Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 7. Mai 2024 - Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463

bei uns veröffentlicht am11.07.2024

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Kurzfassung des Beschlusses vom Verwaltungsgericht Augsburg, 7. Mai 2024 - Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463

Der Kläger wandte sich gegen die Schlussbescheide der Beklagten, die die vorläufigen Bewilligungsbescheide zur Überbrückungshilfe aufhoben und seine Anträge endgültig ablehnten. Er begehrte die Aufhebung dieser Bescheide, die Möglichkeit zur Einreichung einer Schlussabrechnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe ab, da die Klagen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg boten. Es stellte fest, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur fristgerechten Einreichung der Endabrechnung nicht nachgekommen war, obwohl er im Antrag und Bescheid darauf hingewiesen worden war. Die Beklagte durfte aufgrund der hohen Anzahl gleichartiger Fälle auf eine gesonderte Anhörung verzichten und die elektronische Einreichung der Endabrechnung war gerechtfertigt.

Das Gericht betonte, dass die Rückforderung der Fördermittel rechtmäßig sei und der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, da er seine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Die vermögenslosen Verhältnisse des Klägers änderten nichts an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung.

Verwaltungsgericht Augsburg

Beschluss vom 7. Mai 2024

Az.: Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463

 

 

Tenor

1. Die Verfahren Au 6 K 23.2260 und Au 6 K 24.463 werden zur Entscheidung über Prozesskostenhilfe miteinander verbunden.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten wird in beiden Verfahren abgelehnt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen Schlussbescheide der Beklagten über die Schlussabrechnung von Überbrückungshilfe. Darin hob die Beklagte die vorläufigen Gewährungsbescheide auf und lehnte die Anträge abschließend ab. Er begehrt mit seinen Klagen die Aufhebung der Schlussbescheide, die Möglichkeit zur Einreichung einer Schlussabrechnung sowie hierfür Prozesskostenhilfe.

I.

Der Kläger stellt nach seinen Angaben Waren auf Märkten aus. Die Weihnachtsmärkte seien aber alle ausgefallen.

Der Kläger ließ – im Verfahren Au 6 K 23.2260 – durch seine Bevollmächtigte als prüfende Dritte einen auf den 26. März 2021 datierten und von der Beklagten mit Eingangsbestätigung vom 13. April 2021 entgegen genommenen Antrag auf Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen („Neustarthilfe“) stellen und wurde bereits im Antragsformular auf seine Verpflichtung hingewiesen, bis zum 31. Dezember 2021 eine Endabrechnung einzureichen (Behördenakte zum Antrag Az. * – Au 6 K 23.2260 Bl. 6) und bestätigte dies auch mit seiner Unterschrift (ebenda Bl. 8 f.).

Mit Bescheid vom 16. April 2021 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Betriebskostenpauschale von 6.469,74 Euro für den beantragten Zeitraum Januar bis Juni 2021 nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 („Überbrückungshilfe III“ – „Neustarthilfe“). In den Nebenbestimmungen zum Bescheid, der auch die Verpflichtungen aus dem Antragformular zum Bescheidsbestandteil erklärte, wurde u.a. ausgeführt:

„Die oder der Begünstigte wurde bei Beantragung zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des Förderzeitraums verpflichtet, unter Angabe der Umsätze im Förderzeitraum. […] Die Endabrechnung ist bis zum 31. Dezember 2021 über ein Online-Tool auf der Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de einzureichen. Auf einem anderen Kommunikationsweg eingereichte Endabrechnungen können nicht bearbeitet werden. Im Rahmen der Endabrechnung wird die endgültige Förderhöhe der Neustarthilfe anhand des im Förderzeitraums Januar 2021 bis Juni 2021 realisierten Umsatzes berechnet. Sollte der in der Endabrechnung berechnete Förderbetrag geringer ausfallen als die bereits ausgezahlte Vorschusszahlung, ist die Neustarthilfe (teilweise) zurückzuzahlen.“

Am 16. April 2021 wurde der Förderbetrag ausgezahlt (ebenda Bl. 42). Der Kläger reichte keine Schlussabrechnung ein.

