Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 26. März 2015 - B 3 K 14.30365
Gericht
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffern 1, 3, 4 und 5 des Bescheides vom
2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am ... 1991 geborene Kläger ist Staatsangehöriger Pakistans. Er reiste eigenen Angaben zufolge am ... 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2012 einen Asylantrag. Später legte er eine Bescheinigung der Ahmadiyya Muslim Jamaat e. V. vom ... 2013 vor, wonach er von Geburt an Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat ist.
Bei seiner Anhörung am ... 2013 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger an, er sei mit einem gefälschten Reisepass ausgereist. Sein Onkel habe den Kontakt zum Schleuser hergestellt. Bis zur Ausreise in Pakistan habe er sich überwiegend in seinem Heimatort ..., Bezirk ... aufgehalten. Er habe dort mit den Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester gewohnt. 2 ½ Monate vor der Ausreise habe er den Heimatort verlassen und habe sich nach ... zum Großvater mütterlicherseits begeben. Am ...2012 habe er ... verlassen und sich zum Flughafen nach Lahore begeben, wo er am ...2012 um 10:00 Uhr abends abgeflogen sei. Bis 2007 habe er im Heimatort die Mittelschule bis zur 10. Klasse besucht und anschließend das College bis 2009. Dann habe er auf dem College Schwierigkeiten wegen seines Glaubens gehabt und habe nicht weiter studieren können. Er habe dann dem Vater im Buchladen geholfen und diese Tätigkeit bis etwa 2 ½ bis 3 Monate vor seiner Ausreise ausgeübt. Dann habe er nicht länger dort arbeiten können, da er Probleme bekommen habe. Die Reise habe mehr als 1,2 Mio. Rupien gekostet. Sein Onkel mütterlicherseits und ein Cousin mütterlicherseits, der in ... lebe, hätten ihn finanziell unterstützt.
Sein Leben sei in Gefahr, ihre Gemeinschaft habe in Pakistan Schwierigkeiten. Vor acht Monaten sei der Mullah gestorben und mit ihm hätten sie nicht viele Probleme gehabt. Dann sei ein neuer Mullah gekommen, der der Gruppe Khatme-e-Nabuwat angehöre und habe Hass gegen die Ahmadis in der Gegend dort verbreitet. Am ... habe es eine Konferenz mit zahlreichen Mullahs gegeben, den Vorsitz habe ein ... geführt, der in der Gegend der Vorsitzende der Khatme-e-Nabuwat gewesen sei. Über Lautsprecher habe er Hass gegen die Ahmadis verbreitet. Er habe verlangt, dass man die Ahmadis wirtschaftlich und moralisch boykottiere. Er habe gesagt, dass er eine Moschee mit Minaretten in ... so schnell wie möglich zerstören wolle. Er, der Kläger, habe Sicherheitsdienst vor der Moschee geleistet. Viele Leute haben daher gewusst, dass er ein Ahmadi sei. Eines Tages sei der Mullah zu ihm gekommen und habe gesagt, dass er den Glauben wechseln müsse, das sei an einem Sonntag gewesen, eine Woche nach dem ... sei der Mullah ins Geschäft gekommen. Einmal habe er mit dem Motorrad Richtung ... fahren wollen und da sei er angehalten worden. Der Mullah habe zu den Anhängern gesagt, man solle ihn schlagen und umbringen. Das sei im ... 