Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. Aug. 2014 - 1 K 13.913

published on 05/08/2014 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. Aug. 2014 - 1 K 13.913
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I.

Der Bescheid des Landratsamtes ... vom 23. Mai 2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid sowie einen Änderungsbescheid, mit welchen die Untersuchung seines Rinderbestandes auf Tuberkulose (Tbc) angeordnet worden ist.

Er betreibt als Landwirt eine Rinderhaltung mit etwa 150 Tieren, von denen ca. 100 älter als 24 Monate sind. Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers liegt im Landkreis ..., von dort bringt er im Sommer Tiere auch auf Alpen im Gebiet des Landkreises ...

Im Rahmen des vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit im März 2013 ins Leben gerufenen Untersuchungsprogramms „Rindertuberkulose in den Landkreisen der Alpenkette“ werden alle weiblichen Rinder in den betroffenen Landkreisen ab einem bestimmten Alter auf Tuberkulose getestet. In diesem Rahmen erfolgte unter anderem auch die Verpflichtung des Klägers. Mit Bescheid vom 23. Mai 2013 wurde (zunächst) durch den Beklagten sofort vollziehbar angeordnet, dass der Kläger innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung des Bescheids alle über zwölf Monate alten weiblichen Rinder des Bestandes mit Ausnahme der Masttiere mittels Intrakutantests durch eine vom Landratsamt bestimmte Tierarztpraxis auf Tuberkulose untersuchen zu lassen hat (Ziffer 1. des Bescheids). In Ziffer 3. des Bescheids wurden für die nicht, nicht vollständig oder nicht bis zum 18. Juli 2013 erfolgte Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 1. des Bescheids Zwangsgelder in Höhe von 30,00 EUR pro nicht untersuchtem und untersuchungspflichtigem Rind zur Zahlung angedroht. Zur Begründung wurde auf § 17 Abs. 1 TierSG verwiesen. Zum Schutze einer allgemeinen Gefährdung der Viehbestände durch Rindertuberkulose könne die amtstierärztliche Untersuchung einschließlich der Durchführung diagnostischer Maßnahmen angeordnet werden. Dies betreffe auch Tiere im Landkreis ..., da insbesondere durch das Verbringen von Tieren im Sommer auf Alpen im Gebiet des Landkreises ... die Gefahr der Einschleppung von Rindertuberkulose bestehe. Um Infektionsherde zu ermitteln und zu bekämpfen, seien Untersuchungen unabdingbar. Die Untersuchungen würden von einem vom Landratsamt ausgewählten Tierarzt durchgeführt, aufgrund der bisherigen Erfahrungen seien sämtliche Tiere älter als zwölf Monate in die Untersuchung einzubeziehen. Die sofortige Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, um möglichst schnell einen Infektionsherd erkennen zu können. Die Zwangsgeldandrohung sei nötig, um den Tierhalter zur Einhaltung der Anordnung zu veranlassen.

Hiergegen ließ der Kläger am 25. Juni 2013 Klage erheben mit dem Ziel, den Bescheid vom 23. Mai 2013 aufzuheben. Der Klageantrag wurde mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 umfassend begründet.

Nachdem der Kläger der Verpflichtung zur Untersuchung seiner Tiere nach Ziffer 1. des Bescheides vom 23. Mai 2013 nicht nachgekommen und auch sonst keine Untersuchung durchgeführt oder in die Wege geleitet worden war, erließ der Beklagte am 14. Januar 2014 einen Änderungsbescheid, der dem Bevollmächtigten des Klägers am 16. Januar 2014 zugestellt wurde. Mit diesem wurde die Frist zur Erfüllung der Untersuchungsanordnung in Ziffer 1. des Bescheids vom 23. Mai 2013 nunmehr auf den 7. März 2014 und gleichzeitig das Alter der zu untersuchenden weiblichen Tiere auf 24 Monate und älter festgesetzt. Gleichzeitig wurde die Frist für die Fälligkeit des Zwangsgeldes in Ziffer 3. des Bescheids vom 23. Mai 2013 vom 18. Juli 2013 auf den 8. März 2014 verlegt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach den Erfahrungen aufgrund der Untersuchungen im Jahr 2013 davon auszugehen sei, dass eine Tbc-Gefahr für Rinder, die jünger als 24 Monate seien, nicht bestehe. Deshalb sei im Rahmen des Untersuchungsprogramms das Alter der zu untersuchenden Tiere hinaufgesetzt worden. Weiter werde dem Kläger nunmehr, nachdem die Tiere im Sommer 2013 auf Alpen im Gebiet des Landkreises ... gehalten worden seien, eine ausreichende Frist zur Durchführung der Untersuchung eingeräumt.

