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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts Emmendingen vom 22.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27.09.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung kann grundsätzlich § 48 Abs. 1 LVwVfG sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, DVBl 2006, 910; BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132/07 -, in juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.09.2007 - 13 S 2794/06 - u. v. 09.08.2007 - 13 S 2885/06 -, in juris). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a. a. O.) hat hierzu ausgeführt, die im Staatsangehörigkeitsrecht vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit stellten kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln solle, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kämen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthalte nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt seien. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG, auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthielten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. § 24 StAngRegG sei nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 85 ff. AuslG anwendbar.
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Der Beklagte ist für die Rücknahme der von der Freien und Hansestadt Hamburg vorgenommenen Einbürgerung zuständig. Gemäß § 45 Abs. 5 LVwVfG entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (BVerwG, Beschl. v. 25.08.1995, DÖV 1995, 1046). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 a LVwVfG ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Der Kläger hatte am 22.04.2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in W. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 04.05.2004 zog der Kläger am 23.10.2003 nach W. (alleiniger Wohnsitz). Der Kläger und seine Ehefrau erklärten am 23.10.2003, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr dauernd getrennt, W. verfügte, der Kläger werde rückwirkend zum 23.10.2003 wieder in die Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen, er habe sich am 23.10.2003 wieder in W. mit alleinigem Wohnsitz angemeldet. Im Widerspruchsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.04.2005 ist die Anschrift des Klägers in W. angegeben.
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Der Beklagte hat die Einbürgerung auch innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG zurückgenommen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Erst die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinn, die für die Entscheidung der Behörde über die Rücknahme relevant sind oder sein können einschließlich der für die zu treffende Ermessensentscheidung u. U. relevanten Tatsachen, setzt die Frist in Lauf (vgl. Kopp/Ramsauer, 9. Aufl, VwVfG, § 48 RdNr. 152 ff.). Die erforderliche Kenntnis hatte das Landratsamt Emmendingen erst, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2005 zur beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung angehört worden war. Zudem lagen die Akten der Freien und Hansestadt Hamburg dem Landratsamt Emmendingen erst am 26.04.2004 vor. Dass die Akten schon früher beim Innenministerium Baden-Württemberg eingegangen waren, ist unerheblich, denn die Kenntnis einer anderen Behörde genügt nicht. Vielmehr ist die Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme zuständigen Amtswalters erforderlich. Dieser muss die die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen kennen. Die Tatsachen müssen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1985, NVwZ 1986, 119; Urt. v. 24.01.2001, BVerwGE 112, 360; Kopp/Ramsauer, a. a. O., RdNr. 158).
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Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben. Die Vorschrift bedarf verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbare Weise erwirkt worden ist.
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Die mit Bescheid vom 22.04.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung ist „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Der Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, ist offen. In seinem Urteil vom 09.08.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, bei einem Zeitraum von über 10 Jahren könne jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. In seinem Urteil vom 17.09.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen sei und dass es sich bei dem Zeitraum vom 22.05.2003 bis 31.08.2005 (knapp über zwei Jahre) noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. In dem vom Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) zu entscheidenden Fall lag zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme ein Zeitraum von weniger als 25 Monaten (02.02.2000 - 27.02.2002). Im vorliegenden Fall beträgt der Zeitraum ebenfalls weniger als 25 Monate (25.03.2003 - 22.04.2005). Damit ist die gebotene Rechtssicherheit auch im vorliegenden Fall noch gewährleistet ist.
