Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 10. Feb. 2015 - AN 3 K 14.30467

published on 10/02/2015 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 10. Feb. 2015 - AN 3 K 14.30467
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Gericht

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Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. März 2014, Az.: ... wird in den Ziffern 1, 3, 4 und 5 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der im Jahr 1990 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit oromischer Volkszugehörigkeit und protestantischer Christ. Er reiste mit einem Schengen-Visum der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in A. A1., das vom 3. August 2012 bis 25. August 2012 Gültigkeit besaß, am 5. August 2012 auf dem Luftweg von A. A1. über D. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er erklärte, seinen Reisepass nach seiner Ankunft in Deutschland vernichtet zu haben.

Das Visum war im Zusammenhang mit der Teilnahme des Klägers an einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes zur wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung in Deutschland erteilt worden. Er erklärte in seiner Anhörung zur Identitätsklärung bei der Regierung von ... am 5. September 2012, er habe am 28. August 2012 in Gießen einen Asylantrag gestellt. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Z. beantragte der Kläger am 18. September 2012 die Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik.

In seiner Anhörung gemäß § 25 AsylVfG am22. Oktober 2012 in Zirndorf erklärte der Kläger, er könne nicht richtig Amharisch sprechen. An der Universität in A. A1., wo er studiert habe, gebe es eine Abteilung für Oromo oder es werde Englisch gesprochen. Er sei wegen politischer Probleme des Vaters, des Bruders und letztlich auch wegen eigener politischer Probleme aus Äthiopien ausgereist. Er habe an der Universität Probleme bekommen, weil er und andere immer wieder Forderungen gestellt hätten, das für die oromische Sprache eine selbstständige Abteilung geschaffen werden sollte. Im Zeitraum April/Mai 2010 habe es Probleme zwischen den tigrinischen und oromischen Studenten gegeben. Dabei seien auch Steine geflogen. Sie seien als oromische Studenten inhaftiert worden. Er selbst sei zehn Tage lang inhaftiert gewesen und habe Unterricht versäumt, dann aber weiter studiert. Im September 2010 seien drei bewaffnete Leute zu seiner Schwester gekommen und hätten ihn mit auf das Polizeirevier in L. genommen. Dort sei er fünf Tage lang festgehalten und geschlagen worden. Danach sei er freigelassen worden. Er sei befragt worden, ob er die OLF kenne. Dies habe er verneint, dann sei er der Lüge bezichtigt und von einem Polizisten geschlagen worden. Er habe nicht zugegeben, dass er als Student die OLF kenne. Seine Eltern hätten in einem typischen Oromogebiet gelebt. Er sei im Herbst 2010 mehrfach von der Polizei befragt und teilweise auch festgehalten worden. Bei der dritten Befragung sei dann erlaubt worden, dass eine Bürgschaft geleistet werde. Der Onkel habe für ihn gebürgt, aber nicht mit Geld. Er habe bereits im September 2011 den Antrag für das Studium im Ausland gestellt. Zuvor habe er zwei oromischen Kindern Sprachunterricht gegeben und dem Vater geholfen, Geld für die OLF an der Universität zu sammeln (der Vater sammelte nicht an der Universität Geld für die OLF). Dies habe er seit 2009 gemacht und habe damit im Herbst 2010 aufgehört. Er habe mit der Geldsammlung etwas für sein Volk tun wollen. Davon werde Nachschub wie Essen oder Kleidung gekauft für die Kämpfer. Dieser Kampf finde in N. G. statt. Er habe insgesamt 1.000 Birr gesammelt. Damit habe er dann Probleme bekommen, weil man dies im Campus nicht habe machen dürfen. Er habe Geld bis kurz vor seiner Ausreise gesammelt, weil er wolle, dass der Unterdrückung der Oromo ein Ende gemacht werde. Ihm sei im Rahmen seines politischen Engagements die Rolle des Geldsammelns zugewiesen worden. Er habe auch Probleme gehabt, einen Reisepass zu bekommen, weil er keinen Kebeleausweis besessen habe. Aber ihm sei bei der Beschaffung des Reisepasses von einem Mann geholfen worden. Erst am Schluss hätten sie das mit dem Geld herausgefunden. Er habe, da sein Engagement für die OLF herausgekommen sei, nicht an den Prüfungen teilnehmen können und habe aus dem Campus flüchten müssen. Es sei nicht zu seiner Verhaftung gekommen, da er bei seiner Schwester gewesen sei und nicht im Campus. Ihm selbst sei rätselhaft, wie ihm die Ausreise gelungen sei. Der Mann, dem er das Geld gegeben habe, habe ihm auch bei der Ausreise bei den Kontrollen geholfen.

