Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 25. Aug. 2014 - 25 K 7093/13
Gericht
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 5. August 2013 wird aufgehoben, soweit der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 1. Oktober 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger betreibt in O. seit Januar 2001 ein B. Nachhilfeinstitut. Er ist Franchisenehmer der B. Franchise GmbH. Diese bietet seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 1992 die Dienstleistung „Einzelnachhilfe zu Hause beim Schüler“ mit der 1 : 1 Situation zwischen Nachhilfelehrer und Schüler an, welche durch die einzelnen Franchise-Institute ausgeübt wird. Nach den Angaben in der Klagebegründung gibt es bundesweit über 90 B. Nachhilfeinstitute.
3Die Bezirksregierung E. bescheinigte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 29. Juni 2001 gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, dass er mit der Bildungsmaßnahme „Nachhilfeunterricht in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Mathematik, Physik und Chemie“ ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite. Diese Bescheinigung galt für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001. In einem Begleitschreiben vom selben Tag ist ausgeführt, dass bei einem Verlängerungsantrag Bestätigungen von Schülern über die Verbesserung von Noten / erfolgreiche Prüfungsvorbereitung beizufügen seien.
4Mit Datum vom 27. November 2002 erteilte die Bezirksregierung E. dem Kläger eine inhaltsgleiche Bescheinigung, gültig für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 30. November 2005, zusätzlich zu den vorgenannten Fächern auch für die Fächer Spanisch, Italienisch, Biologie und Rechnungswesen.
5Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 bescheinigte die Bezirksregierung E. dem Kläger widerruflich für die Zeit ab 1. Dezember 2005 gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, dass er mit der Bildungsmaßnahme „Nachhilfeunterricht in den Fächern Mathematik, Spanisch, Italienisch, Russisch, Sozialwissenschaft, Geschichte, Pädagogik, Philosophie und Anatomie/Physiologie“ ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite; zu den einzelnen Fächern waren jeweils die einzelnen Namen konkreter Nachhilfelehrer aufgeführt.
6Auf eine Anfrage der B. Franchise GmbH, welche Qualifikationsanforderungen von den Lehrkräften zu erfüllen seien, damit die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ausgestellt werden könne, teilte die Bezirksregierung E. der B. Franchise GmbH mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 mit,
7„dass es mir nicht möglich ist, Ihnen eine verbindliche Zusage zu geben, welche Qualifikationen Lehrkräfte besitzen müssen, um die Erteilung der Bescheinigung zu garantieren, da es sich bei der Qualifikationsprüfung der Lehrkräfte um eine Einzelfallentscheidung handelt. Hierbei wird jede einzelne Lehrkraft hinsichtlich ihrer „formalen Qualifikation“ und ggf. ihrer Berufs- und Lebenserfahrung beurteilt. Eignungsgrundsätze im Sinne von Mindestqualifikationen sind nicht festgelegt. Aus diesem Grund ist mir eine Aussage, welche Qualifikation eine Lehrkraft besitzen muss, um die Bescheinigung zu erhalten, nicht möglich.“
8Unter dem 1. Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Bezirksregierung E. die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG für insgesamt 204 Lehrkräfte und Nachhilfeunterricht in insgesamt 18 Fächern, wobei verschiedene Nachhilfelehrer mehrere Fächer unterrichten; insgesamt wurden 691 „Fachbefreiungen“ beantragt. Die Lehrkräfte sind in 18 einzelnen Listen je Fach jeweils mit Angabe ihrer Qualifikation und dem Einsatzbereich (Primarstufe, Erprobungsstufe, S 1, S 2, Sonderpädagogik – zutreffendes jeweils angekreuzt) aufgeführt. Die 691 „Fachbefreiungen“ betreffen Mathematik (123), Physik (22), Chemie (21), Biologie (23), Sonderpädagogik (4), Primarstufe (93), Rechnungswesen/BWL (12), Informatik (9), Elektrotechnik (5), Sozialwissenschaften (8), Geschichte (26), Philosophie (8), Deutsch (138), Englisch (125), Französisch (28), Latein (25), Spanisch (12), Pädagogik (9). Der Kläger fügte die ihm vorliegenden Qualifikationsnachweise der einzelnen Lehrkräfte bei.
9Auf Anfrage der Bezirksregierung E. vom 28. November 2012, wann die einzelnen Lehrkräfte erstmals beim Kläger gearbeitet hätten (Monat/Jahr), übersandte der Kläger unter dem 4. Januar 2013 eine Liste hinsichtlich der einzelnen Lehrkräfte; die Anfangsdaten liegen zwischen Februar 2001 und November 2011.