2012 gewesen, ... Am ... seien die Hassprediger und die Polizei zur Moschee in ... gekommen und hätten sechs Minarette zerstört und in der Moschee Randale gemacht. Sie hätten von der Zentrale die Anweisung erhalten, die Moschee zu verlassen, deshalb sei ihm nichts passiert. Ein paar Tage später habe der ... eine Demonstration organisiert und die Anhänger hätten schwören müssen, den Ahmadis etwas Schlimmes anzutun. Zwei Tage später seien mehrere junge Leute zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihn nach draußen gezerrt, ihn zusammengeschlagen und beschimpft. Da ein Auto der Armee vorbeigekommen sei, hätten die Leute Angst bekommen und seien geflüchtet. Seine Familie habe ihm den Rat gegeben, ins Ausland zu gehen. Sein Rücken habe geblutet und ..., ein Mitglied der Gemeinschaft, habe ihn behandelt. Er habe zwei Spritzen bekommen und dann noch Tabletten genommen. Er habe eine Woche lang Tabletten einnehmen müssen. Er sei dann zunächst nach ... zur Tante väterlicherseits gegangen und dann nach ... Eines Tages sei auch der Bruder zusammengeschlagen worden, bei dieser Gelegenheit hätten sie sich nach ihm erkundigt. Das sei eine Woche gewesen, nachdem er vor dem Haus zusammengeschlagen worden sei. Zuletzt sei auch das Geschäft schlecht gelaufen, da die Mullahs den Leuten verboten hätten, bei ihnen einzukaufen. Es seien nur noch die Armeeangehörigen aus anderen Orten gekommen und die Christen. Die Geschwister lebten jetzt in ... Die Mutter sei zu ihrer Schwester gegangen, die in der Nähe von ... lebe. Der Vater sei noch im Heimatort geblieben, wolle aber bald weggehen. Er befürchte, sie würden ihn umbringen, die Anhänger von Khatm-e-Nabuwat seien in Pakistan überall vernetzt. In ... sei er nicht geblieben, weil es nicht so weit vom Heimatort entfernt sei. Er sei zunächst auch nach ... gegangen und sei dort ein paar Tage geblieben. In ... gebe es jedoch dieselben Probleme. Er sei dann nach ... gegangen und anschließend ausgereist. In ... sei er deshalb nicht geblieben, da es dort dieselben Probleme gebe. Der Bruder habe ebenfalls Probleme mit Khatm-e-Nabuwat gehabt. Er sei für das Geschäft der Familie immer auf dem Großmarkt einkaufen gegangen. Die Leute dort hätten erfahren, dass er ein Ahmadi sei. Ein Nachbar, der ebenfalls einen Buchladen gehabt habe, habe dort Hass verbreitet. Der Bruder sei irgendwann einmal auf der Straße angegriffen worden, das sei aber schon lange her. Auf Vorhalt, dass der Bruder angegeben habe, er sei im Buchladen angegriffen und das Geschäft sei bei dieser Gelegenheit zerstört worden, gab der Kläger an, er wisse nichts, er sei nicht dagewesen, als das im Geschäft passiert sei. Auf Vorhalt, dass der Bruder auch angegeben habe, dass, nachdem er im Geschäft angegriffen worden sei, niemand mehr im Geschäft gekauft habe, gab der Kläger an, die Ahmadi und Christen hätten bei ihnen eingekauft.
Solange er zu Hause gewesen sei, habe er in ... Sicherheitsdienst geleistet. Er habe auch an den Sitzungen der Gemeinschaft teilgenommen und gespendet. Sie hätten den Friedhof gekehrt und die Moschee saubergemacht.
In Deutschland habe er während der Fastenzeit Gebete verrichtet. Die Gemeindemitglieder hätten auch in ... und ... Flugblätter verteilt. Er sei auch dabei gewesen. Eine Woche vor der Jahresversammlung sei er nach ... gegangen und habe in der Nacht Sicherheitsdienst geleistet und dann auch bei der Verteilung der Verpflegung geholfen. Bei den Khuddam sei er auch für die Entziehung und Bildung zuständig. Auf Nachfrage, was ihn dazu qualifiziere, dass er bei den Khuddam für Erziehung und Bildung zuständig sei, antwortete der Kläger, nein, ich bin noch nicht zuständig, ich lerne noch.
In Pakistan habe er wegen des Hasses der Mullahs nie in Ruhe leben können. Seit er in Deutschland lebe, fühle er sich sehr wohl und habe hier religiöse Freiheit.
Mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom 27.10.2014, bei Gericht eingegangen am 28.10.2014, ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben mit folgendem Antrag:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Nach der herrschenden Auffassung unter den Oberverwaltungsgerichten bestehe bereits aufgrund der speziell gegen die Ahmadis in Pakistan gerichteten Gesetzgebung und den sich daraus ergebenden Einschränkungen ihrer Religionsausübung für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen Ahmadi, zu dessen Glaubensüberzeugung auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit gehöre, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer an die Religion anknüpfenden Verfolgung.
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 12.12.2014 machte d er Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, die Befragung der Klägerseite sei im Wesentlichen auf Erlebnisse und Ereignisse der Vergangenheit beschränkt gewesen, die nach den aktuellen Maßstäben nur noch nachrangig seien. Die meisten Verwaltungsgerichte fragten ihm Gerichtsverfahren nach diesen Vorgängen überhaupt nicht mehr. Im Fall der Ahmadi gelte nunmehr, dass die wesentliche Verfolgung im Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit durch deren Unterdrückung durch spezielle Strafvorschriften des pakistanischen Strafgesetzbuchs liegen könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 20.02.2013 einen umfangreichen und sehr konkreten Katalog bestimmter Befragungspunkte aufgestellt und vorgegeben. Insofern habe ein weitgehender Prüfungsausfall beim Bundesamt stattgefunden. Der Kläger mache geltend, dass es sich bei ihm um eine sehr religiös geprägte Persönlichkeit handele. Mit Schriftsatz vom 07.01.2015 wird weiter vorgetragen, dass es außer Frage stehe, dass der Kläger im Sinne eines gläubigen Ahmadis seine individuellen persönlichen Pflichten erfülle. Das betreffe das regelmäßige Beten, das Fasten, das regelmäßige Hören der Freitagsansprache und des Kalifen und schließlich auch das Entrichten der finanziellen Beiträge. Daneben betrachtet der Kläger allerdings sein Engagement als auch auf die Gemeinschaft bezogen, er nehme aktiv am Gemeinschaftsleben teil. Der Kläger habe eine Zusammenstellung von Bildern getätigt, die einen repräsentativen Überblick über sein Gesamtengagement erlaubten. Es existiere ein Lichtbild über ein Treffen bei dem Kalifen, dem Oberhaupt der Gemeinde. Der Kläger nehme an den Aktivitäten des örtlichen Sozialdienstes der Ahmadiyya-Gemeinde teil und auch an Aktionen der Information und Werbung für den Ahmadiyya-Glauben. Der Kläger unterhalte mit dem Kalifen bzw. seinem Sekretär einen Briefverkehr; einige Exemplare dieser Antwortschreiben seien beigefügt. Ganz besonders wichtig seien für den Kläger die Teilnahme an den bundesweiten Großveranstaltungen, insbesondere der Jalsa-Salana, sowie der Salana-Ijtema. Für den Kläger sei bei der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Frankfurt eine einzelfallbezogene qualifizierte Auskunft angefordert worden, diese werde vorgelegt, sobald sie vorliege (siehe Beiakt II Klägerheftung).
Mit Schriftsatz vom
Mit Beschluss der Kammer vom
Mit Schriftsatz vom
Auf den Schriftwechsel zwischen dem Gericht (Schreiben vom
Für den Ablauf der mündlichen Verhandlung wird die Sitzungsniederschrift in Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte zu diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte zum Bruder des Klägers (Bundesamtsaktenzeichen: ...), die vorgelegten Klägerheftungen und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom
Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylVfG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylVfG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylVfG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylVfG).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG.
Die Vorfluchtgeschichte des Klägers ist nicht ganz widerspruchsfrei (etwa betreffend die Buchhandlung des Vaters/Bruders und ihre Schließung), was auch schon im angefochtenen Bescheid vom
Letztlich kann es aber dahinstehen, ob der Kläger vor seiner Ausreise aus Pakistan bereits Verfolgungsmaßnahmen erlitten hat oder von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war. Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 EU-Flüchtlingsschutzrichtlinie (RL 2011/95/EU) kommt es nicht an, denn es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen rechnen muss, die an seine Religion anknüpfen. Diese beachtlich wahrscheinliche Gefährdung ergibt sich im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG i. V. m. Art. 9 Abs. 1b RL2011/95/EU aus einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen.
