Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 23. März 2015 - 22 K 4141/14.A
Gericht
Tenor
Der gegenüber dem Kläger zu 2 ergangene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2014 (Az. 0000000 – 439) wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger zu 1 und sein am 00.0.1987 geborener Sohn, der Kläger zu 2, sind iranische Staatsangehörige. Sie meldeten sich am 24. Februar 2014 bei der Außenstelle E. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und stellten einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte zur Niederschrift. Im Rahmen der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens erklärte der Kläger zu 2: Sie seien am 5. Februar 2014 mit dem Reisebus in Richtung Istanbul aus dem Iran ausgereist. Nach einem zweitägigen Aufenthalt dort seien sie mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist. Personalpapiere oder andere Dokumente über ihre Person könnten sie nicht vorlegen.
3Ausweislich einer zum Verwaltungsvorgang des Bundesamtes genommenen Auskunft vom 24. Februar 2014 aus dem VIS-Datenbestand war den Klägern unter den Namen E1. S. H. (Kläger zu 1) I. S. H. (Kläger zu 2) am 21. Januar 2014 durch die französische Botschaft in Teheran ein Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt erteilt worden mit Gültigkeit vom 25. Januar 2014 bis zum 19. Februar 2014.
4Am 13. Mai 2014 stellte das Bundesamt bezüglich beider Kläger ein Übernahmeersuchen an die Republik Frankreich.
5Diese stimmte mit Schreiben vom 4. Juni 2014 der Aufnahme der Kläger gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) zu.
6Mit Bescheiden vom 5. Juni 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Frankreich an (Ziffer 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Asylanträge der Kläger gemäß § 27a AsylVfG unzulässig seien, weil Frankreich nach Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig sei, weil die Kläger bei Asylbeantragung im Besitz eines seit weniger als sechs Monaten abgelaufenen französischen Visums gewesen seien. Es seien keine humanitären Gründe ersichtlich, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.
7Die Kläger haben gegen die am 24. Juni 2014 zugestellten Bescheide am 25. Juni 2014 Klage erhoben. Das Klageverfahren des Klägers zu 2, das zunächst unter dem Aktenzeichen 2 K 4142/14.A geführt wurde, wurde durch Beschluss der Kammer vom 28. August 2014 mit dem vorliegenden Verfahren verbunden. Ein zugleich gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde zunächst durch Beschluss der Kammer vom 2. September 2014 (Az. 22 L 1449/14.A) abgelehnt. Mit weiterem Beschluss vom 14. Januar 2015 hat das Gericht von Amts wegen unter Abänderung des vorgenannten Beschlusses die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen Ziffer 2 der streitgegenständlichen Bescheide angeordnet.
8Nach Mitteilung der Ausländerbehörde der Stadt X. ist der Kläger zu 1 am 21. Januar 2015 in den Iran ausgereist. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger und die Beklagte haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
9Zur Begründung der Klage macht der Kläger zu 2 geltend, er leide an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung. Er hat ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 20. August 2014 vorgelegt, wonach er an einer mittelschweren depressiven Erkrankung leidet.
10Der Kläger zu 2 beantragt,
11den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2014 aufzuheben.
12Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der dazu beigezogenen Gerichtsakten 22 L 1449/14.A sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes sowie der Ausländerbehörde der Stadt X. Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Parteien gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
18Die Klage des Klägers zu 2 ist zulässig (nachfolgend I.) und begründet (nachfolgend II.).
19I. Die Klage ist zulässig.
20Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft. Die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelungen führt auf die weitere Prüfung des Asylantrags des Klägers zu 2 durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel. Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides wird das Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen war. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylVfG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. Das Bundesamt hat sich in dem vorliegenden Fall lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylantrags vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21Vgl. zu Entscheidungen nach § 27a AsylVfG: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rdn. 28 ff.; zu Entscheidungen nach §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rdn. 15 ff.
22Der Kläger zu 2 ist auch klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Aus seinem Vorbringen lässt sich herleiten, dass er – sollte sich der Bescheid in dem angefochtenen Umfang als objektiv rechtswidrig erweisen – möglicherweise in eigenen Rechten verletzt ist. Denn die angefochtenen Regelungen belasten ihn in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus §§ 4, 24, 31 AsylVfG auf Prüfung seines Schutzgesuchs durch das Bundesamt.
