite 19/20], vom 12.06.2013 [Seite 19], vom 25.11.2014 [Seite 15/16] und vom 09.12.2015 [Seite 16]; EASO, Kosovo Report November 2016, Seite 36; EU-Kosovo-Report 2016 vom 09.11.2016, Seite 27/28; Schwedische Einwanderungsbehörde vom 29.09.2016, Seite 4/5 [English Summary]; Bundesasylamt Österreich, Länderinformationsblatt Kosovo, 12.07.2016, Seite 29; US Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2015 vom 13.04.2016 [unter: Acts of Violence, Discrimination, and Other Abuses Based on Sexual Orientation and Gender Identity]; das Merkmal der sozialen Gruppe ebenfalls - für homosexuelle Frauen - bejahend: OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.10.2013 – 8 LA 221/12 –, Rn. 20, juris). Der Vortrag des Klägers über Beschimpfungen im Alltag sowie heftige Ablehnung innerhalb der eigenen Familie reiht sich ohne weiteres in die in den genannten Erkenntnisquellen geschilderte Situation ein. Die LGBTI-Organisation ..., für die der Kläger gearbeitet hat, bestätigt in ihrem Schreiben vom 09.02.2015 (BAMF-AS. 45) nicht nur die Mitgliedschaft bzw. die Aktivitäten des Klägers für diese Organisation, sondern führt ferner aus, dass sexuelle Minderheiten im Kosovo erheblich stigmatisiert sind und deshalb ihre Orientierung verbergen müssen. Da es keinen staatlichen Schutz gebe, könne auch die Organisation nicht für die Sicherheit dieser Menschen garantieren (zu den Aktivitäten von ... vgl. ILGA-Europe, Jahresbericht 2015 über die Menschenrechtssituation der LGBTI-Menschen, Mai 2015, , Seite, und ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., Seiten 5 und 8).
18 
b.) Der Kläger hat wegen seiner Homosexualität bei Rückkehr in den Kosovo Verfolgung in Gestalt physischer und psychischer Gewalt begründet zu befürchten (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 AsylG). Diese Verfolgung droht ihm durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der kosovarische Staat wirksamen Schutz hiervor bietet (§§ 3c, 3d AsylG), und ohne dass ihm interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG).
19 
Der Kläger ist bereits vor seiner Ausreise wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt worden:
20 
Sein Bruder bedrohte ihn mit dem Messer und forderte dabei, sich entweder „wie ein Mann“ zu verhalten (und die ihm von der Familie ausgesuchte Frau gegen seinen Willen zu heiraten), oder sonst von ihm umgebracht zu werden. Unabhängig davon, ob diese Drohung mit dem Tode ernst gemeint war – was allerdings mit Blick auf die traditionell bedeutsame Familienehre ernsthaft in Betracht gezogen werden muss (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., Seite 2) -, verletzte dies den Kläger ganz erheblich in seiner psychischen Verfassung, da hierdurch das innerfamiliäre Sicherheitsgefühl des Klägers erheblich beeinträchtigt wurde. Auch hier hat die mündliche Verhandlung eindrucksvoll gezeigt, wie schwer der Kläger hiervon betroffen war, fing er doch bei Schilderung dieses Vorfalls erneut heftig an zu weinen.
21 
Eine weitere akute Bedrohung seiner körperlichen und psychischen Integrität widerfuhr dem Kläger bei seiner im April 2014 begonnenen Arbeit für ... Für die Organisation war er, wie er nachvollziehbar schilderte (und was diese im Schreiben vom 09.02.2015 auch bestätigte, vgl. BAMF-AS. 45), im Kosovo unterwegs, um in Parks, den geheimen bzw. versteckten Treffpunkten Homosexueller, diese über HIV aufzuklären und Kondome zu verteilen. Hierbei wurde er im Park von ... von 3 jungen Männern auf Motorrädern zunächst angerufen bzw. beschimpft („Ihr Schwulen“). Diese fuhren sodann, bewaffnet mit einer Kette und Messern, auf die Gruppe, bei der sich der Kläger gerade aufhielt, zu. Die Gruppe konnte sich mit dem Auto retten und wurde kurz von den Angreifern verfolgt, die Gegenstände hinterher warfen, durch die das Rückfenster des PKW kaputt ging.
22 
Auch der berichtete Vorfall während der Zugfahrt zwischen ... und ... schließlich ist verfolgungsrelevant gewesen. Die Kläger wurde hier erneut beschimpft („Peder“ [Anm.: wohl Abkürzung für „Pederast“]) und sollte seinen Sitzplatz frei machen. Auf seine Weigerung hin, wurde ihm eindeutig mit Gewalt gedroht („Wir sind ja bald in ... und steigen dann aus und sehen uns wieder.“). Dass dies Wirkung zeigte, ergibt sich daraus, dass der Kläger aus Angst anfing zu weinen, den Platz frei machte und sich sofort an die Zugtür stellte, um beim Anhalten sofort aussteigen und weglaufen zu können.