Mit einem in den Akten befindlichen Schreiben des Bundespolizeipräsidiums in ... vom 16. Januar 2013 wurde mitgeteilt, dass festgestellt worden sei, dass der Kläger nur kurz an den vom DAAD finanzierten Intensivsprachkursen teilgenommen hätte. Danach sei er im Bundesgebiet untergetaucht und hätte zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag gestellt. Er werde ein Ermittlungsverfahren wegen dieser Erschleichungen eingeleitet. Bei diesen Unterlagen befindet sich auch eine Kopie des Reisepasses des Klägers sowie die Stipendienurkunde des DAAD.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 7. März 2014 teilte der Kläger dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, der Kläger habe sich der TBOJ/UOSG angeschlossen. Er habe in dem von der Organisation herausgegebenen Magazin „...“ Ausgabe April 2013 einen regierungskritischen Artikel unter Nennung seines Namens und seines Wohnortes veröffentlicht. Außerdem habe der Kläger an folgenden politischen Veranstaltungen teilgenommen:

Am 27. Juli 2013 bei einer Versammlung in ..., am 30. August 2013 bei einer Demonstration in ... vor dem äthiopischen Generalkonsulat und 18. Januar 2014 bei einer Versammlung in ... Diesem Schreiben waren jeweils Lichtbilder sowie eine Kopie des Artikels beigefügt.