Der Kläger ließ diesen Änderungsbescheid durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17. Februar 2014 in das Klageverfahren einbeziehen und verfolgt in diesem Verfahren nunmehr die Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Januar 2014. Zur Begründung wird ausgeführt,...es sei nicht erkennbar, dass die Gefahr der Verbreitung einer Tierseuche bestehe. Sämtliche bisherigen Erkenntnisse sprächen gegen diese Einschätzung. Für den Kläger sei aufgrund des Regelungsinhalts auch nicht erkennbar, zu welcher konkreten Handlung er durch die Bescheide verpflichtet sei. Zum einen werde ein privater Tierarzt zur Durchführung der Untersuchung der Rinder auf Tuberkulose verpflichtet, gegenüber dem Kläger würde aber bei Nichterfüllung ein Zwangsgeld angedroht. Es handle sich somit um eine für den Kläger unerfüllbare Verpflichtung, zumal kein zugelassener Test für den möglicherweise zu findenden Erregertyp existiere. Auch die Zwangsgeldandrohung sei fehlerhaft, da für den Kläger nicht klar erkennbar sei, für welchen Fall der Nichterfüllung ihm ein Zwangsgeld drohe. Im Übrigen stelle sich die Frage, weshalb eine Zwangsgeldandrohung erfolge, wenn als ein milderes Mittel zur Seuchenbekämpfung eine Untersuchung der Tiere am Schlachthof zur Verfügung stehe. Auch die vom Beklagten aufgrund der Weisung des Ministeriums vorgenommene Untersuchung unter Verwendung einer nichtsterilen Nadel verstoße gegen europarechtliche Vorschriften. Der Kläger trägt weiter vor, zuletzt mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 31. Juli 2014, die Regelungen im Bescheid könnten nur so verstanden werden, dass der Kläger verpflichtet werden sollte, die amtliche Untersuchung zu dulden. Eine weiter beabsichtigte Verpflichtung zu Mitwirkungshandlungen finde sich in den Bescheiden nicht. Das vorgegebene Zeitfenster für die Untersuchung sei nunmehr abgelaufen. Es sei somit davon auszugehen, dass sich die Angelegenheit erledigt habe. Jedenfalls sei die im Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung rechtswidrig.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Bescheid des Landratsamtes ... vom 23. Mai 2013 in Gestalt des Änderungsbescheides des LRA ... vom 14. Januar 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Das Landratsamt ... nahm zuletzt mit Schriftsatz vom 29. Juli 2014 umfassend Stellung. Es ist der Auffassung, die Klagebegründung sei für das Landratsamt ... nicht maßgeblich. Die angeordnete Untersuchungsverpflichtung sei notwendig und fachlich geboten. Sie umfasse auch Mitwirkungspflichten des Landwirts. Diese seien das eigentlich Wichtige der Verfügung. Ohne sie sei ein ordnungsgemäßer Ablauf der Untersuchung nicht möglich. Die Verfügung habe sich auch nicht durch Zeitablauf erledigt.

Über einen in dieser Sache vom Kläger gestellten Eilantrag hat die Kammer im Verfahren Au 1 S 14.383 mit Beschluss vom 24. März 2014 entschieden, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 20 CS 14.791 mit Beschluss vom 6. Mai 2014. Er hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheids angeordnet.

Am 5. August 2014 fand mündliche Verhandlung vor Gericht statt. Auf die hierbei gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen, ebenso auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

I.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Landratsamtes ... vom 23. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014, mit welchem der Kläger unter Androhung von Zwangsgeldern verpflichtet wurde, seine Rinder auf Tuberkulose untersuchen zu lassen.

Nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist, worauf nur klarstellend hingewiesen wird, die Ziffer 2. des angegriffenen Bescheids, mit welcher die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Diese war bereits Gegenstand gerichtlicher Eilverfahren (Au 1 S 14.383 sowie 20 CS 14.791).

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt dem Kläger nicht die erforderliche Klagebefugnis bzw. das Rechtsschutzinteresse für sein Begehren.

Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob sich die angedrohte Verpflichtung des Klägers durch Zeitablauf erledigt hat oder nicht. Ausgehend vom Vortrag des Beklagten - zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung - wäre nämlich selbst im Falle einer Erledigung das Rechtsschutzinteresse bzw. die Klagebefugnis des Klägers nicht entfallen.

1. Geht man davon aus, dass trotz Ablaufs der in der Verfügung für die Erfüllung der Primäranordnung festgesetzten Frist (7. März 2014) nach wie vor Handlungs- und Duldungspflichten des Klägers bestehen, so läge unzweifelhaft nach wie vor ein belastender und vollziehbarer Verwaltungsakt (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) vor, welcher sich nicht erledigt hat. Der Kläger wäre im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da zumindest eine Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) möglich erscheint.

2. Sollte sich die Anordnung hingegen mittlerweile in Folge Zeitablaufs erledigt haben, wovon die Kammer ausgeht, so wäre eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO gleichwohl ausnahmsweise statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Im Rahmen des vom Kläger angestrengten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (Au 1 S 14.383) hat die Kammer den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 24. März 2014 im Wesentlichen abgelehnt.

Auf die vom Kläger erhobene Beschwerde hin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dann mit Beschluss vom 6. Mai 2014 (20 CS 14.791) den Beschluss der Kammer abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. In den Gründen wird dabei zentral auf die im Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung abgestellt und hierzu ausgeführt: „Die angefochtenen Zwangsgeldandrohungen erschienen als Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der Vollstreckung nach Art. 19 Abs. 2 VwZVG weder im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides noch im Zeitpunkt des Ablaufs der dem Antragsteller gesetzten Frist vorgelegen haben. (…) Innerhalb der im Änderungsbescheid bestimmten Fristen wurden aber amtliche Untersuchungen ausweislich des Akteninhaltes und laut Mitteilung des Antragsgegners vom 2. Mai 2014 weder angeordnet noch benannt. Damit erweist sich bei summarischer Prüfung im Eilverfahren die Zwangsgeldandrohung bereits aus diesem Grunde als rechtswidrig.“

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ging dabei nach hiesiger Auffassung davon aus, dass keine vollziehbare Duldungsverpflichtung (Primäranordnung) mehr besteht, wenn innerhalb des im Bescheid vorgegebenen Zeitfensters keine amtliche Untersuchung angeordnet wurde. In diesem Falle hätte sich die dem Kläger auferlegte Verpflichtung durch Zeitablauf erledigt.

b) Auch die Kammer geht davon aus, dass eine solche Erledigung durch Zeitablauf eingetreten ist.

(1) Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist dabei in einem ersten Schritt die Frage, welche Verpflichtung konkret dem Kläger auferlegt wurde.

Im Bescheid vom 23. Mai 2013 ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verfügung zwingend festgelegt, dass der Kläger seine Rinder durch einen Tierarzt „untersuchen zu lassen“ hat.