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Die nach § 85 AuslG vorgenommene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig. Denn sie ist von der örtlich unzuständigen Behörde vorgenommen worden (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 48 RdNr. 52). Gemäß § 91 Satz 2 AuslG in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung gelten für das Verfahren bei der Einbürgerung einschließlich der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit die Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts. Nach §§ 17 Abs. 1, 27 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung ist zuständig zur Einbürgerung die Einbürgerungsbehörde, in deren Bereich der Erklärende oder der Antragsteller seinen dauernden Aufenthalt hat. Der Begriff des dauernden Aufenthalts stimmt mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Wesentlichen überein (Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 91 RdNr. 4). Unter gewöhnlichem Aufenthalt ist das längere Verweilen mit der Absicht des Verbleibens zu verstehen. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich u. U. aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt. Der Lebensmittelpunkt muss auf absehbare Dauer an diesem Ort bestehen (vgl. Renner, a. a. O., § 85 RdNr. 11).
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Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger in der Zeit vom 05.09.2002 (Antragstellung) bis zur Einbürgerung (März 2003) seinen Lebensmittelpunkt nicht in Hamburg hatte.
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Die Behauptung des Klägers, er habe zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg gehabt, ist widerlegt. Zwar hat der Kläger angegeben, er sei im Juni oder Juli 2002 nach Hamburg gegangen. Auch war er ab 05.09.2002 mit Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet. Der Kläger war aber am 09.09.2002 persönlich beim Landratsamt Emmendingen. In einem Aktenvermerk des Sozialamts vom 09.09.2002 heißt es, der Kläger habe am 09.09.2002 vorgesprochen und mitgeteilt, dass die Hilfegewährung für ihn ab Oktober 2002 eingestellt werden könne; er beabsichtigte, zu einem seiner Neffen zu ziehen. Auf Frage, wohin er verziehen werde, habe der Kläger noch keine konkrete Auskunft geben können; er habe gemeint, entweder Köln oder Hamburg; er habe in Deutschland neun Neffen (u. a. in Köln und Hamburg). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt erklärt, das habe er nie gesagt; ob er im September 2002 beim Sozialamt in Emmendingen gewesen sei, daran könne er sich nicht erinnern. Das unsubstantiierte Bestreiten des Klägers führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit des Aktenvermerks. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiterin des Sozialamts den Sachverhalt erfunden haben könnte. Daher kann dem Kläger nicht geglaubt werden, dass er bereits im Juni oder Juli 2002 in Hamburg auf Wohnungssuche war und ab 05.09.2002 dort wohnte. Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt - vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde - dauernden Aufenthalt in Hamburg genommen hat. Vielmehr bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er sich lediglich in Hamburg angemeldet hat, - ohne auf Dauer dort zu leben - um dort seine Einbürgerung zu erreichen.
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Im Widerspruchsbescheid heißt es, bei der Rücknahme seines Einbürgerungsantrags beim Landratsamt Emmendingen habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde der Stadt Hamburg erwähnt, von der bekannt sei, dass sie solche „Schwierigkeiten wie in Emmendingen nicht mache“. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten erklärt, diese Äußerung sei tatsächlich gefallen. Auch hierzu hat der Kläger angegeben, das habe er nicht gesagt. Hinweise darauf, dass ein Vertreter bzw. Mitarbeiter des Landratsamts Emmendingen wahrheitswidrig angegeben haben könnte, der Kläger habe sich entsprechend geäußert, bestehen nicht.
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Des Weiteren fehlt es an einem widerspruchsfreien Vortrag zur angeblichen Unterkunft des Klägers in Hamburg. Im Einbürgerungsantrag ist eingetragen, die Miete des Klägers betrage etwa 200,-- EUR einschließlich Nebenkosten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, in Hamburg habe er keine Miete bezahlt; selbst wenn es in seinem Antrag auf Einbürgerung stehe, er habe nichts bezahlt; wie die Angabe in den Antrag komme, wisse er nicht. Zutreffend ist, dass die Angabe wohl nicht vom Kläger sondern vom Sachbearbeiter eingetragen wurde. Der Kläger hat den Antrag aber unterschrieben und bestätigt, er habe ihn selbst gelesen und genehmigt. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 im Verfahren 7 K 1006/05 hat der Kläger angegeben, die meisten Eintragungen seien vom Sachbearbeiter auf seine Angaben hin eingetragen worden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sachbearbeiter einen bestimmten Mietzins eingetragen haben könnte, ohne dass der Kläger entsprechende Angaben gemacht hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 erklärt, in Hamburg habe er einen Mietvertrag gehabt, den er bei der Anmeldung auch vorgelegt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hingegen angegeben, von einem Mietvertrag wisse er nichts, er wisse auch nichts davon, dass er einen solchen Mietvertrag der Behörde vorgelegt habe. Nach Auffassung der Kammer sind diese Widersprüche ein weiteres Indiz dafür, dass der Kläger nicht in Hamburg gelebt hat und dass seine Angaben zur Unterkunft nicht der Wahrheit entsprechen.
