Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Nov. 2017 - Au 6 K 16.1470

bei uns veröffentlicht am22.11.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Der Bescheid des ... vom 6. November 2014 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes ... vom 20. September 2016 werden aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2011 und einer Vorauszahlung auf den Fremdenverkehrsbeitrag für 2014.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ...str. ... im Gemeindegebiet des Beklagten, das mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Dieses hat der Kläger ausweislich des vorgelegten Mietvertrages (vom 21.3.2007 bis 31.5.2017) an die ... und ... GbR „als Gästehaus zur Weitervermietung an Gäste“ vermietet; nach den sonstigen Vereinbarungen (Nr. 3 der Nebenabreden) gehen die Parteien „wegen der gewerblichen Nutzung als Gästehaus davon aus, dass die Mieter das Haus nach ihren Vorstellungen bewirtschaften und ausstatten können“.

Auf der Grundlage der Satzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (FBS) erhebt der Beklagte von allen selbstständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag (§ 1 Abs. 1 FBS). Durch den Beitrag wird der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, erhoben (§ 2 Abs. 1 FBS). Der Beitragssatz beträgt 7 v.H. gemäß § 3 Abs. 4 FBS (i.d.F. der ersten Änderungssatzung).

Mit Bescheid vom 6. November 2014 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das Jahr 2011 einen Fremdenverkehrsbeitrag von 769,29 EUR und eine Vorauszahlung auf den Fremdenverkehrsbeitrag für 2014 von 760,00 EUR fest. Dabei wurde ein einkommenssteuerpflichtiger Gewinn (aus Vermietung und Verpachtung) gemäß der vom Kläger – nach Aufforderung – vorgelegten Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrags (vom 30.9.2014, s. Bl./Nr. 10 der Behördenakte) für das Jahr 2011 in Höhe von 12.211,00 EUR und ein Vorteilssatz in Höhe von 90 v.H. zugrunde gelegt. Die vorgenannte Erklärung beinhaltet zudem einen Umsatz (netto), laut Vermietung und Verpachtung 2011 von 34.800 EUR; dazu ist angegeben, es handle sich um die jährlichen Mieteinnahmen des Dauermieters ... GbR.

Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben der ...gesellschaft mbH (vom 19.11.2014, Bl./Nr. 13 der Behördenakte) Widerspruch erheben. Eine Beitragspflicht sei nicht unmittelbar gegeben, da die Vermietung nicht an das Hotel, sondern an die Eheleute ... GbR erfolgt sei, die nicht direkt an Touristen, sondern an das Hotel ... vermieteten. Der vormalige Bevollmächtigte des Klägers bat (mit Schreiben vom 24.2.2015) um Mitteilung, auf Basis welcher Erkenntnisse und Bewertungen der Vorteilssatz geschätzt und ermittelt worden sei. Der Beklagte gehe beim Kläger i.R.d. Beitragsveranlagung von einem geringeren Vorteilssatz als bei der GbR, der Betreiberin des Beherbergungsbetriebes der Villa, aus. Daher würden sich Zweifel an der Angemessenheit der Höhe des Vorteilssatzes ergeben.

Der Beklagte teilte dem Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. März 2015 mit (Nr. 19 der Behördenakte), der Betrieb mit dem unmittelbaren Vorteil (Hotel ...) sei mit einem Vorteilssatz von 95 v.H. festgesetzt worden, da in dem Betriebszweig ein auch für Einheimische zugängliches Restaurant enthalten sei. Für den mittelbaren Vorteil dürfe lediglich kein höherer Vorteilssatz zugrunde gelegt werden.

Mit Schreiben des vormaligen Bevollmächtigten des Klägers (vom 6.5.2015; Nr. 22 der Behördenakte) wurde der Widerspruch ergänzend begründet und u.a. ausgeführt, der Beitragssatz weiche ohne ersichtliche Gründe von der Mustersatzung ab.

Mit Schreiben vom 24. September 2015 (s. Nr. 25 der Behördenakte) teilte der Beklagte der Widerspruchsbehörde hierzu u.a. mit, der Kläger habe die zugrunde gelegten Zahlen für Gewinn und Umsatz selbst erklärt. Von dem Umstand, dass nicht der gesamte einkommenssteuerliche Gewinn der Beitragspflicht unterliege, habe der Beklagte erst aufgrund des Schreibens vom 6. Mai 2015 Kenntnis erhalten. Es werde vorgeschlagen, dass der Kläger eine berichtigte Erklärung ausfülle und mit den aktuell zugrunde zu legenden Zahlen eine Berichtigungsveranlagung erfolge.

Das Landratsamt forderte den Bevollmächtigten des Klägers daraufhin mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 auf (Bl. 53 der Widerspruchsakte), die beigefügte berichtigte Formblatterklärung auszufüllen und setzte das Verfahren vorläufig aus.

Die interne Stellungnahme des Beklagten vom 19. September 2016 (Nr. 31 der Behördenakte) beinhaltet, dass dieser gegenüber vielen anderen Kurorten in der Region eine äußerst umfangreiche touristische Infrastruktur vorhalte, die nicht kostendeckend betrieben werden könne; der Deckungsbeitrag der Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge für die Jahre 2010 bis 2015 lag danach zwischen 89 v.H. und 99,3 v.H.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2016 wies das Landratsamt ... den Widerspruch zurück. Der Einwand, dass der Kläger das dritte Glied in der Kette wäre, entspreche „nicht ganz“ den tatsächlichen Verhältnissen; denn die vorgenannte GbR sei selbst Betreiberin des Hauses „...“. Hierfür werde vom Beklagten – zusammen mit zwei anderen Objekten, da alles in einer Buchführung erfasst werde – ein Beitrag erhoben. Der vorgenannten GbR erwachse aus dem Fremdenverkehr unmittelbar ein Vorteil; sie sei das erste Glied, der Kläger trete als Vermieter des streitgegenständlichen Hauses als zweites Glied der Kette auf. Zudem habe die Rechtsprechung für dieses Abgrenzungskriterium eine Ausnahme gemacht, wenn nur durch eine Kette von Zwischenverträgen ein mittelbarer Vorteil erwachse. Die Berechnung nach der Erklärung des Klägers, der Vorteils-, der Mindestbeitrags- und der Beitragssatz begegneten keinen rechtlichen Bedenken.

Der Kläger hat am 20. Oktober 2016 Klage erhoben; er beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 6. November 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wurde auf das Widerspruchsverfahren verwiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte gehe unzutreffend davon aus, dass es eine Personenidentität der Mieter des Klägers, der ... und ... GbR und der ...hotel ... GmbH gebe. Die GbR werde aber juristisch mit 50 zu 50 v.H. von beiden Gesellschaftern ... und ... geführt. Sie würden dem Kläger persönlich unbegrenzt für die Miete haften. Die ...hotel ... GmbH werde als juristische Person nur von dem Geschäftsführer ... geführt. Die Ehefrau habe nach den Erkenntnissen des Klägers keine juristische Funktion in der GmbH. Am Markt werde das Mietobjekt nur von der ...hotel ... GmbH im Internet und im Kundenkontakt präsentiert; hierzu werde auf einen vorgelegten Prospekt des ...hotels verwiesen. Dieses und die o.g. GbR seien damit fremdenverkehrsabgabepflichtig. Eine Abgabepflicht der dritten Reihe sei zu verneinen; der Kläger hätte nicht an die ...hotel GmbH vermietet, da die GbR ihm eine bessere Bonität wegen der unbegrenzten Haftung biete, so dass plausible Gründe gegeben seien und keine absichtliche Verschachtelung vorliege. Der Kläger hätte die Miete auch von anderen Dauermietern erhalten, er habe keine mittelbaren Vorteile von der Vermietung an den Fremdenverkehr. Die Mieterin des Klägers habe sich als Käufer ausgegeben und nur bis zur Finanzierung mieten wollen. Die Belastung durch eine evtl. Fremdenverkehrsabgabe sei laut Mietvertrag von den Mietern zu tragen; diese wären dann dreimal belastet. Selbst wenn die Abgabe rechtmäßig sei, seien die anderen Faktoren der Bemessung nicht rechtmäßig; die berichtigte Erklärung des Klägers zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrags 2011 vom 13. November 2015 (Bl. 47 der Gerichtsakte) sei nicht berücksichtigt worden. Die Mieterin des Klägers sei frei in der Nutzung des Hauses; der Kläger schätze die Belegung auf 1/3 des Jahres (122 Tage). Der Mietpreis werde im Wesentlichen durch den hohen Gegenwert des Objekts, das der Kläger gerade für 630.000 EUR verkauft habe, dargestellt; eine Verzinsung dieses Preises ergebe im Wesentlichen die Entschädigungsforderung des Klägers gegenüber der Mieterin bis zum damals geplanten Verkauf (s.a. berichtigte Erklärung). Bemessungsgrundlage der Abgabe seien auch der Umsatz abzüglich der tatsächlichen Kosten; beim Kläger jedoch die Zahlungen der Mieterin abzüglich der Kosten und der niedrigen Abschreibung für Abnutzung von 12.698 EUR jährlich. Daraus folge, dass die sog. Miete im Wesentlichen Entschädigungscharakter bis zum Kauf des Hauses gehabt habe.

