Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung … Dieses Grundstück ist im Norden mit einem Wohnhaus und Garage bebaut und grenzt im Südwesten auf einer Länge von 5 m an das vom Grundstück Fl.Nr. … herausgemessene Grundstück Fl.Nr. … an. Dieses Grundstück wurde von der Beigeladenen laut notariellem Kaufvertrag vom 6. Dezember 2013 erworben. Dieses Grundstück soll mit einer zwischen den Grundstücken Fl.Nr. …und … geplanten Zufahrt von der im Süden hiervon verlaufenden … aus straßenmäßig erschlossen werden.
Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „…“, der für das Grundstück Fl.Nr. … (Baugrundstück) keine Baugrenze festsetzt. Gemäß Bauantrag vom 22. Januar 2014 beabsichtigt die Beigeladene, dieses Grundstück mit einem Einfamilienwohnhaus mit Carport und Garage zu bebauen.
Nach den Bauvorlagen vom 20. Januar 2014 ist die Errichtung eines eingeschossigen Baukörpers mit Dachgeschoss in Abweichung vom Bebauungsplan, der eine Dachneigung bis zu 33 Grad vorsieht, mit einer Dachneigung von 35 Grad geplant. Die Bauvorlagen wurden von der Klägerin nicht unterschrieben.
Zu diesem Vorhaben erteilte der Markt … in der Sitzung seines Bau- und Umweltausschusses vom 27. Januar 2014 sein Einvernehmen.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erteilte das Landratsamt … der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter Gewährung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und hinsichtlich Dachneigung.
In den Gründen führte das Landratsamt an, dass die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar seien.
Dieser Bescheid wurde der Klägerin mit Einschreiben (Aufgabe zur Post am 25. Februar 2014) zugestellt.
Mit dem bei Gericht am 24. März 2014 eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 24. Februar 2014 aufzuheben.
Die Voraussetzungen für die erteilte Befreiung lägen nicht vor.
Das Grundstück Fl.Nr. … grenze an keine öffentlichen Verkehrswege an und sei daher nicht über einen öffentlichen Weg/Straße zugänglich. Es sei nicht erschlossen. Der Bebauungsplan weise eine Bebauungsgrenze auf, die ausschließlich auf dem Grundstück Fl.Nr. … liege. Mit der Befreiung von den im Bebauungsplan festgeschriebenen Baugrenzen werde in die Grundzüge der bisherigen Planung eingegriffen und von den Festlegungen des bestehenden Bebauungsplanes abgewichen.
Dies führe zu einer unzumutbaren Verdichtung des ausgewiesenen Baugebiets. Dieses zeichne sich durch eine großzügige und luftige Bebauung aus. Die ganze „Siedlung“ habe den großzügigen und luftigen Charakter einer Bungalowsiedlung. Aus dem Katasterplan sei ersichtlich, dass die Bebauungsgrenzen in dem Gebiet so angelegt seien, dass zwischen der Bebauung großzügige Freiflächen vorhanden seien, die größtenteils mehr als die bebaubare Fläche betragen würden. Eine Bebauung würde zu einer verdichteten Bebauung führen, da auch den angrenzenden Grundstückseigentümern eine Teilung der Grundstücke und eine zusätzliche Bebauung nicht verwehrt werden könnte. Diese Verdichtung zerstöre den vorhandenen und durch den Bebauungsplan festgelegten Charakter einer Bungalowsiedlung vollständig.
Auf Grund der Hanglage der Grundstücke Fl.Nr. … und … entstehe bei einem Neubau in nördlicher Richtung zwangsläufig ein zusätzliches Vollgeschoss. Die im Bebauungsplan festgelegte Traufhöhe würde an der nördlichen Seite erheblich überschritten. Die Dachneigung des geplanten Bauvorhabens entspreche nicht den Vorgaben für das Bebauungsgebiet. Die erteilte Befreiung von den diesbezüglichen Festsetzungen des Bebauungsplans führe zu einer Änderung der gesamten Struktur des Bebauungsgebietes und sei deshalb planerisch nicht vertretbar.