Bekennende Ahmadis sind einer aktuellen Gefahr der Verfolgung in ihrer Religionsfreiheit ausgesetzt, die sich aus einer landesweit geltenden, speziell gegen sie und gegen den Kern ihres Selbstverständnisses gerichteten Gesetzgebung des pakistanischen Staates ergibt. Jedenfalls die öffentliche Religionsausübung ist ihnen in Pakistan praktisch unmöglich.
Die Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya wurde 1889 durch Mirza Ghulam Ahmad gegründet. Dieser beansprucht Messias, Mahdi, Prophet, die geistige Wiedergeburt Jesu, Mohameds, Vishnus, Krishnas, Buddhas und der Reformer am Anfang der tausendjährigen Endzeit zu sein, den wahren Islam zu vertreten und ihn durch seine Bewegung innerhalb von 300 Jahren zum Sieg über alle anderen Religionen und islamischen Konfessionen zu führen. In ihrer Dogmatik weicht die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya von den sunnitischen und schiitischen Hauptrichtungen des Islam, vor allem in ihrer Prophetenlehre, ab, weil sie Mohamed nicht als letzten Propheten ansieht. Vor allem aufgrund der Infragestellung der Finalität des Prophetentums Mohameds, eines essentiellen Bestandteils des Glaubens anderer islamischer Gemeinschaften, sind die Ahmadis insbesondere aus der Sicht orthodoxer Muslime Apostaten, die ihr Leben verwirkt haben.
Aufgrund ihres Selbstverständnisses werden Ahmadis in Pakistan durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert. Diese und die sich daraus für sie ergebenden Einschränkungen ihrer Religionsausübung stellen für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen Ahmadi, zu dessen Glaubensüberzeugung auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit gehört, eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung jedenfalls im Sinne einer kumulierenden Betrachtung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 b QRL dar, denn sie richten sich gegen das Selbstverständnis der Ahmadis in seinem Kern und beeinträchtigen ihre Freiheit der Religionsausübung umfassend in allen Lebensbereichen. Der Islam wird in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erhoben. Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 1974 wurden die Ahmadis ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt und in der Verfassung als religiöse Minderheit bezeichnet und geführt. Nach der pakistanischen Verfassung ist kein Muslim im Sinne der gesamten pakistanischen Rechtsordnung, wer nicht an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Propheten Mohamed glaubt oder andere Propheten als Mohamed anerkennt. Aus diesem verfassungsunmittelbaren Verbot, sich als Muslime zu begreifen und zu verstehen, ergeben sich für die Ahmadis in allen Lebensbereichen Einschränkungen und Verbote, die ihr religiöses Selbstverständnis im Kern treffen. Die Ahmadis sind nur um den Preis der Aufgabe oder Leugnung eines Kernelements ihrer Glaubensüberzeugung zur Ausübung des staatsbürgerlichen Rechts der allgemeinen und gleichen Teilnahme an Wahlen zugelassen. Sie können nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren und nur solche wählen. Um ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren und gewählt werden zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetentums Mohameds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert. Aufgrund besonderer gesetzlicher Strafandrohungen ergeben sich für die Ahmadis u. a. folgende Verbote: Es ist ihnen untersagt, zum Gebet aufzurufen, ihre Gebetshäuser Moschee zu nennen, öffentliche Versammlungen oder religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, für den Glauben zu werben, an der Pilgerfahrt nach Mekka teilzunehmen und Literatur oder andere Veröffentlichungen mit Glaubensinhalt zu verbreiten. Außerdem dürfen sie geläufige religiöse Sprechweisen nicht benutzen, weil dies den Eindruck erwecken könne, sie seien Muslime.