Der Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Immobilie werde unstreitig als Ferienhaus an Gäste vermietet. Das Haus werde nicht von der ...hotel ... GmbH im Internet beworben; im Impressum der Webseite www...de werde die vorgenannte GbR als Anbieterin aufgeführt (s. vorgelegte Ausdrucke des Impressums, Stand: 9.12.2016 und 8.5.2017). Als Ansprechpartnerin werde die Familie ... unter ihrer Anschrift ...str. ... angegeben. Auch der Kläger habe im Übrigen gegenüber dem Beklagten zunächst telefonisch erklärt, an die Eheleute ... vermietet zu haben (Bl. 7 der Behördenakte). Die o.g. GbR trete als Anbieterin des Ferienhauses nach außen auf und ziehe die unmittelbaren Vorteile aus der Vermietung. Dies bestätige auch der Mietvertrag (s. dessen § 8); nach Nr. 1 und 3 der Nebenabreden habe die GbR die Kosten zu tragen, die im Interesse der Mieterin wegen der Nutzung als Gästehaus entstünden. Der Beklagte unterhalte eine äußerst umfangreiche touristische Infrastruktur, die den Regelfall vieler anderer Kurorte übersteige und den gegenüber der Mustersatzung erhöhten Beitragssatz rechtfertige; es bestehe dennoch eine Unterdeckung (s. Kalkulation Bl. 31 der Behördenakte). Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragssatzung seien nicht vorgetragen. Der Kläger sei beitragspflichtig, da ihm als zweitem Glied in der Kette ein mittelbarer Vorteil durch den Fremdenverkehr erwachse. Die Rechtsprechung, die einen beitragsrelevanten Vorteil eines Glieds in dritter Reihe ablehne, habe sich mit dem Betreiber einer Wasserkraftanlage befasst; hier habe ein typischer Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr gefehlt (BayVGH, B.v. 7.7.2005 – 4 B 95.2592). Anders liege der Fall einer Kettenvermietung einer Ferienimmobilie (BayVGH, U.v. 14.1.2016 – 4 B 14.2227; U.v. 17.1.1997 – 4 B 95.2592); vorliegend stehe die Ferienimmobilie in einem typischen und offensichtlichen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr im Gebiet des Beklagten. Denn die Nutzung der Räume sei einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt; aus dem Mietvertrag sei die Nutzung als Gästehaus ersichtlich. Die Beitragsschuld bestimme sich nach dem Gewinn, wenn sich nicht aufgrund des steuerbaren Umsatzes ein höherer Beitrag ergebe. Der Beklagte habe die Berechnung aufgrund der – nach mehrmaliger Aufforderung – vorgelegten Erklärung des Klägers über den Gewinn vorgenommen und erwarten dürfen, dass sich der Kläger als Steuerberater der Tragweite bewusst und die Erklärung zutreffend sei. Bei Erlass des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides hätten nur die zunächst gemachten Angaben des Klägers vorgelegen. Der Vorteilssatz werde durch Schätzung ermittelt; hier seien u.a. Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit, Lage und Größe der Geschäfts-, Beherbergungsräume zu berücksichtigen. Eine Offenlegung der Schätzungsgrundlage im Widerspruchsverfahren sei ausreichend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie die Widerspruchsakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes ... vom 20. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

I.

Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b des Kommunalabgabengesetzes – KAG i.V.m. § 118 S. 1 der AbgabenordnungAO). Das fakultative Vorverfahren wurde ordnungsgemäß und erfolglos durchgeführt (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO); eine Zurückweisung mit Blick auf die Einlegung des Widerspruch durch den Kläger als Geschäftsführer und Steuerberater der vorgenannten Steuerberatungsgesellschaft mbH, der nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO als Steuerberater in Beitragsangelegenheiten auch vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten zur Vertretung befugt ist, ist nicht erfolgt (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2016 – 10 C 17/14 – BVerwGE 154, 49, juris Rn. 10 ff.).

II.

Die Klage ist begründet. Denn der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) erweist sich als rechtwidrig, weil die Satzung des beklagten Marktes für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages vom 4. Dezember 2001 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 10. Dezember 2003 (im Folgenden: FBS) keine rechtliche Grundlage für die Heranziehung des Klägers zum streitgegenständlichen Fremdenverkehrsbeitrag bietet.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids beurteilt sich nach dem einschlägigen materiellen Recht (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – BayVBl 1990, 666); insofern gelten im Abgabenrecht Besonderheiten (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2003 – 9 B 17/03 – juris m.w.N.). Die Frage, ob auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder der Entscheidung des Gerichts abzustellen ist, ist jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich, da eine Änderung des konkret einschlägigen Rechts bzw. der maßgeblichen Satzung nach Erlass des Fremdenverkehrsbeitragsbescheids nicht erfolgte.

1. Der streitgegenständliche Bescheid stützt sich auf die vorgenannte Satzung des Beklagten in Verbindung mit Art. 6 KAG. Diese Satzung ist jedoch wegen fehlender rechtsaufsichtlicher Genehmigung nichtig und kann dem angefochtenen Bescheid keine Rechtsgrundlage bieten.

a) Zwar können Gemeinden nach Art. 6 Abs. 1 KAG von Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben (vgl. BayVGH, U.v. 14.1.2016 – 4 B 14.2227 – juris zum beitragsrechtlich relevanten Vorteil). Gemäß Art. 6 Abs. 2 KAG bemisst sich die Abgabe nach den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen, die dem einzelnen Abgabepflichtigen aus dem Fremdenverkehr erwachsen. Die Gemeinden können auf die Beitragsschuld eines Kalenderjahres bereits während dieses Jahres Vorauszahlungen verlangen (Art. 6 Abs. 3 KAG).

Abgaben werden auf Grund einer besonderen Abgabesatzung erhoben (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG). Gemäß Art. 2 Abs. 2 KAG können Mustersatzungen erlassen werden, die im Allgemeinen Ministerialblatt veröffentlicht werden.

Nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG in der bis 31. Juli 2002 geltenden Fassung (a.F.) bedurften Satzungen nach Art. 3 (örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern) jedoch der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde, wenn sie von der Mustersatzung nach Absatz 2 abweichen.

b) Das vormalige Staatsministerium des Innern, nunmehr Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, erließ mit Bekanntmachung vom 28. Juni 1978 (Az. IB4-3024-5/7, MABl S. 464), geändert durch Bekanntmachung vom 27. November 1979 (MABl S. 770), eine Mustersatzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags (Fremdenverkehrsbeitragssatzung – im Folgenden: Mustersatzung). Die Beitragsermittlung ist in § 3 der Mustersatzung geregelt, Abs. 4 sieht dabei die Festlegung eines Vomhundertsatzes für den Beitragssatz vor. Nach Fußnote 2 hierzu ist ein einheitlicher Vomhundertsatz zu wählen. Wird ein Vomhundertsatz gewählt, der zwischen 0,5 und 5 v.H. liegt, so liegt keine Abweichung von der Mustersatzung vor.

Gemäß § 3 Abs. 5 der Mustersatzung beträgt der Mindestbeitragssatz bei einem – durch Schätzung zu ermittelnden – branchendurchschnittlichen Anteil des Gewinns am Umsatz von 0 - 5 v.H. 0,05 v.H., über 5 - 10 v.H. 0,15 v.H., über 10 - 15 v.H. 0,25 v.H., über 15 - 20 v.H. 0,35 v.H., über 20 v.H. 0,50 v.H. Nach Fußnote 3 basieren diese Sätze auf einem Beitragssatz (Absatz 4) von 4 v.H. Sie können bei Anwendung eines anderen Beitragssatzes ohne Abweichung von der Mustersatzung entsprechend geändert werden, indem sie z. B. bei einem Beitragssatz von

3 v.H. mit 0,75 bei einem Beitragssatz von 5 v.H. mit 1,25 multipliziert werden.

Nach Bemerkung Nr. 2.3 zu § 3 der Mustersatzung (s. Ziffer II.2.3 der vorgenannten Bekanntmachung vom 28.6.1978, geändert durch Bekanntmachung vom 27.11.1979) ergibt sich der Mindestbeitragssatz (Absatz 5), indem der Mittelwert der branchendurchschnittlichen Gewinnspanne mit der Messzahl 0,5 und mit dem Beitragssatz nach § 3 Abs. 4 multipliziert wird. Dabei drückt die Messzahl 0,5 aus, dass (nur) die Hälfte der branchendurchschnittlichen Gewinnspanne zur Bemessung des Mindestbeitrags herangezogen wird.

c) Der Beklagte hat von der in Art. 6 Abs. 1 KAG enthaltenen Ermächtigung zunächst durch den Erlass der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages vom 4. Dezember 2001 Gebrauch gemacht (s. Nr. 36 der Behördenakte).

(1) Diese Abgabesatzung beinhaltet einen Beitragssatz von 6 v.H. (§ 3 Abs. 4 FBS); sie weicht im Beitragssatz von der Mustersatzung – welche die vorgenannten Vomhundertsätze von 0,5 bis 5 v.H. vorsieht und auf einem Beitragssatz von 4 v.H. basiert (vgl. § 3 Abs. 4 Mustersatzung mit Fußnote 2 hierzu) – ab.

Der Beitragssatz des Beklagten von 6 v.H. in § 3 Abs. 4 der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages vom 4. Dezember 2001 stellt demnach eine Abweichung von der – mit einem Beitragssatz von 4 v.H. rechnenden – vorgenannten maßgeblichen Mustersatzung dar (s. Fußnoten 2 und 3 zur Mustersatzung), die für die Beitragssatzung des Beklagten eine Genehmigungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG in der bis 31. Juli 2002 geltenden Fassung auslöste (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 BV 14.2325 – KStZ 2016, 196, juris Rn. 18).

(2) Eine Genehmigung dieser Satzung durch die Rechtsaufsichtsbehörde ist vorliegend nicht erfolgt; die gesamte Satzung des Beklagten für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages vom 4. Dezember 2001 ist demnach nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und infolgedessen unwirksam. Denn ohne die erforderliche Genehmigung erlangen Satzungen keine Rechtswirksamkeit (Art. 117 Abs. 2 der Gemeindeordnung – GO).