10Die Bezirksregierung E. hörte den Kläger unter dem 18. April 2013 zur beabsichtigten teilweisen Ablehnung des Antrags an, bezogen auf 168 einzeln benannte Lehrer mit einzeln genannten Fächern, und legte ihre allgemeinen Kriterien hinsichtlich des Qualifikationsnachweises dar: Mindestvoraussetzung für Nachhilfe im Bereich Primarstufe – Abitur mit Nachweis, dass das zu unterrichtende Fach bis zum Abitur erfolgreich belegt wurde; Mindestvoraussetzung für Nachhilfe im Bereich Sekundarstufe I – abgeschlossenes Grundstudium oder Vordiplom; Voraussetzung für Nachhilfe im Bereich Sekundarstufe II: abgeschlossenes Hochschulstudium. Im einzelnen wurde ausgeführt, welche Kriterien bei welchen Lehrern nicht erfüllt seien.
11Am 2. Mai 2013 fragte der Kläger telefonisch an, ob für die Lehrkräfte, die vor der Verschärfung der Qualifikationsanforderungen bei ihm gearbeitet hätten, die alten Qualifikationsanforderungen herangezogen werden könnten. Die Bezirksregierung E. teilte mit e-mail vom 6. Mai 2013 mit, maßgeblich seien die Qualifikationsanforderungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung landeseinheitlich galten. Die verspätete Antragstellung für die Jahre ab 2001 habe der Kläger selbst zu vertreten und rechtfertige keine Besserstellung gegenüber anderen Nachhilfeunternehmen.
12Der Kläger bat daraufhin die Bezirksregierung E. am 6. Mai 2013 telefonisch um eine „Positivliste“, in der automatisch sämtliche Lehrkräfte, die bestimmte Stufen nicht unterrichten sollen, mit der nächstmöglichen Stufe bescheinigt werden.
13Ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25. Juni 2013, in welchem diese Rechtsausführungen zu der Verpflichtung, die Bescheinigung auszustellen, machten, ist nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangt.
14Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wandten sich mit Schreiben vom 25. Juni 2013 namens der B. Franchise GmbH an das Wirtschaftsministerium NRW, verwiesen auf die unterschiedliche Bescheinigungspraxis in den einzelnen Bundesländern; einige Bundesländer prüften die Qualität der Nachhilfelehrer, einige nicht; einige Bundesländer befreiten den Unterricht von der Umsatzsteuer, andere das gesamte B. Institut; die Bezirksregierung E. stelle bundesweit die strengsten Anforderungen; diese Anforderungen seien weder mit § 4 Nr. 21 a) bb) UStG noch mit den europarechtlichen, umzusetzenden Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar. Das Wirtschaftsministerium teilte unter dem 14. August 2013 mit, die Bezirksregierungen des Landes seien in einer Dienstbesprechung am 30. Juli 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bescheinigung dem Unternehmen und nicht den einzelnen Lehrkräften zu erteilen sei, dass in der Bescheinigung aber die einzelnen Lehrkräfte mit ihren entsprechenden Lehrfächern aufzuführen seien; hierdurch sei eine einheitliche Bescheinigungspraxis der Bezirksregierungen des Landes Nordrhein-Westfalen sichergestellt.
15Mit Bescheid vom 5. August 2013, zugestellt am 8. August 2013, bescheinigte die Bezirksregierung E. dem Kläger gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, dass er mit den in der Anlage aufgeführten Lehrkräften und den aufgeführten Fächern ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Die Bescheinigung gilt ab 1. Januar 2001. In der Anlage sind die Lehrkräfte für die Fächer Mathematik, Physik, Informatik, Elektrotechnik, Chemie, ReWe/BWL, Biologie, Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Spanisch, Geschichte, Philosophie, Sozialwissenschaften und Pädagogik jeweils mit den Stufen Primarstufe, Sek I oder Sek II aufgeführt.