Mit Schlussbescheid vom 5. Dezember 2023, am selben Tag zum Abruf digital bereitgestellt, lehnte die Beklagte den Antrag vom 13. April 2021 ab (Nr. 1 des Bescheids) und ersetzte den vorläufigen Bewilligungsbescheid durch den Schlussbescheid vollständig (Nr. 2). Weiter wies sie darauf hin (Nr. 3), eine Endabrechnung sei nicht fristgerecht eingereicht worden und der Betrag in Höhe von 6.469,74 Euro sei bis zum Ablauf von einem Monat ab Datum dieses Schlussbescheids (5. Dezember 2023) zurückzuzahlen. Der zu erstattende Betrag sei analog Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG ab dem Tag der Auszahlung der Neustarthilfe bis zur Rückzahlung des Erstattungsbetrages mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.

Zur Begründung führte die Beklagte u.a. an, eine Anhörung sei nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG entbehrlich. Gemäß Ziff. XXII 4 Abs. 2 Nr. 1 der Vollzugshinweise in Verbindung mit den FAQ 4.8 der Neustarthilfe sei die Endabrechnung bis spätestens 31. Dezember 2021 einzureichen (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. Dezember 2021 erlassen wurde), im Falle der Antragstellung über einen prüfenden Dritten bis spätestens 31. März 2023 (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. März 2023 erlassen wurde). Der Kläger habe eine entsprechende Endabrechnung nicht fristgerecht über das Online-Tool eingereicht. Er habe sich aber im Antrag dazu verpflichtet, den Vorschuss auf die Neustarthilfe vollständig zurückzuzahlen, wenn er seine Endabrechnung nicht fristgerecht einreiche. Dieser Pflicht zur Einreichung der Endabrechnung sei er nicht nachgekommen. Analog Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein vorläufiger Verwaltungsakt durch Schlussbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt worden sei. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe nicht erfüllt. Es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen und den bereits ausgezahlten Betrag zurückzufordern.

Mit Telefax vom 11. Dezember 2023 beantragte die Klägerbevollmächtigte „wegen Fristablaufs Schlussabrechnung Neustarthilfe die Überbrückungshilfe III und III Plus“ für den Kläger (ebenda Bl. 45), was die Beklagte mit E-Mail vom 19. Dezember 2023 ablehnte (ebenda Bl. 44).

Der Kläger ließ gegen den Bescheid durch seine Bevollmächtigte am 29. Dezember 2023 Klage erheben mit dem Antrag:

1. Der Schlussablehnungsbescheid wird aufgehoben.

2. Die Schlussabrechnung wird entsprechend der in der Anlage angegebenen Zahlen durchgeführt.

3. Hilfsweise wird geprüft, ob ein Erlass des Rückzahlungsbetrags wegen Vermögenslosigkeit und Existenzsicherung möglich ist.

4. Hilfsweise bitte ich um Prüfung, ob ein Übergang zur Überbrückungshilfe möglich ist.

5. Dem Kläger wird Einsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der Schlussabrechnung gewährt.

Zur Klagebegründung ließ er ausführen, der Schlussbescheid sei rechtswidrig, denn vor Erlass des belastenden Verwaltungsakts sei keine Anhörung erfolgt, auch kein Hinweis auf Fristablauf, Erinnerung oder Mahnung. Eine elektronische Übermittlung sei wegen des geschlossenen Portals nicht mehr möglich gewesen und eine verspätete Abrechnung außerhalb des Portals habe die Beklagte nicht zugelassen. Alle Fristen seien verlängert worden, nur nicht für die Neustarthilfe. Zum 31. März 2023 sei aber auch das Besteuerungsverfahren für den Kläger für das Jahr 2021 (Fristende 31. August 2023) noch nicht abgeschlossen gewesen, so dass der Kläger keine endgültigen Daten habe liefern können. Der Kläger sei vermögenslos, habe ein sehr geringes Renteneinkommen und sei auf die Einnahmen aus der gewerblichen Tätigkeit angewiesen. In Bayern sei zu Unrecht ein Widerspruch gegen den Bescheid ausgeschlossen und damit eine Nachholung der Schlussabrechnung im Widerspruchsverfahren. Die gesamten Corona-Hilfen seien uneinheitlich ausgestaltet und bis auf jene für die Neustarthilfe seien alle Fristen für Überbrückungshilfen einheitlich bis zum 31. März 2024 verlängert worden. Die Klageerhebung diene auch der Abwendung von Schadensersatzprozessen gegen den prüfenden Dritten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Sie verwies auf die Bescheidsbegründung und erläuterte diese. Die Endabrechnungen für überprüfende Dritte gestellte Anträge seien bis zum 31. März 2023 über die Plattform einzureichen gewesen. Auf einem anderen Kommunikationsweg eingereichte Endabrechnungen hätten nicht bearbeitet werden können. Der Kläger habe sich zur fristgerechten Endabrechnung bei der Antragstellung verpflichtet und sei durch den Bewilligungsbescheid nochmals darauf hingewiesen worden. Von einer Anhörung habe wegen der großen Zahl gleichartiger Fälle abgesehen werden dürfen. In 5,8% der 95.822 Antragsverfahren sei keine Endabrechnung eingereicht worden. Bei einer Gruppe von über 5.000 Bescheidsempfängern könne von einer Anhörung abgesehen werden, die sonst mit enormem zeitlichem und personellem Aufwand verbunden sei.