23 
Das Gericht erachtet diesen gesamten Vortrag des Klägers für glaubhaft. Die emotionale Betroffenheit, die er in der mündlichen Verhandlung insbesondere gezeigt hat, als er von der Bedrohung durch seinen Bruder berichtete, spricht hierfür. Auch die spontane und erneut mit heftigem Weinen verknüpfte Schilderung des Ereignisses auf der Zugfahrt fügt sich hier nahtlos ein. Entsprechend lebhaft und realistisch schilderte der Kläger schließlich den Vorfall im Park von ... Diese Angaben decken sich ferner mit denjenigen, die der Kläger in 3-stündigen Untersuchungsgesprächen gegenüber der Gutachterin Dr. C. des ... (vgl. deren ausführliches Attest vom 30.08.2016) gemacht hat. Wenn demgegenüber bei der Anhörung beim Bundesamt am 23.02.2015 und auch noch in der schriftlichen Stellungnahme des Klägers vom 17.09.2015 nur sehr allgemein von verbalen Attacken sowie sonst schwerpunktmäßig nur von seiner HIV-Erkrankung die Rede war, steht dies zur Überzeugung des Gerichts der Glaubhaftigkeit des aktuellen Vortrags nicht entgegen. Es lässt sich vielmehr recht deutlich daraus erklären, dass der Kläger in den ersten Monaten nach seiner Einreise mit der kurz zuvor im Kosovo gestellten HIV-Diagnose innerlich ausschließlich beschäftigt war. Wie er schon damals wiederholt ausführte, war er trotz dieser Diagnose im Kosovo nur sehr kurz untersucht und behandelt worden, so dass eine endgültige Gewissheit im Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland immer noch nicht bestand. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich hierbei um eine lebensgefährliche Erkrankung handelt, ist es für das Gericht deshalb nachvollziehbar, dass der Kläger sich die verfolgungsrelevanten Details erst nach und nach - nachdem nämlich die medizinische Erkenntnislage hier in Deutschland gefestigt war - bewusst machen und vortragen konnte.
24 
Wirksamer staatlicher Schutz stand dem Kläger damals nicht zur Verfügung. Gemäß § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG ist generell ein Schutz gewährleistet, wenn der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Für diese Nachprüfung haben die zuständigen Behörden insbesondere die Funktionsweise der Institutionen, Behörden und Sicherheitskräfte einerseits und aller Gruppen oder Einheiten des Drittlandes, die durch ihr Tun oder Unterlassen für Verfolgungshandlungen gegen die betreffende Person im Fall ihrer Rückkehr in dieses Land ursächlich werden können, andererseits zu beurteilen. Nach Art. 4 Abs. 3 der (mangels Umsetzung in nationales Recht hier unmittelbar anwendbaren) Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungs- oder Qualifikationsrichtlinie), der sich auf die Prüfung der Ereignisse und Umstände bezieht, können die zuständigen Behörden insbesondere die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslandes und die Weise, in der sie angewandt werden, sowie den Umfang, in dem in diesem Land die Achtung der grundlegenden Menschenrechte gewährleistet ist, berücksichtigen. Das Fortbestehen vereinzelter Verfolgungshandlungen und damit gewisse Schutzlücken schließen die Wirksamkeit des Schutzes nicht aus, soweit diese Handlungen gleichwohl effektiv geahndet werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, Rn. 127, juris).
25 
Von in diesem Sinne wirksamen Sanktionen staatlicher Seite auf Verfolgungshandlungen, die sich gegen sexuelle Minderheiten richten, kann indessen nicht ausgegangen werden. Einmal mehr eindrücklich – und auch insoweit glaubhaft – schilderte der Kläger, wie sie nach dem Vorfall im Park von ... direkt zur Polizei gefahren und alle Details geschildert hätten. Die einzige Reaktion der Polizisten hierauf sei jedoch nur gewesen, dass man ihnen sagte, sie würden ihre Verhältnisse genau kennen, müssten einfach vorsichtig sein und dürften nicht in den Park gehen. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass es sich hierbei auch nicht ansatzweise um einen ausreichenden Schutz bzw. Schutzwillen handelte. Der konkrete Bericht des Klägers deckt sich mit den Feststellungen des US Department of State in den Reporten betreffend die Jahre 2014 und 2015, wonach die Polizei nicht zugänglich für Anliegen und Bedürfnisse der LGBTI-Personen sei und darüber hinaus Hassverbrechen, die nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2008 begangen worden seien, auch nicht konsequent verfolgt worden seien. In diesen Reporten sowie den weiter oben genannten Erkenntnisquellen (vgl. ferner: BAMF, Kosovo Länderreport, Band 3 vom Mai 2015, Seite 32) findet sich wiederholt auch die Feststellung, dass sich von menschenrechtswidrigen Übergriffen durch Dritte betroffene Angehörige sexueller Minderheiten nur ganz selten an öffentliche Institutionen wendeten, sowohl aus Angst, sich dann erkennen geben zu müssen, als auch aus Furcht vor der Reaktion der Polizisten. Wie der Kläger selbst beim Bundesamt schilderte, sind er und sein damaliger Partner selbst einmal von der Polizei beleidigt worden, als sie in Frauenkleidern angetroffen wurden.
