Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 12. Apr. 2017 - Au 4 K 17.138

published on 12/04/2017 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 12. Apr. 2017 - Au 4 K 17.138
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage.

Am 30. März 2015 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer zweiseitigen City-Star-Anlage auf Monofuß (beleuchtet) für allgemeine Produktinformationen auf dem Grundstück Fl.Nr., Gemarkung ... (Stadt ...; postalische Adresse: ...). Die Außenabmessungen der Werbefläche incl. Rahmen betragen 3,80 m x 2,80 m (Breite x Höhe); die Gesamthöhe der Anlage beträgt (einschließlich Monofuß) 5,30 m.

Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 10 „Gewerbegebiet ...“, den die frühere Gemeinde ... am 11. August 1970 als Satzung beschlossen hatte und der mit Entschließung der Regierung von Schwaben vom 17. Februar 1971 genehmigt worden war. Als Art der baulichen Nutzung ist ein Gewerbegebiet festgesetzt. Ferner festgesetzt sind Baugrenzen, auch zur ... Straße hin (ehedem ...; heute ...).

Am 8. Oktober 2013 beschloss die beigeladene Stadt ... einen „Einfachen Bebauungsplan Satzung über besonderen Anforderungen an die äußere Gestaltung von Werbeanlagen“ („Werbeanlagensatzung nach Art. 81 Abs. 1 und 2 BayBO i.V.m. § 30 Abs. 3 BauGB“). Gem. § 2 Abs. 1 der Satzung werden die erfassten, bestehenden und rechtskräftigen Bebauungspläne um die aufgeführten Festsetzungen zu Werbeanlagen ergänzt. Zu den bestehenden rechtskräftigen Bebauungsplänen zählt gem. § 2 Abs. 3 der Satzung auch der Bebauungsplan „Gewerbegebiet...“. § 5 Abs. 3 der Satzung enthält vier Kategorien der Schutzwürdigkeit. „Kategorie 4: ohne Schutzwürdigkeit“ enthält Anforderungen, die „Anwendung bei Gewerbe- und Industriegebieten“ finden. Unter anderem sind freistehende Werbeanlagen „zulässig bis zu einer Größe von max. 10,0 m2 und einer Höhe von max. 10,0 m“. Ferner sind „Fremdwerbeanlagen (…) grundsätzlich in durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbe-, Industrie und vergleichbaren Sondergebieten, innerhalb der festgesetzten Baugrenzen (…) zulässig, sofern sie das Straßen- und Ortsbild nicht wesentlich beeinträchtigen“. Gem. § 6 Satz 1 der Satzung können von den Vorschriften der Satzung nach Art. 63 BayBO Abweichungen von der Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Beigeladenen erteilt werden. In der Begründung zur Satzung wird für den hier einschlägigen „Bereich ...“ unter „Ortsbildbeschreibung“ ausgeführt, dass die städtebauliche Gestaltung von Gewerbebetrieben und großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit den entsprechenden Stellplatzanlagen bestimmt werde. Es bestünden keine ortsgestalterischen Besonderheiten bzw. keine Schutzwürdigkeiten.

Mit Beschluss vom 28. April 2015 verweigerte die Beigeladene die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens zum Bauantrag der Klägerin. Zum einen werde die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze überschritten. Zum anderen stehe die Anlage im Widerspruch zur Werbeanlagensatzung, da die Größenbeschränkung von max. 10 m² überschritten werde und Fremdwerbeanlagen im Bebauungsplanbereich nur innerhalb der Baugrenze zulässig seien.

Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte die Erteilung der Baugenehmigung mit Bescheid vom 17. August 2015 ab. Im Wesentlichen wurden die von der Beigeladenen geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe in Bezug auf Bebauungsplan und Werbeanlagensatzung übernommen. Abweichungen bzw. Befreiungen habe die Klägerin weder beantragt noch begründet. In beiden Fällen könne überdies über die Zulässigkeit nur im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden werden. Gründe oder Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass das Einvernehmen zu Unrecht verweigert worden sei und deshalb rechtsaufsichtlich ersetzt werden könnte, seien nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Die Klägerin ließ am 13. September 2015 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben (ursprünglich Au 4 K 15.1351) und beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 17. August 2015, Az: ... zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Bauerlaubnis zu erteilen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der Bauerlaubnis, da dem Vorhaben keine prüfungspflichtigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden. Soweit die Werbeanlagensatzung der Beigeladenen eine Maximalgröße für Werbeanlagen festlege, nach der die Werbefläche 10 m² nicht überschreiten dürfe, könne dies nur so verstanden werden, dass auf die Werbefläche der Plakate abzustellen sei. Diese liege vorliegend mit 9,36 m² innerhalb der zulässigen Größe. Der die Werbefläche umgebende Rahmen der Anlage sei bei der Flächenberechnung nicht zu berücksichtigen. Anderenfalls käme die Größenbeschränkung einem faktischen Verbot von Wirtschaftswerbung im Euro-Format gleich, für welches nach der einschlägigen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für einen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen in einem Mischgebiet aufgrund örtlicher Bauvorschriften keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen sei. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen die Festsetzung des Bebauungsplans, der entlang der Kemptener Straße in einem Abstand von 35 m eine Baugrenze festsetze. Jedenfalls durch die Neuerrichtung des Gebäudes ... (Fl.Nr. ...) sei diese Festsetzung funktionslos geworden, da sie künftig ihre planungsrechtliche Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen könne. Insoweit bedürfe das streitgegenständliche Vorhaben keiner Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 30. September 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Argumentation aus dem Ablehnungsbescheid – Widerspruch zum Bebauungsplan und zur Werbeanlagensatzung – wiederholt und vertieft. Auch wenn das auf dem Grundstück Fl.Nr. ... befindliche Gebäude die Baugrenze überschreite, habe dies nicht notwendig die Unwirksamkeit der betreffenden Festsetzung des Bebauungsplans zur Folge. Es handle sich hierbei um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte. Zum einen sei das Gebäude auf dem Nachbargrundstück zeitlich lange vor Inkrafttreten der Werbeanlagensatzung, durch die auch der einschlägige Bebauungsplan geändert worden sei, erstellt worden. Zum anderen handle es sich um ein Gebäude und nicht um eine Anlage der Wirtschaftswerbung. Soweit dem Beklagten bekannt, seien seit Inkrafttreten der Werbeanlagensatzung in dem fraglichen Bereich entlang der Staatsstraße ... keine vergleichbaren Werbeanlagen für Wechselwerbung außerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans baurechtlich genehmigt worden. Ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bestehe daher nicht.

Am 28. Januar 2016 nahm der Berichterstatter im Beisein von Vertretern der Beteiligten das Vorhabengrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein. Dabei wurde die Möglichkeit erörtert, mittels Befreiungen bzw. Abweichungen zu einer Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Werbeanlage zu kommen. Das Gericht werde einen entsprechenden Hinweis zu der in der Werbeanlagensatzung der Beigeladenen enthaltenen Größenbeschränkung von 10 m² erteilen. Vorsorglich stellten Klägerseite und Beklagtenvertreter die schriftlich angekündigten Anträge. Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. April 2016 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich die in der Werbeanlagensatzung für freistehende Werbeanlagen enthaltene Größenbeschränkung auf 10 m² im Hinblick darauf als problematisch erweisen könne, dass diese wohl zu einem faktischen Ausschluss von Werbeanlagen des hier vorliegenden standardisierten und üblichen Formats auch in Gewerbegebieten führen würde. Um die maßgeblichen Rechtsfragen jedoch keiner gerichtlichen Klärung zuführen zu müssen, werde die Beantragung einer Abweichung von der Werbeanlagensatzung sowie einer Befreiung vom Bebauungsplan durch die Klägerin angeregt. Im Hinblick auf die anschließend nötige Prüfung durch Beigeladene und Beklagten werde um eine Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens gebeten.

Am 4. Mai 2016 beantragte die Klägerin eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Hinblick auf die beabsichtigte Errichtung der Werbeanlage außerhalb der Baugrenze. Begründet wurde dies damit, dass das vorhandene Gebäude (Möbelhaus) auf dem Nachbargrundstück bereits deutlich die Baugrenze überschreite. Die geplante Werbeanlage trete trotz der Platzierung außerhalb der Baugrenze weiter hinter die Flucht dieses Gebäudes zurück. Daher dürften die Grundzüge der Planung nicht berührt und die Anlage städtebaulich vertretbar sein. Ebenso beantragte die Klägerin am 4. Mai 2016 eine Abweichung von der Werbeanlagensatzung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die geplante Anlage die Größenbeschränkung mit 10,64 m² nur unwesentlich überschreite. Außerdem liege die eigentliche Plakatgröße mit 8,97 m² unter der gewünschten Größe von 10 m².

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2016 wurde das Ruhen des Verfahrens Au 4 K 15.1351 angeordnet.

Die Beigeladene stimmte mit Beschluss vom 28. Juni 2016 einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans und einer Abweichung von der Werbeanlagensatzung nicht zu.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass der Beklagte über den Bauantrag auch angesichts der beantragten Abweichung bzw. Ausnahme nicht anders als wie mit dem Ablehnungsbescheid vom 17. August 2015 bereits geschehen entscheiden könne.

Darauf beantragte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 31. Januar 2017 die Wiederaufnahme des zwischenzeitlich statistisch erledigten Verfahrens (nunmehr Au 4 K 17.138).