Mit Bescheid vom 19. März 2014, der laut Vermerk (Bl. 117 der Bundesamtsakte) am 20. März 2014 zur Post gegeben wurde, wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt und der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenso wenig wie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rücknahmebereiten Staat angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vortrag des Klägers sei durch Ungenauigkeit und Ungereimtheiten gekennzeichnet. Bereits seine Angaben zur Dauer der Geldsammlung seien widersprüchlich und begründeten Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Abgesehen von den Zeitangaben erweise sich sein Beitrag für die OLF als sehr maginal, da es sich nur um einen kleinen Betrag gehandelt haben könne, den er eingesammelt habe, es stelle sich deshalb die Frage, wie er damit die OLF in ihrem Kampf wirksam unterstützt haben wolle. Seine Angaben hierzu seien lebensfremd und könnten ihm so nicht geglaubt werden. Trotz mehrfacher Nachfragen habe der Kläger keinerlei Ausführungen zur Art und Weise des Sammelns, der Weitergabe und vor allem aber dem Zweck des Sammelns gemacht. Es sei auch zweifelhaft, dass der Kläger mit seinem eigenen Reisepass und einem Visum als angeblich gesuchter Oppositioneller derart unproblematisch über den gut gesicherten Flughafen in Addis Abeba habe ausreisen können. Er sei nicht daran gehindert worden, das Land zu verlassen, so dass davon auszugehen sei, dass er eben nicht gesucht werde. Er habe bis zur Ausreise unbehelligt und quasi privilegiert sogar in seiner Muttersprache Oromo studieren können. Es sei daher nicht glaubhaft, dass er deshalb staatlicherseits verfolgt und inhaftiert worden sei. Seine Forderungen für eine Abteilung für Oromo innerhalb der Universität stellten keine Oppositionstätigkeit dar, sondern seien ein Beitrag bezüglich innerer Angelegenheiten des Universitätsgeschehens. Es sei auch unglaubhaft, dass er inhaftiert worden sei. Sollte er tatsächlich festgenommen worden sein, wäre dies als reine Ermittlungsmaßnahme zu werten. Dies zeige sich auch an der Haftdauer und der Art der Freilassung, da er jeweils problemlos freigekommen sei und sein Studium habe fortsetzen können. Das Interesse der Behörden sei spätestens dann erloschen gewesen. Auch bestehe kein zeitlicher Zusammenhang mehr zur Ausreise, so dass diese in keinster Weise ausreiseauslösend gewesen sein können. Insgesamt müsse das politische Engagement des Klägers angezweifelt werden, da er nur äußerst gering tätig geworden sei und selber niemals als Oromo unterdrückt worden sei. Vielmehr habe viele Jahre lang ein unbehelligtes und sogar privilegiertes Leben als Student führen können. Er habe nicht überzeugend darlegen können, dass er vorverfolgt aus Äthiopien ausgereist sei. Auch aus seinem exilpolitischen Engagement ergebe sich keine andere Erkenntnis. Er habe damit erst lange Zeit nach seiner Einreise, nämlich nach elf Monaten, begonnen und es erschöpfe sich in der dreimaligen Teilnahme an oppositionellen Veranstaltungen, bzw. der Veröffentlichung eines Gedichtes, das aus ca. 16 Zeilen á fünf Wörtern bestehe. Eine ernsthafte Bekämpfung des äthiopischen Regimes könne hierin nicht gesehen werden. Er nehme keinesfalls eine herausragende Rolle ein, es gebe zwar Belege, dass er an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen habe, doch sei dies eine politische Betätigung, wie sie sehr viele äthiopische Staatsangehörige hier in der Bundesrepublik Deutschland durchführten, ohne dass dies als herausragende Betätigung angesehen werden könnte.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 2. April 2014 erhob der Kläger Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes. Zur Begründung macht er geltend, er stamme aus einer politisch aktiven Familie. Der Vater habe für die Organisation Medrek kandidiert und habe aus diesem Grund seine Arbeit verloren. Auch der Bruder des Klägers sei politisch aktiv gewesen und eines Tages verschwunden. Das Online-Stipendium für Germanistik an der Universität Jena habe der Kläger als Gelegenheit zur Ausreise benutzt, die mit Hilfe eines einflussreichen Freundes organisiert worden sei. An die bereits dargestellten exilpolitischen Betätigungen anknüpfend bescheinige die TBOJ/UOSG dem Kläger die Teilnahme an einer Vielzahl von Versammlungen und Demonstrationen im Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2014. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Juni 2014 Bezug genommen.

Seit kurzem sei der Kläger einer von zwei „Editors“ des von der TBOJ/UOSG herausgegebenen Magazins ... Im Impressum eines jeden Magazins sei das gesamte redaktionelle Team namentlich benannt und Fotos veröffentlicht. Unabhängig von der Frage einer bestehenden Vorverfolgung sei die exilpolitische Betätigung des Klägers erheblich und exponiert und falle aus dem üblichen Rahmen heraus. Es sei daher allein aufgrund der exilpolitischen Betätigung von einer erheblichen Rückkehrgefährdung auszugehen. Sein bereits in Äthiopien vorhandenes politisches Interesse habe er hier in der Bundesrepublik Deutschland in politische Aktivitäten umgesetzt. Die aktuelle Situation besonders der oromischen Studenten in Äthiopien sei brenzlig, der Kläger falle exakt in das Gefährdungsprofil der oromischen Studenten, von denen viele bei Protesten getötet oder schwer verletzt worden seien. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die exilpolitische Betätigung des Klägers den äthiopischen Sicherheitskräften bekanntgeworden sei.