16Hinsichtlich 148 im einzelnen genannter Lehrkräfte mit jeweils im einzelnen genannten Fächern wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung führte die Bezirksregierung E. aus, die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Vorbereitung beziehe sich auch auf Eignung, Fähigkeiten und Kenntnisse der unterrichtenden Lehrkräfte. Als Mindestvoraussetzung zum Nachweis der Qualifikation der Lehrkräfte für den Unterricht im Bereich der Primarstufe werde die Allgemeine Hochschulreife vorausgesetzt; aus dem Zeugnis müsse hervorgehen, dass das zu unterrichtende Fach bis zum Abitur erfolgreich belegt wurde. Zum Nachweis der Eignung, Unterricht für die Sekundarstufe I zu erteilen, werde mindestens ein abgeschlossenes Grundstudium bzw. Vordiplom gefordert; das Studium müsse fachliche Kenntnisse, die einen angemessenen Unterricht in dem jeweiligen Fach ermöglichen, vermitteln. Für die Unterrichtung in der Sekundarstufe II werde ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt. Bei der überwiegenden Zahl der Lehrkräfte liege entweder nur das Abiturzeugnis vor, oder die Lehrkräfte könnten keine für die genannten Fächer geeigneten Studiengänge vorweisen, so dass eine Bescheinigung für diese Kurse nicht oder allenfalls für die Primarstufe erteilt werden könne. Für drei Lehrkräfte seien nur fremdsprachige Qualifikationsnachweise ohne Übersetzung vorgelegt worden. Für eine Lehrkraft sei nur ein unvollständiger Arbeitsvertrag und eine inoffizielle Studienbescheinigung eines amerikanischen Colleges vorgelegt worden, die als Nachweis nicht ausreichten. Für mehrere Lehrkräfte seien keine weiteren Nachweise eingereicht worden darüber, dass diese mindestens zwei Semester abgeschlossen hätten (für Sek. I) bzw. bereits einen Hochschulabschluss erworben hätten (für Sek. II). Bei sechs Lehrkräften sei nicht bekannt, was sie studiert hätten; förmliche Qualifikationsnachweise mit Angaben zu den Studienfächern seien nicht vorgelegt worden. Bei vier Lehrkräften lägen keine geeigneten offiziellen Dokumente bzw. Bescheinigungen vor, denen zu entnehmen sei, dass die jeweiligen Fächer wesentlicher Bestandteil des Studiums seien bzw. gewesen seien.
17Zur Begründung der am 5. September 2013 erhobenen Klage führt der Kläger aus, sein Institut sei objektiv geeignet, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, wie sich aus Infratest-Berichten über die B. -Nachhilfe aus den Jahren 2007 und 2012 ergebe, wonach über 90 % der Nachhilfeschüler sich aufgrund des Nachhilfeunterrichts in ihren schulischen Leistungen verbessert hätten. Die eingesetzten Lehrkräfte besäßen die erforderliche Eignung, die Anforderungen der Bezirksregierung E. seien rechtswidrig. Abzustellen sei nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 a) bb) UStG auf seine Einrichtung und nicht auf die einzelnen Lehrkräfte; er gewährleiste die Eignung der Lehrkräfte im Rahmen seiner Personalauswahl, die sich nach der fachlichen Qualifikation und den didaktischen Fähigkeiten richte. Die gesetzliche Vorschrift diene der Umsetzung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die in Art. 132 Abs. 1 i) auf die Einrichtung abstelle; das Abstellen auf einzelne Nachhilfelehrer setze die Richtlinie nicht entsprechend ihrer Intention um. Durch die Umsatzsteuerbelastung werde der Zugang zur schulischen Förderung durch die Ablehnung einzelner Nachhilfelehrer erschwert. Die Praxis der Bezirksregierung E. bedeute auch einen Wertungswiderspruch zu Art. 132 Abs. 1 j) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, da ein abgelehnter Nachhilfelehrer als Einzelunternehmen als Privatlehrer vom Finanzamt die Umsatzsteuerbefreiung verlangen könne; die Qualifikation könne hier auch anders als durch Hochschulabschluss nachgewiesen werden. Nach einer Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 23. August 2010 seien spezielle Qualifikationen der ausführenden Personen nicht Voraussetzung für die Steuerbefreiung; auch nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juni 2010 an den Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen müssten private Nachhilfeinstitute keine speziellen Qualitätsanforderungen erfüllen. Die Anforderungen der Bezirksregierungen hätten sich an den für die Finanzverwaltungen geltenden Grundsätzen zu orientieren. Es komme bei der Praxis der Bezirksregierung E. zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Filialunternehmen, bei denen nach dem Umsatzsteueranwendungserlass eine Bescheinigung der zuständigen Behörde desjenigen Landes ausreiche, in dem der Unternehmer steuerlich geführt werde; bei Franchise-Unternehmen müsse demgegenüber jeder einzelne Franchise-Nehmer die Bescheinigung beantragen mit der Folge, dass etwa im Grenzbereich der Bundesländer ein Unternehmen umsatzsteuerpflichtig sei, während 10 km entfernt in einem anderen Bundesland die gleiche Leistung von gleichqualifizierten Anbietern umsatzsteuerfrei angeboten werden könne. Es sei rechtswidrig, die Bescheinigung an einzelne Lehrer und nicht an das Nachhilfeinstitut zu erteilen. Die Eignung des Lehrpersonals könne nicht anhand starrer Qualifikationsanforderungen beurteilt werden; es wäre sachgerechter, diese Beurteilung der einstellenden Nachhilfeeinrichtung und / oder der Beurteilung der Schüler zu überlassen, wobei der Nachhilfeerfolg durch statistische Auswertungen nachgewiesen werden könne. Die Bezirksregierung E. habe in ihrer Bescheinigung vom 29. Juni 2001 auch Schülerbestätigungen als Nachweis einer erfolgreichen Prüfungsvorbereitung akzeptiert. Die Ablehnung der Bescheinigung sei schließlich rechtswidrig, weil das Verhältnis zu den Bescheinigungen vom 29. Juni 2001, 27. November 2002 und 26. Juni 2006 unklar sei; ein etwa konkludent erklärter Widerruf wäre rechtswidrig.