23Ob und gegebenenfalls inwieweit dieses Recht durch Unionsrecht, namentlich die Dublin-III-VO, beschränkt wird, bedarf hier keiner weiteren Prüfung, da eine Rechtsverletzung zumindest möglich erscheint.
24Die Klage wurde auch fristgerecht im Sinne von § 74 Abs. 1 AsylVfG, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides, erhoben.
25II. Die Klage ist begründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juni 2014 rechtswidrig und verletzt den Kläger zu 2 in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
261. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers zu 2 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 27 a AsylVfG sind nicht erfüllt. Frankreich ist nicht aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zu 2 zuständig.
27Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin-III-VO. Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO auf alle in Deutschland ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, mithin auch auf das im Februar 2014 gestellte Schutzgesuch des Klägers zu 2.
28Die Zuständigkeit Frankreichs für die Prüfung dieses Asylantrags dürfte zwar zunächst nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO begründet worden sein. Die Republik Frankreich hat das an sie gerichtete Übernahmeersuchen der Beklagten vom 13. Mai 2014 auch am 4. Juni 2014 auf dieser Rechtsgrundlage akzeptiert. Die Zuständigkeit ist jedoch mittlerweile auf die Beklagte übergegangen. Dies folgt aus Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO genannten Frist von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen auf höchstens 18 Monate verlängert werden kann, durchgeführt wird.
29Im vorliegenden Fall ist die Überstellung nicht in diesem Sinne fristgemäß erfolgt. Die sechsmonatige Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Die Frist begann nach diesen Maßstäben hier mit der Annahme des Übernahmeersuchens durch die Republik Frankreich am 4. Juni 2014.
30Die Frist zur Überstellung der Kläger nach Frankreich wurde nicht durch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 25. Juni 2014 (22 L 1449/14.A) für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens, hier also bis zum ablehnenden Eilbeschluss vom 2. September 2014, unterbrochen oder gehemmt,
31vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014, - 13 A 1347/14.A -, juris, Rdn. 5 ff. m.w.N..
32Auch lagen keine Gründe für eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO vor. Die sechsmonatige Frist endete nach alledem mit Ablauf des 4. Dezember 2014.
33Das Verstreichen der Überstellungsfrist hat gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO zur Folge, dass der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags des Klägers zu 2 ist damit auf die Beklagte übergegangen.
34Nach Auffassung der Kammer kann sich der Kläger zu 2 auch auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte berufen. Hierzu hat die Kammer in ihrem Urteil vom 5. Februar 2015 (22 K 2262/14. A) ausgeführt:
35„Die Kläger können sich im vorliegenden Klageverfahren auch auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte berufen.
36A.A. VGH BW, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rdn. 59 (soweit eine Überstellung in den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist); Nds.OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 ‑, juris, Rdn. 9 ff (ohne Einschränkung); HessVGH, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 976/14.A ‑, juris, Rdn. 15 (obiter dictum); VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 43; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 102. Ergänzungslieferung, November 2014, § 27a, Rdn. 234, 196.1 (mit Ausnahmen); Hailbronner, Ausländerrecht, 88. Ergänzungslieferung, Oktober 2014, § 27a AsylVfG, Rdn. 20 ff.; Günther, in: Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 5. Edition, Stand: 1. September 2014, § 27a AsylVfG Rdn. 29 ff.; offen gelassen: OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑ 14 A 1943/11.A ‑, juris, Rdn. 24 (das Vorabentscheidungsverfahren bei EuGH, Rs. C-666/11 endete ohne Sachentscheidung nach Rücknahme des Ersuchens wegen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache beim OVG NRW); vgl. ferner zum Ablauf der Frist zur Stellung des Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens: VGH BW, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; Rdn. 25, 27 (bei zeitnaher Überstellung); OVG RhPf, Urteil vom 21. Februar 2014 ‑ 10 A 10656/13 ‑, juris, Rdn. 33.