Der Kläger wurde somit primär verpflichtet, die Untersuchung seiner Rinder hinzunehmen, d. h. eine bestimmte Maßnahme zu dulden. Von ihm wurde hingegen nicht verlangt, einen bestimmten Erfolg zu erzielen oder ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Vielmehr wurde ihm auferlegt, bestimmte Handlungen durch einen Dritten hinzunehmen. Die Untersuchung sollte durch eine vom Landratsamt bereits zuvor (wohl zivilrechtlich) beauftragte Tierarztpraxis durchgeführt werden. Der Kläger selbst hatte damit gar keine Möglichkeit, die Untersuchung in eigener Person durchzuführen oder sie rechtlich zu erzwingen. Ein Vertragsverhältnis bestand nur zwischen dem Tierarzt und dem Landratsamt, nicht hingegen zwischen dem Kläger und dem Tierarzt. Der Kläger hatte keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf den Tierarzt, konnte ihm letztlich nur den Zugang zu seinen Tieren ermöglichen. Er war nur in der Lage, passiv etwas hinzunehmen, nicht aktiv etwas zu initiieren.

Ausweislich des Bescheids wird der Kläger auch nicht ausdrücklich verpflichtet, einen Tierarzt zu beauftragen, eine Untersuchung durchzuführen oder die Tiere selbst zu untersuchen. Vielmehr wurde ihm lediglich aufgegeben, die Tiere untersuchen zu lassen. Ein Vertragsverhältnis bestand zwischen Landratsamt und Tierarzt. Um den Untersuchungserfolg nicht zu gefährden, war dieses Vertragsverhältnis, wie auch das Landratsamt ausführlich begründet (Schriftsatz vom 29. Juli 2014) alleine nicht ausreichend. Vielmehr bedurfte es zusätzlich einer verbindlichen Verpflichtung des Klägers, die Untersuchung, welche das Landratsamt mit dem Tierarzt vereinbart hatte, hinzunehmen, d. h. zu dulden. Ohne eine entsprechende Duldungsverpflichtung des Klägers wäre die Durchführung der Untersuchung nicht möglich gewesen.

Daraus ergibt sich, dass dem Kläger aufgegeben wurde, eine Untersuchung durch einen Dritten hinzunehmen, sie nicht zu behindern und nicht zu vereiteln. Hätte der vom Landratsamt beauftragte Tierarzt den Betrieb des Klägers aufgesucht, wäre der Kläger damit verpflichtet gewesen, diesem den Zutritt zu gewähren und den Zugang zu den zu untersuchenden Tieren zu ermöglichen. Er hätte sich der Untersuchung nicht entgegenstellen dürfen. Weitere Einwirkungsmöglichkeiten auf den Tierarzt hatte der Kläger darüber hinausgehend nicht. Hätte sich der Tierarzt - aus welchen Gründen auch immer - geweigert, die Tiere des Klägers zu untersuchen oder hätte er einen vereinbarten Termin schlicht nicht wahrgenommen, so hätte der Kläger keinerlei rechtliche Handhabe gehabt, um den Tierarzt zu veranlassen, die Untersuchung dennoch durchzuführen. Gleichwohl würde ihm, folgte man der vom Landratsamt vertretenen Auffassung, die Fälligstellung des Zwangsgeldes drohen. Er müsste für nicht erfolgte Handlungen einstehen, die er nicht zu verantworten hat bzw. in eigener Person nicht erbringen oder erzwingen kann.

Daneben geht das Landratsamt davon aus, dass der Kläger auch gehalten ist, zur Durchführung dieser Untersuchung die erforderliche Hilfe zu leisten und einen mündlichen Untersuchungstermin mit der Tierarztpraxis zu vereinbaren. Dies folge aus den dem Bescheid beigefügten Hinweisen. Woraus sich diese Verpflichtungen rechtlich verbindlich ergeben sollen, bleibt dabei offen und wird auch nicht näher ausgeführt. Gegenstand der bescheidlichen Regelung sind diese Verpflichtungen jedenfalls nicht. Ein dem Bescheid beigefügter Hinweis stellt keine verbindliche und verpflichtende Regelung dar, sondern nur eine unverbindliche Mitteilung bestehender Sachverhalte oder vermeintlich bestehender Rechtspflichten. Damit war der Kläger gerade nicht durch den Bescheid verpflichtet worden, sich wegen eines Untersuchungstermins mit dem Tierarzt in Verbindung zu setzen oder andere Pflichten (etwa Mitwirkungspflichten) zu erfüllen. Dies folgt eindeutig aus dem (objektiv dem Bescheid zu entnehmenden) Willen des Landratsamtes, welches diese Tätigkeiten ausdrücklich in seine Hinweise, nicht aber in den Bescheid aufgenommen hat. Hätte das Landratsamt dem Kläger bestimmte Pflichten verbindlich auferlegen wollen, so hätte es nicht die Form des Hinweises gewählt, sondern die der rechtsmittelfähigen Verfügung. Es hätte den Kläger - wie dies in anderen Fällen praktiziert wird - verpflichtet, erstens einen Termin mit dem Tierarzt zu vereinbaren oder diesem innerhalb eines bestimmten Zeitraums Termine zu benennen. Zweitens hätte es die Verpflichtung aufgenommen, zu dem vereinbarten Termin den Zutritt zum Betrieb und den Zugang zu den Tieren zu ermöglichen. Drittens hätte es - soweit erforderlich - den Kläger verpflichtet, weitere Mitwirkungshandlungen zu erfüllen. All dieses ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.

Für die Annahme, im Bescheid seien entsprechende Pflichten nicht verbindlich festgelegt worden, spricht auch die Formulierung der Zwangsgeldandrohung in der Ziffer 3. des Bescheides. Diese bezieht sich nur auf eine einzige Verpflichtung und somit nur darauf, die Durchführung der Untersuchung zu dulden. Wären in der Ziffer 1. mehrere Verpflichtungen enthalten, hätte das Landratsamt sicherlich auch in der Ziffer 3. für die verschiedenen Verpflichtungen unterschiedliche Zwangsgelder angedroht. Es hätte in Angleichung an die oben angesprochene, in anderen Fällen praktizierte Vorgehensweise, für den Verstoß gegen jede einzelne Verpflichtung ein gesondertes Zwangsgeld angedroht. Bei Zuwiderhandlungen hätte es die jeweiligen Zwangsgelder für fällig erklären und weitere Zwangsmittel (erneute Zwangsgelder oder Ersatzvornahme) androhen können.