Gemeindliche Satzungen sind vom Gemeinderat zu beschließen, sodann, wenn sie genehmigungspflichtig sind, von der Rechtsaufsichtsbehörde zu genehmigen, anschließend auszufertigen und bekanntzumachen (vgl. stRspr BayVGH, U.v. 1.12.1997 – 23 B 96.1000 – VGH n.F. 50, 180; U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 –BayVBl 1991, 23). Wird diese Reihenfolge des Satzungserlasses nicht eingehalten, so ist die Satzung wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG nichtig (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.1997 a.a.O. unter Verweis auf Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nr. 2.8.6.1.2; Oehler in Praxis der Kommunalverwaltung Bayern, Stand August 2011, Art. 2 KAG, Anm. 6). Die Frage, ob die Ausfertigung erst nach Genehmigung der Satzung erfolgen kann, da Art. 26 Abs. 2 GO lediglich bestimmt, dass Satzungen auszufertigen und amtlich bekanntzumachen sind, kann vorliegend mangels Genehmigung dahinstehen (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2016 – 2 N 15.713 – juris; BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129.98 – BayVBl 1999, 410; B.v. 9.5.1996 – 4 B 60/96 – NVwZ-RR 1996, 630; U.v. 16.12.1993 – 4 C 22/92 – NVwZ 1994, 1010; Oehler in Praxis der Kommunalverwaltung Bayern, Stand August 2011, Art. 2 KAG, Anm. 6; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO und BezO, Stand Dezember 2016, Anm. 3 zu Art. 26 GO).

Die vorgesehene Genehmigung stellt gegenüber der Gemeinde einen Verwaltungsakt sowie (grundsätzlich) eine nachträgliche Zustimmung des Landratsamtes als Rechtsaufsichtsbehörde dar (Art. 117 Abs. 1 i.V.m. Art. 110 Satz 1 GO; Art. 117 Abs. 2 GO; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayer. Gemeindeordnung, Stand Dez. 2015, Art. 117 Rn. 1). Für sie ist zwar keine bestimmte Form vorgeschrieben; die Gemeinde sollte aber auf eine schriftliche Bestätigung bestehen (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG), da etwaige Beweisschwierigkeiten zu Lasten der Gültigkeit der Satzung gehen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO und BezO, Anm. 3 zu Art. 117 GO).

Das von dem Beklagten nachgereichte Schreiben des Landratsamtes ... vom 31. August 2001 beinhaltet lediglich die Mitteilung, dass das Landratsamt von dem Entwurf einer Neufassung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung zum 16. Dezember 2001 Kenntnis genommen habe und hiergegen keine Bedenken bestünden, enthält also keine Genehmigung des vom Gemeinderat beschlossenen Satzungstextes (vgl. VG Ansbach, U.v. 2.7.2002 – AN 1 K 01.01537 – juris Nr. 52). Zudem ist ausgeführt, dass fraglich sei, ob der bisherige § 1 Abs. 2 gestrichen werden solle oder ob es ausreichend wäre, nur den Klammerzusatz zu entfernen; die Entscheidung hierüber habe der Beklagte. Dieser werde gebeten, nach Erlass der Satzung dem Landratsamt u.a. eine ausgefertigte Satzung vorzulegen. Dieses Schreiben kann nach den gegebenen Gesamtumständen – insbesondere nach Form und Inhalt des Schreibens – auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Landratsamt die Genehmigung unter der Bedingung erteilte, dass der Satzungstext in der vorgelegten Form beschlossen werde (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO, BezO, Anm. 4.1 zu Art. 117 GO). Maßgebend für die Einordnung eines Akts in das Rechtsschutzsystem ist grundsätzlich die äußere Erscheinungsform (vgl. BVerwG, B.v. 21.3.1974 – VII B 97.73 – BayVBl 1974, 500; BVerwG, U.v. 1.10.1963 – IV C 9.63 – BVerwGE 18, 1; U.v. 15.3.1968 – IV C 5.67 – BVerwGE 29, 207; OVG MV, B.v. 1.10.1999 – 4 K 26/99 – NVwZ-RR 2000, 780; HessVGH, B.v. 16.6.1989 – 3 N 108/87 – NuR 1990, 380; OVG NRW, B.v. 28.10.1983 – 8 C 2/83 – NJW 1984, 627); das Schreiben des Landratsamtes vom 31. August 2001 stellt danach keinen Verwaltungsakt bzw. keine Genehmigung (in Form eines Bescheides) dar. Die sich aus der Form ergebenden Rückschlüsse auf die Rechtsnatur dieses Schreibens werden durch die Prüfung des Inhalts bestätigt (vgl. BayVerfGH, B.v. 9.2.1998 – Vf.7-VII-87 – VerfGHE 41, 13). Insbesondere aus der Darlegung, dass fraglich sei, ob der bisherige § 1 Abs. 2 gestrichen werden solle, die Entscheidung hierüber habe der Beklagte, wird ersichtlich, dass das Schreiben des Landratsamtes vom 31. August 2001 nicht als „Vorabzustimmung“ bzw. vorab erteilte Genehmigung unter der Bedingung, dass der Satzungstext in der vorgelegten Form beschlossen werde, ausgelegt werden kann.

Das Schreiben des Beklagten an das Landratsamt ... vom 6. Dezember 2001 beinhaltet u.a., dass der Marktgemeinderat in seiner Sitzung vom 22. November 2001 die Neufassung seiner Fremdenverkehrsbeitragssatzung beschlossen habe (s. nachgereichte Behördenteilakte). Die Neufassung sei in dem Umfang der vorhergehenden Information erfolgt; die Anregungen des Landratsamtes seien berücksichtigt und eingearbeitet worden. Die ausgefertigte Satzung werde vorgelegt. Eine (anschließende) Genehmigung dieser Satzung durch die Rechtsaufsichtsbehörde ist (auch in dieser nachgereichten Behördenteilakte) nicht enthalten.

d) Mit Erlass der vorgenannten ersten Änderungssatzung des Beklagten vom 10. Dezember 2003, die zum 1. Januar 2004 in Kraft trat und lediglich eine Änderung von § 3 Abs. 4 und 5 FBS, konkret eine Erhöhung des Beitragssatzes auf 7 v.H. und eine Anhebung der Vomhundertsätze in § 3 Abs. 5 FBS vorsieht, wurde kein wirksames Satzungsrecht geschaffen.

Zwar bedurfte diese Änderung keiner Genehmigung nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KAG in der ab 1. August 2002 bis 31. März 2014 geltenden Fassung. Denn danach bedurften Satzungen nach Art. 3 (örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern) der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde, wenn durch die Satzung erstmalig eine in Bayern bisher nicht erhobene kommunale Steuer eingeführt wird.

Jedoch kann eine in wesentlichen Teilen nichtige Satzung nicht durch die bloße Änderung der die Nichtigkeit verursachenden Regelungen – hier § 3 Abs. 4 FBS –geheilt werden, sondern bedarf eines Neuerlasses insgesamt (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2000 – 23 CS 00.644 – juris Rn. 49). Mit der ersten Änderungssatzung des Beklagten ist aber nicht insgesamt ein Neuerlass erfolgt. Vielmehr wurden lediglich der Beitragssatz und die Vomhundertsätze in § 3 Abs. 5 FBS erhöht, d.h. die Änderung betraf die Regelungen, welche die Nichtigkeit verursachten, so dass kein wirksames Satzungsrecht geschaffen wurde.

Die Satzung des Beklagten für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages kann dem angefochtenen Bescheid demnach keine Rechtsgrundlage bieten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Nov. 2017 - Au 6 K 16.1470

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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Nov. 2017 - Au 6 K 16.1470 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Nov. 2017 - Au 6 K 16.1470 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 30. Juni 2016 - 2 N 15.713

bei uns veröffentlicht am 30.06.2016

Tenor I. Der Bebauungsplan des Markts Schwaben „Semptaue“, bekannt gemacht am 3. April 2014, wird für unwirksam erklärt. II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist hinsi

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 20. Jan. 2016 - 10 C 17/14

bei uns veröffentlicht am 20.01.2016

Gründe I 1 Die Kläger begehren die Feststellung, in Widerspruchsverfahren zu Fremd

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren die Feststellung, in Widerspruchsverfahren zu Fremdenverkehrsbeiträgen als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

2

Sie sind Steuerberater und betreuen im Bereich der beklagten Stadt Fremdenverkehrsbetriebe in steuerlicher Hinsicht. Zugleich geben sie in Vollmacht der Fremdenverkehrsbetriebe Erklärungen zur Höhe der Fremdenverkehrsbeiträge ab. Die Beklagte bestreitet die Befugnis der Kläger, auch in Widerspruchsverfahren über Fremdenverkehrsbeiträge als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

3

Die Klage auf Feststellung der entsprechenden Vertretungsbefugnis ist vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden. Die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Es könne offen bleiben, ob für die Vertretungsbefugnis bei kommunalen Abgabenangelegenheiten die Regelungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensrechts gälten oder ob aufgrund eines Verweises im Bayerischen Kommunalabgabengesetz die Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechende Anwendung fänden. Letztlich hätten beide Vertretungsvorschriften den gleichen Regelungsinhalt und setzten eine Erlaubnis für die außergerichtliche Vertretung aufgrund des Rechtsdienstleistungsgesetzes oder aufgrund eines anderen Gesetzes voraus. Daran fehle es. Das Steuerberatergesetz gestatte nur die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen, wozu auch landesrechtliche Steuern gehörten. Nicht umfasst sei die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Beitragssachen. Auch könne die Vertretung in Widerspruchsverfahren für Fremdenverkehrsbeiträge nicht als erlaubte Nebenleistung zur Hauptleistung der steuerrechtlichen Betreuung angesehen werden. Dieses Ergebnis stehe auch nicht in Widerspruch dazu, dass die Verwaltungsgerichtsordnung in Abgabensachen Steuerberater sogar als Prozessvertreter zulasse. Denn der in § 67 VwGO verwendete Begriff der Abgabenangelegenheiten umfasse keine Streitigkeiten um Beiträge und Gebühren.