18Der Klägerin beantragt,
19die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Bezirksregierung E. vom 5. August 2013 zu verpflichten, ihm die Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG entsprechend seinem Antrag vom 1. Oktober 2012 zu erteilen,
20hilfsweise festzustellen, dass die Bescheinigung vom 26. Juni 2006 Gültigkeit habe bis zur Rechtskraft der Entscheidung in diesem Verfahren.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie führt aus, das Erfordernis der Qualifikation der Lehrkräfte stehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW. Hinsichtlich der fachlichen und pädagogischen Eignung der eingesetzten Lehrkräfte stehe ihr ein Beurteilungsspielraum zu; insoweit seien die zu stellenden Anforderungen landeseinheitlich mit den fünf Bezirksregierungen und dem Wirtschafts- sowie dem Finanzministerium des Landes abgestimmt. Diese gemeinsamen Anforderungen würden seit dem Jahr 2011 zugrunde gelegt, da zuvor selbst innerhalb von Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Qualifikationsanforderungen gestellt worden seien. Die Landesbehörde entscheide nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG nicht über die Umsatzsteuerbefreiung, sondern nur über die Bescheinigung; Erlasse und Verfügungen des Bundesministeriums der Finanzen oder einer Oberfinanzdirektion hätten im Bescheinigungsverfahren keine Bindungswirkung. Auch die europarechtlichen Vorschriften gälten nicht für das Bescheinigungsverfahren. Ein Widerspruch zu den früheren Bescheinigungen bestehe nicht; die ersten beiden Bescheinigungen seien befristet gewesen; die Bescheinigung vom 26. Juni 2006 sei nicht zu widerrufen gewesen, weil hierin andere Lehrkräfte und Maßnahmen als in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 5. August 2013 bescheinigt worden seien und eine inhaltliche Überschneidung nicht vorliege.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Klage hat im zuerkannten Umfang Erfolg. Insoweit ist der ablehnende Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; wegen des Beurteilungsspielraums der Beklagten konnte nur ein Bescheidungsurteil ergehen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der weiter geltend gemachte Anspruch unmittelbar auf Erteilung der Bescheinigung für die beantragten Lehrkräfte steht dem Kläger hingegen nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 Nr. 21 a) bb) UStG. Danach sind umsatzsteuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
28Die Zuständigkeit der Bezirksregierung E. ergibt sich aus § 8 Abs. 3 des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (LOG NRW) in Verbindung mit Ziffer I. 1.3 der Bekanntmachung der Bezirke der Landesmittelbehörden und der unteren Landesbehörden vom 12. November 2013 (GV.NRW. S. 632).
29Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung, die der Kläger unter dem 1. Oktober 2012 beantragt hat, liegen – hinsichtlich der abgelehnten Lehrkräfte – nicht vor, wenn insoweit die Anforderungen der Bezirksregierung E. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt werden.
30Die Bescheinigung erstreckt sich dabei nicht auf alle von § 4 Nr. 21 a) bb) UStG statuierte Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung, sondern ist auf die Feststellung beschränkt, dass die in Rede stehenden Leistungen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Nur diese Frage unterliegt der Prüfung durch die Bezirksregierung und die Verwaltungsgerichte. Ob der Antragsteller eine Privatschule oder eine andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung unterhält, ist nicht Gegenstand der Bescheinigung und von den Finanzbehörden und ggf. Finanzgerichten zu prüfen.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1976 – VII C 73/75 –, juris, Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 14 A 2934/07 –, juris, Rn. 30; BFH, Urteil vom 28. Mai 2013 – XI R 35/11 –, juris, Rn. 40, jeweils m.w.N.