Zusammenfassend geht die Kammer davon aus, dass das Landratsamt zwar den Willen hatte, den Kläger dazu zu verpflichten, die Untersuchung hinzunehmen und die hierzu erforderlichen Schritte (Kontaktaufnahme, Terminvereinbarung und Mitwirkung) zu erfüllen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Sachvortrag des Landratsamts im vorliegenden Verfahren sowie dem des einstweiligen Rechtsschutzes. Ebenso eindeutig folgt aus dem Bescheid aber auch, dass nur die Duldungspflicht rechtlich verbindlich festgelegt wurde. Alle anderen Pflichten sind nicht im Bescheid, sondern allenfalls ansatzweise in den dem Bescheid beigefügten Hinweisen oder anderen Äußerungen enthalten. Somit verbleibt es bei der Verpflichtung, die Rinder untersuchen zu lassen. Weitere rechtliche Möglichkeiten, die Untersuchung voranzutreiben und zu bewerkstelligen, hat der Kläger auch gar nicht, da er selbst in keinem vertraglichen Verhältnis zu dem allein vom Landratsamt hierzu beauftragten Tierarzt steht.

(2) In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, innerhalb welchen Zeitraums die dem Kläger auferlegte Verpflichtung bestand.

Die Verpflichtung des Klägers, die Untersuchung hinzunehmen, endete nach Auffassung der Kammer ausweislich des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014 mit Ablauf des 7. März 2014.

Dies ergibt sich primär schon daraus, dass die in Ziffer 1. des ursprünglichen Bescheids vom 23. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheids festgesetzte Frist andernfalls keinen nachvollziehbaren Zweck oder Sinn hätte. In Ziffer 3. des Bescheids wurde eine eigene Frist für die Zwangsgeldandrohung gewählt. Warum daneben eine Frist für die Erfüllung der Verpflichtung in Ziffer 1. festgelegt werden sollte, die (etwas) kürzer ist als die Frist für die Fälligkeit des Zwangsgelds, ist nicht nachvollziehbar. Auch dies spricht eindeutig für eine temporär begründete Verpflichtung. Soll ein Bürger verpflichtet werden, eine bestimmte Handlung irgendwann in absehbarer Zukunft vorzunehmen oder - wie hier - eine Handlung eines Dritten zukünftig zu dulden, so kann ihm diese Primärverpflichtung grundsätzlich ohne zeitliche Grenze (jedenfalls nach hinten) auferlegt werden. Erst im Rahmen der Zwangsmittelandrohung wird dann eine Frist festgesetzt, ab der mit behördlichen Zwangsmaßnahmen zu rechnen ist. Eine zweigeteilte Fristsetzung ist in kaum einem Fall sachgerecht. Die Primäranordnung regelt, was dem Pflichtigen auferlegt wird, die Zwangsmittelandrohung legt fest, wie lange ihm hierfür Zeit bleibt, ehe Zwangsmaßnahmen drohen. Einer zeitlichen Grenze in der Primäranordnung bedarf es nur, wenn die Verpflichtung nicht auf unbestimmte Zeit gelten soll, sondern auf ein bestimmtes Zeitfenster beschränkt ist. Dies kommt insbesondere bei Duldungspflichten in Betracht.

Auch sämtliche anderen Umstände sprechen für einen Ablauf der Duldungsverpflichtung zum 7. März 2014. Im Ausgangsbescheid selbst ist hierzu ausgeführt, die Frist von sechs Wochen ergebe sich aus einer „notwendigen Steuerung der Untersuchungszahlen“. Eine objektive Auslegung dieser Formulierung lässt nach Auffassung der Kammer letztlich nur den Schluss zu, die Untersuchung habe innerhalb von sechs Wochen abgeschlossen werden sollen. In gleicher Weise ist in den beigefügten Hinweisen (6. Spiegelpunkt) davon die Rede, dass für die Untersuchung ein Zeitraum von sechs Wochen „angeordnet“ ist. Ein irgendwie gearteter Hinweis, dass auch nach diesem Zeitraum eine weitere Untersuchungspflicht besteht, ist dem Hinweis nicht zu entnehmen. Auch dies spricht für die Annahme, die Untersuchung sei auf einen Zeitraum von sechs Wochen beschränkt.

Würde man hier zu einer gegenteiligen Auffassung gelangen, wäre es nicht nachvollziehbar, warum dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 14. Januar 2014 eine neue Frist gesetzt wurde. Besteht die mit Bescheid vom 23. Mai 2013 auferlegte Verpflichtung auch nach Ablauf des dort genannten Zeitfensters auf unbestimmte Zeit weiter, bedarf es nicht einer Änderung dieser Vorgabe nach Ablauf des festgesetzten Termins. Nur wenn damit die Verpflichtung endet, muss die Untersuchungsverpflichtung - wie geschehen - erneut mittels behördlicher Einzelfallanordnung für einen neuen Zeitraum konkretisiert werden. Diese erneute Fristsetzung für die zu erfüllende Primärverpflichtung endet ihrerseits wiederum mit Ablauf des dem Kläger gesetzten Zeitraums. Würde die ursprüngliche Anordnung weitergelten, hätte es lediglich einer erneuten Fristsetzung für die Fälligkeit des Zwangsgeldes bedurft.

Sämtliche Umstände und Formulierungen sprechen nach Auffassung der Kammer somit für die Annahme, der Kläger habe nur für einen bestimmten Zeitraum (bis zum 7. März) verpflichtet werden sollen. Ein anderslautender Wille des Landratsamts kann dabei dem objektiven Erklärungswert nicht entgegenstehen.