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Gegen einen längeren Aufenthalt des Klägers in Hamburg spricht weiter, dass er u. a. am 14.03.2003 - wie er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben hat - seinen Arzt in W. aufsuchte - auf dessen Behandlung er nach den Ausführungen in der Klagebegründung großen Wert legt - und am 24.03.2003 die Erklärung, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe, in W. abgab. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, es sei richtig, dass er die Erklärung abgegeben habe, er sei mit dem Schnellzug hergefahren und gleich wieder zurück. Allerdings ist der Akte der Stadt Hamburg zu entnehmen, dass der Kläger die Erklärung dort nicht persönlich vorlegte. Vielmehr ging die Erklärung noch am 24.03.2003 per Telefax bei der Stadt Hamburg ein. Die Erklärung wurde - soweit ersichtlich - 08.45 Uhr an die B. GmbH Hamburg geschickt und von dieser 11.45 Uhr an die Stadt Hamburg weitergeleitet. Dass die Erklärung an die Stadt Hamburg geschickt wurde, erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht.
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Unklar geblieben ist zudem, wie der Kläger seinen angeblichen Aufenthalt in Hamburg und die zahlreichen Fahrten nach F. bzw. W. finanziert haben will. In der Sozialhilfeakte der Stadt F. heißt es in einem Aktenvermerk vom 12.05.2003 unter „Lebensunterhalt in Hamburg“, der Neffe des Klägers habe sämtliche Kosten bezahlt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei von B. versorgt worden, auch A. habe ihm Geld gegeben; manchmal hätten ihn auch seine Kinder mit Geld unterstützt; daran, ob ihm B. auch Geld gegeben habe, könne er sich nicht mehr erinnern; immer wenn er Geld gebraucht habe, habe ihm einer von beiden Geld gegeben; er nehme von jedem Geld und verzichte auf Sozialhilfe. Dieser Vortrag ist im Hinblick darauf, dass der Kläger bis einschließlich September 2002 vom Landkreis Emmendingen und ab 05.05.2003 von der Stadt F. Sozialhilfe erhielt, nicht nachvollziehbar.