Der Kläger und die Beklagte erklärten sich im Verfahren Au 6 K 23.2260 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter einverstanden.

Der Kläger ließ – im Verfahren Au 6 K 24.463 – durch seine Bevollmächtigte als prüfende Dritte einen auf den 1. Oktober 2021 datierten und von der Beklagten mit Eingangsbestätigung vom 17. März 2022 entgegen genommenen Antrag auf Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen („Neustarthilfe Plus“) stellen und wurde bereits im Antragsformular auf seine Verpflichtung hingewiesen, bis zum 31. Dezember 2022 eine Endabrechnung einzureichen (Behördenakte zum Antrag Az. * – Au 6 K 24.463 Bl. 4) und bestätigte dies auch mit seiner Unterschrift (ebenda Bl. 8 f.). Nachfragen der Beklagten beantwortete die Klägerbevollmächtigte (ebenda Bl. 25).

Mit am 10. Mai 2022 bereitgestelltem Bescheid vom 10. Mai 2022 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Betriebskostenpauschale von 3.799,92 Euro für den beantragten Zeitraum Juli 2021 bis September 2021 nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 4 („Überbrückungshilfe III Plus“ – „Neustarthilfe Plus“). In den Nebenbestimmungen zum Bescheid wurden wie zur Neustarthilfe Hinweise auf die Verpflichtung zur Einreichung einer Endabrechnung durch Selbstprüfung erteilt und dass ohne Endabrechnung der ausgezahlte Vorschuss vollständig zurückzuzahlen ist (Nr. 3 des Bescheides). Am 10. Mai 2022 wurde der Förderbetrag ausgezahlt (ebenda Bl. 44). Der Kläger reichte aber keine Schlussabrechnung ein.

Mit Telefax vom 11. Dezember 2023 beantragte die Klägerbevollmächtigte „wegen Fristablaufs Schlussabrechnung Neustarthilfe die Überbrückungshilfe III und III Plus“ für den Kläger (ebenda Bl. 42), was die Beklagte mit E-Mail vom 19. Dezember 2023 ablehnte (ebenda Bl. 43).

Mit Schlussbescheid vom 31. Januar 2024, am selben Tag zum Abruf digital bereitgestellt, lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. März 2022 ab (Nr. 1 des Bescheids) und ersetzte den vorläufigen Bewilligungsbescheid durch den Schlussbescheid vollständig (Nr. 2). Weiter wies sie darauf hin (Nr. 3), eine Endabrechnung sei nicht fristgerecht eingereicht worden, ein Anspruch auf die Billigkeitsleistung sei daher abschließend abzulehnen und der Betrag in Höhe von 3.799,92 Euro sei bis zum Ablauf von einem Monat ab Datum dieses Schlussbescheids (31. Januar 2024) zurückzuzahlen. Der zu erstattende Betrag sei analog Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG ab dem Tag der Auszahlung der Neustarthilfe bis zur Rückzahlung des Erstattungsbetrages mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.