32Der Begriff der „ordnungsgemäßen Prüfungsvorbereitung“ ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie (1.) objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, (2.) von einem seriösen Institut erbracht wird und (3.) die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1976 – VII C 73/75 –, juris, Rn. 18; Urteil vom 12. Juni 2013 – 9 C 4/12 –, juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 18. Juli 2011 – 14 A 48/09 –, juris, Rn. 3 ff.
34Dass der von den Mitarbeitern des Klägers angebotene Nachhilfeunterricht objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen (1. Voraussetzung), und dass der Kläger ein seriöses Institut betreibt (2. Voraussetzung), steht außer Streit; diese Fragen hat die Beklagte bejaht, soweit sie dem Kläger für einzelne Lehrkräfte und Fächer in der Anlage zum Bescheid vom 5. August 2013 die begehrte Bescheinigung erteilt hat.
35Hinsichtlich der abgelehnten Lehrkräfte ist indes die erforderliche Eignung nach den aktuellen Kriterien nicht nachgewiesen. Im Hinblick auf die erforderliche Vergleichbarkeit mit den staatlichen Einrichtungen kommt es insoweit im wesentlichen auf die Qualifikation der einzelnen Lehrkräfte an,
36OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 14 A 2934/07 – (vom Kläger selbst zitiert) sowie das hierin in Bezug genommene Urteil des OVG NRW vom 6. Februar 2006 – 14 A 2086/03 –.
37Bei der Bewertung der Qualifikation steht der Beklagten ein fachlich-wissenschaftlicher Beurteilungsspielraum zu, der vom Gericht nur beschränkt überprüft werden kann. Die von der Beklagten – nach ihrer Darstellung seit dem Jahr 2011 – gestellten Anforderungen sind nicht sachwidrig. Verlangt wird hiernach für den Nachhilfeunterricht in der Primarstufe das Abitur mit erfolgreicher Belegung des unterrichteten Fachs bis zum Abschluss, für den Nachhilfeunterricht in der Sekundarstufe I der Abschluss eines Grundstudiums bzw. Vordiploms mit Nachweis erworbener Kenntnisse im unterrichteten Fach, für den Nachhilfeunterricht in der Sekundarstufe II ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit Bezügen zum unterrichteten Fach. Diese Anforderungen sind von der Kammer in ihrer bisherigen Rechtsprechung jeweils gebilligt worden, entsprechende Klagen sind sodann zurückgenommen worden. Die Anforderungen sind ohne weiteres geeignet, einen qualifizierten Nachhilfeunterricht zu gewährleisten. Das Abstellen auf Prüfungsleistungen in staatlichen Prüfungen stellt auch sicher, dass das geforderte Niveau des Unterrichts tatsächlich gegeben ist. So stellt auch das OVG NRW in seinem
38Urteil vom 6. Februar 2006 – 14 A 2086/03 –
39im Fall einer Bescheinigung für eine Vielzahl von Lehrern an einer privaten Musikschule in verschiedenen Fächern auf den jeweiligen Abschluss der einzelnen Lehrkraft und auch auf das einzelne Fach ab;
40z.B. Nr. 6 und Nr. 8 – Examen nicht belegt (Nr. 6) bzw. Lehrkraft erst noch im Studium, kein Qualifikationsnachweis schon für die Studienzeit (Nr. 8) –; Nr. 10 – Qualifikation für „Klavier“ mit 1. Staatsprüfung Primarstufe mit Schwerpunkt Musik und Klavier als Pflichtfach hinreichend erbracht; Nr. 17 – Studium „Rehabilitationswissenschaft“ mit Schwerpunkt Musiktherapie stimmt mit Studienziel des Musikstudiums nicht überein; Nr. 20 – Qualifikation für den begehrten Zeitraum nicht nachgewiesen, da das Studium gerade erst begonnen hatte; Nr. 22 – keine Bescheinigung für das Fach „Gitarre“, da die Nachweise sich im wesentlichen auf das Instrument „Saxophon“ bezogen.
41Wegen des bestehenden fachlich-wissenschaftlichen Beurteilungsspielraums besteht keine Verpflichtung der Beklagten, sich die Qualifikation der Lehrkräfte auch auf andere Weise nachweisen zu lassen, z.B. durch die vom Kläger vorgelegten Infratest-Ergebnisse, die sich auch nur allgemein auf die B. -Institute insgesamt beziehen, oder auch durch Eltern- bzw. Schülerbescheinigungen über erfolgreichen Nachhilfeunterricht, wie sie auch die Beklagte in ihrer früheren Praxis (vgl. Bescheinigung vom 29. Juni 2001 an den Kläger) verlangt hatte,
42vgl. gegen die Eignung von Schülerbescheinigungen auch Urteil des OVG NRW vom 6. Februar 2006 a.a.O.