Die Situation der Volksgruppe der Oromo sei von der Beklagten unzureichend gewürdigt worden. Denn insbesondere die Oromo und die Anuak würden gezielt vom äthiopischen Militär verfolgt. Es werde über Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, willkürlichen Verhaftungen, Folter, Erniedrigungen und Zerstörung des Besitzes und des Landes von Angehörigen dieser ethnischen Gruppen berichtet. Tausende Oromo-Angehörige seien in den vergangenen Jahren auf den Verdacht hin, Verbindungen zur OLF zu haben verhaftet und in vielen Fällen auch gefoltert worden. Die äthiopische Regierung berücksichtige besonders die Interessen der (eigenen) ethnischen Gruppe der Tigray, während andere Gruppierungen, speziell die Oromo unterdrückt und diskriminiert würden. Auch würden insbesondere Familienangehörige von mutmaßlichen OLF-Mitgliedern immer wieder verhaftet. Mitglieder und Sympathisanten der OLF sowie deren Familienmitglieder unterlägen asylrelevanter Verfolgung und hätten keine sichere oder zumutbare inländische Fluchtalternative innerhalb des Landes. Die von der Regierung ergriffenen Methoden reichten von einer willkürlichen Festnahme über Folter bis hin zu einer langjährigen Überwachung oder der Isolierung der betreffenden Person. Dabei erfolgten Festnahmen von verdächtigen Sympathisanten, Mitgliedern oder Unterstützern der OLF meist willkürlich und ohne dass es Anzeichen für eine Beziehung zur OLF gebe. Nach Berichten von Amnesty International würden in Fällen, in denen gesuchte Personen sich einer Verhaftung durch Flucht entzogen hätten, nahe Verwandte festgenommen, um sie zu zwingen, den Aufenthaltsort des Gesuchten preiszugeben.

Zwischen der TBOJ/UOSG, der der Kläger beigetreten sei und der OLF bestehe teilweise Mitgliederidentität. Es handele sich hierbei um eine der OLF nahestehende Organisation. Da die OLF durch die äthiopische Regierung als terroristische Organisation eingestuft würde, sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass sich die äthiopischen Auslandsvertretungen, auch die in der Bundesrepublik Deutschland, um die Erfassung der in dieser Organisation aktiven Mitglieder bemühten. Da die äthiopische Exilgemeinde in Deutschland relativ überschaubar sei, sei es sehr wahrscheinlich, dass auch weniger exponierte Tätigkeiten wie die Teilnahme an Demonstrationen den äthiopischen Behörden bekannt würde. Diese seien mit Sicherheit bemüht, Veranstaltungen der UOSG durch informelle Geheimdienstmitarbeiter zu überwachen. Mit Ausnahme des Auswärtigen Amtes bejahten alle übrigen Auskunftgeber bei einer Mitgliedschaft und Aktivitäten in der TBOJ/UOSG eine Rückkehrgefährdung, die in einer Verhaftung ohne Anklage und Gerichtsverfahren für einen nicht absehbaren Zeitraum sowie möglicherweise menschenunwürdige Behandlung bis hin zur Folter enden könne. Rückkehrern drohe eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumanen Haftbedingungen als Minimum. Ziel der Befragungen sei, neue Informationen zur Tätigkeit der OLF und der daran beteiligten Personen in Deutschland zu erlangen oder bereits vorhandene Informationen zu verifizieren.

Der äthiopische Staat überwache die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland engmaschig. Die Beobachtung und Erfassung der im Ausland lebenden Äthiopier beschränke sich nicht auf die Unterstützer bestimmter Exilorganisationen und auch nicht auf exponierte Exilpolitiker, sondern beziehe sich ausdrücklich auch auf nicht organisierte Äthiopier, auf Sympathisanten und neutrale Personen, auf Vereine, regelmäßige Treffpunkte usw.. Die Gefahrenabschätzung des Auswärtigen Amtes, das nur erheblich exponierte Mitglieder von als terroristisch angesehenen Organisationen verfolgt würden, lasse sich nicht durch tatsächliche Bekenntnisse belegen. Gegenwärtig spreche Erhebliches für eine weitere Verhärtung des innenpolitischen Klimas. Die Spielräume für die politische Opposition würden stetig geringer.