Die Beteiligten verzichteten anschließend auf gerichtliche Anfrage auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung. Dem Vorhaben stehen Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. August 2015 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die beantragte Werbeanlage widerspricht den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Gewerbegebiet ...“, § 30 Abs. 1 BauGB. Sie überschreitet entgegen § 23 Abs. 3 BauNVO die im Bebauungsplan zur... Straße hin festgesetzten Baugrenze nicht nur, sondern liegt – ausweislich des von der Klägerin mit dem Antrag auf Erteilung einer Befreiung vorgelegten Lageplans (Bl. 4 des entsprechenden Behördenakts) – um ca. 9 m vollständig außerhalb der Baugrenze. Dies gilt unabhängig davon, ob die BauNVO 1968 oder angesichts der Ergänzung dieses Bebauungsplans durch § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 3, „Kategorie 4“ des einfachen Bebauungsplans „Werbeanlagensatzung“ der Beigeladenen vom 17. Oktober 2013 die BauNVO 2013 herangezogen wird. Das Verbot des § 23 Abs. 3 BauNVO gilt auch für eine Fremdwerbeanlage, wie sie hier beantragt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 7.6.2001 – 4 C-1/01 – juris, LS 2 und Rn. 18).

Die Festsetzung betreffend die Baugrenze ist nicht funktionslos geworden. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. etwa BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 33).

Ein solcher Fall ist hier nicht anzunehmen. Allein der Umstand, dass ein einzelnes Gebäude, nämlich jenes auf dem südlich an das Vorhabengrundstück anschließenden Grundstück Fl.Nr., die Baugrenze bereits überschreitet, reicht für die Annahme einer Funktionslosigkeit nicht aus. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nämlich nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BayVGH, B.v. 15.2.2017 – 1 CS 16.2396 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 25.9.2003 – 2 ZB 03.1889 – juris Rn. 3).

Derartiges ergibt sich aus von der Klägerin angeführten Baugrenzenüberschreitung durch das Gebäude auf Fl.Nr. ... nicht, zumal die von der Klägerin geltend gemachte deutliche Überschreitung der Baugrenze nur bezüglich des nördlichen Teils des Gebäudes feststellbar ist. Eine Funktionslosigkeit der Baugrenzenfestsetzung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich – ohne dass sich die Klägerin hierauf explizit berufen hätte – nach den Erkenntnissen des gerichtlichen Augenscheins sowie des vom Beklagten auf den Befreiungsantrag der Klägerin durchgeführten weiteren Augenscheins (Bl. 59 f. des behördlichen Verfahrensakts) auf dem Vorhabengrundstück selbst sowie auf den nördlich anschließenden Grundstücken einzelne Anlagen (insbesondere [Werbe-] Pylone; Masten) befinden, die ebenfalls außerhalb der festgesetzten Baugrenze liegen. Selbst wenn unterstellt wird, dass diese Anlagen durchgehend die Voraussetzungen für eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB erfüllen, handelt es sich, insbesondere auch angesichts der Länge des Straßenzugs entlang der... Straße bis zur ... Straße im Norden, dem die festgesetzte Baugrenze folgt, um vergleichsweise wenige Fälle. Auch qualitativ verfügen diese Anlagen nicht über ein derartiges Gewicht, dass die städtebauliche Gestaltungsfunktion der festgesetzten Baugrenze, zumal mit der erforderlichen Offenkundigkeit, endgültig zu verneinen wäre. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den genannten Anlagen – abgesehen wohl von den Schuppen auf Fl.Nr. ... – durchgehend um Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauNVO handelt; das gilt insbesondere für die vorhandenen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung (vgl. BVerwG, U.v. 7.6.2001 – 4 C-1/01 – juris Rn. 18). Demgegenüber stellt die von der Klägerin geplante Fremdwerbeanlage eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1992 – 4 C-27/91 – BVerwGE 91, 234 – juris). Gem. § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO (1968 wie 2013) können Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden. Diese Privilegierung von Nebenanlagen – und damit auch, wie ausgeführt, Werbeanlagen an der Stätte der Leistung – bei der Überschreitung von Baugrenzen muss auch bei der Prüfung des Vorliegens einer Funktionslosigkeit der Festsetzung betreffend die überbaubaren Grundstücksflächen berücksichtigt werden. Baugrenzenüberschreitungen durch Nebenanlagen vermögen daher regelmäßig die Funktionslosigkeit der festgesetzten Baugrenze nicht zu begründen. Ob anderes dann gilt, wenn Quantität und Qualität von Baugrenzenüberschreitungen durch Nebenanlagen ein Ausmaß erreicht haben, dass sich die Frage der Steuerungsfunktion der festgesetzten Baugrenze ernsthaft stellt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Über ein solches Gewicht verfügen die vorhandenen Anlagen außerhalb der Baugrenze, wie ausgeführt, im vorliegenden Fall nicht.