37Die Kläger haben gemäß §§ 24, 31 AsylVfG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Diese darf auf der Rechtsgrundlage der §§ 27a, 34a AsylVfG die weitere Prüfung eines Asylantrages nur dann ablehnen und eine Abschiebungsanordnung in einen anderen Mitgliedstaat erlassen, wenn dieser andere Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Zugleich verletzt der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche Recht der Kläger aus §§ 24, 31 AsylVfG, und zwar unabhängig vom Schutzzweck der Norm, deren Verletzung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führt. Der Individualschutzzweck von Normen ist nur für diejenigen von Bedeutung, die keine materielle Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung durch den angefochtenen Verwaltungsakt dartun können.
38Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 45 Rdn. 126.
39Die Kläger hingegen werden durch Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides in ihrer Rechtstellung aus §§ 24, 31 AsylVfG materiell beeinträchtigt, wenn die Beklagte die Prüfung der Schutzgesuche mit Verweis auf die Zuständigkeit eines anderen Staates ablehnt, obwohl ihre Zuständigkeit nach den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung objektiv begründet ist.
40Dem nach nationalem Recht bestehenden subjektiv-öffentlichen Recht der Kläger auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die nach der Dublin-III-VO objektiv hierfür zuständige Beklagte steht auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht entgegen. Denn es liegt schon keine Kollision des nationalen Rechts mit der gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV vorrangig anzuwendenden Dublin-III-VO vor.
41Die Zuständigkeitsregelungen in der Dublin-III-VO begründen unmittelbare Rechte der betroffenen Ausländer auf Beachtung dieser Regelungen durch alle Behörden der Mitgliedstaaten. Dies folgt schon aus der Rechtsnatur der Dublin-III-VO. Diese gilt (wie alle EU-Verordnungen) gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Diese unmittelbare Geltung bedeutet, dass die Verordnungen nicht nur für die Mitgliedstaaten (untereinander) gelten, sondern in den Mitgliedstaaten,
42Ulrich Haltern, Europarecht, Tübingen 2005, S. 284 (Hervorhebung im Original).
43Hierin unterscheidet sich das Unionsrecht gerade von Völkervertragsrecht, mit dem sich lediglich die Vertragsstaaten untereinander binden. Das Unionsrecht ist eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Unionsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen,
44EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, S. 25.
45Die Dublin-III-VO regelt damit schon aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht nur Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch unmittelbar die Rechtsstellung jedes einzelnen Normunterworfenen, das heißt auch der Drittstaatsangehörigen, auf die die Dublin-III-VO Anwendung findet.
46Der Dublin-III-VO kann auch nicht entnommen werden, dass in Bezug auf die dort geregelten Zuständigkeitsbestimmungen ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, insbesondere ein Asylbewerber, der für die Prüfung seines Asylantrages an einen anderen Mitgliedstaat verwiesen wird, einen hierin liegenden objektiven Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung nicht oder nur unter bestimmten Umständen rügen kann.
47Dies unter Verweis auf den Zweck der Dublin-II-VO erwägend und im Ergebnis ein subjektiv-öffentliches Recht des Ausländers aus der Ermessensvorschrift des Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO (Selbsteintrittsrecht) verneinend: Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 58.
48Indem der Unionsgesetzgeber die ursprünglich in einem völkerrechtlichen Vertrag (Dubliner Übereinkommen) vereinbarten Zuständigkeitskriterien für die Prüfung eines Schutzgesuchs ausdifferenziert und in einer EU-Verordnung kodifiziert hat, hat er diese Regelungen zugleich mit den aus Art. 288 Abs. 2 AEUV folgenden Rechtswirkungen ausgestattet. Diese Rechtsqualität der Regelungen steht auch nicht in Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck. Der Unionsgesetzgeber hat die Zuständigkeitsbestimmungen erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern,
49dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrages zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen,
50EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, C‑394/12 (Abdullahi), Rdn. 53, juris; vgl. auch Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 57.
51Diese Ziele werden am effektivsten durch die zuverlässige und gleichmäßige Befolgung der in der Dublin-III-VO geregelten Zuständigkeitskriterien in allen Mitgliedstaaten erreicht. Das „forum shopping“ wird unterbunden, indem einem einzigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Prüfung des Schutzgesuches zugeordnet wird; die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Staates wird durch detaillierte Kriterien, die keine Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten vorsehen, erhöht; die Asylverfahren werden insgesamt beschleunigt, indem das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates verbindlich geltenden kurzen Fristen unterworfen wird.