Die Teilung des streitgegenständlichen Grundstücks mit einer geplanten Bebauung führe nunmehr dazu, dass eine gesonderte Zuwegung erforderlich sei. Diese sei nur von der … aus über das Grundstück Fl.Nr. … denkbar. Der erforderliche Zufahrts Weg für Feuerwehr und Räumungsfahrzeuge mit den erforderlichen Wende- und Schwenkbereichen sei auf Grund der vorhandenen Bebauung nicht zu bewerkstelligen.
Selbst bei einer ordnungsgemäßen Zuwegung würde dies zu einer erheblichen Änderung des Bebauungsgebietes führen und eine Zersiedelung zwangsläufig nach sich ziehen. Die streitgegenständliche Baugenehmigung widerspreche den vom Markt … aufgestellten Gestaltungsrichtlinien für die örtliche Bebauung. Nach diesen Richtlinien solle gerade die Baukultur und regionale Bautradition gefördert werden. Aus diesen Gründen seien das streitgegenständliche Bauvorhaben und die damit verbundenen Abweichungen städtebaulich nicht vertretbar.
Die an die Straßen gelegten Bebauungsgrenzen hätten zum Ziel, einen parkähnlichen Freiraum zwischen den Gebäuden zu schaffen, um den dort vorhandenen alten Baumbestand und die reichhaltige Fauna zu erhalten. An der nördlichen Grenze des streitgegenständlichen Grundstücks befinde sich eine sehr große, mehr als 50 Jahre alte Weide mit einem Stammumfang von über 1,50 m. Diese Weide präge den parkähnlichen Charakter der Grünflächen zwischen der Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. … bis ... und … Weiden gehörten zu den Flachwurzlern und hätten ein großräumiges tellerförmiges weit verzweigtes Wurzelwerk, welches über den Durchmesser der Krone hinausgehe, um dem Baum die ausreichende Standsicherheit zu geben. Würden diese Wurzeln gekappt, verliere der Baum seine Standfestigkeit. Die geplante Bebauung sei nur möglich, wenn die auf das Grundstück Fl.Nr. … ragenden Wurzeln der Weide gekappt würden. Zumindest werde ein erheblicher Rückschnitt der Baumkrone der Weide notwendig sein. Da ein einseitiger Rückschnitt nicht möglich sein dürfte, müsste die Weide komplett auf allen Seiten erheblich zurückgeschnitten werden. In den dortigen Bäumen befänden sich regelmäßig Buntspechte, Kleinspechte und der als besonders streng geschützte
Grünspecht. Durch den geplanten Neubau werde das Erdreich bzw. die Oberfläche verdichtet und durch diese Verdichtung werde die Bewässerung der vorhandenen Fauna, insbesondere von den Weiden, negativ beeinflusst. Naturschutzrechtliche Belange stünden dem geplanten Bauvorhaben entgegen.
Die Beklagte habe die nachbarlichen Interessen bei der Erteilung der Baugenehmigung nicht berücksichtigt.
Die notwendige zusätzliche Zuwegung würde eine Belästigung der Nachbargrundstücke, insbesondere der westlich angrenzenden Grundstücke, mit sich bringen. Der Auto- und Personenverkehr würde durch die geschaffene neue Zuwegung in der Ruhezone der Nachbarn stattfinden. Auch die Klägerin würde durch den zusätzlichen Zu Weg und den damit verbundenen Auto-und Personenverkehr belästigt, da sich ihre Terrasse und damit ihre Ruhezone genau auf der Höhe des freien, nicht durch andere Bebauung abgeschirmten Teils der Zuwegung zum streitgegenständlichen Bauvorhaben befinde und Lärm- und Abgase ungehindert bis zu ihrer Terrasse vordringen könnten.
Die örtliche Flora diene als natürliche Abgrenzung zu anderen Grundstücken und als Schutz der Privatsphäre. Durch die Baumaßnahme müssten die im südlichen Bereich des Grundstücks Fl.Nr. … an der östlichen und westlichen Grundstücksgrenze befindlichen Bäume entfernt werden. Damit würde ein empfindlicher Teil der natürlichen Abgrenzung zum Grundstück der Klägerin wegfallen. Die dortigen Weiden stellten eine Abgrenzung und einen Lärm- und Sichtschutz für das Grundstück der Klägerin dar.
