Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 02. Mai 2018 - B 2 S 18.361

published on 02/05/2018 00:00
Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 02. Mai 2018 - B 2 S 18.361
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Gericht

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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren vorläufigen Nachbarrechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Tagespflegeeinrichtung und von Betriebsräumen für den ambulanten Dienst mit Tiefgarage.

Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … ihr Grundstück ist mit einem Reihenwohnhaus und einer Garage bebaut. Das Grundstück grenzt südöstlich an das Baugrundstück mit der Fl.-Nr. … an. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ welcher am 01.11.1975 in Kraft getreten ist. Dieser sieht für beide Grundstücke ein allgemeines Wohngebiet (WA) mit Doppel- oder Einzelhäusern in zweigeschossiger offener Bauweise vor. Er enthält ferner Baugrenzen. Zudem ist die Grundflächenzahl auf 0,3, die Geschossflächenzahl auf 0,6 und die Dachform als Satteldach festgesetzt.

Der Beigeladenen wurde mit Bescheid vom 07.03.2018 die Baugenehmigung zur Errichtung einer Tagespflege sowie von Betriebsräumen für den ambulanten Pflegedienst mit Tiefgarage auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … erteilt.

Unter III. wurden Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt: von den festgesetzten Baugrenzen, der Überschreitung der GRZ (festgesetzt: 0,30; geplant: 0,315), von der Festsetzung: „Satteldach, Firstrichtung“ für das geplante Flachdach und für den Standort der Stellplätze: 17 Stellplätze außerhalb der festgesetzten Flächen.

Der Bescheid wurde den Antragstellern per Einschreiben am 13.03.2018 zugestellt.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 09.04.2018 ließen die Antragsteller Klage erheben (Az: B 2 K 18.360) und gleichzeitig beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Baugenehmigung sei rechtswidrig erteilt worden. Der Bebauungsplan sehe eine „Knödellinie bzw. Perlschnur“ vor, durch die eine Abgrenzung unterschiedlicher Nutzungen erfolgt sei. Es sei eine klare Trennung der Wohnnutzung von dem damals geplanten … vorgenommen worden. Zwar habe die Antragsgegnerin vier Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt, jedoch eine Befreiung von der „Abgrenzung unterschiedlicher Nutzungen“ sei nicht erteilt worden. Die Antragsgegnerin habe also schon nicht einmal eine (rechtswidrige) Befreiung erteilt. Diese Abgrenzung habe auch nachbarschützende Funktion; es solle der Teil des Plangebiets, in dem größere Baukörper zulässig seien, von dem Teil des Gebiets, der dem Wohnen in Form von Ein- oder Doppelhäusern vorbehalten war, getrennt werden. Es läge damit ein Verstoß gegen den Gebietswahrungsanspruch vor. Die Antragsteller hätten einen Anspruch auf Verhinderung einer gebietsfremden Nutzung. Das Bauvorhaben verletze aber auch das sich aus § 15 BauNVO ergebende Rücksichtnahmegebot. Aus dem Baugenehmigungsbescheid ergebe sich schon nicht, dass die Antragsgegnerin die Erteilung der Befreiungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen geprüft habe. Zudem sei die Baugenehmigung schon unter dem Gesichtspunkt der kumulierten vier Befreiungen rechtswidrig, dies unabhängig davon, ob den einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans nachbarschützende Wirkung zukäme. Bezug genommen wurde auf eine Entscheidung des BayVGH vom 09.11.2009 (Az: 9 CS 09.2422). Insgesamt seien durch die erteilten Befreiungen die Grundzüge der Planung betroffen, das planerisch vorgesehene mit Einzel- oder Doppelhäuser bebaute Wohngebiet für ruhiges Wohnen sei nicht mehr gewährleistet. Die erteilten Befreiungen seien zu unbestimmt und zudem nicht begründet. Bei der erteilten Befreiung von den Baugrenzen sei nicht ersichtlich, um welche Baugrenzen es sich handele. Von dem Vorhaben ginge auch eine erdrückende und damit rücksichtslose Wirkung aus. Die Anzahl der Stellplätze belege ferner die Entstehung von erheblichem An- und Abfahrtslärm. Die Antragsteller hätten jedoch nur damit rechnen müssen, dass die für ein Wohnen erforderliche Anzahl von Stellplätzen verwirklicht werde. Die Antragsteller hätten eine erhebliche Situationsverschlechterung zu erwarten.