Die gegen das Selbstverständnis der Ahmadis in seinem Kern gerichtete Rechtslage und Rechtsanwendungspraxis in Pakistan ist nicht nur aus sich heraus einen schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit der Ahmadis, sondern auch deshalb eine dem pakistanischen Staat zuzurechnende schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylVfG, weil die Rechtslage und die Rechtsanwendungspraxis Übergriffe und Diskriminierungen auch nichtstaatlicher Akteure auf Ahmadis begünstigt. Derartige Übergriffe und Diskriminierungen nimmt der pakistanische Staat aktuell tatenlos hin.
Mullahs rufen in den Moscheen zum sozialen Boykott gegen Ahmadis auf und fordern jeden guten Muslim auf, diese zu verfolgen und umzubringen. Ahmadis werden durch untere Instanzen der Verwaltung sowie an Schulen, Hochschulen und bei der Einstellung und Beförderung im öffentlichen Dienst benachteiligt. Es kommt immer wieder vor, dass Ahmadis ihre Arbeitsstelle verlieren, sobald ihre Glaubenszugehörigkeit bekannt wird. Ermordungen und sonstige Übergriffe auf Ahmadis hat es immer gegeben. Nach Angaben der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft sind allein zwischen 1988 und 2006 insgesamt 171 ihrer Mitglieder ermordet worden. Diese Gefährdungen sind in den Folgejahren nicht weniger geworden.
Auch wenn es sich bei den Übergriffen und Diskriminierungen der Ahmadis letztlich um Einzelfälle handelt, ergibt sich daraus bei der nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG gebotenen kumulierenden Betrachtung mit dem sich aus den Rechtsvorschriften ergebenden Verbot, sich als Muslim zu verstehen und dieses Verständnis in der Öffentlichkeit zu tragen, aus dem sich alle weiteren (strafbewerten) Einschränkungen und Verfolgungsmaßnahmen herleiten, eine flüchtlingsrelevante schwerwiegende Menschenrechtsverletzung, die dem pakistanischen Staat zuzurechnen ist, weil er die Übergriffe und Diskriminierungen tatenlos hinnimmt.
Es kann deshalb nicht von der Hand gewiesen werden, dass es für die Ahmadis nahe liegt, wenn es sich nicht gar gebietet, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen oder auf ein Minimum zu beschränken, weil sie bei realistischer Betrachtungsweise mit erheblichen Reaktionen des Staates oder von nicht staatlichen Akteuren rechnen müssen, wenn sie ihr Menschenrecht auf Religionsfreiheit aktiv wahrnehmen. Folge dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung durch unmittelbaren Eingriff in die Religionsfreiheit aufgrund der rechtlichen, die Ahmadis ausgrenzenden Bestimmungen ist, dass die Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jeden bekennenden Ahmadi in Pakistan trifft und es - anders als bei Eingreifen in das Leben und die körperliche Freiheit - nicht darauf ankommt, ob die einzelnen auf den Körper gerichteten Verfolgungsmaßnahmen wegen der Religion eine solche Verfolgungsdichte erreichen, die die Annahme einer für den einzelnen Schutzsuchenden eine Beweiserleichterung darstellende Gruppenverfolgung rechtfertigt, denn die menschenrechtswidrige systematische Einschränkung durch die rechtlichen Bestimmungen hat für die Religionsfreiheit der Ahmadis in der Lage, in der sie in Pakistan in einem Klima der allgemeinen Ausgrenzung und religiösen, moralischen und gesellschaftlichen Verachtung leben müssen, den Charakter eines - bereits umgesetzten - Verfolgungsprogramms, bei dessen Vorliegen es nicht der Feststellung der Verfolgungsdichte einzelner Verfolgungsschläge im Sinne des Konzepts der Gruppenverfolgung bedarf.