Der Kläger habe sich in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt und in besonderer Art hervorgetan. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien drohe ihm die sofortige Inhaftierung auf unbestimmte Zeit und in der Haft unmenschliche Behandlung. Aufgrund seiner Betätigung für die TBOF/UOSG werde er als ernstzunehmender Oppositionsangehöriger eingestuft werden und unterliege einer Rückkehrgefährdung in Form von Verhaftung ohne Anklage und Gerichtsverfahren für einen nicht absehbaren Zeitraum sowie menschenunwürdiger Behandlung bis hin zur Folter. Beim Kläger handele es sich um einen politisch interessierten und aktiven ernsthaften oppositionellen Menschen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 19. März 2014 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 AsylVfG zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 7. April 2014,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten, das am 22. September 2014 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, trug der Kläger ergänzend noch vor, es habe am 7. Juni 2014 in ******* eine Versammlung der TBOF/UOSG stattgefunden, an welcher der Kläger teilgenommen habe mit einem eigenen Redebeitrag. Seine Aufgabe sei gewesen, über die Situation in Oromia vorzutragen. Dies habe er in Form eines regierungskritischen Gedichtes getan. Über die Versammlung sei ausführlich im Internet berichtet worden auf der Website der Partei unter TBOJ.de. Am 24. August 2014 habe eine weitere Versammlung der TBOJ/UOSG stattgefunden, an welcher der Kläger ebenfalls teilgenommen habe mit einem eigenen Redebeitrag. Die Versammlung habe in ********stattgefunden. Auch hierüber sei im Internet berichtet worden auf der bereits genannten Website der Partei.

Auch am 29. September 2013 habe der Kläger an einer Demonstration vor dem Äthiopischen Generalkonsulat in ...* bei einer Demonstration gegen die äthiopische Regierung teilgenommen. Auch hierüber sei im Internet berichtet worden, auf allen Fotodokumentationen über die genannten Veranstaltungen sei der Kläger zu sehen.

Die Menschenrechtslage in Äthiopien habe sich weiter verschlechtert. Mitglieder von oppositionellen Parteien würden verhaftet, bedroht und verließen aus Angst vor staatlicher Repression das Land. Die äthiopische Regierung unterhalte ein äußerst effektives Überwachungssystem im Land. Es existiere ein gutes Netzwerk an Informanten, welche die Tätigkeit von Organisationen und Personen überwachten. Diese Erkenntnisse der äthiopischen Bevölkerung von der Überwachung führe zur Selbstzensur und bewirke eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit. Viele Menschen trauten sich selbst in privaten Gesprächen nicht, Kritik an der Regierung zu üben. Die Regierung sperre Websites und gehe konsequent gegen regierungskritische Blocker vor. Das äthiopische Parlament habe im Jahr 2013 die information network security agency (INSA) mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Seither könne die INSA Computernetzwerke sowie das Internet, Radio, Fernsehen und Socialmedia überwachen. Auch äthiopische Staatsangehörige im Exil würden überwacht. Die Äthiopischen Botschaften rekrutierten zunehmend Informanten, welche die Tätigkeiten in der Diaspora beobachteten.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkte Klage ist zulässig und begründet.

Die Ziffern 1, 3, 4 und 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylVfG). Aus diesem Grund war der Bescheid, wie beantragt, insoweit aufzuheben.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylVfG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylVfG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylVfG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylVfG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylVfG den internen Schutz.

§ 3 a Abs. 3 AsylVfG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylVfG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.

Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylVfG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er sich nach Überzeugung der Einzelrichterin aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb Äthiopiens aufhält, § 3 Abs. 1 AsylVfG. Aus diesem Grund darf er nicht nach Äthiopien abgeschoben werden, § 60 Abs. 1 AufenthG.