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger insbesondere eine Verkennung des § 67 VwGO, weil der darin verwendete Begriff der Abgabenangelegenheiten nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge umfasse. Auch der Begriff der öffentlichen Abgaben in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO werde in diesem Sinne weit ausgelegt. Wenn den Steuerberatern die Prozessvertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zustehe, wäre es widersinnig, die Vertretung im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren als unerlaubt anzusehen. Folge man dieser Ansicht nicht, sei die Vertretung in Fremdenverkehrsbeitragssachen als überwiegend wirtschaftliche Dienstleistung zulassungsfrei. Zumindest handele es sich um eine erlaubte Nebenleistung zur steuerrechtlichen Betreuung von Fremdenverkehrsbetrieben.

5

Die Kläger beantragen,

die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Mai 2012 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2014 zu ändern und festzustellen, dass sie zur Vertretung von Widerspruchsführern in Fremdenverkehrsbeitragsangelegenheiten gegenüber der Beklagten berechtigt sind.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Es sei verfehlt, hinsichtlich der Zurückweisung eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren auf § 67 VwGO abzustellen. Diese Vertretungsregelung betreffe den Verwaltungsprozess und nicht das Widerspruchsverfahren. Auch fehle es für deren analoge Anwendung im Vorverfahren an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen sei für die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren bei Kommunalabgabenangelegenheiten nicht das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht anwendbar, sondern das Kommunalabgabenrecht mit seinem Verweis auf die Abgabenordnung. Es handele sich insoweit um nicht revisibles Landesrecht. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift führe dazu, dass Steuerberater als Bevollmächtigte zurückzuweisen seien, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in Beitragssachen leisteten. Ihnen fehle es dafür - wie vom Berufungsgericht ausgeführt - an der vom Rechtsdienstleistungsgesetz vorgeschriebenen Erlaubnis.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich weitgehend der Ansicht der Beklagten an.

II

9

Die Revision der Kläger ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, indem es die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO in Beitragssachen bestreitet. Das Vertretungsrecht im Verwaltungsprozess schließt die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren als erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG - ein.

10

1. Dabei kann offen bleiben, ob die Grundlage für eine Zurückweisung von Steuerberatern im Vorverfahren in der revisiblen Regelung des Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG - (BayRS II S. 213) zu finden ist. Selbst wenn stattdessen die im Prinzip nicht revisible Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a Kommunalabgabengesetz des Freistaates Bayern - KAG BY - (GVBl 1993 S. 264) i.V.m. § 80 Abs. 5 Abgabenordnung - AO - als Rechtsgrundlage anzusehen sein sollte, wäre für deren Regelungsinhalt nach der für die Auslegung von Landesrecht maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs das Vorliegen einer bundesrechtlichen Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz oder der Verwaltungsgerichtsordnung maßgeblich. Hält sich jedoch ein Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung einer landesrechtlichen Norm an bundesrechtliche Vorgaben für gebunden, liegt darin eine revisible Anwendung bundesrechtlicher Normen (BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1977 - 8 C 44.76 - BVerwGE 54, 54 <56 f.>, vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> und vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 15). So liegt es hier.

11

2. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO sind Steuerberater in Beitragsangelegenheiten auch vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten zur Vertretung befugt.

12

a) Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Denn die Vertretungsbefugnis wird uneingeschränkt für "Abgabenangelegenheiten" gewährt, nicht nur für Steuer- und Monopolsachen. Der Begriff der "Abgabe" gehört zu den Grundbegriffen des Rechts und wird im Allgemeinen in der Rechtssprache als Oberbegriff für Steuern, Zölle, Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben verwendet (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl. 2014, S. 5). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass unter den Oberbegriff der Abgabe nicht nur Steuern als ohne Gegenleistung zu erbringende "Gemeinlasten", sondern auch die mit der Vorhaltung einer Gegenleistung verbundenen Beiträge als so genannte "Vorzugslasten" fallen, wobei es die Fremdenverkehrsbeiträge als echte Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne qualifiziert hat (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1976 - 2 BvR 995/75 - BVerfGE 42, 223 <228 f.>). Es ist zwar denkbar, dass der Begriff der Abgabenangelegenheiten im Regelungszusammenhang des § 67 VwGO in einem engeren, auf Steuer- und Monopolsachen beschränkten Sinne verwandt wird. Für eine solche vom Üblichen abweichende Interpretation bedürfte es jedoch besonderer Gründe.

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b) Solche Gründe lassen sich nicht in der Entstehungsgeschichte der Norm finden. Die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern an Oberverwaltungsgerichten ist durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung zum 1. Januar 1997 eingeführt worden. Diese Regelung stand im Zusammenhang mit der Einführung der Berufungszulassung und des Anwaltszwangs bei den Oberverwaltungsgerichten. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO (BT-Drs. 13/4069 S. 1) wurde ausgeführt, dass in Abgabenangelegenheiten entsprechend Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - (BGBl. 1975 I S. 1861) auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als Prozessbevollmächtigte zugelassen werden sollten. Es wurde also ein Gleichklang mit den Regeln der Finanzgerichtsordnung - FGO - angestrebt. Der in § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO verwendete Begriff der "Abgabenangelegenheiten" wird jedoch nicht einschränkend im Sinne von "Steuerangelegenheiten" interpretiert. Er umfasst nach der gesetzlichen Definition des § 33 Abs. 2 FGO "alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten...". Davon umfasst sind neben Steuern, Zöllen und Säumniszuschlägen auch Gebühren und Beiträge (Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 33 Rn. 15). Daher hat der Bundesfinanzhof seine Zuständigkeit etwa bei der Prüfung von Gebühren für steuerliche Auskünfte unproblematisch bejaht (BFH, Urteil vom 30. März 2011 - I R 61/10 - BFHE 232, 406).

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Im Gesetzgebungsverfahren trat ein enges, auf Steuer- und Monopolsachen beschränktes Verständnis des Begriffs der Abgabenangelegenheiten weder in der Einwendung des Bundesrats (BT-Drs. 13/3993 S. 17 f.) gegen diese Regelung noch in der Erwiderung der Bundesregierung zutage (BT-Drs. 13/4069 S. 1). Ein derart einschränkendes Verständnis lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die engere Kostenregelung für Steuerberater im Zuge der 6. VwGO-Novelle zunächst nicht verändert wurde. Zwar waren nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. "die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in Steuersachen auch eines Steuerberaters" stets erstattungsfähig. Es lag jedoch nicht nahe, aus dieser unbeachtet gebliebenen Kostenregelung zu schließen, dass es bei den "Abgabenangelegenheiten" des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nur um Steuersachen ginge (so VGH München, Beschluss vom 8. April 1998 - 7 B 97.3556 - juris Rn. 31). Jedenfalls wurde im Zuge des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) die enge Formulierung "Steuersachen" gerade unter Hinweis auf den damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO geändert und durch die Formulierung "in Abgabenangelegenheiten auch eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers" ersetzt. Zur Begründung hieß es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, dass die Kostenregelung dem Vertretungsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Abgabenangelegenheiten angepasst werde (BT-Drs. 15/3482 S. 24). Hätte sich die Vertretungsbefugnis der Steuerberater nach Auffassung des Gesetzgebers ohnedies nur auf Steuersachen bezogen, hätte eine Änderung des § 67 VwGO und nicht des § 162 VwGO nahe gelegen.

15

Für eine enge Auslegung kann schließlich auch nicht die Genese des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) in Anspruch genommen werden. Im Rahmen dieser Novelle wurde der Grundsatz, dass vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz jede Person auftreten kann, die zum sachgemäßen Vortrag fähig ist (§ 67 Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.), aufgegeben. Stattdessen wurden die vertretungsbefugten Personen enumerativ in § 67 Abs. 2 VwGO aufgelistet. Mit der dem § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. entsprechenden Formulierung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO sollte den Besonderheiten des Verwaltungsprozesses Rechnung getragen und die Vertretungsbefugnis der darin genannten Personen und Organisationen aus dem geltenden Recht übernommen werden, "ohne dass durch den geänderten Normaufbau eine Änderung des geltenden Rechtszustands" bezweckt war (BT-Drs. 16/3655 S. 97). Da die Frage, ob der Begriff der "Abgabenangelegenheiten" eng oder weit auszulegen ist, im zuvor geltenden Recht umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt war, kann diese Formulierung nicht als Argument für eine enge Auslegung dienen. Denn eine ausdrückliche Bezugnahme auf das enge Begriffsverständnis findet sich nicht. Gleiches gilt für die rein redaktionelle Änderung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449), durch die lediglich der Verweis auf den früheren "§ 3 Nr. 4 StBerG" durch den Verweis auf den neuen "§ 3a StBerG" ersetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 16/12717 S. 57).

16

c) Für ein weites Begriffsverständnis spricht ferner, dass es auch den übrigen einschlägigen prozessualen Regeln zu Grunde liegt. Dies gilt zum einen für den in § 33 FGO und § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO verwendeten wortgleichen Begriff der "Abgabenangelegenheiten", die - wie bereits ausgeführt - in einem weiten, Beiträge und Gebühren einschließenden Sinne auszulegen sind. Es gilt zum anderen für den Begriff der "öffentlichen Abgaben" in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, der ebenfalls nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge erfasst (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1992 - 4 C 30.90 - Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 1 S. 1 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 57; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 19; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 130).