52Die unmittelbare, auch von den Betroffenen durchsetzbare Rechtswirkung der Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-VO ‑ soweit sie einem Mitgliedstaat die Zuständigkeit ohne Ermessensspielraum zuweisen ‑ widerspricht diesen Zielen nicht, sondern fördert ihre Erreichung. Der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts („effet utile“) findet eine wesentliche Stütze gerade darin, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar geltendes Unionsrecht berufen kann. Mit Hilfe der Doktrin der unmittelbaren Anwendbarkeit werden die an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Betroffenen zu Wächtern des Unionsrechtssystems erhoben, die dessen effektive Anwendung in den Mitgliedstaaten sichern,
53Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 49 m.w.N.
54Zum Zweck der effektiven und gleichen Wirkung des Unionsrechts sollen die Einzelnen, soweit es um den staatlichen Vollzug des Unionsrechts geht, eine dezentrale, die Kommission entlastende Vollzugskontrolle vornehmen können,
55vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 44.
56Andernfalls könnte auch Art. 267 AEUV, der zum Zweck der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten das Verfahren zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen auf Vorlage nationaler Gerichte vorsieht, seine Wirkung nicht entfalten. Art. 267 AEUV setzt voraus, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar anwend-
57bares Unionsrecht berufen kann und damit die Frage der Auslegung einer unionsrechtlichen Bestimmung vor dem nationalen Gericht streitentscheidende Bedeutung gewinnt. Der alleinigen Entscheidungskompetenz des EuGH bei der Auslegung des Unionsrechts liefe es zuwider, einer unionsrechtlichen Bestimmung in einem Verfahren vor einem nationalen Gericht (ohne vorherige Klärung der Rechtsfrage durch den EuGH) mit Verweis auf mangelnde individualschützende Wirkung eine streitentscheidende Bedeutung von vornherein abzusprechen.
58Aufgrund dieser generellen Bedeutung der unmittelbaren, individualrechtsbegründenden Anwendbarkeit des Unionsrechts für die Sicherstellung seiner Effektivität kommt es für die Frage, ob sich der Einzelne auf Unionsrecht berufen kann, auch nicht darauf an, ob eine Vorschrift des Unionsrechts bezweckt, individuelle Rechte zu schaffen. Entscheidend ist vielmehr, ob die sich aus der Vorschrift ergebende Verpflichtung anderer Rechtssubjekte eindeutig ist, weil sie hinreichend klar und unbedingt formuliert ist.
59Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 46; Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 51 m.w.N.
60Dies ist bei Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO der Fall. Die Norm regelt den Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Überstellungsfrist eindeutig, klar und unbedingt, insbesondere sieht sie auch keinen Entscheidungsspielraum einer nationalen Behörde vor.
61Der Annahme, dass sich ein Asylbewerber auf die nach der Dublin-III-Verordnung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung objektiv begründete Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Prüfung seines Schutzgesuches berufen kann, steht auch die Rechtsprechung des EuGH,
62Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi), - C-394/12 -, juris,
63sowie des Bundesverwaltungsgerichts,
64Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 7 und vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6,
65nicht entgegen.
66Diesen Entscheidungen ist keine Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen,
67vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 13 K 471/14.A -, Rdn. 41, juris mit Hinweis auf VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 - 13 K 1117/14.A -, Rdn. 54 ff., juris.
68Insbesondere lässt sich eine dahingehende Aussage nicht aus dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz entnehmen, dass der betreffende Ausländer in einem Fall, in dem
69ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat (Mitgliedstaat der ersten Einreise), der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
70Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi) - C-394/12 -, Rdn. 62, juris,
71Mit diesem Rechtssatz betont der EuGH gerade die Verbindlichkeit der in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriterien, die ihre Grenze erst in der im Einzelfall anzunehmenden tatsächlichen Gefahr der Verletzung eines in der Grundrechtecharta verbürgten Rechts findet. Demgegenüber lässt sich dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz keine Aussage des Inhalts entnehmen, dass sich ein Asylbewerber nicht (oder nur unter bestimmten Bedingungen) auf die Beachtung eines in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums berufen kann.