Die vom Kläger zu erfüllende Duldungspflicht endete somit mit Ablauf des 7. März 2014. Innerhalb dieses Zeitraums haben keinerlei Untersuchungen stattgefunden. Eine weitere Duldungspflicht besteht nicht mehr, so dass sich der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt hat.

(3) Nichts anderes gilt nach Auffassung der Kammer dann, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der gesetzten Frist, wie vom Beklagten zuletzt angegeben, um eine „koordinierende Zielvorgabe“ handelt.

Auch diese kann bei objektiver Betrachtung letztlich nur bedeuten, dass die dem Kläger auferlegte Verpflichtung innerhalb eines bestimmten Rahmens durchgeführt werden soll. Im Schriftsatz vom 29. Juli 2014 führt das Landratsamt hierzu aus, die Rinderbestände im Landkreis ... sollten vor der Sömmerungsperiode 2014 alle auf Tuberkulose untersucht sein und die im Sommer 2013 gesömmerten nach der Sömmerung 2013. Auch dieser Zeitraum ist mittlerweile längst abgelaufen. Der Zeitraum, innerhalb dessen die Durchführung der Untersuchung hätte stattfinden sollen, ist also mittlerweile verstrichen. Selbst wenn man von einer koordinierenden Zielvorgabe ausgeht, hat sich diese mittlerweile gleichwohl erledigt, weil die Untersuchungskampagne inzwischen beendet ist. Sollte, aus welchen Gründen auch immer, erneut eine Untersuchungsverpflichtung festgesetzt werden, so bedürfte es hierfür wohl wiederum - wie bereits einmal erfolgt - eines erneuten Bescheides. Es ist dem Kläger kaum zumutbar, dass eine sofort vollziehbar erklärte Untersuchungsverpflichtung jederzeit wieder konkretisiert und durch Androhung von Zwangsmitteln vollstreckt werden kann.

Dies würde bedeuten, dass auch nach Ablauf des Untersuchungszeitraums der Kläger damit rechnen müsste, jederzeit mit Zwangsgeldern belegt zu werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn man davon ausgeht, dass die jederzeit mögliche Konkretisierung keines gesonderten Verwaltungsakts bedarf. In diesem Fall würde den Kläger auf unabsehbare Zeit eine Untersuchungsverpflichtung treffen, die jederzeit vollstreckt werden könnte. Sollte man hingegen davon ausgehen, dass die jederzeitige Konkretisierung im Rahmen eines gesonderten Bescheids erfolgt, so könnte dieser neue Bescheid dann Gegenstand eines erneuten Rechtsschutzbegehrens sein, der hier vorliegende Bescheid hätte sich durch Zeitablauf erledigt.

Zu keinem anderen Ergebnis kommt man auch, wenn man zur Auslegung die Erläuterungen des Beklagten im Rahmen der gerichtlichen Verfahren (auch im Beschwerdeverfahren) heranzieht. Die Regelungen eines Bescheids müssen für den Adressaten im Zeitpunkt der Bekanntgabe klar und nachvollziehbar sein - insbesondere wenn sie Grundlage von Vollstreckungsmaßnahmen sein sollen. Auf mögliche spätere Erklärungen oder Begründungen im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren kann der Betroffene nicht verwiesen werden.

c) Gleichwohl gebietet es auch bei dieser Auslegung das in Art. 19 Abs. 4 GG normierte Gebot effektiven Rechtsschutzes, dem Kläger die Anfechtung der Anordnung zu ermöglichen.

Das Landratsamt ... geht nämlich, wie es mehrfach betont hat, nach wie vor davon aus, dass noch eine Primärverpflichtung des Klägers besteht. In der mündlichen Verhandlung wurde hierzu ausdrücklich vorgetragen, dass davon ausgegangen werde, dass nach wie vor eine vollziehbare Primäranordnung vorliege. Die Verpflichtung aus dem Bescheid ende erst, wenn der gesamte Bestand untersucht sei. Alleine die Tatsache, dass der Kläger keinen Termin vereinbart habe, führe dazu, dass das Zwangsgeld fällig werde. Der Kläger muss somit nach wie vor damit rechnen, dass Zwangsgelder für fällig erklärt und eingezogen werden, wenn er etwa keinen Termin mit der Tierarztpraxis vereinbart. Diese Gefahr besteht, solange nicht der gesamte (sich stets ändernde) Bestand des Klägers (zu irgendeinem Zeitpunkt) untersucht wurde.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung des Landratsamts ist es dem Kläger nicht zuzumuten, den Bescheid vom 23. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014 hinzunehmen und auf eine mögliche Erledigung zu vertrauen. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes wäre es nicht vereinbar, wenn ihm nicht die Möglichkeit offen stünde, die gerichtliche Aufhebung einer Anordnung zu erwirken, aus welcher die Behörde nach wie vor gegen ihn vollstrecken will.

Ihm steht auch kein einfacher Weg zur Verfügung, sein Rechtsschutzziel zu erreichen. Eine Möglichkeit bestünde zwar darin, Vollstreckungshandlungen des Landratsamts abzuwarten und dann gegen diese (gegebenenfalls mittels einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO) im Rahmen eines erneuten Klageverfahrens vorzugehen. Daneben hätte im vorliegenden Verfahren möglicherweise auch einseitig der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt werden können (siehe hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 161 Rn. 20 ff). Beide Wege sind indes weder aus prozessökonomischen Gründen noch aus Sicht des Klägers sachgerecht oder einfacher und damit auch nicht geeignet, das Rechtsschutzinteresse für die vorliegende Anfechtungsklage entfallen zu lassen. Hiervon geht erkennbar auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 (20 CS 14.1032) aus, in der er ausführt, eine gleichlautende Anordnung sei nicht gegenstandslos geworden, weil nur die Sechs-Wochen-Frist als koordinierende Zielvorgabe abgelaufen sei. Dies würde den effektiven Rechtsschutz verkürzen und ihn möglicherweise darauf verweisen, gegen die Androhung von Zwangsmitteln vorgehen zu müssen, ohne sich weiter gegen den Grundverwaltungsakt im vorliegenden Rechtsschutz wehren zu können.