17

Auch die Vorschriften des Beratungsrechts können keine enge Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO begründen. Dabei kann offen bleiben, ob die früher im Rechtsberatungsgesetz - RBerG - enthaltenen Regelungen zur Beratungsbefugnis der Steuerberater eine einschränkende Auslegung der Prozessvertretungsbefugnis in § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. rechtfertigten oder ob umgekehrt das Rechtsberatungsgesetz ähnlich wie im Fall der Hochschullehrer aufgrund der verwaltungsprozessualen Vertretungsregelung einschränkend auszulegen war (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27. August 1987 - 1 WB 34.87 - BVerwGE 83, 315 <317>). Mit dem Außerkrafttreten des Rechtsberatungsgesetzes am 30. Juni 2008 ist die frühere Überschneidung des allgemeinen Rechtsberatungsrechts mit dem prozessualen Vertretungsrecht beseitigt. Nach seinem § 1 gilt das Rechtsdienstleistungsgesetz nur noch für die außergerichtliche Beratung (BT-Drs. 16/3655 S. 33) und beansprucht keine akzessorische Wirkung für die gerichtliche Rechtsbesorgung (BT-Drs. 16/3655 S. 33). Regelungen in anderen Gesetzen über die Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, bleiben nach § 1 Abs. 2 RDG unberührt. Das Rechtsdienstleistungsgesetz schränkt mit anderen Worten die ebenfalls im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) neu gefassten prozessualen Vertretungsbefugnisse des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO in keiner Weise ein.

18

Die berufsrechtlichen Regelungen des Steuerberatungsgesetzes - StBerG - vermögen eine einschränkende Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nicht zu tragen. Es trifft zwar zu, dass die allgemeine Tätigkeit der Steuerberater in § 32 Abs. 1 und § 33 StBerG als geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen charakterisiert wird und dass in § 33 Satz 2 StBerG lediglich ergänzend die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und Bußgeldsachen sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, erwähnt wird. Allerdings können die Regelungen der §§ 32 und 33 StBerG hinsichtlich der berufsrechtlichen Befugnisse der Steuerberater nicht als abschließend angesehen werden. Dies folgt schon daraus, dass in diesen Vorschriften nicht das ganze Spektrum der im Steuerberatungsgesetz genannten Hilfeleistungsbereiche wiedergegeben wird.

19

Darüber hinaus ist § 1 Abs. 3 StBerG in den Blick zu nehmen, wonach die Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen über die Zulassung von Bevollmächtigten und Beiständen unberührt bleiben. In den Prozessordnungen eingeräumte Vertretungsbefugnisse, die über die Hilfeleistung in Steuersachen hinausgehen, werden demnach durch das Steuerberatungsgesetz nicht eingeschränkt. Dies gilt nicht nur für die sozialgerichtliche Vertretungsbefugnis bei der Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - oder für die in § 327 Abs. 2 Nr. 2 Lastenausgleichsgesetz - LAG - den Steuerberatern eingeräumte Vertretungsbefugnis in Lastenausgleichssachen, sondern auch für die verwaltungsgerichtliche Vertretungsbefugnis nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO.

20

d) Schließlich führt auch die teleologische Auslegung nicht zu einem engen Verständnis des Abgabenbegriffs. Die Einschränkung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretungsbefugten Personen dient - wie vergleichbare Regelungen in anderen Prozessordnungen - einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09 - NJW 2011, 929 Rn. 23 zu § 79 Abs. 2 ZPO; BT-Drs. 16/3655 S. 34; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 12 zu § 10 Abs. 2 und 3 FamFG). Aus diesem Grunde wurde im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, mit dem auch § 67 Abs. 2 VwGO grundlegend geändert worden ist, der Rechtsberatungsmarkt nicht völlig dereguliert. Zur Sicherung einer hinreichend qualifizierten Rechtsberatung wurde kein allgemeiner Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft zugelassen (BT-Drs. 16/3655 S. 30-32). Ferner wurde wegen des bei der gerichtlichen Vertretung besonders starken Bedürfnisses der Qualitätssicherung keine Akzessorietät von außergerichtlicher und gerichtlicher Prozessvertretung begründet. Vielmehr wurde die gerichtliche Vertretungsmacht selbständig, abschließend und zwischen den Prozessordnungen harmonisiert geregelt. Dabei wurde dem Kriterium der Befähigung zum sach- und interessengerechten Sachvortrag im Prozess entscheidende Bedeutung beigemessen (BT-Drs. 16/3655 S. 33). Die prozessualen Vertretungsbefugnisse wurden nur vorsichtig erweitert.

21

Es trifft zwar zu, dass Steuerberater sich nach ihrem Berufsbild in erster Linie mit den von den Finanzämtern verwalteten Bundessteuern befassen. Auch spielen landesrechtliche Steuern und Kommunalabgaben in der Ausbildung des Steuerberaters - ebenso wie in der Ausbildung der Rechtsanwälte - keine besondere Rolle. Allerdings ist das Steuerrecht eine Querschnittsmaterie, die alle Lebensbereiche betrifft und die sich ohne Kenntnisse anderer Rechtsmaterien (insbesondere des Zivilrechts) nicht verstehen lässt. Dies führt dazu, dass Steuerberater - ähnlich wie Rechtsanwälte - immer wieder gezwungen sind, sich in Rechtsgebiete einzuarbeiten, die in ihrer Ausbildung nicht oder nur am Rande vermittelt werden. Dass der Gesetzgeber Steuerberater in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO zur verwaltungsgerichtlichen Prozessvertretung auch in ausbildungsfernen Abgabenangelegenheiten ermächtigt, beruht auf der Erwägung, dass sie sich in ihrem Berufsfeld verwandte Sachmaterien einarbeiten können und dass in der Praxis neben reinen Steuerangelegenheiten auch Gebühren- und Beitragsfragen an sie herangetragen werden. Ebenso räumt § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern hinsichtlich der von Unternehmen zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge eine Vertretungsbefugnis ein. Auch der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen und die Prüfung der Beitragshöhe stehen nicht im Zentrum der Ausbildung, gehören aber aus praktischen Gründen zum Kontext der Steuerberatertätigkeit. Die Annahme, dass Steuerberater sich auch in ausbildungsferne Rechtsmaterien einarbeiten können, ist nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil bereits die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG entweder an den Abschluss eines rechts- oder wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums oder an einen kaufmännischen Abschluss und eine sehr lange praktische Steuerberatungstätigkeit anknüpft und weil auch die Prüfung zum Steuerberater nach § 37 StBerG selbst ein hohes fachliches Niveau sichert.

22

Vor allem war für den vom Gesetzgeber gewollten Schutz des Verbrauchers bei der Ausgestaltung der Prozessvertretungsregelungen die Erwägung leitend, dass die Befähigung zum forensischen Auftreten und zum sach- und interessengerechten Prozessvortrag gegeben sein muss (BT-Drs. 16/3655 S. 33; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt die Berufsgruppe der Steuerberater, die nicht nur vor Finanzämtern, sondern auch vor den Finanzgerichten bis hin zum Bundesfinanzhof als Bevollmächtigte auftreten dürfen und eine entsprechende Prozesserfahrung besitzen. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass sich die Prozessordnung der Verwaltungsgerichte von der Finanzgerichtsordnung unterscheidet. Beide Verfahrensordnungen weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf, die es nach Einschätzung des Gesetzgebers dem Steuerberater ermöglichen, auch vor den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten hinreichend sicher aufzutreten.

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3. Steuerberater besitzen in Beitragssachen auch die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erforderliche Erlaubnis zur Vertretung im behördlichen Widerspruchsverfahren.

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a) Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass in dem Tätigwerden eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren grundsätzlich eine erlaubnispflichtige selbständige Erbringung einer außergerichtlichen Rechtsdienstleistung liegt (§ 1 RDG). Die Kläger bezweifeln zu Unrecht, dass der Schwerpunkt der Interessenvertretung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG in einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls liegt. Zwar können Tätigkeiten, die schwerpunktmäßig der wirtschaftlichen Interessenvertretung durch Erforschung und Beibringung von Tatsachen dienen, nicht als Rechtsdienstleistung begriffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2002 - 1 BvR 2251/01 - NJW 2002, 3531 <3532> sowie BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2003 - 6 C 27.02 - BVerwGE 118, 319 <325> und vom 27. Oktober 2004 - 6 C 30.03 - BVerwGE 122, 130 <142 f.> zu Art. 1 § 1 RBerG). Demzufolge wird man eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG nur annehmen können, wenn jedenfalls ein gewisses Maß an substantieller Prüfung vorgenommen wird, mag auch die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Formel von der "besonderen" rechtlichen Prüfung im Gesetzgebungsverfahren als missverständlich verworfen und als Abgrenzungskriterium bewusst nicht ins Gesetz aufgenommen worden sein (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 Rn. 32 m.w.N.).

25

Dementsprechend kann eine Vertretung bei der Antragstellung im Verwaltungsverfahren noch nicht als Rechtsdienstleistung angesehen werden. So liegt es, wenn der Steuerberater lediglich die für die Beitragserhebung vorgesehenen Formulare ausfüllt sowie tatsächliche Angaben zu Umsatz- und Gewinnzahlen macht. Hingegen erschöpft sich die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid typischerweise nicht in einer schwerpunktmäßig wirtschaftlichen Interessenvertretung. Vielmehr erfordert die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens regelmäßig eine substantielle und vertiefte Rechtsbefassung. Es müssen die rechtlichen Zusammenhänge genau in den Blick genommen werden, um beurteilen zu können, ob im Bescheid alle relevanten Tatsachen vollständig und zutreffend gewürdigt worden sind (wie hier BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 Rn. 36 f. zur Vertretung durch einen Steuerberater im Verfahren über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft).

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b) Steuerberatern ist die Vertretung im beitragsrechtlichen Widerspruchsverfahren jedoch als Nebenleistung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG gestattet. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Hierfür kann offen bleiben, ob die Betreuung in Beitragssachen zum eigentlichen Berufsbild des Steuerberaters gehört. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG ist auch das sonstige "Tätigkeitsbild" in den Blick zu nehmen. Der Gesetzgeber hat bewusst anders als bei Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG für die Anerkennung als erlaubte Nebenleistung keinen unmittelbaren und engen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Steuerberaters gefordert. Vielmehr genügt der sachliche Zusammenhang mit einer erlaubten Haupttätigkeit (BT-Drs. 16/3655 S. 52). Nach der Gesetzesbegründung sind etwa Hochschullehrer, die nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichts-, Sozialgerichts- oder Strafprozessordnung prozessvertretungsbefugt sind, auch außergerichtlich nach § 5 RDG berechtigt, alle Rechtsdienstleistungen zu erbringen, die in Zusammenhang mit der gerichtlichen Vertretung stehen oder ihrer Vorbereitung dienen (BT-Drs. 16/3655 S. 53). Dabei ist unerheblich, dass die Prozessvertretung das Berufsbild des Hochschullehrers nicht prägt. Es genügt, dass sie zum erlaubten Tätigkeitsbild des Hochschullehrers gehört.