43Gleiches gilt, soweit der Kläger meint, er gewährleiste selbst die Eignung der Lehrkräfte im Rahmen seiner Personalauswahl, die sich nach der fachlichen Qualifikation und den didaktischen Fähigkeiten richte. Insoweit mag es tatsächlich zutreffen, dass eine fachlich oder didaktisch nicht geeignete Nachhilfelehrkraft nach kurzer Zeit nicht weiter beschäftigt wird, wenn sich die mangelnde Eignung im konkreten Nachhilfeunterricht bestätigt hat. Gleichwohl ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte bei ihrer von Amts wegen durchgeführten Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Bescheinigung vorliegen, sich – entgegen der subjektiven Eignungseinschätzung des Klägers – objektive Prüfungsnachweise aus staatlichen Prüfungen vorlegen lässt; die Grenzen ihres fachlich-wissenschaftlichen Beurteilungsspielraums sind damit nicht überschritten.
44Gleiches gilt auch, soweit sich der Kläger auf das
45Urteil des Bay.VGH vom 30. September 2010 – 21 B 09.140 –, juris Rn. 29,
46bezieht, in welchem der Bay.VGH die ordnungsgemäße Vorbereitung bejaht unter der Voraussetzung, dass mindestens 25 % der vorgehaltenen Nachhilfelehrkräfte die Befähigung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen und die übrigen Nachhilfelehrkräfte jedenfalls fachlich geeignet sind. Dies ist das Ergebnis einer statistischen Erhebung des Bay.VGH über den Einsatz von Aushilfslehrkräften an bayrischen Gymnasien und Realschulen, bei der sich ergeben hatte, dass die mehreren 1.000 an staatlichen Schulen eingesetzten Aushilfslehrkräfte zu ca. 25 % eine Lehramtsbefähigung besaßen und zu ca. 75 % keine Lehramtsbefähigung besaßen; hieraus hat der Bay.VGH die fachliche Bewertung der Kultusverwaltung entnommen, dass bei einem solchen Verhältnis der Qualifikation von Aushilfslehrkräften die reguläre Unterrichtsversorgung noch sichergestellt sei (juris Rn. 31), und hat dies auf die Nachhilfeinstitute übertragen. Die für den hier zu beurteilenden Fall wesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen die übrigen Nachhilfelehrkräfte (ohne Lehramtsbefähigung) die auch vom Bay.VGH geforderte fachliche Eignung besitzen, brauchte der Bay.VGH nicht zu beantworten, da im dort entschiedenen Fall der Anteil von 25 % Nachhilfelehrkräfte mit Lehramtsbefähigung nicht erreicht war.
47Die Einwände des Klägers hiergegen greifen dem Grunde nach nicht durch.
48Die Beklagte ist nicht an die von dem Kläger genannten Erlasse der Finanzverwaltung gebunden, denn diese betreffen die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Einrichtung“, nicht hingegen die „ordnungsgemäße Vorbereitung auf …“, worüber sich die Bescheinigung der Beklagten allein verhält.
49Die Bescheinigung ist auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht für das von ihm betriebene B. Institut als Gesamtheit, sondern für die einzelnen Lehrer zu erteilen. Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 6. Februar 2006 a.a.O. hierzu ausgeführt:
50„Dabei kann die Bescheinigung regelmäßig nicht für die „Einrichtung“, hier also die Musikschule der Klägerin, als Ganzes erteilt werden. Sinn des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ist es, der Beklagten als sachverständiger Stelle die Beurteilung zu überlassen, ob die Ausbildungsleistungen einer privaten Einrichtung ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung oder beides vorbereiten. Hierzu wird der Einrichtung die Eignung dieser Ausbildungsleistungen bescheinigt. Private Bildungseinrichtungen sind jedoch nicht verpflichtet, nur solche Unterrichtsleistungen anzubieten, die ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten. Sie können vielmehr neben der Ausbildung auch andere Kurse anbieten, die nicht der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung dienen, sondern eher