III.

Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid vom 23. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Ziffer 1. des Bescheids (Untersuchungsverpflichtung) kann rechtlich keinen Bestand haben, da sie zu unbestimmt ist und auch kein Ermessen von der Behörde ausgeübt wurde.

a) Rechtsgrundlage der Anordnung ist (die gemäß § 45 Abs. 1 TierGesG mittlerweile außer Kraft getretene Vorschrift des) § 17 Abs. 1 Tierseuchengesetz -TierSG.

Nach dieser Befugnisnorm können zum Schutz gegen die allgemeine Gefährdung der Viehbestände durch Tierseuchen amtsärztliche oder tierärztliche Untersuchungen einschließlich der Durchführung diagnostischer Maßnahmen, sowie Entnahme der hier notwendigen Proben angeordnet werden (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 TierSG).

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür sind erfüllt.

Auf die Ausführungen hierzu im Bescheid vom 23. Mai 2013 kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. In gleicher Weise hat das Landratsamt auch im Schriftsatz vom 29. Juli 2014 nachvollziehbar dargelegt, dass eine allgemeine Gefährdung der Viehbestände durch eine Tierseuche (Tuberkulose) besteht.

Die Kammer teilt wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen) die Einschätzung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 TierSG vorliegen.

Nach den aus einer Vielzahl anderer Verfahren bei der Kammer, die vom Bevollmächtigten des Klägers seit dem 1. Quartal 2013 anhängig gemacht wurden und die im Wesentlichen Tierhalter in den beiden Landkreisen ... und ... betreffen gewonnenen Erkenntnissen zur Frage der Bekämpfung der Tuberkulose bei Rindern, bestehen nach Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im vorliegenden Verfahren für das Gericht keine Zweifel daran, dass im Bereich des Landratsamtes ... von der Gefahr des Ausbruchs der Tuberkulose als Tierseuche auszugehen ist. Auch wenn die tatsächliche Zahl der festgestellten an Tuberkulose erkrankten Tiere nicht besonders groß erscheint, so zeigen die Feststellungen aufgrund der Untersuchung der Tiere im Bereich des Landratsamtes ... doch ein Seuchengeschehen, welches zwar bisher veterinärmedizinisch nicht abschließend geklärt, aber tatsächlich vorhanden ist.

Aufgrund dieses Sachverhalts und der damit bestehenden (abstrakten) allgemeinen Gefahr der Verbreitung der Viehseuche über das Verbringen von Rindern aus dem Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes ... in den Landkreis ..., vor allem durch das Sömmern von Rindern auf den dortigen Alpen, besteht für den Beklagten die Notwendigkeit, zum Schutz vor der Verbreitung der Tierseuche die (amts-)tierärztliche Untersuchung der Rinder anzuordnen, die in der Vergangenheit tatsächlich im Landkreis ... gehalten worden sind. Dies ist bei den vom Kläger gehaltenen Tieren unstreitig der Fall. Dem Vortrag des Beklagten, der Kläger hätte seine Rinder gesömmert, wurde an keiner Stelle widersprochen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in einer Entscheidung vom 18. August 2014 (20 CS 14.1675) aus: „Nach den substantiiert nicht bestrittenen Feststellungen in der Allgemeinverfügung (des Landkreises ...) kam es in den zurückliegenden Jahren im Landkreis ... immer wieder zu amtlichen Feststellungen des Ausbruches der Tuberkulose des Rindes in insgesamt elf Fällen seit dem Jahre 2008 (…). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn im Zusammenwirken der obersten Landesbehörde mit dem Bayerischen Landesamt für Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit, der Bayerischen Tierseuchenkasse und der Regierung von Schwaben sowie der Veterinärverwaltung ... im Hinblick auf den präventiven Verbraucherschutz neben dem bereits laufenden Untersuchungsprogramm „Tuberkulose bei Wildtieren im Alpenraum“ die Durchführung einer flächendeckenden Tuberkulose-Untersuchung aller Rinder im Landkreis ... beschlossen wurde, die nunmehr (…) durchgeführt wird.“

Diese Einschätzung kann letztlich auf den Landkreis ... übertragen werden. Durch Sömmerung haben die dortigen Rinder vielfach Kontakt mit Tieren im ..., so dass auch insoweit die Annahme, es bestehe eine abstrakte Gefahr, nicht zu beanstanden ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm sind nach Auffassung der Kammer auch unabhängig davon erfüllt, welche Untersuchungsmethode gewählt und ob bei jedem Tier eine neue Nadel verwendet wird. Diese Fragen brauchen im vorliegenden Verfahren indes letztlich nicht abschließend geklärt zu werden, da es hierauf entscheidungserheblich nicht ankommt.

c) Der angegriffene Bescheid ist jedoch schon deshalb rechtswidrig, weil die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat.

Nach § 17 Abs. 1 TierSG „können“ bestimmte Maßnahmen angeordnet werden. Die Verpflichtung einzelner Tierhalter steht somit im Ermessen der Behörde, welche dieses nach Art. 40 BayVwVfG auszuüben hat.

Erwägungen, die in diese Richtung gehen, sind dem Bescheid vom 23. Mai 2013 und auch dem Änderungsbescheid vom 14. Januar 2014 nicht zu entnehmen. Das Landratsamt hat zwar die einschlägige Rechtsgrundlage genannt und die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür aufgezeigt. Dann wird aber ausgeführt, dass die Untersuchung angeordnet werden „musste“. Das Landratsamt sei „gehalten“ die Untersuchung anzuordnen. Die Untersuchung „war anzuordnen“. Diese Formulierungen legen den Schluss nahe, dass das Landratsamt zu Unrecht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Auch wird auf mögliche Belange des Betroffenen - jedenfalls bei der Begründung der Primäranordnung - an keiner Stelle eingegangen. Ausführungen zum Ermessen finden sich im gesamten Bescheid (und auch im Änderungsbescheid) nicht.