26 
Zwar ist der Kläger nicht noch während, sondern erst zeitlich nach den oben genannten Verfolgungshandlungen ausgereist. Zwischen dem letzten Vorfall, der sich nach Beginn der Aktivität für ... (April 2014) ereignete, und der Ausreise im Februar 2015 lagen vielmehr sogar einige Monate. Gleichwohl ist von einer bis zur Ausreise andauernden beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit auszugehen. Referenzfälle politischer Verfolgung sowie ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung sind gewichtige Indizien für eine weiterhin gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.03.2013, a.a.O., Rn. 133/134). Die in den oben beschriebenen drei Vorfällen erkennbare Reaktionsbereitschaft der Umgebung des Klägers auf ihn – sowohl in der Familie als auch im weiteren Umkreis – war auch nach April 2014 keine andere geworden. Jederzeit hätten sich vielmehr erneut Repressionen gegen den Kläger wenden können. Ein Beleg hierfür ist etwa – was der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführte –, dass er in der Klinik in Pristina, an die er sich wegen seiner HIV-Infektion wendete, nicht höflich behandelt, sondern wegen seiner „Fraulichkeit“ ausgelacht wurde. Die (scheinbare) Ruhe bis Februar 2015 war letztlich nur dem Umstand geschuldet, dass im August 2014 ein positiver HIV-Test gemacht worden und damit eine zusätzliche bzw. neue Situation entstanden war, die den Kläger offensichtlich so stark in Anspruch nahm, dass er zunächst damit fertig werden musste. Diese Umstände sprechen damit nicht für eine beendete Verfolgungssituation. An der Bereitschaft Dritter, dem Kläger gegenüber jederzeit erneut gewalttätig zu werden, hatte sich nichts geändert. Ebenso ergab sich in diesem Zeitraum keine wesentliche Änderung, was die mangelnde Fähigkeit des Staates betraf, wirksamen Schutz gegen Übergriffe privater Akteure zu gewähren.
27 
Der Kläger war somit, als er den Kosovo im Februar 2015 verließ, verfolgt worden und weiterhin unmittelbar hiervon bedroht. Dies stellt nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU einen ernsthaften Hinweis darauf dar, dass seine Furcht vor Verfolgung auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über seinen Antrag (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG sowie Art. 4 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie 2011/95/EU) weiterhin begründet ist. Diese Beweiserleichterung knüpft nur an den Umstand einer erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung, nicht aber an weitere Voraussetzungen - wie etwa Schutzmöglichkeiten in anderen Landesteilen - an. Sie soll beweisrechtlich diejenigen privilegieren, die in ihrem Heimatland tatsächlich bereits persönlich Verfolgung erfahren haben (BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 – 10 C 52.07 –, Rn. 29, juris). Sie enthält eine Vermutung für eine zukünftig drohende Verfolgung. Sie kann allerdings widerlegt werden. Maßgeblich ist dafür, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (BVerwG, Beschl. v. 23.11.2011 – 10 B 32.11 –, Rn. 7, juris).
28 
Stichhaltige Gründe, die gegen ein erneute Verfolgung des Klägers bei Rückkehr sprechen, gibt es indessen nicht. Die oben (Seite 7) für die Einordnung von LGBTI-Personen als soziale Gruppe angeführten Erkenntnisquellen, die bis in die jüngste Zeit reichen, belegen dies. Der auf Gesetzesebene sowie bei öffentlichen Aktionen und Bekundungen dokumentierten liberalen Haltung des Staates und seiner obersten Vertreter entspricht in der Praxis keine wirksame Umsetzung bei der Akzeptanz und beim Schutz dieses Personenkreises. Auch in individueller Hinsicht gibt es beim Kläger keine wesentliche Änderung. Dass seine Familie – seine Mutter und vor allem sein Bruder – nunmehr eine andere Einstellung gewonnen hätten, ist nicht ersichtlich. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch noch einmal im Zusammenhang mit den telefonischen Kontakten, die er noch ins Heimatland hat, belegen können. Dass sein Bruder, der anlässlich eines solchen Telefonats auch einmal mit ihm sprechen wollte (was dem Kläger dann aber aus psychischen Gründen unmöglich war), dies aus Gründen der Läuterung oder besseren Einsicht hätte tun wollen, kann nahezu sicher ausgeschlossen werden.