72So liegt der Fall hier. Mit dem von den Klägern geltend gemachten Einwand, dass die Zuständigkeit für die Prüfung ihrer Schutzgesuche wegen Überschreitens der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen ist, wenden sich die Kläger ‑ anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall ‑ gerade nicht gegen die Heranziehung eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitskriteriums, sondern berufen sich auf dieses.
73Auch das BVerwG geht erkennbar nicht davon aus, dass andere Einwände gegen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat als der Einwand systemischer Mängel unbeachtlich wären. Vielmehr benennt es in dem zuletzt ergangenen Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – konkret die als unbeachtlich einzustufenden Einwände:
74„Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war.“
75BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6, Hervorhebung nicht im Original.
76Dies verdeutlicht, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates der Prüfung vorgelagert ist, ob einer Überstellung dorthin systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenstehen. Auch wird die Beschränkung berücksichtigungsfähiger Einwände auf den Einwand systemischer Mängel nur insoweit ausgesprochen, als der Asylbewerber der Überstellung mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen in diesem Staat entgegentritt.
77Eine Beschränkung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers im Hinblick auf die Geltendmachung objektiver Verstöße gegen die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-Verordnung lässt sich auch nicht mit der Überlegung belegen oder bekräftigen, dass es dem Asylbewerber unbenommen ist, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen.
78Zu den Modalitäten einer Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers siehe Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (DVO Dublin III).
79Zwar kann der Asylbewerber damit zu einer Beschleunigung beitragen. Aus einer fehlenden Inanspruchnahme dieses Rechts kann jedoch nicht auf den Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts des Asylbewerbers auf materielle Prüfung seines Schutzgesuches durch die Beklagte geschlossen werden. Insbesondere steht der vom Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitete Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") der Geltendmachung dieses subjektiv-öffentlichen Rechts nicht entgegen.
80So aber VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 45 ff.
81Ein widersprüchliches Verhalten der Kläger liegt
82– ganz abgesehen davon, dass im deutschen Recht die Möglichkeit der Überstellung des betroffenen Asylbewerbers auf eigene Initiative gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. hierzu: VGH BW, Beschluss vom 4. Juli 2014 – A 11 S 1230/14 ‑, juris, Rdn. 4) und die Kläger im vorliegenden Fall (soweit ersichtlich) über dieses ihnen zustehende Initiativrecht auch nicht unterrichtet wurden –
83nicht vor. Die Kläger rügen nicht etwa eine unangemessene Dauer ihrer Verfahren, die sie selbst hätten beschleunigen können. Vielmehr begehren sie die materielle Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Selbst wenn zwischenzeitlich ein anderer Staat für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig gewesen sein sollte, kann ein widersprüchliches Verhalten der Kläger nicht darin gesehen werden, dass sie an ihrem Begehren der Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte festgehalten haben. Die Kläger haben sich zur Begründung ihres Begehrens nicht auf eine drohende unzumutbare Dauer ihrer Schutzgesuche gestützt, sondern auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die der tatsächlichen Durchführung ihrer Überstellung entgegenstünden.“
84Auch im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob ein Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Prüfung des Schutzgesuches durch den Staat, der infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO zuständig geworden ist, dann eintreten kann, wenn dieses Recht missbräuchlich in Anspruch genommen wird. Denn dafür fehlen hier jegliche Anhaltspunkte. Insbesondere hat sich der Kläger zu 2 weder der ausländerrechtlichen Überwachung entzogen noch Überstellungsmaßnahmen widersetzt.
852. Ist somit nach Auffassung der Kammer der Asylantrag des Klägers zu 2 nicht gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig anzusehen, liegen auch die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG für die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids verfügte Abschiebungsanordnung nicht vor.
86III. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klage des Klägers zu 2 auf §§ 154 Abs.1 VwGO. Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des Begehrens des Klägers zu 1 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dem entspricht es, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klage auch insoweit Aussicht auf Erfolg hatte.
87Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
88Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.