Die Befreiung von der im Bebauungsplan festgelegten Dachneigung würde den Charakter der Bungalowsiedlung zerstören und zu einer Veränderung der Lichtverhältnisse auf den angrenzenden Nachbargrundstücken führen. Eine steilere Dachneigung bringe einen längeren Schattenwurf auf das Grundstück der Klägerin mit sich. Zudem würde die weitläufige, parkähnliche Aussicht von der Terrasse der Klägerin zerstört, wenn nunmehr in einer Entfernung von ca. 20 m ein steiler Giebel in den Himmel rage. Die Terrasse werde bei Ausbau des Dachgeschosses des streitgegenständlichen Bauvorhabens vollständig einsehbar.
Das Landratsamt … beantragte, die Klage abzuweisen.
Die Befreiung von der Baugrenze widerspreche nicht dem städtebaulichen Konzept. Nachbarschützende Rechte würden nicht verletzt. Der Bebauungsplan sehe für jedes Grundstück ein Baufenster für ein Wohnhaus vor. Dass die Bebauung im nördlichen Bereich des ursprünglichen Grundstücks Fl.Nr. … verhindert werden sollte, sei keinesfalls erkennbar. Vielmehr könne unterstellt werden, dass der Satzungsgeber für das neue Grundstück Fl.Nr. … auch ein Baufenster vorgesehen hätte. Die Nachverdichtung sei unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden gewünscht, um die zusätzliche Inanspruchnahme von Bauflächen zu verringern. Auf § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB werde verwiesen. Im Zuge der Nachverdichtung seien im Baugebiet bereits vergleichbare Bauvorhaben mit der dafür erforderlichen Befreiung von der Baugrenze genehmigt worden. Die genehmigte Dachneigung weiche lediglich um 2 Grad von den Festsetzungen des Bebauungsplanes ab. Das städtebauliche Konzept werde auch hierdurch nicht beeinträchtigt.
Die Erschließung sei auf Grund des Verlaufs der neuen Grundstücksgrenze gesichert. Anders als in der Klageschrift dargestellt, sehe die neue Grundstücksgrenze eine Zufahrtsmöglichkeit westlich des auf Fl.Nr. … bereits bestehenden Wohnhauses vor. Die neue Zuwegung verletze die Klägerin nicht in ihren nachbarschützenden Rechten. Die Gestaltungsrichtlinien stünden der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht entgegen. Das Bauvorhaben liege nicht einmal im Geltungsbereich der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … Ein möglicherweise notwendiger Rückschnitt von Bäumen und die eventuell entstehenden Einsichtsmöglichkeiten des Nachbarn auf eine Terrasse stünden einer Bebauung nicht entgegen.
Mit Beschluss vom 25. April 2014 (AN 3 S. 14.00460) hat die Kammer den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
Auf die Beschwerde der Klägerin hin ordnete der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Be-schluss vom 29. Juli 2014 (Az. 9 CS 14.1171) die aufschiebende Wirkung der Klage an und führte im Wesentlichen folgendes aus: Der Senat gehe mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Klägerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße und auch die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestandes und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin, dass die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze sie in ihren Nachbarrechten verletze, lasse derzeit aber noch keine hinreichend sichere Prog nose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu. Die Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück Fl.Nr. … nachbarschützende Wirkung entfalte, lasse sich nach summarischer Prüfung nicht ohne Weiteres beantworten. Anhaltspunkte für eine nachbarschutzvermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauBG) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplanes, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend sei jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein nachbarschutzvermittelndes „Austauschverhältnis“ könne etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt seien, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entstehe (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [rückwärtiger Ruhebereich]). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass der Festsetzung der „seitlichen und rückwärtigen“ Baugrenzen nicht auch zumindest zum benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, sei auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lasse sich nämlich das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der …- und … sowie dem …- und … gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1 bis 1 14 geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spreche unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führe nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („gründe“) Fläche von ca. 40 bis 60 m entstehe, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen.