Die mit Beschluss vom 10.04.2018 beigeladene Bauherrin führt in ihrem Schreiben vom 19.04.2018 im Wesentlichen aus, sie sei im Hinblick auf den demografischen Wandel aufgefordert, ihren Aufgabenbereich in der ambulanten und stationären Altenpflege und der Altenhilfe zeitgemäß weiterzuentwickeln. Die Tagespflege sei laut der Pflegepolitik zu stärken. Zu Beginn der Planungen habe es in der Stadt … nur zwei kleinere Tagespflegeangebote gegeben, die weit entfernt von dem nun geplanten Standort seien. Mit dem Vorhaben würde nun auch der Stadtteil … bzw. … profitieren. Seit 1977 betreibe die Beigeladene auf der Fl.-Nr. … eine fünfstöckige Wohnanlage für Senioren. Das früher geplante Schwesternwohnheim habe sich zu diesem Seniorenwohnheim entwickelt. Im Jahr 1993 sei dann ein Anbau an die Wohnanlage fertiggestellt worden. Im Jahr 2015 habe das Seniorenhaus einen Anbau erhalten (Dementenstation). In dem Altenpflegeheim befänden sich 74 stationäre Pflegeplätze. Dieses auf Fl.-Nr. … bestehende Seniorenzentrum solle mit den Räumen der Tagespflege und dem ambulanten Dienst ergänzt werden und Synergieeffekte genutzt werden. Die Planung der Tiefgarage sei der Überlegung geschuldet, sowohl die Zufahrt- als auch die Parksituation in der …r Straße sowie der … weiter zu Gunsten der Nachbarschaft möglichst gering zu halten. Die Antragsteller seien durch die Parksituation nicht betroffen. Die Tagespflege würde voraussichtlich von Montag bis Samstag von 07:00 bis 18:00 Uhr geöffnet sein. Verkehr in der Nacht finde nicht statt. Auch der ambulante Dienst sei weit überwiegend am Tag tätig. In der Nacht fänden nur absolute Notfalleinsätze statt. Die Tiefgarage sei für die Dienstfahrzeuge des ambulanten Pflegedienstes vorgesehen, so dass sich dieser Verkehr überhaupt nicht auf das Grundstück der Antragsteller auswirke. Die Stellplätze an der … würden von den Beschäftigten genutzt werden, die nur zu Beginn und nach Beendigen des Dienstes an- bzw. abfahren würden. Von dieser Personengruppe gehe im Übrigen keine besondere Lärmbelastung aus. Verwiesen wurde noch darauf, dass in den 90er Jahren auf dem Baugrundstück bereits eine einstöckige Dialysestation errichtet worden sei, die jedoch wieder abgebaut worden sei. Das Grundstück sei insoweit bereits mit einer sozialen Einrichtung bebaut gewesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Es sei ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die geplante Tagespflege sowie der ambulante Pflegedienst fielen unter die Anlagen für soziale Zwecke. Ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller läge nicht vor. Die „Knödellinie“ im Bebauungsplan trenne das allgemeine Wohngebiet nur bezüglich des unterschiedlichen Maßes der baulichen Nutzung. Sie betreffe nicht die Art der baulichen Nutzung. Ein Planungswille dahingehend, dass jenseits der „Knödellinie“ nur reine Wohnbebauung zulässig sein sollte, könne weder aus dem Bebauungsplan noch aus seiner Begründung entnommen werden. Die erteilten Befreiungen seien rechtmäßig erfolgt. Grundzüge der Planung seien nicht berührt. Die Wirkung der Befreiungen erstrecke sich auf einen Grundstücksbereich, der eher zur … Straße wirke als in das Grundstücksgebiet der Antragsteller. Die wahrnehmbaren Auswirkungen hielten sich in Grenzen. Es handele sich zudem um