in den Hobbybereich fallen. Für derartige Kurse ist eine Umsatzsteuerbefreiung nicht vorgesehen. Die privaten Bildungseinrichtungen sind nur insoweit von der Umsatzsteuer befreit, als sie den staatlichen Bildungseinrichtungen vergleichbar sind. Unter diesen Umständen ist es Aufgabe der zuständigen Stelle im Sinne von § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, die aufgrund ihrer Sachkunde dafür von den Landesregierungen ausgewählt wurden, die Kurse bzw. Unterrichtsleistungen im Einzelnen zu bezeichnen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen (so schon VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2003 – 25 K 144/02 –).“
51In einem Beschluss vom 9. März 2006 – 14 A 2086/03 –, mit welchem ein Antrag der Klägerin des vorgenannten Verfahrens auf Urteilsberichtigung abgelehnt wurde, hat das OVG NRW ergänzend ausgeführt:
52„Soweit die Klägerin die Erteilung lediglich einer (wohl umfassenden) Bescheinigung für richtig hält, ist der Antrag abzulehnen. Denn es entspricht der Rechtsauffassung des Senats, dass im Hinblick auf die mit den einzelnen Unterrichtstätigkeiten verbundenen Abweichungen jeweils gesonderte Bescheinigungen zu erteilen sind.“
53In gleicher Weise ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Kunde in einem der vom Kläger angebotenen Fächer Unterricht aus Gründen nimmt, die nicht denen des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG entsprechen. Soweit der Kläger die Erteilung von Einzelbescheinigungen für die einzelnen Lehrkräfte in der Klagebegründung vom 17. Dezember 2013 (S. 12) im Anschluss an das
54Urteil des BayVGH vom 30. September 2010 – 21 B 09.140 –, juris Rdn. 31
55für „wenig praxisorientiert und wegen des damit verbundenen Aufwands weder erforderlich noch durchführbar“ hält, wird dies durch die von der Beklagten erteilte Bescheinigung mit ihrer Anlage widerlegt.
56Die Bescheinigungspraxis der Beklagten verstößt auch nicht gegen Art. 132 Abs. 1 i) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, denn diese betrifft den Begriff der „Einrichtung“, der von der Beklagten bei der Erteilung der Bescheinigung nicht zu prüfen ist. Der Gleichheitsgrundsatz bindet ferner nur die jeweilige Behörde bzw. ihren Rechtsträger, hier das beklagte Land; eine Bindung an eine abweichende Verwaltungspraxis anderer Bundesländer besteht nicht. Auch der vom Kläger gesehene Wertungswiderspruch zur Umsatzsteuerbefreiung des Privatlehrers nach Art. 132 Abs. 1 j) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie besteht nicht. Der Kläger kann sich unabhängig von der Bescheinigung der Beklagten gegenüber dem Finanzamt auch unmittelbar auf die Vorschriften des Art. 132 Abs. 1 i), j) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen,
57vgl. BFH, Urteil vom 20. März 2014 – V R 3/13 –; hier wird unter 1. die Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG mangels ausreichender Bescheinigung verneint und sodann unter 2. die Möglichkeit von Umsatzsteuerbefreiung unmittelbar nach 132 Abs. 1 i), j) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (im konkreten Fall noch zur Vorgängervorschrift, Richtlinie 77/388/EWG) geprüft.
58Der Bescheid der Beklagten vom 5. August 2013 ist ferner nicht aus dem Grund rechtswidrig, dass er keine Regelungen zu den zuvor erteilten Bescheinigungen trifft. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, überlagern sich die Bescheinigungen; die neue Bescheinigung vom 5. August 2013 betrifft Lehrkräfte, die in den zuvor erteilten Bescheinigungen noch nicht enthalten waren. Der Bescheid vom 5. August 2013 ist mit Wirkung ab 1. Januar 2001 erteilt worden, weil das vom Kläger auf Anfrage der Beklagten mitgeteilte früheste Anfangsdatum eines Nachhilfeunterrichts, für den die Bescheinigung beantragt wurde, im Jahr 2001 lag.