Im Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 nahm das Landratsamt … im Wesentlichen hierzu wie folgt Stellung: Weitere Unterlagen zum Bebauungsplan (insbesondere eine Begründung oder eine Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse) seien nicht mehr auffindbar. Nachdem die Bebauungsplanbegründung und Abwägungsentscheidungen der Gemeinde nicht gewürdigt werden könnten, sei eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzunehmen.
Fakt sei hierbei, dass im gesamten Bebauungsplangebiet fast einheitlich große Grundstücke ausgewiesen worden seien, die dem damaligen Standard entsprochen hätten und allgemein finanzierbar gewesen seien. Weiterhin habe zum damaligen Zeitpunkt ein Bungalow die bevorzugte mondernste Wohnform dargestellt. Aspekte mit Umweltbezug seien auf Grund der damals niedrigen Energiekosten und der einen starken Energieverbrauch fördernden Bauweise lokalisiert an einem Nordhang wohl außen vor geblieben. Umweltbezogene Erwägungen (wie z.B. Schaffung von Ruhezonen,) die im Laufe der Zeit wohl frühestens ab Mitte der 80iger Jahre des vorherigen Jahrhunderts Eingang in bauplanerisches Denken und das allgemeine Empfinden gefunden hätten, könnten nicht als allgemeines Gedankengut der planenden Gemeinde, die zum damaligen Zeitpunkt die ersten beiden Bebauungspläne aufgestellt habe, unterstellt werden. Aus der Gesamtschau werde nicht ersichtlich, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jedem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten. Es würden Bereiche überwiegen, in denen sich durch die Anordnung der Straßen Zonen ergäben, in denen die Gartenbereiche deutlich kleiner ausfallen würden. Die Anordnung um das geplante Baugrundstück stelle deshalb einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung dar. Sollte eine Nachverdichtung in diesem Bebauungsplan ausgeschlossen werden, könne ein Besitzerwechsel der Grundstücke wohl nur noch im Erbfall und nicht mehr durch Kauf erfolgen, da bei den heutigen Grundstückspreisen ein Erwerb nur noch wenigen sehr gut verdienenden und nicht mehr einem durchschnittlich verdienenden Bürger möglich sein sollte.
Im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. November 2014 ließ die Klägerin auf dem Schriftsatz des Beklagten vom 9. Oktober 2014 im Wesentlichen folgendes erwidern: Soweit der Beklagte eingeräumt habe, dass die Bebauungspläne sowie eine Begründung oder eine Abwägung der dargestellten Gemeinderatsbeschlüsse nicht mehr auffindbar seien, sei zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass der Wille der Gemeinde als Planungsträger wohl auch die Interessen der Klägerin schütze. Es sei auch auf den Zeitpunkt der Planung abzustellen.
Tatsächlich seien die in dem Bebauungsplangebiet verkauften Grundstücke seinerzeit nahezu gleich groß gewesen. Letztendlich habe sich durch die Anordnung der Grundstücke eine Ruhezone zwischen den Häusern ergeben. Insoweit sei sehr wohl davon auszugehen, dass diese seinerzeit auch der Planung entsprochen habe. Auch die Größe der Grundstücke spreche letztendlich dafür, dass es den jeweiligen Parteien ermöglicht worden sei, sich von ihren Nachbarn durch entsprechende Anpflanzungen abzugrenzen, zumal die Grundstücke direkt aneinander angrenzten. Tatsächlich hätten sich hierdurch entsprechende Ruhezonen ergeben. Letztendlich könne der Beklagte auch nicht damit gehört werden, dass auf Grund der jetzigen Grundstücksgröße Grundstücke lediglich noch vererbt, jedoch auf Grund des hohen Kaufpreises nicht mehr verkauft werden könnten. Auch zum damaligen Zeitpunkt, als die Grundstücke letztmalig veräußert worden seien, stellte dies eine privilegierte Wohngegend dar. Auch damals seien die Grundstückspreise von einem durchschnittlich verdienenden Bürger kaum finanzierbar gewesen. Insoweit hätten sich seither auch keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte des Landratsamtes … (BV-Nr. H 2014-0057) Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann auf Grund öffentlich-rechtlicher Normen das der Beigeladenen genehmigte Bauvorhaben nicht abwehren.