Ermessensfehlerhaft ist eine Entscheidung dann, wenn die Behörde sich gar nicht bewusst ist, dass ihr in der Sache ein Ermessensspielraum zukommt und dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat oder aus anderen Gründen überhaupt keine oder keine eigene Ermessensentscheidung trifft bzw. keine Ermessenserwägungen anstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 40 Rn. 86).

Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Das Landratsamt hat ausweislich der streitgegenständlichen Bescheide, die hier alleine maßgeblich sein können, keinerlei Ermessenserwägungen angestellt und sich mit der Frage einer Ermessensbetätigung an keiner Stelle beschäftigt. Die betroffenen Interessen - jedenfalls des Klägers - werden überhaupt nicht thematisiert. Das Landratsamt hat damit von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Dieser Ermessensausfall unterliegt auch im Rahmen des gemäß § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Prüfungsrahmens der Nachprüfung durch das Gericht und führt zu einer Aufhebung des Bescheids.

Im Schriftsatz vom 5. März 2014 an den Bevollmächtigten des Klägers (auf seinen Antrag gemäß § 80 Abs. 4 VwGO hin) nennt das Landratsamt dann erstmals und nachvollziehbar die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Gesichtspunkte. Dies kann den im Bescheid enthaltenen Ermessensausfall jedoch nicht heilen. Die Ausführungen beziehen sich einerseits nur auf den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Andererseits ist bei einem Ermessensausfall wie hier ein Nachschieben von Gründen auch im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO nicht möglich.

d) Der Bescheid ist zudem nicht hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.

(1) Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz, gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen für die Beteiligten, insbesondere für die Adressaten des Verwaltungsakts, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 5).

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Verfügung nicht gerecht. Die Kammer hält insoweit - insbesondere auch angesichts des weiteren Vorbringens des Beklagten im Klageverfahren - nicht an ihrer im Beschluss vom 24. März 2014 (Au 1 S 14.383, dort Rn. 38 bis 40) zunächst vertretenen Auffassung fest.

(2) Ausgangspunkt der Beurteilung ist die Formulierung im Bescheid vom 23. Mai 2013, wonach der Kläger seine Rinder „durch die vom Landratsamt (…) bestimmte Tierarztpraxis (…) auf Tuberkulose untersuchen zu lassen“ hat. Diese Formulierung wurde auch durch den Änderungsbescheid vom 14. Januar 2014 beibehalten.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in seinem Beschluss vom 6. Mai 2014 (20 CS 14.791) aus: „Davon ausgehend können die Regelungen im Bescheid vom 23. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. Januar 2014 nur so verstanden werden, dass der Antragsteller verpflichtet werden sollte, die amtliche Untersuchung seiner über 24 Monate alten weiblichen Rinder seines Bestandes mit Ausnahme der Masttiere bis 7. März 2014 mittels Intrakutan-Test durch eine vom Landratsamt bestimmte Tierarztpraxis auf Tuberkulose zu dulden, mehr aber nicht, insbesondere nicht, selbst mit der Tierarztpraxis in Verbindung zu treten und Untersuchungstermine zu vereinbaren.“ Hiervon ausgehend würde dem Kläger nur eine Duldungspflicht obliegen, nicht aber irgendwie geartete Mitwirkungspflichten.

Davon geht - wie oben ausgeführt - auch die Kammer aus. Der Kläger hat eine amtlich angeordnete Untersuchung hinzunehmen, muss diese aber nicht aktiv in die Wege leiten oder initiieren.

(3) Demgegenüber hat das Landratsamt mehrfach, zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2014, mitgeteilt, dass es davon ausgehe, aus dem Bescheid ergebe sich eindeutig, dass der Kläger verpflichtet sei, einen Termin mit dem genannten Tierarzt zu vereinbaren. Daneben müsse er persönlich bei der Untersuchung anwesend sein und die erforderlichen Mitwirkungshandlungen erbringen, damit die Untersuchung stattfinden könne. In gleicher Weise ist im Schriftsatz vom 29. Juli 2014 (Seiten 8 und 9) ausgeführt, die Untersuchungsanordnung beinhalte Mitwirkungspflichten zur Ermöglichung der Untersuchung. Es werden eine ganze Reihe von einzelnen Pflichten genannt. Das Landratsamt geht davon aus, dass die Mitwirkungspflichten des Landwirts das eigentlich Wichtige der Verfügung „untersuchen zu lassen“ sind. Nur zu dulden sei nicht genug. Die Mitwirkungspflichten seien so essentiell, dass ohne sie ein ordnungsgemäßer Ablauf der Untersuchung nicht möglich ist. Genannt werden dann die Pflicht, den Tierarzt zu kontaktieren, die Tiere heranzutreiben, die Stalleinrichtung festzulegen, die Tiere wieder wegzutreiben, vor individuell aggressiven Tieren zu warnen, Auskünfte zur Identität von Tieren zu geben, Wasser und Reinigungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen etc.

(4) Damit ist für den Kläger nicht (mehr) hinreichend klar zu erkennen, welche konkreten Pflichten ihm auferlegt wurden.

Die Pflicht zur Vereinbarung eines Termins lässt sich nach Auffassung der Kammer dem Bescheidstenor an keiner Stelle entnehmen. Auch Art und Weise der geforderten Mitwirkungshandlungen sind an keiner Stelle im Bescheid näher beschrieben. Der Hinweis auf Seite 4 des Ausgangsbescheids, der Tierhalter und seine Vertretung seien verpflichtet, zur Durchführung der Untersuchung die erforderliche Hilfe zu leisten, stellt keine hinreichende Konkretisierung dar. Dies gilt insbesondere schon deshalb, weil Adressaten dieser Verpflichtung nach ihrem Wortlaut nicht nur der Kläger, sondern auch sonstige Dritte sind. Damit kann der Hinweis, wie sich aus seiner Bezeichnung auch ergibt, nicht Inhalt des Verwaltungsakts sein, da Dritte diesen zu keinem Zeitpunkt erhalten haben.

