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Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
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Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage - 4 K 1704/04 - gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.07.2004 ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Denn das in § 75 AsylVfG zum Ausdruck gebrachte öffentliche Interesse an einer baldigen Erfüllung der in diesem Bescheid aufgrund von § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG erlassenen Anordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an einem Aufschub dieser Maßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens, weil sich dieser Bescheid bei der gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist.
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Gegen die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verpflichtung zur Vorlage gültiger Pässe oder Passersatzpapiere und zur Mitwirkung an der Beschaffung gültiger Identitätspapiere und somit gegebenenfalls zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf den Regelungen in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG, die auch (Ermächtigungs-)Grundlage für einen Verwaltungsakt der mit der Ausführung des Asylverfahrensgesetzes betrauten Ausländerbehörden sein können, in dem die dort normierten Verpflichtungen im Einzelfall konkretisiert und so zur Grundlage für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung gemacht werden können (wie hier VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.12.2000, VBlBW 2001, 329, und v. 06.10.1998, InfAuslR 1999, 229; zur vergleichbaren Regelung nach § 40 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 25 Nrn. 2 und 3 DVAuslG s. Bayer. VGH, Urt. v. 11.07.2000, BayVBl. 2001, 369; a. A. OVG NW, Beschl. v. 09.02.2004, DÖV 2004, 666). Das gilt auch für die in dem angegriffenen Bescheid erlassene Anordnung gegenüber dem Antragsteller, beim türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe persönlich vorzusprechen und unter Vorlage dreier Lichtbilder ein Rückreisedokument zu beantragen. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (im Urt. v. 05.03.2004, InfAuslR 2004, 259), wonach diese Maßnahme eine Verpflichtung zu einem Gespräch ohne konkrete Handlungspflichten darstelle und für den angestrebten Zweck untauglich und deshalb unverhältnismäßig sei, solange dem betreffenden Ausländer nicht zuvor aufgegeben worden sei, die sonst erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen (zum Beispiel, einen schriftlichen Antrag auf Ausstellung eines Passes oder Passersatzes zu stellen und geeignete Unterlagen vorzulegen), weil mit einer Vorsprache zwecks Passbeschaffung dem öffentlichen Interesse daran, dass der Ausländer den Pass oder die Passersatzpapiere erhalte, nicht gedient sei (im Erg. wie hier VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.10.1998, a.a.O., und - zu § 40 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 25 Nrn. 2 und 3 DVAuslG - Bayer. VGH, Urt. v. 11.07.2000, a.a.O.). Dieser Auffassung kann im vorliegenden Fall schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil dem Antragsteller im hier angegriffenen Bescheid außer der Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat auch eine konkrete Handlungspflicht in Form der Stellung eines Antrags auf Ausstellung eines Rückreisedokuments aufgegeben worden ist. Außerdem belegt die langjährige Praxis des Antragsgegners, dass solche Maßnahmen nicht von vornherein als ungeeignet zur Erreichung des angestrebten Erfolgs angesehen werden können. Dem Gericht sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Vorsprache von Ausländern bei den Vertretungen ihres Heimatstaates tatsächlich zur Erlangung des gewünschten Dokuments geführt hat.
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Im Hinblick auf die oben zitierte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs weist das Gericht darauf hin, dass es sich bei der Durchsetzung der Verpflichtung des Antragstellers zur Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne von § 13 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 17.08.1982, InfAuslR 1982, 276, und v. 23.06.1981, NJW 1982, 537, die zu Abschiebungsfällen ergangen sind).
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Die im angegriffenen Bescheid konkretisierten, in § 15 AsylVfG (bzw. in § 40 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 25 DVAuslG) normierten Mitwirkungspflichten treffen alle in Deutschland lebenden Ausländer, nicht nur solche Ausländer, die - wie der Antragsteller - vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind. Das heißt, diese Verpflichtungen träfen den Antragsteller auch dann, wenn er über ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügte.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt die Verpflichtung zur Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe auch nicht gegen höherrangiges Recht. Als mögliche Kollisionsnorm kommt nach dem Vortrag des Antragstellers allein Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) in Betracht. Die Behauptung des Antragstellers, ihm drohe im Zusammenhang mit dieser Vorsprache die Gefahr einer Selbsttötung, ist nicht hinreichend belegt. Sie ist vor allem auch angesichts der von dem Antragsgegner in der Antragserwiderung zugesagten Begleitmaßnahmen nicht begründet.
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Dabei ist hier von entscheidender Bedeutung, dass es im vorliegenden Fall nicht auf die Frage ankommt, ob eine Abschiebung des Antragstellers die Suizidgefahr herbeiführt oder erhöht. Denn um eine solche Maßnahme geht es hier nicht. Vielmehr hat der Antragsteller, der ersichtlich nicht über ein gültiges Identitätspapier verfügt, wie jeder in Deutschland lebende Ausländer die Pflicht, sich um ein solches zu bemühen. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von seiner Ausreiseverpflichtung. Selbst wenn eine Abschiebung des Antragstellers aus rechtlichen Gründen (wegen seiner psychischen Erkrankung) ausscheiden sollte, was einer separaten rechtlichen Prüfung vorbehalten ist, bedeutet das nicht, dass er deshalb auch von der Verpflichtung entbunden wäre, bei der Auslandsvertretung seines Heimatlandes vorzusprechen und dort einen Antrag auf einen Pass oder ein Passersatzpapier zu stellen. Dieser Unterschied (zwischen Abschiebemaßnahmen im eigentlichen Sinne und der Beschaffung gültiger Personalpapiere) muss auch dem Antragsteller klar sein, zumindest dann, wenn ihm durch den vorliegenden Gerichtsbeschluss, durch seinen Prozessbevollmächtigten oder auf sonstige Weise deutlich gemacht wird, dass eine Pflicht zur Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat noch nichts darüber aussagt, ob er tatsächlich in die Türkei abgeschoben werden darf.