Die Klägerin wird durch die vom Landratsamt … mit Bescheid vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung … in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die gemäß Art. 68 Abs. 1 1. Halbsatz BayBO zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen, haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass die Nachbarn durch die Genehmigung zugleich in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 - 4 C 14.87, BayVBl. 1990, 154 ff.).
Die Klägerin wird durch den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes … vom 24. Februar 2014 weder in Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die gerade dem Schutz individueller Interessen dienen, noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme verletzt.
Zum Vortrag der Klägervertreterin hat die Kammer bereits in dem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 25. April 2014 (AN 3 S. 14.00460) Stellung genommen. Zu den Ausführungen hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme und zu den klägerischen Einwendungen hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … hat der BayVGH in dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 (9 CS 14.1171), auf den Bezug genommen wird, ausgeführt, dass dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhilft. Auch im Hauptsacheverfahren ist davon auszugehen, dass die Nachbarklage insoweit nicht erfolgreich ist.
Die nach dem o.g. VGH-Beschluss streitige Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ „für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze nachbarschützende Wirkung entfaltet“ lässt sich nach den Erkenntnissen des Hauptsacheverfahrens nicht zu Gunsten der Klägerin, sondern zu Gunsten der Beigeladenen dahingehend beantworten, dass nicht von einer nachbarschützenden Funktion dieser seitlichen und rückwärtigen Baugrenze auszugehen ist.
Ausgehend vom Grundsatz, dass Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung haben, und der Überlegung, dass die Beantwortung der Frage, ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, vom Willen der Gemeinde als Planungsträger abhängt, hat die Kammer versucht, im Hauptsacheverfahren eine Klärung herbeizuführen.
Wie aber aus der Stellungnahme des Landratsamtes … vom 9. Oktober 2014, die sich auf die vorgelegten Schreiben des Marktes … vom 4. September 2014 und der Regierung von Mittelfranken vom 19. September 2014 bezieht, ersichtlich, sind weitere Unterlagen zum Bebauungsplan, insbesondere eine Begründung oder die Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse nicht (mehr) auffindbar, so dass die Frage der nachbarschützenden Funktion der seitlichen und rückwärtigen Baugrenze im Bebauungsplan „…“ trotz aller Bemühungen des Gerichts unerweislich ist.
Es handelt sich damit um eine Frage der materiellen Beweislast (vgl. Kopp/Schenke VwGO, 15. Auflage, 2007, § 108 RdNr. 11).
Der Verwaltungsprozess kennt im Gegensatz zum Zivilprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und keine Beweisführungspflicht (formelle Beweislast), da diese mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht vereinbar wären, sondern nur die materielle Beweislast des „non liquet“, das heißt die Notwendigkeit, die trotz aller Bemühungen des Gerichts gegebenenfalls verbleibende Unerweislichkeit von Tatsachen zu Lasten des Klägers oder des Beklagten gehen zu lassen.
Die Frage, wer die materielle Beweislast in diesem Sinne trägt, ist unerheblich von der Parteirolle des Klägers oder Beklagten im Prozess, da sie nach der Rechtsprechung eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Prozessrechts ist.
Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (Kopp/Schenke, a.a.O. § 108 RdNr. 13). Für die Frage der Nachbarklage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 1969, IV C 18.67, NJW 1970, 263 festgestellt, dass nach dem Grundsatz, jeder Beteiligte trage die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen, den klagenden Nachbarn regelmäßig die Beweislast trifft. Insoweit führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass gerade für den typischen Fall der Nachbarklage, in dem sich, was den grundsätzlichen Interessengegensatz anlangt, nicht der Nachbar und die Behörde, sondern Nachbar und Bauherr gegenüberstehen, jene Formel durchaus zu angemessenen Ergebnissen führt.
Übertragen auf den vorliegenden Fall trägt demnach die Klägerin als Nachbarin die materielle Beweislast dafür, dass die im Bebauungsplan „…“ festgesetzten seitlichen und rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützende Wirkung haben.