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Weitere Umstände sprechen dafür, dass der Kläger seinen dauernden Aufenthalt nicht in Hamburg hatte: Er war weiterhin mit Nebenwohnsitz in W. gemeldet, obwohl er angeblich nie dort übernachtete und nicht mit seinen Frauen sprach. Mit Verfügung vom 09.10.2001 war der Kläger in die gemeindliche Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen worden, diese Verfügung wurde erst zum 29.08.2003 aufgehoben. Nicht plausibel ist des weiteren, warum der mittellose Kläger gerade nach Hamburg gezogen sein sollte, obwohl seine Kinder in F. und W. wohnten, so dass der kranke Kläger lange Fahrten und hohe Kosten hätte in Kauf nehmen müssen, um seine Kinder - wie angeblich geschehen - zu besuchen. Mit welchen Zügen und mit welchen Fahrkarten und wie oft der Kläger angeblich in den Raum F. fuhr, konnte er nicht plausibel darlegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er (bei Besuchen) am selben Tag zurückgefahren sei; wie oft er von Hamburg nach F. gefahren sei, wisse er nicht; er wisse auch nicht, ob es jede Woche oder jeden Monat gewesen sei; er sei manchmal drei oder vier Tage bei seinen Kindern gewesen; es sei nicht so, dass er am Samstag gekommen und am Sonntag schon wieder gefahren sei. In der eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 hat der Kläger erklärt, in Hamburg habe er eine gute Möglichkeit gehabt, zu wohnen und zu leben. In der mündlichen Verhandlung hat er hingegen angegeben, er habe eine Wohnung gesucht, aber keine gefunden; Anfang des neunten Monats habe er sich dann wegen einer Wohnung an B. gewandt. Auch das Argument, er sei nach Hamburg gezogen, um Abstand zu gewinnen bzw. um möglichst weit weg zu sein, überzeugt angesichts der angeblich wiederholten Besuche des Klägers bei seinen Kindern nicht. Auch nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger kurze Zeit nach Erhalt der Einbürgerungsurkunde nicht (mehr) in Hamburg gelebt. In der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er meine, er sei im Jahre 2003 im fünften oder sechsten oder vierten Monat von Hamburg wieder zurückgekehrt. Gegenüber dem Sozialamt F. hat der Kläger angegeben, er habe ab 01.05.2003 eine Wohnung in F. gemietet. Unter dem am 05.05.2003 gestellten Sozialhilfeantrag steht „K., 03.05.03“. Auf Vorhalt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei nicht richtig, dass K. als Ausstellungsort angegeben sei; wer das Wort K. eingetragen habe, wisse er nicht; in dem Antrag stamme nur die Unterschrift von ihm, er sei doch nicht verrückt, er schreibe doch nicht K., wenn er in F. einen Antrag stelle. Der Umstand, dass der Antrag offenbar in W., Ortsteil K., ausgefüllt wurde, spricht dafür, dass der Kläger damals bei seinen Frauen in W. lebte und nicht von Hamburg nach F. zog.
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Auch aufgrund der Angaben des Zeugen B. hat die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg hatte. Der Aussage des Zeugen ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt auf absehbare Dauer in Hamburg hatte. Zwar hat der Zeuge angegeben, der Kläger sei auch sehr oft eine ganze Woche in Hamburg gewesen; er habe ja auch noch andere Verwandte in Hamburg gehabt. Der Zeuge hat aber auch erklärt, der Kläger sei ab und zu von Hamburg weggefahren, er sei in F. oder Lübeck gewesen, manchmal sei er auch eine ganze Woche weggewesen. Zudem bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Er hat angegeben, er habe dem Kläger jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben. Hingegen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung u. a. ausgeführt, ob ihm der Zeuge auch Geld gegeben habe, daran könne er sich nicht erinnern. Es liegt aber nahe, dass sich der Kläger erinnern würde, wenn der Zeuge ihm jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben hätte.
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Die Zeugin F. konnte nicht bestätigen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg hatte. Sie hat angegeben, sie wisse nichts darüber, ob er in Hamburg gewesen sei. Der Zeugin kann aber auch nicht geglaubt werden, dass der Kläger nach einem Streit um Geld weggegangen und nicht wieder in die eheliche Wohnung in W. zurückgekommen ist bzw. nicht mehr dort übernachtet hat. Die Erklärung, der Kläger lebe von seiner Ehefrau seit 05.09.2002 dauernd getrennt, wurde am 24.03.2003 in W. von der Zeugin F. und vom Kläger unterzeichnet. Der Kläger muss also mit der Zeugin gesprochen und mit ihr beim Amt für öffentliche Ordnung gewesen sein. Am 23.10.2003 haben F. und der Kläger bei W. eine Erklärung unterzeichnet, in der es heißt, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr getrennt. Ab diesem Tag wurde der Kläger auch wieder in die Obdachlosenunterkunft W. eingewiesen. Vom Sozialamt des Landkreises Emmendingen erhielten die Zeugin, der Kläger und ihre Kinder ab Oktober 2003 wieder als Bedarfsgemeinschaft Sozialhilfe. Der Kläger beantragte am 15.04.2004 und am 24.09.2004 für die Bedarfsgemeinschaft die Gewährung von Bekleidungsgeld. In einem Aktenvermerk des Sozialamts des Landkreises Emmendingen heißt es, bei einem Hausbesuch am 02.11.2004 habe der Kläger angegeben, er habe zwei Ehefrauen und besitze in jedem Stockwerk ein Schlafzimmer mit Doppelbett. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Frage erklärt, im Oktober 2003 habe er eine Erklärung abgegeben, dass er nicht mehr von seiner Frau F. getrennt lebe, er habe sie um Verzeihung gebeten, sie hätten sich kurz vertragen, er habe sich damals auch in W. angemeldet; als es um das Geld gegangen sei, hätten sie sich erneut gestritten. Somit ist aufgrund der Aussage der Zeugin F. auch nicht bewiesen, dass der Kläger seit 2002 nicht in W. gelebt hat.