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Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob wegen einer psychischen Erkrankung Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Verpflichtung eines Ausländers zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatlands entgegensteht, deshalb ein besonders strenger Maßstab anzuwenden; insbesondere reicht es für die Annahme eines solchen rechtlichen Hinderungsgrunds regelmäßig nicht aus, wenn in medizinischen/psychologischen Stellungnahmen bescheinigt wird, bei der Durchführung von Abschiebemaßnahmen drohe bei dem Ausländer ernsthaft eine Suizidgefahr oder die Gefahr einer (erheblichen) Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Vielmehr muss sich aus diesen fachlichen Stellungnahmen ergeben, dass solche Gefahren gerade auch (bereits) im Rahmen einer Vorsprache bzw. einer zwangsweisen Vorführung bei der Auslandsvertretung des Heimatlands zum Zweck der Passbeschaffung bestehen und dass der Ausländer nicht imstande ist zu erkennen, dass es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine Abschiebemaßnahme im eigentlichen Sinne handelt.
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Nach diesen Maßstäben gibt es bei dem Antragsteller keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine ernsthafte Suizidgefahr oder die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands, wenn er den Anordnungen im Bescheid des Antragsgegners vom 23.07.2004 Folge leistet bzw. zwangsweise leisten muss. Die Annahme einer solchen Gefahr ist - insoweit wie im Fall einer drohenden Abschiebung - jedenfalls nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Ausländer selbst äußert, er werde sich töten, falls er gegen seinen Willen der Vertretung seines Heimatlandes vorgeführt werde; wegen einer solchen Äußerung muss die Behörde auch nicht etwa vor einer solchen Vorführung eine amtsärztliche Untersuchung veranlassen. Ob eine beachtliche Suizidgefahr gegeben ist, bedarf vielmehr einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass eingeholte oder vorgelegte ärztliche Stellungnahmen wesentlich auf Angaben und Einschätzungen des Betroffenen beruhen (vgl. zur Suizidgefahr bei drohender Abschiebung u. a. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.05.2000, InfAuslR 2000, 447, dessen Ausführungen insoweit - erst recht - im vorliegenden Fall gelten).
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Aus den vom Antragsteller vorgelegten und in den Akten des Antragsgegners befindlichen fachärztlichen Stellungnahmen lässt sich nicht die Erkenntnis gewinnen, dass die Annahme der oben bezeichneten Gefahren für den Antragsteller im Fall einer Vorführung bei der Auslandsvertretung seines Heimatlands gerechtfertigt sei. Zwar wird im Entlassungsbericht der XXX-XXX-Klinik vom 04.06.2004 auf Blatt 2/2 unten ausgeführt: „Jegliche Art von Stress oder Belastung können vorhandene Suizidgedanken verstärken und eine Umsetzung ist dann als höchstwahrscheinlich anzusehen.“ Weiter findet sich auf Blatt 2/3 die Aussage: „Die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung von Suizidgedanken bei drohender Abschiebung oder anderen schweren Stressoren muss als hoch angesehen werden.“ Diese Feststellungen sind jedoch im Zusammenhang zu sehen mit anderen Feststellungen in demselben Bericht, in dem es auf Blatt 2/2 oben heißt: „Der Patient berichtet über Suizidgedanken ohne aktuelle Umsetzungstendenzen. ... Es besteht latente Suizidalität. Der Patient ist jedoch absprachefähig.“ Gerade der in diesem Bericht angesprochene Aspekt der Absprachefähigkeit spricht für eine gewisse Steuerungsfähigkeit durch den Verstand und die Vernunft, das heißt für eine Erreichbarkeit des Antragstellers für rationale Erklärungen und Empfehlungen, die ihm von dritter Seite gegeben werden. Das deckt sich auch mit seinem Bildungsstand, der sich daraus ergibt, dass der Antragsteller in seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben hat, er habe in der Türkei das Abitur abgelegt und sei nur knapp und ungerechtfertigterweise an der Aufnahme auf die Universität gescheitert. Bei diesen intellektuellen und psychischen Fähigkeiten wird der Antragsteller imstande sein, die Unterschiede zwischen Abschiebung und Passbeschaffung zu verstehen und sein Handeln danach auszurichten.
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Abgesehen davon sind eventuelle Gesundheitsgefahren für den Antragsteller während einer Vorführung beim türkischen Generalkonsulat auch deshalb weitgehend ausgeschlossen, weil der Antragsgegner, wie er in der Antragserwiderung ausgeführt hat, dafür Sorge tragen wird, dass der Antragsteller bei der Vorführung sowie auf der Hin- und Rückfahrt von einem Arzt begleitet wird.
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Im Übrigen kann der Antragsteller die besonderen Stressfaktoren, die eventuell mit einer zwangsweisen Durchsetzung der ihm im Bescheid des Antragsgegners vom 23.07.2004 aufgegebenen Verpflichtungen verbunden sind, dadurch vermeiden, dass er diesen Verpflichtungen freiwillig nachkommt.
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Die Berechtigung des Antragsgegners, dem Antragsteller die zwangsweise Vorführung bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates sowie die zwangsweise Fertigung von Lichtbildern anzudrohen, ergibt sich aus den §§ 20, 26 LVwVG. Als Annex zu den Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 4 und 6 AsylVfG ist auch insoweit eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz gegeben.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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