Zur Begründung führte die Beklagte entsprechend dem Schlussbescheid zur Neustarthilfe vom 5. Dezember 2023 unter Nennung der für die Neustarthilfe Plus geltenden Fristen aus (s.o.).

Der Kläger ließ hiergegen durch seine Bevollmächtigte am 26. Februar 2024 Klage erheben und neben Prozesskostenhilfe beantragen,

1. Der Schlussablehnungsbescheid vom 31. Januar 2024 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Schlussabrechnung des Klägers außerhalb der Frist zuzulassen bzw. dem Kläger eine angemessene Frist zur Durchführung der Schlussabrechnung zu gewähren bzw. die Schlussabrechnung wird entsprechend der in der Anlage angegebenen Zahlen durchgeführt.

3. Hilfsweise wird folgendes beantragt,

a) Es wird Einsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

b) Es wird geprüft, ob ein Erlass des Rückzahlungsbetrags wegen Vermögenslosigkeit und Existenzsicherung möglich ist.

Zur Klagebegründung ließ er ergänzend bezüglich der Neustarthilfe ausführen, die Schlussabrechnung sei nicht fristgerecht eingereicht worden. Darauf habe er die Beklagte im Schreiben vom 9. Dezember 2023 hingewiesen und die für die Schlussabrechnung erforderlichen Zahlen übermittelt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Sie verwies auf die Bescheidsbegründung und erläuterte diese.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.

II.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil den Klagen die hinreichenden Erfolgsaussichten fehlen.

Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ, a.a.O., Rn. 38).

I.

Die Klagen gegen die Schlussbescheide sind im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses, welcher hier dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife vorausgeht, voraussichtlich unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1VwGO) und bieten daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Die Aufhebung des vorläufigen Bewilligungsbescheids vom 16. April 2021 durch Schlussbescheid vom 5. Dezember 2023 und des vorläufigen Bewilligungsbescheids vom 10. Mai 2022 durch Schlussbescheid vom 31. Januar 2024 wegen fehlender fristgerechter Schlussabrechnung ist nicht rechtswidrig.

a) Der Kläger hat unstreitig in beiden Förderverfahren keine Schlussabrechnung in der vorgegebenen Frist eingereicht, zu der er sich aber bei seiner Antragstellung verpflichtet hatte. Dies führt selbst im Fall der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Bescheide zu einer Widerrufsbefugnis der Beklagten nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG, denn die Selbstverpflichtung zur Schlussabrechnung war zugleich als Nebenbestimmung der vorläufigen Bescheide ausgestaltet und entsprach zusätzlich einem Widerrufsvorbehalt bzgl. der Nachprüfung i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Daher durfte die Beklagte die beiden vorläufigen Bescheide durch die Schlussbescheide ersetzen und die Anträge mangels rechtzeitigen Nachweises der Fördervoraussetzungen auch ablehnen.

b) Die Beklagte hat des Weiteren auch ermessensfehlerfrei von ihrer Widerrufsbefugnis Gebrauch gemacht.

Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit ihrer Verwaltungspraxis. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall des Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG hat die Beklagte zu Recht ihr Ermessen zu Gunsten eines Widerrufs ausgeübt. Dabei reduziert sich ihr Ermessen auf eine regelmäßige nachträgliche Beseitigung des Gewährungsbescheids, denn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel erfordert regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris Rn. 16; auch HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44). Dies gilt auch bei einer Bewilligung einer Coronabeihilfe (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.). Demnach ist in der Fallkonstellation auch bei einer Coronabeihilfe von einem intendierten Ermessen infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 32 f. m.w.N.) auszugehen. Infolgedessen ist ein Vertrauensschutz im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass – hier: spätestens im Rahmen seiner Schlussabrechnung – substantiierte Angaben hätte machen müssen und können.

c) Die Einwände des Klägers gegen die Ausgestaltung des Antrags- und Schlussabrechnungsverfahrens greifen nicht durch, insbesondere liegen auch insoweit keine Ermessensfehler der Beklagten hinsichtlich des Widerrufs der vorläufigen Bescheide vor.

aa) Es liegt kein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs vor.

Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines in seine Rechte eingreifenden Bescheids Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier geschehen, denn der Kläger hatte die Möglichkeit, sich im Rahmen einer fristgerecht einzureichenden Schlussabrechnung und damit vor Erlass der Schlussbescheide zu äußern. Genau diesen Zweck der vollständigen Tatsachenerfassung für die ex-post-Prüfung der vorläufigen Bescheide erfüllt die Schlussabrechnung. Hierzu bedarf es aber auch der Mitwirkung des Beteiligten. Nimmt er – wie hier der Kläger – diese Gelegenheit nicht wahr, liegt kein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs vor. Eines gesonderten Hinweises auf den Fristablauf, einer Erinnerung oder Mahnung bedurfte es dazu nicht. Dies gilt erst recht, wenn sich ein Antragsteller wie hier durch einen prüfenden Dritten vertreten lässt, der schon von Berufs wegen mit der Einhaltung von Fristen vertraut ist und von dem eine sachgerechte Fristenkontrolle verlangt werden kann.

Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger umgekehrt wegen seiner fehlenden Mitwirkung an der Schlussabrechnung nicht berufen. Er unterliegt in einem automatisierten Massenverfahren wie jenem auf Corona-Hilfen einer erhöhten Sorgfaltspflicht für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben, sogar unter näherer Befassung mit den Antragsvoraussetzungen und vom Zuwendungsgeber zur Verfügung gestellten Informationsmaterialien (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – Rn. 11). Diese hat der Kläger nicht erfüllt.

Auf eine gesonderte Anhörung vor Widerruf und Rückforderung durfte die Beklagte nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG verzichten, da sie in einer Größenordnung von rund 5.000 Verfahren gleichartige Widerrufs- und Rückforderungsbescheide erlässt, von denen einige bereits auch Streitgegenstände am Verwaltungsgericht sind.

bb) Es liegt auch sonst kein zur Rechtswidrigkeit des Schlussbescheids führender Verfahrensfehler vor:

Die Fristen für die Schlussabrechnung sind bundeseinheitlich und auch der Beklagten vorgegeben. Einwände gegen deren Verlängerung durch den Bund bzw. gegen deren unterschiedlichen Termine – für Direktantragsteller im Vergleich zu von prüfenden Dritten vertretene Antragsteller oder für die Überbrückungshilfe im Vergleich zur Neustarthilfe – greifen daher nicht durch (arg. ex Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG). Auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Antragstellern derselben Förderung könnte die Beklagte selbst bei einer entsprechenden Befugnis nicht abweichen. Gründe für eine Wiedereinsetzung, die für eine behördliche Frist nach Art. 32 Abs. 4 BayVwVfG übrigens bei der Behörde und nicht bei dem Verwaltungsgericht zu beantragen ist, sind weder substantiiert noch fristgerecht geltend gemacht.

Dass auf einem anderen als dem elektronischen Kommunikationsweg über das Portal eingereichte Endabrechnungen nicht bearbeitet werden können und die Beklagte daher auf die nach Fristablauf erfolgte Schließung des Portals verweist, ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden. In einem Massenverfahren wie hier dient die elektronische Antragstellung der Verfahrensbeschleunigung und damit auch der schnelleren Sicherung der Liquidität der Betriebe durch zeitnahe vorläufige Prüfung der Antragsberechtigung und Auszahlung einer Förderung. Ebenso dient die elektronische Einreichung der Schlussabrechnung der Verfahrensbeschleunigung durch zeitnahe abschließende Prüfung der Antragsberechtigung und widrigenfalls Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Förderungen.