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Auch die Zeugin Y. hat nicht bestätigt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Einbürgerung in Hamburg gelebt hat. Zwar hat sie angegeben, er sei seit etwa fünf Jahren weg, sie hat aber zugleich ausgeführt, sie wüsste nicht, wo er hingegangen sei. Die Angabe der Zeugin, sie und der Kläger hätten seit fünf Jahren ununterbrochen getrennt gelebt, ist zudem unglaubwürdig. Wie oben ausgeführt, bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger jedenfalls von Oktober 2003 bis April 2005 in häuslicher Gemeinschaft mit F. und Y. in W. gelebt hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben, er wohne mit seiner Frau Y. in Freiburg. In einem von Y. unterzeichneten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 18.04.2005 wird der Kläger als Partner in eheähnlicher Lebensgemeinschaft bezeichnet. Entsprechend bewilligte die Arbeitsgemeinschaft Freiburg mit an Y. adressiertem Bescheid vom 18.05.2005 Leistungen auch für den Kläger als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Einlassung des Klägers, er habe sich ohne Zustimmung von Y. unter deren Anschrift angemeldet, ist nicht nachvollziehbar. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamts W. hatte der Kläger zudem am 18.10.2007 seinen Zweitwohnsitz unter der Anschrift von Y. in W. Auch dies spricht gegen ein dauerndes Getrenntleben seit 2002.
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Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger selbst durch bewusste Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat, dass es sich also um eine „erschlichene“ Einbürgerung handelt. Denn der Kläger hat wahrheitswidrig behauptet, er wohne in Hamburg, um die Einbürgerung durch die dortige Behörde zu erwirken. Die falsche Angabe zum Wohnsitz war kausal dafür, dass die Stadt Hamburg den Kläger eingebürgert hat. Es handelt sich daher bei der Rücknahme der Einbürgerung um einen vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich durch Anwendung des § 48 LVwVfG“ lösen lässt (vgl. BVerfG, a. a. O.).
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Da aufgrund der Täuschung über den Aufenthalt des Klägers in Hamburg die Rücknahmemöglichkeit nach § 48 LVwVfG eröffnet ist, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Rücknahme auch aufgrund anderer vom Beklagten genannter Gesichtspunkte gegeben sind.