Gegen die Funktionslosigkeit der festgesetzten Baugrenze spricht demgegenüber, dass sich – anders als bei der von der Klägerin geplanten Werbeanlage – bislang keine der entlang der ... Straße zwischen ... Straße und ... Straße bzw. ... vorhandenen gewerblichen Hauptnutzungen vollständig vor der festgesetzten Baugrenze befinden. Diese gewerblichen Nutzungen sind zudem nach wie vor postalisch der, nicht der ... Straße, zugeordnet. Die mit der Festsetzung der Baugrenze verfolgte Zielsetzung, die gewerblichen Nutzungen von der ... Straße abzurücken und entlang der ... anzusiedeln – die in deren Richtung festgesetzte Baugrenze befindet sich deutlich näher an der Straße – wurde erreicht und beansprucht nach wie vor Geltung.

Die beantragte Werbeanlage kann auch nicht im Wege der von der Klägerin beantragten Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB, zugelassen werden. Eine Befreiung würde die Grundsätze der Planung berühren und wäre zudem städtebaulich nicht vertretbar (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB).

Mit den Grundzügen der Planung umschreibt das Gesetz in § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Veränderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Weg der (Um-)Planung möglich ist. Ob eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 37 m.w.N.)

Gemessen an diesen Vorgaben würde eine Befreiung hier Grundzüge der Planung berühren. Eine Befreiung läge nicht mehr im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung erkannt hätte (vgl. BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 38). Die in Rede stehende Planung verfolgte das Ziel, die gewerblichen Nutzungen nicht entlang der ... Straße anzusiedeln, sondern der parallel hierzu verlaufenden ... zuzuordnen. So verläuft die Baugrenze von der ... Straße deutlich weiter abgesetzt als in Richtung .... Nach der Begründung des Bebauungsplans (Nr. 10, Satz 4), sollte die verkehrsmäßige Erschließung des Gebiets über die Ulmer Straße erfolgen; ferner bestimmt § 7 der Bebauungsplansatzung, dass entlang der B19 (also der... Straße) und entlang der ... und der ... keine unmittelbaren Zufahrten und Zugänge zu den Grundstücken angelegt werden dürfen. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Erschließung der in Rede stehenden Gewerbegrundstücke zwischen ... und ... Straße über die von der ... Straße abzweigende Germanen Straße erfolgt. Die Bebauungsplankonzeption zielte mithin auf einer Abwendung der gewerblichen Nutzungen von der ... Straße und deren Ausrichtung auf die Ü. Damit steht die von der Klägerin beantragte Werbeanlage, die sich de facto ausschließlich an die Nutzer der ... Straße wendet, nicht in Einklang. Auch würde durch das Bauvorhaben ein – durch die vollständige Lage der Werbeanlage außerhalb der Baugrenze überdies herausgehobener – Bezugsfall geschaffen, der die künftige Durchsetzung der planerischen Vorgaben erheblich erschwert (vgl. dazu etwa BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 15 ZB 09.3214 – juris Rn. 23).

Die Abweichung wäre auch nicht städtebaulich vertretbar, § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Städtebauliche Vertretbarkeit läge bei einer Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung entsprechend § 1, insbesondere Abs. 6 und 7, BauGB, vor (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2016, § 31 Rn. 79). Von einer geordneten städtebaulichen Entwicklung kann jedoch keine Rede sein, wenn – wie hier – erstmals eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung vollständig außerhalb der Baugrenze errichtet würde und damit die bisher bezweckte Ausrichtung der gewerblichen Nutzungen hin zur entgegengesetzten Straßenseite unterlaufen würde.

Da sich die streitgegenständliche Werbetafel damit schon wegen Überschreitung der festgesetzten und weiterhin zu beachtenden Baugrenze als nicht genehmigungsfähig erweist, kann offen bleiben, ob auch die in Form eines einfachen Bebauungsplans erlassene, bestehende Bebauungspläne ändernde Werbeanlagensatzung der Beigeladenen dem Vorhaben entgegensteht oder ob insbesondere die dort enthaltene Größenbeschränkung insbesondere angesichts dessen unwirksam ist, dass die Beigeladene selbst den fraglichen Bereich als „ohne Schutzwürdigkeit“ qualifiziert und somit ortsgestalterische Gründe i.S.d. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayBO gerade nicht anführen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 14/12/2016 00:00

Tenor I. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2015 wird die Klage auch hinsichtlich der Beantwortung der Vorbescheidsfragen 3 und 5 im Vorbescheid vom 20. März 2014 abgewiesen. Die Anschlussberufung d
published on 15/02/2017 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfa
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Annotations

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.