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Nichts anderes kann für Steuerberater gelten. Dementsprechend hält die Gesetzesbegründung fest, dass sich auch die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die Rechtsdienstleistungen in einem speziellen Bereich des Rechts erbringen dürfen, auf die Nebenleistungsregelung des § 5 RDG berufen können (BT-Drs. 16/3655 S. 51). Soweit § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO Steuerberatern die Prozessvertretung in allen Abgabenangelegenheiten einschließlich der Beitragssachen gestattet, ist auch diese erlaubte Tätigkeit um Nebenleistungen erweiterungsfähig. Da die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO Prozessvoraussetzung für die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid ist, steht die Vertretung im Vorverfahren in sachlichem Zusammenhang zur erlaubten Prozessvertretung. Sie ist auch im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG nach Umfang und Inhalt von untergeordneter Bedeutung und stellt damit eine erlaubte Nebenleistung dar.

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Da die klagenden Steuerberater mithin die beratungsrechtliche Erlaubnis zur Vertretung in Widerspruchsverfahren auf dem Gebiet des Fremdenverkehrsbeitragsrechts besitzen, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Vorverfahren weder nach Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 BayVwVfG noch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a KAG BY i.V.m. § 80 Abs. 5 AO vor. Der Revision war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

I.

Der Bebauungsplan des Markts Schwaben „Semptaue“, bekannt gemacht am 3. April 2014, wird für unwirksam erklärt.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich als Eigentümer der Grundstücke FlNr. 1455, 1455/2 und 1458 der Gemarkung Markt Schwaben gegen den Bebauungsplan „Semptaue“ des Antragsgegners.

Die Grundstücke des Antragstellers befinden sich im Plangebiet. Auf dem Grundstück FlNr. 1455 befinden sich verschiedene Gebäude, darunter ein Wohnhaus aus dem Jahr 1903, eine Sägmühle, eine Sägehalle und Nebengebäude. Die Nutzung der Gebäude wurde endgültig im Jahr 1984 (oder Anfang der 1990er Jahre nach Angaben des Antragstellers) aufgegeben. Danach standen die gesamten Gebäudlichkeiten leer. Der Antragsteller erwarb die Grundstücke samt Gebäuden im Juni 2011.

Der Bebauungsplan „Semptaue“ wurde am 3. April 2014 ortsüblich bekanntgemacht und am selben Tag ausgefertigt. Das Plangebiet ist im Wesentlichen als „private Grünfläche - Weiden, Wiesen, Obstgärten“ festgesetzt. Ein Teilbereich ist gelb gekennzeichnet und durch die Festsetzung A.2 näher definiert. Danach sind bauliche Nutzungen nach § 35 BauGB nur innerhalb dieser Flächen zulässig. Verschiedene privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 BauGB werden ausgenommen. In der gelb gekennzeichneten Fläche befinden sich mehrere Bauräume für Haupt- und Nebenanlagen. Teilweise sind die Hauptanlagen mit „Wo“ gekennzeichnet. Nach der Festsetzung A.2 soll in diesen Bereichen Wohnen zulässig sein. In der gelb gekennzeichneten Fläche befindet sich die Darstellung „GR 1400“, die in der Festsetzung A3.1 als höchstzulässige Grundfläche der baulichen Anlagen in qm pro Baugrundstück beschrieben wird. Darüber hinaus enthält der Bebauungsplan eine das Gebiet durchquerende nicht näher gekennzeichnete öffentliche Verkehrsfläche. In den Uferbereichen der Sempt sowie des Weihers ist zudem ein Schutzstreifen Uferzone festgesetzt (A.5.3).

Anlässlich eines Vorbescheidsantrags für die Errichtung eines Pferdepensionsbetriebs für den Hochleistungssport beschloss der Antragsgegner in seiner Sitzung vom 13. April 2010 die Aufstellung des Bebauungsplans „Semptaue“ sowie gleichzeitig den Erlass einer Veränderungssperre. Am 8. November 2010 fand im Rahmen eines Scoping-Termins eine erste Beteiligung der Träger öffentlicher Belange statt. In der Zeit vom 26. März bis 26. April 2012 fand die vorzeitige Bürgerbeteiligung sowie die vorzeitige Anhörung der Träger öffentlicher Belange statt. Mit Schreiben vom 26. April 2012 machte der Antragsteller Einwendungen geltend. Der für eine Bebauung nach § 35 BauGB zulässige Bereich werde deutlich eingeschränkt. Die Bauräume verkleinerten den Bereich nochmals. Die Bauräume für Nebengebäude seien indifferent. Der quer über das Plangebiet verlaufende Weg sei nicht zur Erschließung erforderlich. Die öffentliche Auslegung erfolgte vom 2. Januar bis 4. Februar 2013. Weitere Auslegungen erfolgten in den Zeiträumen vom 11. Juli bis 12. August 2013 und 2. Januar bis 17. Januar 2014. Der Antragsteller machte auch insoweit mit Schreiben vom 4. Februar 2013, 12. August 2013 sowie 16. Januar 2014 Einwendungen geltend. Am 4. Februar 2014 beschloss der Antragsgegner den Bebauungsplan als Satzung.

Mit Schriftsatz vom 31. März 2015 hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gestellt und beantragt,

den vom Antragsgegner am 4. Februar 2014 als Satzung beschlossenen und am 3. April 2014 öffentlich bekanntgemachten Bebauungsplan „Semptaue“ für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung führt der Antragsteller aus, es sei bereits in formeller Hinsicht zweifelhaft, ob die Bekanntmachung vor der Ausfertigung erfolgt sei, da diese taggleich erfolgte. Für die Festsetzung A.2, nach welcher bauliche Nutzungen nach § 35 BauGB nur innerhalb der gelb gekennzeichneten Flächen zulässig sind, sei keine Rechtsgrundlage in § 9 BauGB erkennbar. Der abschließende Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB ermögliche eine solche Festsetzung nicht. Weder handle es sich um die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, noch werde eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 18a) BauGB festgesetzt. Auch § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB decke die Festsetzung nicht, da kein Sondergebiet vorliege und die allgemeine Außenbereichsregelung des § 35 BauGB dadurch nicht räumlich oder inhaltlich differenziert werden könne. Weiterhin würden durch die Festsetzung verschiedene privilegierte Nutzungen des § 35 Abs. 1 BauGB ausgeschlossen. Auch für diese Differenzierung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Dies gelte auch für die Festsetzung, wonach Wohnnutzung nur innerhalb der hierfür ausdrücklich gekennzeichneten Bauräume zulässig sei. Für eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB fehle es an einer Definition einer Personengruppe mit besonderem Wohnbedarf.

Weiterhin fehle der textlichen Festsetzung A.3.1 zur höchstzulässigen Grundfläche die erforderliche gesetzliche Grundlage. Die Grundfläche solle nach dieser Festsetzung maximal 1.400 m² betragen. Der gelb gekennzeichnete Bereich erstrecke sich über zwei Buchgrundstücke. Die Festsetzung beziehe sich ausdrücklich auf Baugrundstücke. Andererseits solle dieses Maß der baulichen Nutzung eine maximale Grundfläche für alle baulichen Anlagen im abgegrenzten Bereich darstellen.

Die Festsetzung von Wasserflächen nach A.5.2 finde keine Rechtsgrundlage. Die Festsetzung A.5.3 zum Schutz der Uferzonen sei zu unbestimmt. Die nach A.5.5 festgesetzten privaten Grünflächen sollen von baulichen Anlagen frei gehalten werden. Andererseits sei eine Weidenutzung erlaubt. Hierfür seien jedoch bauliche Anlagen wie Weidezäune oder Tierunterstände nötig. Den festgesetzten öffentlichen Verkehrsflächen fehle es an der nötigen Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB, da die Festsetzung dauerhaft nicht realisiert werden könne. Der Antragsteller sei Eigentümer der Flächen. Eine Enteignung scheide aus, da ein ausreichendes Fuß- und Radwegenetz bereits existiere. Die Unwirksamkeit der genannten Festsetzungen führe zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, da wesentliche mit dem Bebauungsplan verfolgte Ziele nicht mehr erreicht werden könnten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Bebauungsplan leide nicht an einem Ausfertigungsmangel. Die bloße Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum könne zwar ein Indiz darstellen, dass die richtige Reihenfolge nicht eingehalten worden sei, jedoch nur, wenn eine Bekanntmachung in einem Amtsblatt oder einer Tageszeitung erfolge, da dies taggleich nicht möglich sei. Vorliegend sei die Bekanntmachung jedoch durch Anschlag an der Gemeindetafel erfolgt. Das Plangebiet befinde sich im Bereich des landschaftlichen Vorbehaltsgebiets Sempt- und Schwillachtal, im Regionalen Grünzug Sempttal und in einem Vorranggebiet zur Trinkwasserversorgung. Im gemeindlichen Landschaftsplan sei für die Moosgrundstücke an der Sempt als Planungsziel die Rekultivierung und Stärkung zu einem weitläufig wirksamen Regenerationszentrum festgeschrieben. Der in Ost-West-Richtung verlaufende Weg erschließe die vorhandenen baulichen Nutzungen sowie die landwirtschaftlichen Flächen östlich des Fehlbachs. Zudem stelle er einen wichtigen Teil des für die Naherholung vorgehaltenen Fuß- und Radwegenetzes dar und stehe der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten zur Verfügung. Ziel des Bebauungsplans sei es einerseits, die weitgehend noch naturnahen und schützenswerten Feucht- und Grünflächen zu erhalten und aufzuwerten, andererseits den Bereich der bestehenden Bebauung auch künftig solchen baulichen Nutzungen zur Verfügung zu stellen, die in diesem sensiblen Bereich städtebaulich vertretbar sind. Die Festsetzung A.2 stelle eine Fläche besonderer Zweckbestimmung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB dar. Es handle sich hier um eine besondere städtebauliche Situation. Die vorhandene Bebauung befinde sich inselartig inmitten eines ökologisch besonders sensiblen Bereichs. Es sei für den Antragsgegner wichtig gewesen, diese Bebauung grundsätzlich zu erhalten und einer Nutzung zuzuführen. Diese müsse jedoch die Besonderheiten dieses Bereichs berücksichtigen und daher seien nur solche Nutzungen möglich, die mit den umliegenden Grün- und Feuchtflächen sowie Uferbereichen vereinbar seien. Daher sei nur ein einfacher Bebauungsplan ohne Festsetzung einer Art der baulichen Nutzung aufgestellt worden, um es grundsätzlich bei der Außenbereichsqualität der Grundstücke zu belassen. Es mache keinen Unterschied, ob eine solche Fläche besonderer Zweckbestimmung positiv oder negativ durch Ausschluss bestimmter unverträglicher Nutzungen festgesetzt werde. Die besondere Zweckbestimmung bestehe in der Schaffung eines modifizierten Außenbereichs. Selbst wenn diese Festsetzung unzulässig wäre, so würde dies nur zu einer Teilunwirksamkeit führen, denn der übrige Teil für sich betrachtet bewirke noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung.