Eine Fluchtalternative in dem Sinn, dass es einen Ort gibt, in dem die Ahmadis keiner Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylVfG aufgrund ihrer Religion ausgesetzt sind, gibt es schon deshalb nicht, weil die speziell gegen sie gerichtete pakistanische Gesetzgebung landesweit ohne Einschränkungen gilt. Unabhängig davon sind auch sonst keine gesicherten Ausweichmöglichkeiten gegeben. Nicht einmal Rabwah, das religiöse Zentrum der Ahmadis, bietet sicheren Schutz vor Repressionen, weil die Ahmadis dort zwar weitgehend unter sich, andererseits aber für ihre Gegner sehr sichtbar sind. Großstädte bieten den Ahmadis keinen ausreichenden Schutz, wenn sie ihren Glauben öffentlich leben. Keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung in Sinne des § 3a AsylVfG würde nur dann vorliegen, wenn die die Religionsausübung einschränkenden Maßnahmen den Schutzsuchenden nicht selbst in seiner religiös-personalen Identität beträfen, was der Fall wäre, wenn er seinen Glauben in der Heimat nicht praktizieren wird oder ihm sonst eine innere und verpflichtende Verbundenheit zur Religion fehlt. Einem Schutzsuchenden, der von Geburt an einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört und seinen Glauben in der Vergangenheit praktiziert hat, kann jedoch nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt werden, dass er seinen Glauben im Heimatland nicht praktizieren wird (OVG Bautzen, U. v. 18.09.2014 - A1A348/13 -, VGH Baden-Württemberg, U. v. 12.06.2013, - A 11 S 757/13 -; OVG Münster, U. v. 14.12.2010, - 19 A 2999/06.A -, beide juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger als gläubiger und praktizierender Ahmadi zu betrachten.
In der mündlichen Verhandlung konnte die Einzelrichterin den Eindruck gewinnen, dass der Kläger von seinem Glauben ganz selbstverständlich geprägt und das Glaubensleben ihm unverzichtbarer Bestandteil seines Alltags ist.
Zunächst zeigt sich beim Kläger nach außen hin das übliche Profil eines in die straffe Organisation des AMJ in Frankfurt gut eingebundenen Ahmadi mit örtlichen Funktionen und der Teilnahme an lokalen und zentralen Gemeindeveranstaltungen, etwa der Jalsa-Salana und der Salana-Jjtema (siehe Bestätigung des AMJ vom ... 2015). Insbesondere zu letzterem ist anzumerken, dass die Teilnahme an solch jährlichen Großveranstaltungen mit den üblichen Helferdiensten für sich genommen genauso wenig auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen lassen, wie etwa die Teilnahme an einem evangelischen Kirchentag oder einer Generalaudienz in Rom.
Die von seinem Ahmadi-Glauben geprägte Identität des Klägers wird jedoch insbesondere dann überzeugend spürbar, wenn er (auf Nachfrage) zentrale Glaubensinhalte schildert, - und zwar nicht nur ohne Zögern, sondern mit Leichtigkeit, Eifer und Freude (siehe Sitzungsniederschrift Seite 8). Der Kläger spult Glaubenswissen nicht einfach ab, sondern bringt seine Inhalte zur Geltung, was in der mündlichen Verhandlung auch in seiner Bereitschaft Ausdruck fand, mit einer nicht ganz einfachen prozessual/menschlichen Situation respektvoll und hilfreich umzugehen. Es ist ihm ersichtlich ein Bedürfnis, aus seinem Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. Von daher handelt es sich bei dem Kläger um einen aus der Allgemeinheit der Amadis hervorstechenden Gläubigen, der im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan seinen Glauben öffentlich weiterhin ausüben und damit in die Gefahr religiöser Verfolgung geraten wird. Ein Unterlassen der Glaubensausübung in der Öffentlichkeit kann von ihm nicht verlangt werden (VGH Baden-Württemberg, a. a. O.).
Die Klage ist auch begründet, soweit (deklaratorisch) die Aufhebung der Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheides begehrt wurde, denn die Feststellung, dass der subsidiäre Schutzstatus und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, wird regelmäßig gegenstandslos, wenn die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Erfolg hat.
Die Androhung der Abschiebung nach Pakistan (Nr. 5 des Bescheides) ist aufzuheben, weil der Kläger dort Verfolgung zu erwarten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.