das letzte unbebaute Grundstück in diesem Quartier. Die Befreiungen seien städtebaulich vertretbar, es lägen auch hinreichend Gründe des Allgemeinwohls vor, da eine ausreichende Versorgung älterer und pflegebedürftiger Mitbürger, von denen die Stadt … einen überdurchschnittlich hohen Anteil besitze, immer schlechter abgedeckt würde. Die Nichterteilung der Befreiung könne auch eine nicht beabsichtigte Härte darstellen, da bei Nichtgewährung die angestrebten Synergieeffekte zwischen der Tages- und ambulanten Pflege in keinem kleineren Baukörper mehr entstehen könnten. Die Festsetzungen über die Baugrenzen, die Bauweise, die überbaubaren Grundstücksflächen, das Maß der baulichen Nutzung, die Örtlichkeit von Stellplätzen sowie die Dachform und den Dachfirst hätten grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung. Auch aus dem Bebauungsplan selbst und seiner Begründung sei ein derartiger planerischer Wille nicht erkennbar. Drittschutz könne jedoch über § 31 Abs. 2 BauGB in der Ausübung des Ermessens bei der Würdigung der nachbarlichen Interessen tangiert sein. Die Interessen der Antragsteller an der Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans seien dem Interesse des Bauherrn an der Erteilung der Befreiungen gegenüber zu setzen und zu bewerten. Die Antragsteller müssten sich hier anrechnen lassen, dass bereits ihre Baugenehmigung sowie die der Nachbarn nur unter Erteilung von Befreiungen von den Baugrenzen, den überbaubaren Grundstücksflächen sowie der „Nichtberücksichtigung eines rückwärtigen Bebauungsfreibereichs“ ergangen seien. Mehrere Reihenhäuser lägen heute sogar vollständig außerhalb von Baugrenzen und im rückwärtigen Grundstücksbereich. Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Die vorderen, seitlichen sowie die rückwärtigen Baugrenzen seien im Hinblick auf den direkt neben dem Grundstück der Antragsteller liegenden Grundstücksteils eingehalten. Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften seien nicht verletzt. Der Bauherr weiche an der südlichen Baugrenze sogar noch um einen Meter weiter in die Baugrenze zurück. Eine Befreiung sei hinsichtlich der seitlichen (nördlichen) Baugrenze des benachbarten Baufensters bis zum nächsten Baufenster gewährt worden. Durch diese Befreiung könnten die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt sein, da sich diese Seite vollständig ihrer Wahrnehmung entziehe und somit keine spürbare Wirkung auf das Grundstück der Antragsteller entfalte. Durch die erteilte Befreiung von den rückwärtigen Baugrenzen des nördlichen Baufensters im nordwestlichen Grundstücksbereich für einen zweigeschossigen Gebäudeteil mit 11 m Länge würden die Antragsteller ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt. Eine erdrückende Wirkung gehe von diesem 8,35 m hohen Gebäudeteil (an der Südwest-Spitze) bei einem geplanten Abstand von 27 Metern nicht aus. Es seien auch keine negativen Auswirkungen auf die Besonnung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks der Antragsteller zu erwarten. An der Südwestseite (richtig: Südostseite) des Bauherrngrundstücks würden große Freiflächen mit Grün entstehen, so dass nicht der Eindruck einer massiven Überbauung entstünde. Im Hinblick auf die Stellplätze werde auf § 12 Abs. 2 BauNVO verwiesen. Es seien hier 34 