29 
Für den Kläger gibt es schließlich auch keinen internen Schutz. Dem Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes wird gemäß § 3e AsylG durch eine Verweisung auf eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung bestehende interne Schutzalternative Rechnung getragen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2009, a.a.O., Rn. 29). Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft danach nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dem im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vorverfolgten Asylantragsteller kommt die Beweiserleichterung nach dieser Bestimmung auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht. Bei der Prüfung internen Schutzes kann kein strengerer Maßstab zugrunde gelegt werden als bei der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose (BVerwG, Urt. v. 05.05.2009 – 10 C 21.08 –, Rn. 22 ff., juris).
30 
Dass der Kläger möglicherweise vor seinem Bruder sicher sein könnte, indem er nicht mehr nach ... zurückkehrte, sondern in eine größere und anonymere Stadt, etwa die Hauptstadt Pristina, ginge (in diesem Sinne für internen Schutz bei Verfolgung durch Familienangehörige: OVG NRW, Beschl. v. 25.05.2016 – 13 A 871/16.A –, Rn. 10 und 13, juris; VG München, Beschl. v. 21.03.2016 – M 16 S 16.30448 –, Rn. 15, juris), ist unerheblich. Denn die gemäß § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 4 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten und persönlichen Umstände des Klägers ergeben, dass vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass er sich woanders im Kosovo niederlässt. Das folgt nicht nur aus der Homosexualität des Klägers, die nach dem oben ausführlich Dargelegten bereits in der Vergangenheit auch Übergriffe Dritter, nicht zur Familie gehörender Personen, ausgelöst hat. Vor allem aber ergibt es sich daraus, dass der Kläger mittlerweile erheblich erkrankt ist. Bereits die HIV-Infektion steht einer Rückkehr in den Kosovo bzw. einer Niederlassung dort, egal in welchem Landesteil, entgegen. Denn die wegen des erreichten Krankheitsstadiums (CDC C2) begonnene und lebenslang erforderliche antiretrovirale Therapie (ART) ist in der erforderlichen Lückenlosigkeit - eine einmal begonnene ART sollte nicht mehr abgesetzt werden, um Resistenzbildung zu verhindern; aus demselben Grund ist eine regelmäßige Tabletteneinnahme unumgänglich - im Kosovo nicht gewährleistet (vgl. WHO, Review of the HIV programme in Kosovo, 2015, Seite 1 [Executive Summary, am Ende], vgl. dazu, dass Medikamente oft nicht vorrätig und in öffentlichen Kliniken nicht verfügbar sind, auch: IOM, Country Fact Sheet Kosovo, Mai 2016, Seite 3; ZIRF-Counselling-Anfragebeantwortung vom 19.09.2016, Az. ZC218).
31 
Angesichts des bereits aufgrund der HIV-Infektion geschwächten physischen und psychischen Zustandes des Klägers sowie aufgrund der bei ihm diagnostizierten PTBS und Depression sowie Angstneurose (vgl. fachärztliches Attest vom 19.12.2016; ferner die Ausführungen der Gutachterin Frau Dr. C. des ... vom 30.08.2016) bestehen schließlich auch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass an irgendeinem Ort im Kosovo die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu seinen Gunsten dergestalt wären, dass sein Existenzminimum gewährleistet wäre (zu diesem Erfordernis im Rahmen des internen Schutzes vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.11.2012 – 10 B 22.12 –, Rn. 9, juris).
32 
2.) Über die Hilfsanträge ist nicht mehr zu entscheiden. Aufzuheben sind gleichwohl die Nrn. 3 und 4 Bundesamtsbescheids. Da dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, bleibt für die negative Feststellung zu subsidiärem Schutz und nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten kein Raum mehr (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Auch die Abschiebungsandrohung und die (nur) für den Fall einer Abschiebung an ein dann entstehendes gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot anknüpfende Befristung (Nrn. 5 und 6 des Bescheids) sind schließlich rechtswidrig, da die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 11 Abs. 2 AufenthG im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegen.
II.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n
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published on 21/03/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der am ... 1992 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo. Am 13
published on 25/05/2016 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Der A
published on 07/03/2013 00:00

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juni 2012 - A 9 K 122/12 - geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffer 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12.
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.