Dabei beruht seine begründete Furcht vor Verfolgung auf einem Verhalten des Klägers nach Verlassen seines Heimatlandes, das als Ausdruck und Fortsetzung seiner bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung angesehen werden muss, § 28 Abs. 2 AsylVfG.

Nach Überzeugung der Einzelrichterin ist der Kläger unabhängig von der Frage einer Vorverfolgung wegen seines ernsthaften und herausgehobenen exilpolitischen Engagements in Deutschland für die TBOJ/UOSG in Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht.

Nach dem Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und seinen schlüssigen und widerspruchsfreien Schilderungen hat er sich glaubhaft bereits im Heimatland für die Belange der Oromos an der Universität eingesetzt und ist gemeinsam mit seinem Vater für die OLF aktiv gewesen.

Auch die Schilderungen zu seinem Reiseweg waren glaubhaft, was die Glaubwürdigkeit seiner Einlassungen insgesamt bestärkt.

Maßgebend ist für die Flüchtlingsanerkennung jedoch, dass er sich seit seiner Einreise in das Bundesgebiet bei der TBOJ/UOSG in Bayern engagiert, seit 24. August 2014 ist er Mitglied der UOSG Bayern und seit Dezember 2014 ist er Redakteur des Magazins „...“. Seine Tätigkeiten für die Partei und die Zeitschrift konnte er detailreich beschreiben, seine Angaben waren nachvollziehbar und glaubhaft.

Weiterhin wurde ihm die Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen der TBOJ bescheinigt (Schreiben vom 6. Januar 2015), auch mit Redebeiträgen, die ihn aus der Zahl der einfachen Anhänger deutlich herausheben.

Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung missliebig sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen, drohen in Äthiopien Verfolgungen aufgrund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert da den Behörden dazu die Reserven fehlen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem bei Rückkehr zu Verhaftungen gekommen ist. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind.

Insgesamt lässt sich nach Auffassung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen im Wesentlichen entnehmen, dass jedenfalls Personen, die bereits in Äthiopien dem äthiopischen Staat regimekritisch aufgefallen sind und die sich hier in der Bundesrepublik exponiert exilpolitisch betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer darstellen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger genau überwacht (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A).

Da der Kläger seit seiner Einreise ab Oktober 2012 für die TBOJ/UOSG aktiv ist und nach seinen nachvollziehbaren Schilderungen aus diesem Grund mittlerweile in den Vorstand der TBOJ Bayern gewählt wurde, ist auch ein entsprechender ernsthafter politischer Wille anzunehmen, zumal der Kläger auch schon vor seiner Ausreise politisch für die OLF tätig gewesen ist, auch wenn es in diesem Zusammenhang noch nicht zu politisch motivierten Verfolgungshandlungen der äthiopische Behörden gegen ihn gekommen ist. Eine 10tägige Verhaftung - beschrieb er im Zusammenhang mit Unruhen an der Universität, so dass es sich eher um eine ordnungsrechtliche Maßnahme gehandelt hat. Ein Engagement in der politischen Opposition macht nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in Äthiopien vom 8. April 2014 Oromos für die äthiopischen Sicherheitskräfte häufig der Nähe zur OLF verdächtig, die als terroristische Vereinigung gilt.

Da der Kläger nicht den Aberkennungsausnahmen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt und auch nicht den in § 3 Abs. 3 AsylVfG anderweitigen Schutzumfang genießt, ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§3 Abs. 4 AsylVfG).

Nachdem die Klage im Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung mehr über die hilfsweise gestellten Anträge.

Gleichwohl war der streitgegenständliche Bescheid auch in den Ziffern 3 und 4 wegen Gegenstandslosigkeit aufzuheben, vgl. § 31 Abs. 3 und 2 AsylVfG (Beck’scher Onlinekommentar, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 6. Edition, Stand 1.1.2015, § 31 AsylVfG Rn. 23 f.).

Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 war aufzuheben, weil ihr wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die rechtliche Grundlage fehlt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung mit Abwendungsbefugnis folgt §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 05/09/2018 00:00

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist äthiopischer St
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.