Stellplätze als Bedarf kalkuliert. Der An- und Abfahrtsverkehr werde nicht unzumutbar sein. Die Geräuschentwicklung sei vorwiegend zu Tageszeiten zu erwarten und übersteige nicht die in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Tages-Toleranzen. Für den fließenden An- und Abfahrtsverkehr sei festzuhalten, dass mit der Zulässigkeit einer Anlage in einem Gebiet üblicherweise auch damit einhergehende Störungen durch An- und Abfahrten als sozial adäquat hinzunehmen seien. Eine Tagespflege mit 26 Plätzen sowie der ambulante Pflegedienst mit derzeit 24 Mitarbeitern - bei möglicher Aufstockung bis zu 40 Kräfte - besäße noch eine gebietsverträgliche Größenordnung für ein allgemeines Wohngebiet. Der Dienstablauf des mobilen Pflegedienstes mit seinen notwendigen An- und Abfahrten werde ausschließlich über die von der … Straße anzufahrende Tiefgarage abgewickelt. Durch den südwestlichen Gebäudevorsprung der Tagespflege sowie die stark geneigte Zufahrtsrampe der Tiefgarage mit 16,4% werde eine diesem Verkehr zuzuordnende Geräuschentwicklung nicht über das sozialadäquat Hinzunehmende liegen. Gleiches gelte für die oberirdisch angelegten Stellplätze entlang der … Straße und … Hier würden die geplanten Stellplätze für Bürokräfte bzw. für die mobilen Pflegekräfte, die nicht schon mit einem Dienstfahrzeug von zu Hause anfahren, jeweils zu einer einmaligen An- und Abfahrtszeit zu Tageszeiten genutzt. Durch die Hauptzufahrt von der … Straße werde die überwiegende Verkehrsbelastung zu dieser Seite erfolgen, eine mindere Belastung werde zur … erwartet. Die Stellplätze entlang der … befänden sich in einer Entfernung von mehr als 10 Meter zum Wohngebäude der Antragsteller. Die Antragsteller würden in diesem Bereich durch ihre vorspringende Garage zusätzlich geschützt. Durch die erteilte Befreiung vom festgesetzten Satteldach bliebe das zweigeschossige Anwesen mit einer Höhe von 7,35 m noch unterhalb der bei einem Satteldach zu erwartenden Höhe und auch unter der Giebelhöhe der Antragsteller mit 9,47 m. Nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO sei eine Baugenehmigung zudem nur insoweit zu begründen, als von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen werde oder gegen das Bauvorhaben schriftliche Einwendungen erhoben worden seien. Es sei weder von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen worden noch seien schriftliche Einwendungen innerhalb des Baugenehmigungsverfahrens bei der Bauaufsichtsbehörde eingereicht worden. Lediglich bei einer Besprechung mit den Bauherren am 10.01.2018 habe der Antragsteller zu 1 Forderungen zur Abgabe einer nachbarlichen Unterschrift vorgetragen. Einer formellen Einbringung seiner schriftlichen Forderungen habe sich der Antragsteller zu 1 verweigert.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Klageverfahrens sowie den Inhalt der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuchs - BauGB - hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Dem Dritten steht aber die Möglichkeit offen, sich nach § 80 a Abs. 3 VwGO an das Gericht zu wenden und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zu beantragen. Bei der Entscheidung über diesen Antrag hat das Gericht insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Vgl. BayVGH, 15.11.2011, Az. 14 AS 11.2328).

Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektivrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann.

Nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage dürfte das Bauvorhaben der Beigeladenen gegen keine zu Gunsten der Antragsteller drittschützende Vorschrift verstoßen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Schwesternwohnheim“ der Antragsgegnerin. Von den Festsetzungen des Bebauungsplans hat die Antragsgegnerin vier Befreiungen erteilt. Die Antragsteller rügen, dass im Hinblick auf die im Bebauungsplan dargestellte „Perlschnur“ entlang der nordöstlichen und südöstlichen Grenze des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … keine (rechtswidrige) Befreiung erteilt worden sei. Sie machen geltend, in ihrem Gebietswahrungsanspruch verletzt zu sein. Mit diesem Vorbringen können sie jedoch nicht durchdringen. Sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Antragsteller liegen in einem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet (WA). Nach der maßgeblichen Baunutzungsverordnung für den Bebauungsplan, der am 01.11.1975 in Kraft getreten ist (BauNVO 1968), sind in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO Anlagen für soziale und gesundheitliche Zwecke allgemein zulässig. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fällt unstreitig unter diese Vorschrift und ist damit auch am geplanten Standort im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung zulässig. Zwar ist dem Bebauungsplan die von den Antragstellern angesprochene Perlschnur zu entnehmen. Aus der Legende des Bebauungsplans ergibt sich, dass diese der „Abgrenzung unterschiedlicher Nutzung“ dienen soll. Weder dem Planbild noch der Begründung des Bebauungsplans kann jedoch entnommen werden, dass nordöstlich oder südöstlich der Perlschnur lediglich reine Wohnbebauung zugelassen werden sollte. Die Perlschnur sollte offensichtlich nur aufzeigen, dass in dem „umrahmten Bereich“ die Gebäudlichkeiten des damals geplanten Schwesterwohnheimes zu liegen kommen sollen. Hiermit hat der Plangeber jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass um das Schwesternwohnheim herum nur reine Wohnbebauung zulässig sein soll. Deutlich wurde hier vielmehr ein WA festgesetzt. Ein reines Wohngebiet (WR) findet sich erst nördlich der … Eine Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruches liegt damit nicht vor.