2. Die Rückforderung der mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 16. April 2021 und vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 10. Mai 2022 unter Vorbehalt der Nachprüfung ausgezahlten Förderbeträge ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Rückforderung der Abschlagszahlung findet ihre Rechtsgrundlage entweder analog in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach im Falle des Widerrufs eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit (Art. 49 Abs. 2a Satz 1 BayVwVfG) oder des Eintritts einer auflösenden Bedingung – Erlass des Schlussabrechnungsbescheids unter Ersatz des vorläufigen Bewilligungsbescheids – oder im allgemeinen Erstattungsanspruch, wonach bereits erbrachte, aber zu Unrecht erhaltene Leistungen zu erstatten sind. Die Erstattung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Wie dargestellt wurden die vorläufigen Bewilligungsbescheide durch die Schlussbescheide vom 5. Dezember 2023 und vom 31. Januar 2024 vollständig ersetzt und so mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen oder durch Bedingungseintritt ab Erlass des Schlussabrechnungsbescheids unwirksam, weshalb die Voraussetzungen für die Rückforderung der bereits überzahlten Beträge vorliegen. Welche Rechtsgrundlage im Einzelnen greift (vgl. zum Streitstand vgl. einerseits BVerwG, U.v. 19.11.2009 - 3 C 7.09 – Rn. 16; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2022, § 49a VwVfG Rn. 8; andererseits Schoch/Schneider/Schoch, Verwaltungsverfahrensgesetz, Loseblatt, Stand: 4. EL November 2023, § 49a VwVfG Rn. 32), kann im Wege der Wahlfeststellung offenbleiben, da die jeweils für einschlägig erachtete Rechtsgrundlage auch tatbestandlich erfüllt ist.

Die Rückforderung ist mit Blick auf den Grundsatz der sparsamen Bewirtschaftung öffentlicher Mittel auch im Falle eines – wie hier – vorläufigen Bewilligungsbescheids geboten. Dieser ist hier die zutreffende Handlungsform gewesen, denn eine Behörde darf eine vorläufige Regelung treffen, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt, d.h. Umstände betrifft, die erst künftig eintreten und die nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – Rn. 21). Das war hier der Fall mit Blick auf die noch nicht absehbare Umsatzentwicklung im geförderten Betrieb und die noch ausstehende Schlussabrechnung.

Der Rückerstattungsanspruch kann mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 19, 28; OVG NRW, B.v. 16.4.2021 – 4 A 3435/20 – juris Rn. 24). Dies ist hier geschehen.

Der Kläger kann sich hinsichtlich der Rückforderung nicht auf einen eventuellen Wegfall der Bereicherung berufen.

Für den Umfang der Erstattung gelten mit Ausnahme der Verzinsung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, weshalb grundsätzlich auch eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB in Frage kommt. Danach ist grundsätzlich nur noch eine im Vermögen vorhandene Bereicherung herauszugeben.

Zwar hat der Kläger zwar vorgebracht, vermögenslos zu sein. Ein weiterer Vortrag zur Entreicherung erfolgte jedoch nicht und würde auch nicht durchgreifen.

Des Weiteren scheitert eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung durch den Kläger, für sich selbstständig tragend, auch an Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, da der Kläger jedenfalls die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben, da die zurückgeforderte Zuwendung durch die unterlassene fristgerechte Schlussabrechnung – und den dadurch nötigen Nachweis der Antragsberechtigung –, also in wesentlichen Punkten unzutreffende oder unvollständige Angaben hinsichtlich der coronabedingten Umsatzrückgänge erwirkt wurde (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – juris Rn. 68) bzw. die auflösende Bedingung der nicht fristgerechten Einreichung der Schlussabrechnung ausgelöst wurde.

3. Die Regelung zur Verzinsung folgt nach Zeitraum und Höhe der gesetzlichen Vorgabe des Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG für die Pflicht zur Verzinsung ab Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes. Da der Kläger die Unwirksamkeit der vorläufigen Bescheide durch die unterlassene fristgerechte Schlussabrechnung zu vertreten hat, steht der Beklagten nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG auch keine Befugnis zur Abweichung hiervon zugunsten des Klägers zu. Die Beklagte hat auch im Rahmen des von ihr zu bewältigenden Massenverfahrens die erforderliche und im vorläufigen Bewilligungsbescheid vorbehaltene Nachprüfung unverzüglich vorgenommen (vgl. zu diesen Maßstäben BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – Rn. 212), auch wenn es der Kläger bei rechtzeitiger Einreichung der Schlussabrechnung sogar in der Hand gehabt hätte, jene früher auszulösen. Die entsprechende Regelung in den Schlussbescheiden begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken.

II.

Auf die Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht mehr an.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 7. Mai 2024 - Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 7. Mai 2024 - Au 6 K 23.2260, Au 6 K 24.463