Die textliche Festsetzung A.3.1 sei wirksam. Es handle sich um eine Mindestfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Festgesetzt sei eine höchstzulässige absolute Grundfläche von 1.400 m² pro Baugrundstück. Die Festsetzung gelte für die gelb gekennzeichnete Fläche, die insoweit als Baugrundstück definiert sei. Auch im Fall der Unwirksamkeit dieser Festsetzung würde dies nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führen. Die bauliche Nutzung sei durch die Festsetzung von Bauräumen hinreichend begrenzt.

Die Festsetzung A.5.2 sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB zulässig. Zudem würde auch die Unwirksamkeit dieser Festsetzung die Gesamtwirksamkeit des Bebauungsplans unberührt lassen. Die Festsetzung A.5.3 beruhe ebenfalls auf § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB. Sie bestimme hinreichend konkret einen 5 m breiten engeren Uferbereich ab dem Gewässerufer. Die Festsetzung A.5.5 sei nicht in sich widersprüchlich. Es sollten bauliche Anlagen im Sinn von Gebäude ausgeschlossen werden nicht aber Weidezäune. Dies lasse sich der Begründung entnehmen. Die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche für den S...weg sei erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB. Dieser Weg werde seit urvordenklicher Zeit durch die Bevölkerung genutzt und sei immer durchgängig gewesen. Eine Sperrung hätte eine Beschneidung der überörtlich bedeutsamen Wegverbindung zwischen den Landkreisen Ebersberg und Erding zur Folge. Der Weg sei auch in Wanderkarten als Wanderweg eingezeichnet. Der Erhalt der Wegeverbindung liege somit im Wohl der Allgemeinheit. Die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche sei auch deshalb erforderlich, da der Antragsteller seit geraumer Zeit versuche, die Benutzung des Wegs durch die Allgemeinheit zu verhindern. Ob der Vollzug des Bebauungsplans eine Enteignung zur Folge habe, sei in einem künftigen Enteignungsverfahren gegebenenfalls zu klären. Der Bebauungsplan habe keine enteignungsgleiche Vorwirkung.

Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2016 Bezug genommen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO hat Erfolg.

1. Der Bebauungsplan „Semptaue“ ist nicht bereits aufgrund formeller Mängel unwirksam. Ein Bebauungsplan muss vor seiner Bekanntmachung ausgefertigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 - 4 B 129.98 - BayVBl 1999, 410). Dabei kann die Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum ein Indiz dafür sein, dass die Reihenfolge nicht gewahrt ist, denn es dürfte regelmäßig nicht möglich sein, die Bekanntmachung eines Bebauungsplans nach seiner Ausfertigung noch am selben Tag zu bewirken. Diese Vermutung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der Satzungsbeschluss in einem Amtsblatt oder in einer Tageszeitung bekannt gemacht wird (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO). In diesem Fall wird die Bekanntmachung in der Regel nicht noch an dem Tag möglich sein, an dem die Satzung ausgefertigt wurde. Erfolgt die Bekanntmachung allerdings durch Anschlag an den Gemeindetafeln (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GO), so spricht die Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum noch nicht dagegen, dass diese Reihenfolge eingehalten wurde (vgl. BayVGH, U.v. 15.5.2015 - 8 A 14.40029 - juris; U.v. 3.9.2002 - 1 B 00.817 - BayVBl 2003, 273). Vorliegend erfolgten zwar die Ausfertigung und die Bekanntmachung am 3. April 2014. Die Bekanntmachung geschah jedoch durch Anschlag an die Gemeindetafeln, so dass diese Übereinstimmung der Daten von Ausfertigung und Bekanntmachung der Satzung nicht dagegen spricht, dass die richtige Reihenfolge eingehalten wurde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die richtige Reihenfolge im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden wäre, wurden weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.

2. Der Bebauungsplan ist im Hinblick auf die Ausweisung einer öffentlichen Verkehrsfläche auf dem Grundstück des Antragstellers für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich (§ 1 Abs. 3 BauGB). Der Erforderlichkeitsgrundsatz gibt der Gemeinde einen weiten Spielraum. Er ermächtigt sie zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2009 - 1 N 07.1552 - BayVBl 2010, 247). Die Vorschrift verlangt insbesondere nicht, dass für die Planung als Ganzes oder für die einzelnen Festsetzungen ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Es genügt, wenn eine Regelung im Rahmen eines Gesamtkonzepts vernünftigerweise geboten ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2014 - 2 N 11.1710 - juris). Der Antragsteller rügt insoweit, dass die öffentliche Verkehrsfläche zwischen dem S...weg und dem Fehlbach, welche über sein Grundstück führt, dauerhaft nicht realisiert werden könne. Eine Widmung sei nur mit Zustimmung des Antragstellers möglich, die dieser verweigern würde. Eine Enteignung würde bereits daran scheitern, dass bereits ausreichende Wegeverbindungen als Alternativen bestünden. Für die Erschließung der Gebäude des Antragstellers sei zumindest die Weiterführung bis zum Fehlbach nicht notwendig.

Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans (Ziffer 3) ist aber die Erhaltung der Zugängigkeit und Durchlässigkeit bestehender Wegverbindungen gemäß dem gemeindlichen Radwegkonzept eines der städtebaulichen Ziele des Bebauungsplans. Der Weg vorbei an der ehemaligen Sägmühle ist sowohl bei Radfahrern als auch Wanderern beliebt. Er wird seit urvordenklicher Zeit durch die Bevölkerung benutzt. Zudem ist er Teil einer überörtlich bedeutsamen Wegeverbindung zwischen den Landkreisen Erding und Ebersberg. Der Weg durch die Sägmühle ist weiterhin in Wanderkarten als Wanderweg in einem beliebten Wandergebiet eingezeichnet. Daher liegt der Erhalt der Wegeverbindung auch aus Sicht des Senats im Wohl der Allgemeinheit. Hingegen ist es nicht erkennbar, dass diese Wegeverbindung dauerhaft nicht realisiert werden könnte. Eine Realisierung hängt auch nicht allein vom derzeitigen Willen des Antragstellers ab. Dieser hat in der jüngsten Vergangenheit versucht, durch diverse Einzäunungen sowie den Abbruch der Brücke über die Sempt die Wegeverbindung zu unterbrechen. Im vom Antragsteller im Rahmen des Bauleitplanverfahrens vorgelegten Entwurf über zukünftige Nutzungsmöglichkeiten der Sägmühle vom 4. September 2011 hatte er aber noch ausdrücklich sein Einverständnis damit erklärt, dass der Weg der Öffentlichkeit als Fuß- und Radweg zugänglich gemacht wird (vgl. S. 12). Bereits dies zeigt, dass sich auch der Wille des Antragstellers ändern kann und somit kein dauerhaftes Planungshindernis darstellt, welches die Erforderlichkeit der konkreten Planung entfallen lassen könnte. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller das Anwesen verkauft und ein Rechtsnachfolger einer straßen- und wegerechtlichen Widmung zustimmen würde. Ob eine Enteignung der Wegefläche möglich ist, wäre gegebenenfalls in einem entsprechenden Enteignungsverfahren zu klären (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.1997 - 4 BN 4.97 - BayVBl 1998, 314). Der Bebauungsplan entfaltet keine enteignungsrechtliche Vorwirkung (vgl. BVerfG, U.v. 24.3.1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264; BVerwG, B.v. 21.2.1991 - 4 BN 16.90 - NVwZ 1991, 873). Jedenfalls ist nicht offensichtlich, dass eine Enteignung von vorneherein ausgeschlossen wäre. Zwar mögen andere Verbindungen grundsätzlich existieren. Jedoch ist nicht hinreichend von Seiten des Antragstellers dargelegt, dass diese Alternativen einen ausreichenden Ersatz für die vorliegend festgesetzte Verbindung darstellen. Insbesondere führt die nächstgelegene Verbindung über die Staatsstraße 2332 und ist damit für Wanderer und Radfahrer weniger geeignet. Zudem führt die Wegeverbindung über die Sägmühle durch ein landschaftlich reizvolles Gebiet.