Die oben ausgeführte Unerweislichkeit dieser Tatsache geht damit zu ihren Lasten. Zu Gunsten der beigeladenen Bauherrin ist davon auszugehen, dass das Landratsamt bei den in der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und Dachneigung eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen dieses Bebauungsplanes erteilt hat.
Soweit der BayVGH in seinem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 bei der Frage, ob die Festsetzung eines Bebauungsplanes ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenaus gleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll, darauf abstellt, dass letztlich ausschlaggebend sei, eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzunehmen und insoweit anführt, dass ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ etwa dann gegeben sein kann, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht und sich insoweit auf einen Beschluss des 14. Senats vom 27. April 2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“] bezieht, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:
Wie sowohl aus dem Lageplan als auch aus dem vorgelegten Bebauungsplanauszug ersichtlich, haben nur die vier südlich des … und nördlich der … gelegenen Grundstücke mit den Fl.Nrn. …, …, … (Grundstück der Klägerin) und … dazu beigetragen, dass bislang eine unbebaute grüne Fläche zwischen den jeweiligen Wohnhäusern entstanden ist. Einen Beitrag zu dieser unbebauten grünen Fläche haben jedenfalls nicht die hiervon östlich entlang des … und westlich entlang der … gelegenen Grundstücke geleistet, weil insbesondere entlang der … die Baugrenzen so gezogen sind, dass außerhalb der überbaubaren Flächen keine weiteren unbebaute grüne Flächen entstehen können. Wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung des 14. Senates so weit gehen will, dass in einem einheitlich bebauten Straßengeviert die rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützend sind, weil im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht, so würde dies bedeuten, dass bei allen innerhalb dieses Straßengevierts gelegenen Grundstücken jegliche Erweiterungsmöglichkeit unterbunden wäre. Nachdem im vorliegenden Fall die unbebaute („grüne“) Fläche hauptsächlich auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken entstanden ist, würde dies bedeuten, dass eine Erweiterungsmöglichkeit nur auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken nicht möglich ist, nicht aber auf den seitlichen entlang der … und entlang des … gelegenen Grundstücken, da diese nicht unter der Prämisse des Nachbarschutzes stünden.
Die Kammer teilt die Auffassung des Landratsamtes …, dass aus der Gesamtschau nicht ersichtlich sei, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jenem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten, sondern, dass die Anordnung um das geplante Baugrundstück einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung darstelle.
Aus der im Bebauungsplanauszug enthaltenen Bezeichnung „Bungalowsiedlung“ im streitgegenständlichen Bereich kann die Klägerin kein Abwehrrecht dahingehend ableiten, dass die außerhalb der überbaubaren Flächen gelegenen Flächen aus Gründen des Nachbarschutzes unbebaut bleiben sollen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnet der aus dem indischen Sprachraum kommende Begriff „Bungalow“ ausschließlich, dass es sich um ein eingeschossiges Haus handelt, das häufig, aber nicht notwendigerweise ein Flachdach besitzt. Demnach verbleibt es, wie bereits im Eilbeschluss der Kammer vom 25. April 2014 ausgeführt, dabei, dass die betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baugrenze und hinsichtlich der Dachneigung keine nachbarschützende Funktion haben. Soweit die Klägerin meint, sie könne eine Bebauung des neu entstandenen Grundstückes Fl.Nr. … deswegen abwehren, weil eine etwaige Bebauung in die Wurzeln der auf ihrem Grundstück stehenden Weide eingreifen würde, ist dies öffentlich-rechtlich unbeachtlich. Letztlich ist dies ein zivilrechtliches Problem des § 910 BGB (Überhang von Wurzeln und Zweigen), was aber im öffentlichen Recht nicht zu würdigen ist. Insoweit ist auf die Vorschrift des Art. 68 Abs. 4 BayBO zu verweisen, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird.
Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass die mit der erteilten Baugenehmigung zugelassene Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. … gegenüber dem Anwesen der Klägerin nicht rücksichtslos ist.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.