Im Hinblick auf die vier erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans betreffend die Überschreitung der überbaubaren Flächen, der Grundflächenzahl, der Dachform und dem Standort für Stellplätze ist eine relevante Nachbarrechtsverletzung nicht zu sehen.

Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebotes (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (z.B. BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verletzen die erteilten Befreiungen mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Rechte der Antragsteller. Die hier erteilten Befreiungen von dem Bebauungsplan haben nicht (auch) den Zweck, die Rechte des Nachbarn zu schützen, sondern dienen nur städtebaulichen Interessen. Festsetzungen in einem Bebauungsplan über das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen, die Situierung der Stellplätze sowie die Dachform haben grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion. Sie vermitteln ausnahmsweise Drittschutz nur dann, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträger diese Funktion haben sollen. Ein solcher Wille ergibt sich hier weder aus dem Bebauungsplan selbst noch aus seiner Begründung. Die Antragsteller machen dies im Übrigen auch nicht geltend. Aber auch die Kumulierung der Befreiungen führt zu keinem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Im Hinblick auf die Befreiung von den festgesetzten Baugrenzen ist auszuführen, dass das Gebäude die Baugrenzen zum Grundstück der Antragsteller hin einhält, bzw. das Gebäude zugunsten der Antragsteller von der dem Grundstück der Antragsteller am nächsten gelegenen Baugrenze in westliche Richtung zurückversetzt wird. Der Umstand, dass das Gebäude der Bauherrin die zwei Baufenster überlagert, tangiert die Antragsteller nicht. Ebenso verhält es sich mit dem Vorsprung des geplanten Anwesens auf dem westlichen Teil des Baugrundstücks. Dieser Vorsprung befindet sich mehr als 26 m entfernt vom klägerischen Anwesen. Die Genehmigung eines Flachdachs tangiert die Antragsteller ebenso nicht in unzumutbarer Weise. Dies schon deshalb nicht, weil die zum Anwesen der Antragsteller gerichtete Wand des geplanten Vorhabens höhenmäßig abgesetzt ist und im südlichen Teil lediglich eine Wandhöhe von 4,50 m aufweist. Die Antragsteller sind auch durch die minimale Überschreitung der festgesetzten Grundflächenzahl nicht unzumutbaren Beschränkungen hinsichtlich ihres Grundstücks unterworfen. Im Hinblick auf die Befreiung von der Lage der Stellplätze ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ebenfalls nicht zu befürchten. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes könnte angenommen werden, wenn durch die (Anordnung der) Stellplätze gebietsunverträgliche Verkehrsimmissionen ausgelöst würden. Betroffen könnten die Antragsteller allenfalls von den neun Stellplätzen entlang der … sein. Von den Stellplätzen in der Tiefgarage wie auch von den acht Stellplätzen entlang der … Straße dürfte es bei den Antragstellern zu keinen unzulässigen Immissionen kommen, denn die Tiefgaragenzufahrt ist vom Grundstück der Antragsteller abgewandt. Die Einfahrt in die Tiefgarage führt über die … Straße, so dass das Anwesen der Antragsteller kaum betroffen sein dürfte. Die Stellplätze entlang der … Straße werden durch das geplante Gebäude selbst abgeschirmt, so dass auch von diesen keine wesentlichen Belästigungen zu erwarten sind. Die entlang der … geplanten Stellplätze sind laut Angaben der Beigeladenen für die Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes bzw. der Tagespflege gedacht. Dies erscheint auch nachvollziehbar, denn der Zugang zum ambulanten Dienst befindet sich an der … Der Zugang zur Tagespflege befindet sich an der … Straße, so dass hierüber die An- und Abfahrten der Tagespflegepatienten erfolgen. Laut Betriebsbeschreibung (vgl. Bl. 68 der Bauakte) wird die Tiefgarage im Regelfall für die Einsatzfahrzeuge des ambulanten Dienstes genutzt. An- und Abfahrten hinsichtlich der Parkplätze entlang der … würden sich somit im Wesentlichen auf die Tageszeit beschränken, wenn nämlich die Mitarbeiter des ambulanten Dienstes oder der Tagespflege zur Arbeit fahren bzw. wieder abfahren. Insgesamt ist nicht zu erwarten, dass dieser An- und Abfahrtsverkehr den mit einer typischen Wohnnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet verbundenen Verkehr erheblich übersteigen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baunutzungsverordnung Anlagen für soziale und gesundheitliche Zwecke in allgemeinen Wohngebieten für allgemein zulässig erachtet, so dass ein mit dem Betreiben dieser Anlagen wesenstypisch verbundener Verkehr als gebietstypisch anzunehmen ist. Zudem wären auf dem Baugrundstück - im Hinblick auf die entlang der … genehmigten Reihenhäuser - wohl mindestens ebenfalls acht Reihenhäuser als Wohnbebauung zulässig. Der mit dieser Nutzung einhergehende Umfang von An- und Abfahrtsverkehr dürfte den hier genehmigten Umfang an der … nicht unterschreiten.

Soweit sich die Antragsteller auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes im Hinblick auf eine erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung des Gebäudes berufen, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, dass die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften regelmäßig dazu führt, dass aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt ist. Vorliegend sind die nachbarlichen Belange hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Sozialabstand aufgrund der Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen gewahrt (vgl. hierzu: Abstandsflächenplan, Bl. 6 der Bauakte). Konkret ist hier auszuführen, dass die zu dem Anwesen der Antragsteller gewandte Wand des Bauvorhabens höhenmäßig geteilt ist und im südlichen Bereich lediglich 4,50 m aufweist. Der höhere Teil des Gebäudes (7,95 m) ist zur Grenzgarage der Antragsteller gewandt. Bereits durch diese Abstufung der Wandhöhe kann eine erdrückende Wirkung nicht angenommen werden. Dies insbesondere auch deshalb, weil das Wohnhaus der Antragsteller laut Angaben der Antragsgegnerin eine Firsthöhe von 9,47 m aufweist. Der Gebäudevorsprung des geplanten Gebäudes im nordwestlichen Grundstücksteil betrifft das Grundstück der Antragsteller nicht maßgeblich, denn er befindet sich über 26 m weit entfernt vom Wohnhaus der Antragsteller. Zwischen diesem und dem Gartenbereich der Antragsteller ist zudem eine Gartenanlage für das Anwesen der Beigeladenen geplant, weshalb schon deshalb ein Einmauerungseffekt bei den Antragstellern nicht eintreten kann.