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Der Beklagte hat das ihm gemäß § 48 LVwVfG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Landratsamt Emmendingen hat erkannt, dass die Rücknahme im Ermessen der zuständigen Behörde liegt. Es hat ausgeführt, der Kläger werde durch die Einbürgerung nicht staatenlos, seine Integration habe nicht einen Stand erreicht, der es als unzumutbare Härte erscheinen ließe, in Deutschland wieder als Ausländer zu leben. Vielmehr seien seine Sprachkenntnisse so gewesen, dass ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 1 AuslG zu bejahen gewesen wäre. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da er alle Gründe für die Rücknahme seiner Einbürgerung selbst gesetzt und dabei keineswegs aus Unwissenheit gehandelt habe. Im Hinblick darauf, dass die Einbürgerung erst vor gut zwei Jahren erfolgt sei, sei es auch gerechtfertigt, die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu erklären. Im Widerspruchsbescheid wird weiter ausgeführt: Der Kläger erfülle weder aktuell noch nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung seit dem 01.01.2005 die Einbürgerungsvoraussetzungen, da er weiterhin die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG erfülle und daher weder eine Einbürgerung nach § 8 noch nach § 10 StAG möglich wäre. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger sich seit 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Eine Ausweisung habe der Kläger als Asylberechtigter auch nach Rücknahme der Einbürgerung nicht zu fürchten, so dass ein Aufenthalt in Deutschland unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit gesichert sei. Von den übrigen Mitgliedern der Familie besitze nach Aktenlage keines die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Frage des Grundsatzes der einheitlichen Staatsangehörigkeit zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie sei daher nicht zu prüfen.
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Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte schutzwürdige Belange des Klägers verkannt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.; Hamb. OVG, Beschl. v. 28.08.2001, NVwZ 2002, 885; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.; Engst, Die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte am Beispiel der Einbürgerung, JuS 2007, 225).
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Insbesondere ist die Ermessensentscheidung nicht deshalb fehlerhaft, weil im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung eine Einbürgerung rechtlich möglich gewesen wäre. Es kann offen bleiben, ob ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Anspruch auf Einbürgerung der Rücknahme überhaupt entgegenstünde (vgl. Hamb. OVG, a. a. O.; Nieders. OVG, Urt. v. 22.10.1996, NdsRpfl. 1997, 85; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.). Jedenfalls hatte der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahme wohl keinen Anspruch auf Einbürgerung, weil er nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte. Nach § 10 StAG in der vom 18.03.2005 bis 27.08.2007 gültigen Fassung ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht aber nicht, wenn der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Der Kläger war bei mehreren Sprachtests gescheitert. In einem Aktenvermerk des Sozial- und Jugendamts F. vom 12.05.2005 heißt es, die Verständigung sei äußerst schwierig, da die Deutschkenntnisse des Klägers sehr schlecht seien; in einem Aktenvermerk vom 20.05.2003 wird ausgeführt, der Kläger habe am 20.05.2003 zusammen mit Herrn D. vorgesprochen; Herr D. helfe bei der Übersetzung, da der Kläger sehr schlecht Deutsch spreche. In einem Aktenvermerk der Arbeitsgemeinschaft F. über eine persönliche Vorsprache am 13.11.2006 heißt es: Der Kläger spreche sehr schlecht Deutsch. Daher sei sein Sohn als Übersetzer mitgekommen. In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2007 wurde die Anhörung des Klägers zunächst in deutscher Sprache durchgeführt. Die Verständigung mit dem Kläger war sehr mühsam. Es war nur sehr schwer möglich, seine Ausführungen zu verstehen. Daher wurden nach einer gewissen Zeit die Fragen des Gerichts von der Dolmetscherin in die kurdische Sprache übersetzt und der Kläger antwortete auf Kurdisch. Zur Überzeugung der Kammer hat sich ergeben, dass der Kläger nicht zu ausreichender Kommunikation in deutscher Sprache fähig ist und dass er sich im täglichen Leben, aber auch im Rahmen der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich nicht zurechtfinden und dass mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch nicht geführt werden kann (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.01.2005, VBlBW 2006, 70; BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, DVBl 2006, 922).
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Die Aufforderung an den Kläger, dem Landratsamt Emmendingen nach Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidung die Einbürgerungsurkunde, seinen deutschen Reisepass und seinen Bundespersonalausweis auszuhändigen, ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufforderung ist § 52 Satz 1 LVwVfG. Hiernach kann die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist, die aufgrund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Diese Voraussetzungen liegen - nach der Änderung der Rückgabeaufforderung im Widerspruchsbescheid - vor.
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