59Nach Auffassung der Kammer ist es jedoch rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), dass die Beklagte auch hinsichtlich derjenigen Lehrkräfte, die schon seit vielen Jahren beim Kläger eingesetzt sind, bei ihrer jetzt getroffenen Entscheidung ohne weiteres die neuen – nach ihren Angaben seit dem Jahr 2011 praktizierten – Anforderungen stellt. Dies gilt jedenfalls für die Zeit bis zur Änderung der Verwaltungspraxis, die – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – von der Beklagten den betroffenen Unternehmern nicht kommuniziert worden ist. In Kenntnis der bundesweit unterschiedlichen Handhabung der Erteilung der Bescheinigungen hatte der Franchisegeber des Klägers bereits im Jahr 2006 die Übermittlung der Richtlinien für die Bewertung der Nachhilfelehrer (für Umsatzsteuerbefreiung) erbeten; ausweislich einer e-mail vom 27. Juli 2006 an einen Mitarbeiter der Bezirksregierung E. sei vereinbart worden, dass die Bezirksregierung der B. Zentrale diese Richtlinien zwecks weiterer Verteilung zukommen lasse. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben vom 8. Dezember 2006 hat die Bezirksregierung E. der B. Franchise GmbH sodann mitgeteilt, verbindliche Zusagen hinsichtlich der Qualifikation könnten nicht gegeben werden, da es sich um Einzelfallentscheidungen handele; Eignungsgrundsätze im Sinne von Mindestqualifikationen seien nicht festgelegt. Hiernach konnten die von der B. Zentrale entsprechend unterrichteten einzelnen Franchisenehmer, darunter auch der Kläger, darauf vertrauen, dass die bisherige Praxis weitergeführt werde. Dem Kläger war kurz zuvor noch die Bescheinigung vom 26. Juni 2006 erteilt worden; er konnte davon ausgehen, dass die hier zugrunde gelegten Kriterien weiterhin gelten würden. In dem Schreiben der Bezirksregierung E. vom 8. Dezember 2006 war zudem weiter ausgeführt, dass jede Lehrkraft – abgesehen von der „formalen Qualifikation“ – auch ggf. hinsichtlich ihrer Berufs- und Lebenserfahrung beurteilt werde. Dies bedeutet, dass die Beklagte auch bereit war, bei im Beruf befindlichen Lehrern Nachhilfeunterricht ggf. in nicht durch „formale Qualifikation“ (Studienabschluss im unterrichteten Fach) nachgewiesenen Fächern zu akzeptieren. Entsprechende Überlegungen können auch für verschiedene von der Beklagten nicht berücksichtigte Lehrkräfte gelten; so ist z.B. der Volksschullehrerin D. D1. im Jahr 1972, d.h. vor 40 Jahren, die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen worden; die Lehrkraft F. F1. befindet sich im Ruhestand, erhält Versorgungsbezüge vom LBV NRW und war zuvor Schuldirektor. Wenn bei seit vielen Jahren eingesetzten Nachhilfelehrern die Qualifikationsanforderungen geändert werden, hätte es insoweit eines Hinweises der Beklagten bedurft, da der Kläger – wie auch die anderen Nachhilfeinstitute – auf die bisherige Praxis vertraut hatte. Wenn eine individuelle Unterrichtung der einzelnen Unternehmen nicht möglich war, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf eine große Zahl jährlich gestellter Bescheinigungsanträge ausgeführt hat, so wäre es doch unschwer möglich gewesen, einen entsprechenden Hinweis jedenfalls etwa auf einer Internet-Seite der Beklagten zu platzieren. Eine entsprechende Handhabung ist, wie der Kammer bekannt ist, bei vielen Kommunen üblich, die in ihrem Internet-Auftritt etwa auf geänderte Satzungsbestimmungen und hiernach etwa zu beachtende neue Anforderungen hinweisen, dies unbeschadet der „offiziellen“ Veröffentlichung der Satzung im amtlichen Verkündungsblatt der jeweiligen Kommune. In gleicher Weise wäre auch eine Unterrichtung durch die Bezirksregierung möglich gewesen.
60Die unvermittelt eingeführte geänderte Praxis der Beklagten führt auch zu einer Ungleichbehandlung zu anderen Lehrkräften, die beim Kläger eingesetzt sind und die noch nach den früheren Kriterien mit ihrem jeweiligen Unterricht etwa in der früheren Bescheinigung vom 26. Juni 2006, die unbefristet gültig ist, weiterhin als den Anforderungen der „ordnungsgemäßen Vorbereitung …“ genügend bescheinigt sind. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.
61Wegen des der Beklagten zustehenden fachlich-wissenschaftlichen Beurteilungsspielraums war es dem Gericht verwehrt, selbst die Sache spruchreif zu machen durch Ermittlung der früheren Kriterien und deren Anwendung auf die jeweils von der Bescheinigung ausgenommenen Lehrkräfte. Deshalb kam nur die Aufhebung des Versagungsbescheides sowie der Erlass eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in Betracht. Die Beklagte hat hinsichtlich der bis 2010 (vor Änderung der Kriterien) eingesetzten Lehrkräfte über den Antrag nach Maßgabe der bis dahin geltenden Kriterien zu entscheiden.
62Einer Entscheidung über den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag bedurfte es hiernach nicht mehr; angemerkt sei, wie zuvor bereits ausgeführt, dass die Bescheinigung von 26. Juni 2006 selbständig neben der im vorliegenden Verfahren streitigen Bescheinigung steht.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
64Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
65Gründe:
66Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt und folgt der Rechtsprechung des OVG NRW (Beschluss vom 30. Mai 2011 – 14 E 379/ 11 –).
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.