Eine nachbarrechtliche Verletzung ergibt sich abschließend auch nicht aus der seitens der Antragsteller gerügten Unbestimmtheit der Baugenehmigung im Hinblick auf die erteilte Befreiung von den überbaubaren Grundstücksflächen. Zwar ist aus dem Baubescheid vom 07.03.2018 selbst nicht genau entnehmbar, hinsichtlich welcher Baugrenzen die Befreiung erteilt wurde. Aus dem zu den Bauvorlagen gehörenden Lageplan (Bl. 1 der Bauakte) wird aber klar deutlich, in welchem Bereich die Baugrenzen durch das geplante Gebäude nicht eingehalten werden. Es kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Antragsgegnerin nicht bewusst war, inwieweit eine Baugrenzenüberschreitung vorlag. Für den Nachbarn ist der Umfang der Baugrenzenüberschreitung auch durch Einsichtnahme in die Bauakte nachprüfbar und war den Antragstellern im Übrigen auch bekannt, da ihnen die Bauvorlagen zur Unterschrift vorgelegt wurden.

Soweit seitens der Antragsteller gerügt wird, hinsichtlich der erteilten Befreiungen sei im Bescheid keine Begründung enthalten, ist dies zutreffend, führt aber nicht zum Erfolg des Antrags, denn nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist eine Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird oder der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftlich Einwendungen erhoben hat. Beides ist hier (wie oben ausgeführt) nicht der Fall. Auch unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden oder fehlerhaften Ermessensausübung seitens der Antragsgegnerin im Hinblick auf die erteilten Befreiungen ist eine Verletzung der Rechte der Antragsteller nicht gegeben. Dem Baugenehmigungsbescheid sind zwar keine Ermessenserwägungen zu entnehmen, es ist auch nicht erkennbar, ob die Antragsgegnerin den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkannt hat. Bei der Erteilung einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB -wie hier - hat der Nachbar über einen Anspruch auf „Würdigung der nachbarlichen Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde. Die Würdigung nachbarlicher Interessen ist im Falle nicht nachbarschützender Festsetzungen allein unter Heranziehung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme vorzunehmen. Dies gilt selbst dann, wenn eine für die Befreiung notwendige Ermessensentscheidung überhaupt nicht getroffen wurde (BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 -; U.v. 6.10.1989 - 4 C 14/87 -beide juris). Fällt damit die Würdigung nachbarlicher Interessen anhand des Gebotes der Rücksichtnahme - wie hier - zugunsten des Bauherrn aus und wird eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans erteilt, ist ein Anspruch des Nachbarn auf Aufhebung der Baugenehmigung allein wegen eines Ermessensfehlers weder erforderlich noch gerechtfertigt.

Der Antrag ist nach alledem abzulehnen.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich somit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 29/08/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird für das Beschwerde
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Annotations

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Stellplätze und Garagen sind in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt.

(2) In Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig.

(3) Unzulässig sind

1.
Stellplätze und Garagen für Lastkraftwagen und Kraftomnibusse sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in reinen Wohngebieten,
2.
Stellplätze und Garagen für Kraftfahrzeuge mit einem Eigengewicht über 3,5 Tonnen sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten.

(4) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen nur Stellplätze oder Garagen und zugehörige Nebeneinrichtungen (Garagengeschosse) zulässig sind. Eine Festsetzung nach Satz 1 kann auch für Geschosse unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden. Bei Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 sind Stellplätze und Garagen auf dem Grundstück nur in den festgesetzten Geschossen zulässig, soweit der Bebauungsplan nichts anderes bestimmt.

(5) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in Teilen von Geschossen nur Stellplätze und Garagen zulässig sind. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass in Baugebieten oder bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.

(7) Die landesrechtlichen Vorschriften über die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen sowie die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Bereiche bleiben bei Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 6 unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.