Der Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend kann der Bescheid somit nur so verstanden werden, dass der Kläger die Untersuchung dulden muss, mehr aber nicht. Nunmehr soll indes auf unbestimmte Zeit die Pflicht bestehen, einen Tierarzt zu kontaktieren und diesem bei der Untersuchung durch eine Vielzahl von Handlungen zu helfen. Der Umfang der vom Kläger geforderten und zwangsgeldbewährten Pflichten ist für den Kläger damit nicht mehr klar erkennbar, die Anordnung des Landratsamts ... ist jedenfalls mit der Auslegung, die ihm das Landratsamt selbst zugrunde legt, mit Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht vereinbar.

(5) Zutreffend werden, wie bereits oben ausgeführt, im Schreiben an das Gericht vom 29. Juli 2014 die erforderlichen Mitwirkungshandlungen des Klägers beschrieben. Hier teilt die Kammer die Auffassung, dass die Mitwirkungshandlungen des Landwirts essentiell sind, um die Untersuchung durchführen zu können. Dies ändert aber nichts daran, dass diese Pflichten dann im gegenständlichen Bescheid rechtssatzmäßig festgelegt werden müssen.

Nicht zu überzeugen vermag indes der Vortrag, der Kläger als Landwirt würde schon wissen, welche Pflichten ihm obliegen. Bei der Ermittlung des Inhalts einer Regelung ist nicht auf die subjektive Vorstellung der Personen abzustellen, die innerhalb der Behörde die Entscheidung getroffen oder den Verwaltungsakt verfasst haben, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen schriftlich Mitgeteilten, so wie sich dieses dem Betroffenen darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss.

(6) Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass es durchaus möglich ist, die Mitwirkungspflichten hinreichend konkret zu beschreiben.

Auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Juli 2014 (20 CS 14.1504) kann Bezug genommen werden. Dort ist ausgeführt: „Ausdrücklich werden im Bescheid (…) genannt, Auskünfte zu erteilen, die testpflichtigen Tiere vollständig und termingerecht aufzustallen und bei der Untersuchung mitzuwirken, indem der Antragsteller die testpflichtigen Rinder einzeln vorführt und so fixiert, dass die Testdurchführung ungehindert möglich ist.“

In gleicher Weise hat das Verwaltungsgericht München in zwei Fällen die Bestimmtheit einer Anordnung nicht beanstandet, in welcher allerdings angeordnet wurde, dass der Besitzer der Rinder die Anordnung zu dulden und die zur Durchführung der Untersuchung erforderliche Hilfe zu leisten hat (Beschluss vom 5.5.2014 - M 18 S 14.1867 und Beschluss vom 19.3.2014 - M 18 S 14.1094).

2. Die Ziffer 3. des Bescheids in der Form des Änderungsbescheids (Zwangsgeldandrohung) kann rechtlich gleichfalls keinen Bestand haben.

a) Die Androhung eines Zwangsgeldes nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG setzt voraus, dass eine (vollziehbare) Pflicht zu einer Handlung oder Duldung besteht.

Wird - wie hier - die Primäranordnung durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben, entfällt damit auch die Grundlage für deren Vollstreckung.

b) Die hier streitige Androhung ist zudem ihrerseits rechtswidrig.

Nach Art. 29 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Zu diesen Zwangsmitteln zählt nach Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG auch das Zwangsgeld gemäß Art. 31 VwZVG. Dieses ist nach Maßgabe des Art. 36 VwZVG anzudrohen, insbesondere ist dabei - da das Zwangsgeld im Falle der Zuwiderhandlung bzw. Nichterfüllung automatisch fällig wird (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 mit 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) - das Gebot der Bestimmtheit zwingend zu beachten.

Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG schreibt in gleicher Weise vor, dass ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden muss. Wenn ein Bescheid den Adressaten zu mehreren Handlungen verpflichtet, darf im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht pauschal ein Zwangsgeld angedroht werden; es ist vielmehr eine Differenzierung geboten (Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, § 19 Rn. 133 a).

Diesen Vorgaben wird die Ziffer 3. des Bescheids vom 23. Mai 2013 in der Form des Änderungsbescheids vom 14. Januar 2014 nicht gerecht. Sie spricht von nur einer „Verpflichtung“, deren Nichtbefolgung zur Fälligkeit des Zwangsgeldes führt. Das Landratsamt geht hingegen, wie ausgeführt, von einer ganzen Reihe von Pflichten aus, die infolge des Bescheids dem Kläger obliegen. Für diesen ist somit nicht erkennbar, ob und in welcher Höhe das Zwangsgeld fällig wird, wenn er es etwa unterlässt, den Tierarzt zu kontaktieren oder eine seiner vielen Mitwirkungspflichten nicht erfüllt. Für alle diese verschiedenen Pflichten wird einheitlich ein Zwangsgeld angedroht. Dies ist mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Da der Beklagte ein einheitliches Zwangsgeld für den Fall angedroht hat, dass der Kläger seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, bleibt unklar, welches Zwangsgeld bei welchem Pflichtenverstoß fällig wird. Angesichts der unterschiedlichen Bedeutung der einzelnen Pflichten kommt auch eine Auslegung, dass bei jeder Pflichtverletzung dasselbe Zwangsgeld fällig wird, nicht in Betracht (ebenso BayVGH, B. v. 1.2.2010 - 10 CS 09.3202).

IV.

Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte hat als unterlegener Teil die Verfahrenskosten zu tragen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 06/05/2014 00:00

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. März 2014 wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Unterallgäu vom 23. Mai 2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. J
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.