3. Der Bebauungsplan leidet jedoch an zahlreichen materiellen Mängeln, die in der Gesamtheit gesehen zu seiner Unwirksamkeit führen. So sind die textlichen Festsetzungen A.2, A.3.1 sowie A.5.5 unwirksam.

a) Für die textliche Festsetzung A.2, nach welcher bauliche Nutzungen nach § 35 BauGB nur innerhalb der gelb gekennzeichneten Flächen zulässig sind, fehlt es an einer hinreichenden Rechtsgrundlage im Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB. Im Weiteren werden einzelne Nutzungen des § 35 Abs. 1 BauGB ausgeschlossen. Zudem wird über ein Planzeichen „Wo“ bestimmt, in welchen Bereichen der bestehenden Gebäude eine Wohnnutzung zulässig sein soll.

Die Antragsgegnerin beruft sich insoweit auf § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB, wonach der besondere Nutzungszweck von Flächen festgesetzt werden kann. Damit ist grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, bestimmte Flächen für bestimmte, und zwar besondere Nutzungen durch Festsetzungen im Bebauungsplan vorzusehen. Diese Festsetzungsmöglichkeit muss allerdings im Hinblick auf ihren Anwendungsbereich im Verhältnis zu den übrigen Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 BauGB und der Baunutzungsverordnung beurteilt werden. Der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB ist daher darauf beschränkt, für bestimmte Standorte wegen Besonderheiten bestimmter Nutzungen Festsetzungen zu ermöglichen. Dabei kann auch ein bestimmter privater Nutzungszweck Gegenstand einer Festsetzung sein. Der besondere Nutzungszweck muss sich von den in Bebauungsplänen möglichen Nutzungsfestsetzungen unterscheiden, wobei im Gegensatz zum Sondergebiet nach § 11 BauNVO gerade kein Baugebiet festgesetzt werden muss. Wesentlich ist insoweit auch die Standortfrage, denn Standort und Nutzung müssen in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis stehen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Februar 2016, § 9 BauGB Rn. 88). Eine Festsetzung nach der Nummer 9 erfordert zudem eine eindeutig bestimmte Festlegung in Bezug auf den besonderen Nutzungszweck und die hierfür vorgesehene Fläche. Insbesondere dürfen auch alternative Nutzungszwecke nicht festgesetzt werden (vgl. Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 9 Rn. 35).

Gemessen an Vorstehendem ist die textliche Festsetzung A.2 des Bebauungsplans nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB gedeckt. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans (Ziffer 4) sollte ein einfacher Bebauungsplan aufgestellt werden, der gerade keine Art der baulichen Nutzung regelt. Zwar mag im Hinblick auf die besondere Lage und den historischen Baubestand der Sägmühle noch ein städtebaulich besonderer Standort vorliegen. Jedoch kann weder ein hinreichend bestimmter besonderer Nutzungszweck im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB erkannt werden noch ist ein solcher ausdrücklich genannt. Insbesondere fehlt es an einer Abgrenzung zur Festsetzungsmöglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr.18a) BauGB, welche die Möglichkeit gibt, eine Fläche für die Landwirtschaft festzusetzen. Durch den Ausschluss von lediglich einzelnen privilegierten Nutzungen des § 35 Abs. 1 BauGB findet jedoch auch keine eindeutige Festlegung auf einen konkret bestimmten Nutzungszweck statt. Vielmehr verbleibt es bei den übrigen privilegierten Nutzungen, aber auch den nicht privilegierten Nutzungen im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Selbst die Teilprivilegierungen nach § 35 Abs. 4 BauGB wären in vollem Umfang zulässig. Damit bestünden zu viele Nutzungsmöglichkeiten, welche weit über den Rahmen des besonderen Nutzungszwecks des § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB hinausgehen.

Auch hinsichtlich der Festsetzung „Wo“ fehlt es an einer hinreichenden Rechtsgrundlage. Eine solche fände sich allenfalls in § 1 Abs. 4 BauNVO, der hier jedoch in Ermangelung der Festsetzung eines Baugebiets nach der Baunutzungsverordnung gerade nicht zur Anwendung kommt.

b) Ebenfalls unwirksam ist die textliche Festsetzung A.3.1, nach welcher zum Maß der baulichen Nutzung als höchstzulässige Grundfläche der baulichen Anlagen in Quadratmeter pro Baugrundstück eine Grundfläche (GR) von 1.400 m² festgesetzt wurde. Rechtsgrundlage für diese Festsetzung ist grundsätzlich § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, wonach im Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung durch Festsetzung einer Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen bestimmt werden kann. In diesem Zusammenhang muss jedoch das Maß der baulichen Nutzung ausreichend bestimmt sein. Fraglich ist vorliegend, auf was sich dieses festgesetzte Maß von 1.400 m² beziehen soll. Nach der textlichen Festsetzung heißt es „pro Baugrundstück“. Als Baugrundstück wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung üblicherweise ein Buchgrundstück im zivilrechtlichen Sinn definiert (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2000 - 4 BN 57.00 - BRS 63 Nr. 94). Vorliegend wollte der Antragsgegner aber wohl dieses von ihm bestimmte Maß auf den gelb markierten Bereich beziehen. Dafür spricht auch die Begründung des Bebauungsplans (Ziffer 4), die von der „Festsetzung einer maximalen Grundfläche für alle baulichen Anlagen, die sich wiederum auf den abgegrenzten Bereich der heutigen genehmigten baulichen Nutzungen beschränken sollen“, spricht. Dagegen spricht die textliche Festsetzung von „pro Baugrundstück“. Der gelb markierte Bereich besteht aber aus zwei zivilrechtlichen Buchgrundstücken, die zudem durch die Sempt getrennt sind. Die Begründung des Bebauungsplans definiert den gelb markierten Bereich jedoch nicht eindeutig als von den vorhandenen Buchgrundstücken abweichendes Baugrundstück. Auch fehlt eine ausdrückliche textliche Festsetzung, welche den gelben Bereich als das eine Baugrundstück festlegt. Im Ergebnis erweist sich die getroffene Festsetzung daher als nicht hinreichend bestimmt.

c) Ferner erweist sich die textliche Festsetzung A.5.5 als unwirksam. Darin werden private Grünflächen mit der Beschränkung auf Weiden, Wiesen und Obstgärten festgesetzt. Weiterhin enthält diese Festsetzung den Ausschluss baulicher Anlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB. Insoweit ist die Festsetzung jedoch widersprüchlich, da eine tierschutzgerechte Weidenutzung, die ausdrücklich erlaubt ist, in gewissem Umfang je nach Tierart auch die Errichtung baulicher Anlagen erfordert. Zwar mag die Festsetzung noch auslegungsfähig im Hinblick auf die Errichtung von Weidezäunen sein. Dies könnte noch mit viel Wohlwollen aus der Begründung entnommen werden, die unter Ziffer 4 davon spricht, dass die vorhandenen Grün- und Freiflächen von weiterer Bebauung freizuhalten sind. Jedoch erfordert die tierschutzgerechte Weidenutzung in vielen Fällen auch die Errichtung von Tierunterständen, welche jedenfalls als ausgeschlossen zu betrachten sind.

d) Die übrigen vom Antragsteller beanstandeten Festsetzungen sind hingegen wirksam. Dies gilt für die textliche Festsetzung von Wasserflächen (A.5.2), die ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB findet. Der weitere Text zur Steuerung der Wasserqualität hat eher Hinweischarakter, da er lediglich auf die allgemein geltenden wasserwirtschaftlichen und wasserrechtlichen Vorgaben verweist. Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Festsetzung als solcher. Gleiches gilt für die Festsetzung zum Schutz von Uferzonen (A.5.3), die ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB findet. Insbesondere ist diese Festsetzung bestimmt genug, wenngleich sie in Teilbereichen ebenfalls wohl eher Hinweischarakter hat. Der Begriff der „intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung“ bezieht sich beispielsweise auf eine intensive Ackernutzung mit entsprechender Düngung, welche in den sensiblen Uferstreifen gerade nicht erfolgen soll. Insoweit gibt die Begründung unter Ziffer 6.3.1 auch weiterführende Erläuterungen.

e) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners führt die Kumulation der einzelnen unwirksamen Festsetzungen vorliegend zur Gesamtunwirksamkeit des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen nur dann nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn außerdem hinzu kommt, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.1997 - 4 NB 30.96 - NVwZ 1997, 896). Dies ist hier nicht der Fall. Nach der Begründung des Bebauungsplans war es gerade Ziel, eine umgebungsverträgliche Bauraumausweisung auf dem Sägmühlengrundstück zu erreichen sowie Naturerfahrungsräume im Weg des weitgehenden Verzichts auf weitergehende Bebauung einzurichten und eine zusätzliche Versiegelung von Flächen zu vermeiden. Mit den Festsetzungen A. 2 und A.5.5 entfallen diese Festsetzungen für den überwiegenden Teil des Bebauungsplans, nämlich die gesamten privaten Grünflächen sowie die „gelbe Fläche“, auf welcher gerade die zulässige Bebauung geregelt werden sollte, einschließlich des Maßes der zulässigen baulichen Nutzung (A.3.1). Ebenfalls ein wesentlicher Inhalt war die Beschränkung der zulässigen Bebauung auf den Bestand, der unter anderem durch die Festsetzung A.2 gesichert werden sollte. Es verblieben im Wesentlichen die Festsetzungen der öffentlichen Verkehrsfläche sowie der Wasserflächen, welche jedoch allein einen Bebauungsplan nicht mehr tragen können. Da gerade Auslöser für die Planung Bauwünsche für das Sägmühlengelände waren, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner bei Wegfall der Regelungen zur Bebauung dennoch den Bebauungsplan in der verbliebenen Form beschlossen hätte. Dies gilt umso mehr als auch die Regelungen zu den Grünflächen entfallen und damit der Erhalt dieses ökologisch schützenswerten Gebiets nicht mehr geregelt ist.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel allgemeinverbindlich und muss vom Antragsgegner nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 20.000,- Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 8 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.